Editorial | Vom Umgang mit anderen Zeiten
Ist Kunst politisch? Muß Kunst politisch sein? Muß sie nur jetzt politisch sein? Ist die Aussage, unpolitisch zu sein oder die Annahme, sich unpolitisch zu verhalten, nicht auch politisch, da ein status quo akzeptiert oder bestätigt wird? Ist es bereits ein politischer Akt, ein Liebesgedicht zu schreiben oder Blumen zu malen? Ist es nur jetzt ein politischer Akt, ein Liebesgedicht zu schreiben oder Blumen zu malen? Sind es politische Akte, Marschmusik zu spielen, Wiener Walzer zu spielen oder ABBA zu spielen? Ist es bereits politisch, wenn die Blumen in einem besonderen Stil gemalt, die Liebesgedichte in einer besonderen Weise geschrieben werden? Ist ein formal konventionelles Liebesgedicht bereits politisch, wenn es sich einem gesellschaftlich unkonventionellen Liebesobjekt widmet oder Tabus bricht? Ist jede experimentelle Kunst politisch? Ist irgendeine künstlerische Debatte jetzt an der Tagesordnung? Gefährdet eine innerhalb des Kunstbetriebs geführte Debatte jetzt die Künstlerinnen und Künstler? Kann man jetzt genauso leicht Kritik an einer künstlerischen Auffassung, an einer ästhetischen Ausformung, an einem Werk üben als vor, sagen wir, einem halben Jahr? Wovor hätte man jetzt Angst? Hat man jetzt Angst, mit der Kritik Leuten in die Hände zu spielen, die strikt zwischen guter und schlechter Kunst unterscheiden? Müßte man jetzt Angst haben, Künstlerinnen und Künstlern ganz konkret zu schaden, wenn man sich kritisch und ernsthaft mit ihren Werken, ihren Konzeptionen auseinandersetzt? Verhindern Emigration, Aufführungsverbote, Tourneeabsagen, Veröffentlichungsverbote weitere kritische künstlerische Entwicklung und Auseinandersetzung? Ist innere Emigration ein Zeichen, das wahrgenommen wird? Halten wir die Kunst lebendig. Üben wir uns in Kritik und Kritikfähigkeit, in lebendiger, öffentlicher, engagierter, sachlicher und wissender Auseinandersetzung. Alles geschieht jetzt vor einem anderen Hintergrund. Das wahrzunehmen und sich zugleich nicht beirren zu lassen, soll uns bei der Suche nach Antworten, in unseren Worten und Taten leiten. U.S.
P.S. Informieren Sie sich gezielt über kulturpolitisches Geschehen in Österreich, z.B. mit der Homepage des Literaturhauses Wien:Literaturhaus Wien
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Lieder aus 5 Jahrhunderten
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Donnerstag, 9. März, 20 Uhr im Bierstindl Lieder aus 5 Jahrhunderten - weiblich, politisch. Mit Gina Pietsch (Gesang) und Dietmar Ungerank (Gitarre). In Zusammenarbeit mit dem Kulturgast Haus Bierstindl.
Mehr als willige Spenden ....
Das Duo Gina Pietsch und Dietmar Ungerank gastierte bereits im Vorjahr mit einem außergewöhnlichen Brecht-Programm im Literaturhaus am Inn. Das neue Liederprogramm beschäftigt sich mit Texten von und über Frauen. Um weiblicher Freud' und weiblichem Leid auf die Spur zu kommen, wurde aus nicht weniger als 500 Jahren geschöpft, u.a. sind vertonte Texte von Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Bertolt Brecht, Julie Schrader, Lotte Ingrisch und Ingeborg Bachmann zu hören.
"Gina Pietsch aus Ostberlin, Chansonette aus der Erblinie Brecht-Weill-Eisler-Dessau und der Interpretinnen-Sippe einer Therese Giehse und Lotte Lenya, ... kam, sah und eroberte ihr Publikum im Sturm. Ihre dralle Bühnenpräsenz, ihr urwüchsiges Stimmorgan, ihre facettenreiche Schauspielkunst, ihr proletarischer Charme sind unwiderstehlich" (Die Welt, 8.5.95).
Der Konzertgitarrist Ungerank, Wahldeutscher Tiroler Herkunft, begleitet die starke Stimme bestimmt und feinsinnig.
