Editorial | erster Mai frei,
Erster Mai frei,
aber gleich am Tag danach geht es weiter mit Neuem auf dem beziehungsweise über den: Buchmarkt. Neben zwei Buchpräsentationen beschäftigen wir uns auch in diesem Frühsommer mit dem Thema [ Literatur als Ware ], gewissermaßen aus der Not eine Tugend machend. Denn: Es wird, sieht man einmal von den besonders erfolgreichen Autoren ab, immer schwieriger, ein Manuskript in einem guten Verlag unterzubringen und, falls dies gelingt, ein veröffentlichtes Buch auch gut zu vermarkten. Literatur hat in der heutigen Talkgesellschaft nicht gerade Hochkonjunktur, die Ware Text in der Öffentlichkeit ein nicht immer gutes Image.
Wir sind der Meinung, daß man sich als schreibender Mensch nicht einfach zurücklehnen und das Geschick des eigenen Buches bloß anderen überlassen sollte. Je mehr eine Autorin beim eigenen Verlag Werbung einfordert, desto eher wird dort etwas unternommen, um etwa Rezensenten in renommierten Zeitungen und Zeitschriften aufmerksam zu machen. Je mehr ich als Schriftsteller über Marktstrategien und die Gepflogenheiten in den Verlagslektoraten Bescheid weiß, umso eher kann ich auf den Weg meines Manuskriptes oder Buches Einfluß nehmen. Bei uns kann man sich informieren und selbst aktiv werden. Während Rainer Weiss, Programmleiter bei Suhrkamp und Lektor von u.a. Peter Bichsel, Adolf Muschg, Cees Noteboom und Hans-Ulrich Treichel in einer geschlossenen Veranstaltung den interessierten Autorinnen und Autoren u.a. über das Verhältnis Verleger, Lektoren und Schriftsteller Auskunft gibt, ist in unserem Programm auch wieder etwas für das Leserpublikum dabei: eine Bestselleranalyse engagierter BuchhändlerInnen in Innsbruck. - Wie verkaufe ich mein Buch? Dieser Frage wird im Herbst noch konkreter nachgegangen werden - im Rahmen eines Marketing-Workshops für Autoren und hiesige Kleinverleger.
"Fast alle haben vom Rundfunk gelebt" - Auf diese Feststellung H. W. Richters hat Michael Klein, Leiter des Innsbrucker Zeitungsarchivs, seine Eröffnung unserer Hörspielreihe
[ wiedergehört ] im Mai im ORF-Studio Tirol zugeschnitten. Womit wir sagen wollen, daß auch die Beschäftigung mit dem Hörspiel durchaus in Zusammenhang mit der [ Literatur als Ware ] zu sehen ist. Auch heute können Autorinnen und Autoren mit dieser Gattung noch etwas verdienen, wiewohl letzten Endes, wie überall, auch hier literarische Qualität gefragt ist. Ingeborg Bachmanns "Guter Gott von Manhattan" und Ilse Aichingers "Knöpfe" sind Meisterstücke, von denen gelernt werden kann. Wir freuen uns besonders, daß bekannte Autoren wie Helmut Peschina und Monika Helfer hierzu auch ihre persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen einbringen wollen.
Es ist dies etwas, was gepflegt gehört: der öffentliche Erfahrungsaustausch, die öffentliche Kultur-Debatte, durchaus auch politisch und warum nicht - polemisch. Damit die Talkgesellschaft (viel reden, nichts sagen) keine Chance hat, sich noch mehr auszubreiten, damit ein sich auseinandersetzender Geist wieder Fuß faßt (siehe dazu auch unseren Programmpunkt "Im Platzregen der Sprechblasen"). In diesem Sinne freuen wir uns, daß der Schauspieldirektor des Tiroler Landestheaters, Klaus Rohrmoser, auf die im Literaturhaus stattgefundene und stark besuchte Debatte "Mitterer, - und sonst nichts?" (Jänner 2001) mit einer Autorenwerkstatt des Landestheaters geantwortet hat und auch schon mit möglichen Partnern in Kontakt getreten ist. Wir sagen danke und: Erster Mai, frei, aber gleich danach geht die Arbeit weiter!
