Literaturhaus am Inn

Programm März–April 2009

Schwerpunkt

Reisende zwischen Welten

Die Reisen im Realen werden zu Reisen in der Sprache. Literarisch Reisende vermögen gleichzeitig zu durchqueren, was auf den ersten Blick an den zwei Enden einer Achse erscheint. Die Krümmung von Zeit und Raum – in der Literatur kein Problem. Einstein war, wir wissen es längst, ein Literat, nicht wahr? In diesem Schwerpunkt  möchten wir Ihnen eine kleine Auswahl bieten, die zeigt, wie unterschiedlich reale Reisen in literarischen Texten „aufgehoben“ werden.

Es sind schillernde Texte, sie oszillieren zwischen unterschiedlichen Orten, Sprachen und Zeiten. Sie begeben sich auf die Suche nach Ursprüngen, nach Brüchen und Zusammenhängen, changieren dabei zwischen der Erfahrung des Fremden und dem Zurücknehmen des Eigenen wie in den poetisch dicht verknappten Gedicht-Räumen von Ulrike Draesner und Daniela Danz. Sie richten die ganze Radikalität des Blicks auf die Gegenwart wie Maria E. Brunners Essay zu Indien, durchstreifen den mediterranen Raum  wie Peter Weber und Perikles Monioudis. Oder sie begeben sich, wie Semier Insayif, auf eine sprachliche Reise, die dem Nachhall der Sprache des Vaters auf der Spur ist.


nach oben

Reisende zwischen Welten

Platzhalter

Montag, 23. März, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Maria E. Brunner
Lesung und Gespräch

Traumfabrik mit schmutzigen Füßen – ein ungeschönter weiblicher Blick auf ein Land zwischen Traditionalismus und radikalem Umbruch: „Es ist ein Geruch, der Indien ausmacht. Moder. Meer. Rauch. Abgase. Aasgeruch.“ Maria Brunners Texte sind Skizzen von indischen Städten, Straßen und Universitäten, Slums und Meditationszentren – poetische Annäherungen an die mitunter grausame Realität, polemisch, reflexiv und kontrastreich wie das Land selbst. Vor dem historischen Hintergrund gewähren sie einen parteiischen weiblichen Einblick in das heutige Indien: Modern India – in the hands of fate.

Maria E. Brunner, geboren in Pflersch/Südtirol, Studium der Germanistik in Innsbruck, lebte sieben Jahre in Sizilien und Kalabrien; Dozentin für italienische Sprache und Literatur an der Universität Stuttgart; seit 2000 Professorin für Deutsche Literatur an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Publikationen: Berge Meere Menschen. Roman (2004), Was wissen die Katzen von Pantelleria. Prosa (2006, beide Folio).

Maria E. Brunner: Indien. Ein Geruch. Folio 2009


nach oben

Reisende zwischen Welten

Freitag, 3. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Perikles Monioudis und Peter Weber
Lesung und Gespräch

„Er wußte, daß es unter Umständen, die vielleicht seine Umstände waren, nur eine Generation dauert, bis der Flüchtling zum Flaneur wird.“ So reflektiert der Protagonist in Perikles Monioudis’ Roman Land. Auf der Suche nach den griechischen Vorfahren und deren geheimnisvollem Rezeptbuch begibt er sich auf eine zeitgemäße Odysse im mediterranen Raum.
Wie die Randzonen Europas historisch und kulturell zusammenhängen, wie Heimischsein und Fremdsein in einer globalisierten Welt: sinnliche Eindrücke in einer kühl beobachtenden Sprache verdichten sich zu einer Reflexion über Identität.
Der Autor liest aus Land (2007, Ammann) sowie aus Die Stadt an den Golfen (2006, Rimbaud).
Perikles Monioudis, geboren 1966 im schweizerischen Glarus, lebt in Zürich.