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Haus der Kindheit |
Mittwoch, 15. März, 20 Uhr: Anna Mitgutsch liest aus ihrem neuen Roman Haus der Kindheit (Luchterhand 2000).
Eintritt frei.
Seit seinen Kindertagen hat Max die Fotografie des Hauses vor Augen, das seine Mutter in Österreich verlassen mußte. Es bindet ihn an das Europa seiner jüdischen Vorfahren, obwohl er seit seiner Kindheit in New York lebt. Als er sich aber bemüht, in den Besitz des Hauses zurückzugelangen, muß er sich fragen, was er eigentlich sucht: ein Gebäude; Menschen, mit denen er sein Leben teilen möchte; eine Heimat, verschüttet unter den Überresten der Geschichte; oder möchte er dem einzigen Traum seiner Mutter zur Wirklichkeit verhelfen?
"Haus der Kindheit" ist ein Roman über die Liebe zu einer Heimat, die nur noch in der Erinnerung betreten werden kann.
Anna Mitgutsch, geboren 1948, Studium der Germanistik und Anglistik, lehrte an zahlreichen Universitäten, vor allem in den USA. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin in Linz. Für ihre Werke (vgl. u.a. Die Züchtigung, 1985; Das andere Gesicht, 1986; Abschied von Jerusalem, 1995; Erinnern und Erfinden. Grazer Poetikvorlesungen, 1999) erhielt sie zahlreiche Preise. Anna Mitgutsch ist auch als Literaturkritikerin und Übersetzerin tätig.
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Schwesternschaft |
Dienstag, 4. April, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation
Gabriele Wohmann. Gabriele Wohmann liest aus: Schwestern (Piper 1999).
Eintritt frei.
In ihrem 1999 erschienenen Band mit Erzählungen geht Gabriele Wohmann dem "wundervoll komplizierten" Thema der Schwesternschaft nach. Wohmann folgt in ihren Geschichten grundverschiedenen Schwesternpaaren. Über die porträtierten Frauen werden Alter und Jungend, sense und sensibility, Gelassenheit und Schlaflosigkeit, Verschiedenheit, Gemeinsamkeit und Kenntnis voneinander zum Thema. Und: die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Verhältnis: "'Wenn es jemand auf der Welt gibt, der mich niemals stören könnte, dann ist es meine Schwester', meinte sie auf dem Weg zum Telefon und versäumte fast den ganzen restlichen Film."
Gabriele Wohmann, geboren 1932, gilt als eine der wichtigsten Erzählerinnen der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahrzehnte. Seit dem Erscheinen ihrer ersten Erzählung 1957 hat sie zahlreiche Romane, Erzählungen, aber auch Theater- und Fernsehstücke, Hörspiele und Gedichte veröffentlicht. Gabriele Wohmann wurde für Ihr Werk mit Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Bremer Literaturpreis und den Konrad-Adenauer-Preis für Literatur.
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Dostoevskij lesen |
Freitag, 7. April, 18.00 Uhr: Dostoevskij lesen. Kulturkritik und Spiritualität. Ein Samowargespräch im Rahmen des Osterfestivals "Musik der Religionen: Mut, Liebe| Europas vergessener Osten" In Zusammenarbeit mit der Galerie St. Barbara.
Eintritt frei.
Zum Anfang des letzten Jahrhunderts waren Fedor Dostoevskijs Werke wichtige Lektüre vieler Intellektueller. Die Rezeption legte ihren Schwerpunkt entweder auf die Spiritualität oder auf die Kulturkritik des russischen Dichters. Wie hängen diese beiden Stränge zusammen? Ist Spiritualität Kulturkritik? Welche Funktionen kann Spiritualität haben - Lebensform, Gegenmittel, Kompensation? Wozu wird sie funktionalisiert - wozu wurde Dostoevskij damals gebraucht, wozu heute?
Am runden Tisch sprechen Christine Engel (Slawistin und Universitätslehrerin), Allan Janik (Philosoph, Wittgenstein-Forscher), Walter Methlagl (Leiter des Forschungsinstituts Brenner-Archiv) und Ilse Somavilla (Wittgenstein-Forscherin).
Das Publikum ist zu einem Gespräch, zu Fragen, Beiträgen, Diskussionen eingeladen.