P.S. Informieren Sie sich gezielt über kulturpolitisches Geschehen in Österreich, z.B. mit der Homepage des Literaturhauses Wien:Literaturhaus Wien
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Ein Lagerarzt
erstattet Anzeige
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Mittwoch, 2. Mai, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation
Ludwig Laher: Herzfleischentartung (Haymon 2001).
Mit einem Literaturgespräch, moderiert von Ekkehard Hey-Ehrl (Buchhandlung Studia).
Eintritt frei
Im Jahr 1940 errichtet die SA im Innviertler Dorf St. Pantaleon ein sogenanntes Arbeitserziehungslager und nach dessen überhasteter Schließung 1941 ein Zigeunerhaltelager. Hunderte willkürlich Inhaftierte werden dort gequält, etliche umgebracht. Lagerarzt ist der dazu genötigte Gemeindedoktor, der eines Tages die Staatsanwaltschaft einschaltet. Die Aktenbestände der damit ausgelösten Untersuchung - den Prozeß hat schließlich der Führer selbst niedergeschlagen - sind erhalten und die Grundlage für Ludwig Lahers Roman Herzfleischentartung.
Ludwig Laher, geb. 1955 in Linz, Germanist und klassischer Philologe, lebt heute in St. Pantaleon und schreibt Prosa, Lyrik, Essays und Hörspiele. Mehrere Bücher sind erschienen, zuletzt beim Haymon-Verlag: Selbstakt vor der Staffelei. Erzählung 1998, und Wolfgang Amadeus Junior: Mozarts Sohn sein. Roman 1999.
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[wiedergehört]
Ingeborg Bachmanns
"guter Gott"
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Eine Veranstaltung aus
der Reihe
Mittwoch, 16. Mai, 20 Uhr:
Das Hörspiel Der gute Gott von Manhattan von Ingeborg Bachmann zum Wiederhören mit einem einführenden Essay des Hörspielautors Helmut Peschina.
Eintritt frei.
Ist Der gute Gott von Manhattan tatsächlich gut, oder ist er ein teuflischer Zerstörer der letzten Freiheit, des letzten Glücks - der Liebe? Ist die Liebe eine unmögliche Ketzerei gegen den Konformismus oder überbrückt sie in einer chaotischen Welt trotz allem die Einsamkeit? - Fragen eines zum Klassiker gewordenen Stückes, das 1958 erschienen und mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet wurde.
Helmut Peschina, geb. 1943 in Klosterneuburg, setzt seine eigene literarische Arbeit in Beziehung zu einem der besten Stücke österreichischer Literatur, dem Bachmann'schen Guten Gott, dessen unsterbliches Thema - Macht und Ohnmacht unbedingter Liebe - auch heute noch aufrüttelt. Peschina lebt als freischaffender Schriftsteller in Wien und hat seit Anfang der 70er Jahre eine große Zahl von Bühnenstücken und Hörspielen veröffentlicht. Seine Stücke sind in viele Sprachen übersetzt, die Theaterarbeiten werden vom Thomas Sessler-Verlag betreut, Bücher sind beim Wiener Deuticke-Verlag (zuletzt Zeilenbrüche, 2000) erschienen, einige Tonträger beim Hörverlag München erhältlich.
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Zum Beispiel Suhrkamp
[Literatur als Ware]
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Eine Veranstaltung aus
der Reihe
Geschlossene Veranstaltung
für Literaturschaffende,
Anmeldung erwünscht.
Freitag, 18. Mai, 14-18 Uhr: Wie definiert sich und wie arbeitet ein literarischer Verlag heute? Der Suhrkamp-Lektor Rainer Weiss lädt Autorinnen und Autoren zu einem Austausch über das Verhältnis Verleger, Lektoren und Autoren.