Peter Weber, Flaneur der Klänge, liest Veröffentlichtes und Unveröffentlichtes. Der Autor, geboren 1968 in Wattwil/Toggenburg, lebte nach seiner Schulzeit mehrere Jahre in Zürich und ist seit 1992 mit einem Generalabonnement der Schweizerischen Bundesbahn viel unterwegs. Zahlreiche Zusammenarbeiten und Projekte mit Musikern aus verschiedenen Bereichen, u.a. mit den vier dichtenden Maultrommlern (Bodo Hell, Michel Mettler, Anton Bruhin, Peter Weber).
Publikationen (zuletzt): Bahnhofsprosa (2002), Die melodielosen Jahre (2007, beide Suhrkamp).


nach oben

IReisende zwischen Welten

Dienstag, 21. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Daniela Danz und Ulrike Draesner
Lesung und Gespräch. Moderation: Gabi Wild

In ihrem Gedichtband berührte orte wirft Ulrike Draesner das sprachliche Netz nach wirklich bereisten Orten aus, fischt nach den historischen, religiösen und medialen Phantasmen von Städten wie Damaskus oder Casablanca und lässt deren Wirklichkeit die Sprache in Schwingung versetzen. Kluge Beobachtung, der Mut, sich Fremdem zu öffnen, gehören dafür ebenso zum Handwerkszeug wie der findungsreiche Umgang mit Sprache und Dichtungstradition.
Ulrike Draesner, geboren 1962, studierte in Deutschland und England, lebt als freie Autorin in Berlin. Ihr Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte und Essays. Zuletzt erschienen: kugelblitz. Gedichte (2005), Schöne Frauen lesen. Essays (2007, beide Luchterhand).

Das lyrische Sprechen von Daniela Danz in ihrem Gedichtband Pontus greift weit aus, in die Zeiten, zurück ins Archaische, Mythische, und es führt in entfernte Weltgegenden, die doch merkwürdig nah liegen. Daniela Danz befragt die Bruchstellen: von Tradition und Moderne, von Europa und Orient, von Wasser und Land. Die Dinge, die sie auf ihren poetischen Reisen „findet“, rücken in ein verzaubertes Licht, sie werden zu phantastischen Orten neuer Erinnerungen.
Daniela Danz, geboren 1976 in Eisenach, Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Tübingen, Prag, Berlin und Halle, freie Autorin und Kunsthistorikerin, lebt in Halle an der Saale. Zuletzt erschienen: Serimunt. Gedichte (Wartburg 2004), Türmer. Roman (Wallstein 2006).

Ulrike Draesner: berührte orte. Luchterhand 2008

Daniela Danz: Pontus. Gedichte. Wallstein 2009


nach oben

Reisende zwischen Welten

Donnerstag, 30. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Semier Insayif
Lesung. Moderation: Klaus Zeyringer

Entlang arabischer Worte, Zeichen und Satzfetzen, die wie aus einem Nebelschleier auftauchen, begibt sich der Erzähler in Semier Insayifs Roman faruq auf den Weg zu seinen Wurzeln. Dieser führt ihn nach Bagdad, in jene Stadt, aus der der Vater sich ein halbes Jahrhundert davor nach Wien aufgemacht hatte. Die Erinnerung lässt ihn in eine fremdvertraute Sprache und Kultur eintreten.
Semier Insayif erzählt in rhythmisierter Prosa, in einem Strom von Handlungssträngen, die an- und abschwellen, sich überlagern und kommentieren. Erinnerung wird zu Sprache, Sprache wird zu Erinnerung, sie fließen ineinander zu einer literarischen Reise zwischen den Kulturen, zu einem eindringlichen Bild von Heimat und Fremde.
Semier Insayif, geboren 1965 in Wien, lebt ebendort u.a. als freier Schriftsteller. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien, zuletzt erschienen: über gänge verkörpert. vom verlegen der bewegung in die form der körper. gedichte (2001), libellen tänze (zusammen mit Martin Hornstein), Gedichte und Musik (2004, beide Haymon).

Semier Insayif: faruq Roman. Haymon 2009


nach oben