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Kinder der Dunkelheit |
Sonntag, 7. April, 20 Uhr: Wagnersche Universitätsbuchhandlung Zweisprachige Lesung und Buchpräsentation Dacia Maraini. Dacia Maraini liest aus ihrem neuen Buch Kinder der Dunkelheit (in italienisch). Auf Deutsch liest N.N. In Zusammenarbeit mit der Wagnerschen Universitätsbuchhandlung.
Eintritt 60,- / 40,-
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Die römische Kommissarin Adele Sòfia ist Leserinnen und Lesern schon aus dem Roman "Stimmen" bekannt. Im neuen, heuer auf deutsch erscheinenden Buch "Kinder der Dunkelheit" sieht sie sich mit Verbrechen konfrontiert, die Kinder betreffen: ein taubstummes Mädchen, einen fünfjährigen Buben, eine kleine Albanerin, die von ihren Eltern nach Italien zum Geldverdienen geschickt wurde. In Italien war Buio 1999 ein Bestseller, Dacia Maraini erhielt den angesehenen Premio Strega.
Dacia Maraini, geboren 1936 in Florenz, ist eine der bekanntesten italienischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Ihre Werke sind geprägt von ihrem Anspruch an soziale Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Zuletzt erschienen auf deutsch ihre Romane Die stumme Herzogin, Bagheria und Stimmen (alle: Piper).
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Das Interessante liegt im Zwischen |
Donnerstag, 13. April, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation Yoko Tawada. Yoko Tawada liest aus Opium für Ovid -
Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen (konkursbuch).
Eintritt frei.
Das Interessante liegt im Zwischen", sagte Yoko Tawada in einem Interview. Zwischen den Worten, zwischen den Menschen, zwischen den Kulturen.
Yoko Tawada ist eine Autorin, die in deutscher und in japanischer Sprache schreibt. In ihren Werken - sie schreibt Prosa, Lyrik, Drama, Essays - setzt sie sich mit Realität, mit Wahrnehmung, Traumwelten und immer wieder mit Fremdheitserfahrungen auseinander.
Für ihr Werk erhielt Yoko Tawada angesehene Preise in Deutschland und Japan, z.B. den Akutagawa-Sho-Preis (der bekannteste Literaturpreis Japans 1993) oder den Chamissopreis 1996. 1998 war sie Poetikdozentin in Tübingen (vgl. das Buch Verwandlungen. Tübinger Poetik Vorlesungen, konkursbuch 1998).
"Sozusagen im Kopfstand, nimmt sie mindestens 120 Dinge gleichzeitig wahr. Yoko Tawadas Texte entfalten ihre Magie nicht nur als brillantes Feuerwerk poetischer Einfälle. Mit überraschenden Fügungen, überscharfer Beobachtung entsprungen, stellen sie die groteske Realität bloß." (Die Welt)
Yoko Tawada wurde 1960 in Tokyo geboren, studierte in Hamburg und Tokyo Literaturwissenschaft und lebt heute in Hamburg. Neuere Veröffentlichungen: Talisman (literarische Essays), konkursbuch 1996; Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden (Poetische Prosa, Traumtexte. Gedichte), konkursbuch 1997; Wie der Wind im Ei (Theaterstück), konkursbuch 1997.
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Illusion "Heimat" |
Donnerstag, 27. April, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation Sibylle Schleicher. Sibylle Schleicher liest aus dem Roman
Das schneeverbrannte Dorf (Haymon 2000).
Eintritt frei.
Eine junge Frau ist auf der Flucht, kehrt nach Jahrzehnten ins Dorf ihrer Kindheit zurück. Doch etwas Rätselhaftes und Unfaßbares scheint geschehen zu sein. Alle Bewohner sind fort, bis auf einen alten Bauern. Das Bewirtschaften der Felder, das Einbringen der Ernte, später das Aussäen im Frühjahr - all dies wird zur Überlebensfrage für den Alten und die junge Frau: Sie sind von der Zivilisation abgeschnitten.
Für die Frau beginnt eine Zeit des intensiven Erinnerns: Die Kindheit wird greifbar nahe, und die unmittelbare Vergangenheit holt sie quälend ein. Was als Flucht begann, wird nach und nach zur Rückeroberung der eigenen Erinnerung, gleichzeitig aber auch zur Gewissheit, es ist eine trügerische Illusion, "Heimat" wiederzufinden.
Sibylle Schleicher, geboren 1960 in der Steiermark, lebt als Schauspielerin und Autorin (Prosa, Lyrik) in Heidelberg. Das schneeverbrannte Dorf ist ihr erster Roman.
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