Eintritt frei.
Das Verlagswesen befindet sich derzeit in großem Umbruch. Während Konzerne wie Bertelsmann und Holtzbrinck die Buchbranche zu dominieren suchen, wird der Spielraum für engagierte literarische Verlage enger, die Zukunft auch bedeutender Häuser erscheint ungewiß. Müssen hier neue Regeln im Umgang zwischen Autoren und Verlagen etabliert werden? Wie bestimmt sich das Verhältnis zwischen Autor und Lektor in der Praxis? Rainer Weiss, Programmleiter bei Suhrkamp und Lektor von u.a. Peter Bichsel, Adolf Muschg, Cees Noteboom und Hans-Ulrich Treichel, gibt Auskunft und steht, wenn gewünscht, auch mit Rat zur Verfügung.
Rainer Weiss, geb. 1949, Studium der Philosophie und Literaturgeschichte in Heidelberg, 1978 bis 1984 als Lektor bei Piper, seit 1985 bei Suhrkamp, wo er auch den Theaterverlag und die Presseabteilung leitete. Heute zuständig für das literarische Programm des Suhrkamp Verlags und Leiter des Jüdischen Verlags im Suhrkamp Verlag..
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Martin Pichlers Roman-Debüt
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Donnerstag, 31. Mai, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation des Romans: Lunaspina (Skarabaeus 2001). Mit einer Einführung von Hannes Holzner (Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik, Innsbruck
Eintritt frei.
Martin Pichler, geb. 1970 in Bozen, studierte Germanistik, Romanistik und Religionspädagogik in Innsbruck. Er arbeitete als Lehrer an der Mittelschule der Franziskaner in Bozen, seit 1998 ist er Mitarbeiter der Kulturzeitschrift kulturelemente. Künstlerischer Leiter der Ersten Literaturwoche im Kellerthater Carambolage in Bozen 1999. Seit Herbst 2000 Lehrer an der Mittelschule in St. Pauls/Eppan. Eine Reihe von literarischen Preisen und Stipendien, zuletzt (1999) Prosapreis der Städte Hall und Brixen. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.
Lunaspina ist die Geschichte einer Krankheit und einer schwierigen Mutter-Sohn-Beziehung, in der vor allem die Figur einer alternden Frau, die die gängigen gesellschaftlichen Normen nicht mehr zu erfüllen vermag, besticht. Mit suggestiv-kraftvollen Bildern zieht Pichler die Leser in den Sog einer alltäglich-abgründigen Familiengeschichte.
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Im Platzregen
der Sprechblasen
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Samstag, 9.Juni, 12.15 - 12.45h
Bühnenwagen vor dem Landestheater
Europäisches Jahr der Sprachen: als Teilprojekt der künstlerischen Events im Rahmen der Innsbrucker Sprachenmeile - eine Veranstaltung der Universität Innsbruck: Texte im Kontrast - politische Sprechblasen und ihre Demontagen.
Eintritt frei.
Daß die Sprache nicht nur Kommunikationsmittel, sondern auch Ideologieträgerin ist, ist bekannt, in vielen Studien wurde untersucht, wie Ideologievermittlung geschieht. Insbesondere die politische Sprache ist anfällig für ideologische Färbung, dies besonders auch dann, wenn sie sich alltäglich, salopp und harmlos gibt. Interessant ist es auch, sogenannte Sprechblasen in der politischen Alltagssprache zu untersuchen oder einfach nur bewußt aufzunehmen. Das führt zur Entdeckung, daß in politischen Reden häufig fertige Montageteile, Versatzstücke mit Symbolgehalt vorherrschen und diese frei kombiniert - von unverbindlich bis absichtsvoll, von nichtssagend bis rücksichtslos -, je nach Anlaß und politischer Position, eingesetzt werden ......
Beispiele für diese Bausätze, herausgefiltert, zusammengestellt und vorgetragen von Güni Noggler, werden in einer Straßenlesung via Megaphon am Samstag, den 9.6. von 12.15 bis 12.45 vor dem Landestheater zu hören sein - die Anlässe liefert Dr. Hoffmann, Struwwelpeter, vorgetragen von Heinz Fitz.
Kontrastiert wird diese performance mit Aussagen aus der Literatur. Ludwig Wittgenstein, Ferdinand Ebner, Max Riccabona, Christine Lavant, Georg Trakl, Norbert C. Kaser, u.andere.
Ein Beitrag des Brennerarchivs und Literaturhaus am Inn zur Innsbrucker Sprachenmeile (gemeinsames Projekt der Universität Innsbruck zum Europäischen Jahr der Sprachen).
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[wiedergehört]
Ilse Aichinger und Monika Helfer
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Eine Veranstaltung aus der Reihe
Dienstag, 12. Juni, 20 Uhr: Ein Klassiker des Hörspiels,
Ilse Aichingers Knöpfe, zum Wiederhören mit einem
einführenden Essay der Schriftstellerin Monika Helfer.
Eintritt frei.
Eine der wichtigsten Autorinnen der österreichischen Literatur, Ilse Aichinger (geb. 1921 in Wien), vielfach preisgekrönte Autorin von Romanen, Erzählungen und Hörspielen, hat 1953 ein Hörspiel verfaßt, das das Thema Mensch und/als Maschine auf berührende Weise verarbeitet. Das Stück handelt von der Situation der Arbeiterinnen in einer Knopffabrik, in der ungewöhnlich schöne Zierknöpfe (sie haben Frauennamen), produziert werden, es schildert, wie Menschen selbst zu Produkten werden.
Monika Helfer setzt sich in einem einleitenden Text mit dem Hörspielschreiben auseinander, wobei die eigene Erfahrung mit dem Medium Radio und Ilse Aichingers Hörspielklassiker den roten Faden geben.
Monika Helfer (geb. 1947 in Au/Bregenzerwald) lebt zusammen mit ihrem Mann Michael Köhlmeier und ihren Kindern in Hohenems. Sie ist Trägerin renommierter Auszeichnungen und hat mehrere Romane und Erzählungen veröffentlicht, u.a. Der Neffe (1991), Oskar und Lilli (1994), Kleine Fürstin (1995) und Mein Mörder (1999).
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[Literatur als Ware]
Buchhändler
analysieren
Bestseller
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Eine Veranstaltung aus der Reihe
Dienstag, 19. Juni, 19 Uhr !!
Buchhandlung wiederin:
Podiumsdiskussion mit Sabine Brenner (Wagner'sche),
Ekkehard Hey-Ehrl (Studia), Thomas Wiederin (wiederin)
und Elisabeth Sauer (Tyrolia). Mit einer Bestseller-Auswahl,
präsentiert von Petra Nachbauer.
Eintritt frei.
Lilly Brett, Connie Palmen, David Sedaris, Nathalie Nothomb, Henning Mankell, Banana Yoshimoto ... die deutschen Übersetzungen amerikanischer, holländischer, belgischer, skandinavischer oder japanischer ... Autorinnen und Autoren machen bei uns Furore, sie finden eine Menge Leser und sind erfolgreich im Buchgeschäft. Und jüngste AutorInnen sind in, sie kassieren von Verlagen Höchstgagen und Vorschüsse, von denen arrivierte, aber nicht so gut verkaufte Schriftsteller nur träumen können.
Alles nur Markt und nichts dahinter? Ein solches Urteil wäre allzu oberflächlich, denn die neuen Bestseller sind keinesfalls in die Schublade einer trivialen oder nur leicht zu konsumierenden Literatur zu stecken. Woran liegt es, daß manche gute Texte sich gut und sehr gut verkaufen, andere, nicht minder gute Texte aber nicht? Engagierte Innsbrucker Buchhändlerinnen und Buchhändler analysieren Mechanismen des gegenwärtigen Buchmarktes in Zusammenhang mit Trends und Lesegewohnheiten.
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