Literaturhaus am Inn

Programm September–Oktober 2010

Vladimir Sorokin

Eine Veranstaltung in Kooperation mit „Klangspuren. Festival zeitgenössischer Musik“

Tickets erhältlich an der Abendkassa oder im Vorverkauf. Nähere Informationen:

www.klangspuren.at

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Mittwoch, 22. Sept., 20 Uhr
ORF Tirol Kulturhaus

Lesung, Konzert und Künstlergespräch

Lesung des russischen Textes: Vladimir Sorokin
Lesung des deutschen Textes: Johann Nikolussi
Gespräch zwischen dem Autor und der Komponistin Olga Rayeva.
Moderation: Eva Binder

Kompositionen von Olga Rayeva, Alexandra Filonenko, Sergej Newski, Michael Fuchsmann
Am Klavier: Mikhail Dobov

Russischer Skandalautor, Poet der Postmoderne, feinnerviger Schriftsteller, der die Entwicklungen und Schwingungen seiner Zeit aufgreift und in die Zukunft hinein verlängert – es gibt viele Zuschreibungen an Vladimir Sorokin, der in seinem Heimatland zu einem der meist gelesenen und kontrovers diskutierten Schriftsteller gehört. Doch auch im Ausland wird er viel gelesen, so wurden seine Bücher in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Sei es in der Trilogie rund um das Tunguska-Eis oder in Der Tag des Opritschniks und dem soeben erschienenen Folgeband Zuckerkreml: Der Autor geht von realen Zuständen und Missständen aus, um sie weiterzudenken und von einer nahen imaginierten Zukunft her klar und kritisch reflektieren zu können. Er zieht dabei virtuos alle Sprachregister, schreibt heiß und eiskalt zugleich, oszillierend und uneinordenbar.

Vladimir Sorokin, geboren 1955 in Gykovo bei Moskau, beschäftigte sich nach Abschluss eines Ingenieursstudiums mit Buchgrafik, Malerei und Konzeptkunst. 1972 debütierte er in der auflagenstarken Zeitung „Für die Erdölindustrie“. In den 1980er Jahren war er an der Kunstbewegung des Konzeptualismus beteiligt und publizierte im Samizdat. 1985 wurden in einer Pariser Zeitschrift sechs Erzählungen Sorokins nachgedruckt. Im selben Jahr erschien in Frankreich sein Roman Die Schlange. 1992 wird Sorokin einem größeren Leserkreis bekannt. In der Zeitschrift „Kinokunst“ erscheint der Roman Die Schlange.

Zuletzt auf Deutsch erschienen: Der himmelblaue Speck. Roman (DuMont Verlag 2000), Ljod. Das Eis. Roman (Berlin Verlag 2003), Bro. Roman (Berlin Verlag 2006), Der Tag des Opritschniks. Roman (Kiepenheuer & Witsch, 2007), 23000. Roman (Berlin Verlag 2010), Der Zuckerkreml (Kiepenheuer & Witsch 2010). Alle in der Übersetzung von Andreas Tretner.


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Weiters im Haus

Donnerstag, 30. Sept., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Karl Zieger: „Ein ergreifendes Drama mit großartigen Figuren“: Alfred Dreyfus und Emile Zola auf deutschen und österreichischen Bühnen. Vortrag mit Film-Ausschnitten

Öffentlicher Vortrag im Rahmen der Tagung „Österreichisch-Französische Kulturbeziehungen zwischen 1740 und 1938“ (Institut für Germanistik und Frankreich-Schwerpunkt an der Universität Innsbruck sowie Université de Valenciennes et du Hainaut-Cambrésiss)

Die Dreyfus-Affäre, einer der größten Justizskandale in der französischen Geschichte, hat nicht zuletzt durch Emile Zolas „J’accuse…!“, erschienen am 13. Jänner 1898 in der Tageszeitung L‘Aurore, die Menschen weit über Frankreich hinaus bewegt. Das war allerdings nur der Höhepunkt einer monatelangen Beschäftigung mit dem Schicksal des jüdischen Hauptmanns aus dem Elsass, der 1894 unschuldig wegen Spionage für Deutschland zur Deportation auf die „Teufelsinsel“ verurteilt worden war. Zola hat sich nicht nur als kritischer Intellektueller, sondern auch als Schriftsteller für die Affäre interessiert. Schon vor seinem offenen Brief an Félix Faure, den Präsidenten der Republik, hat er in Zeitungsartikeln von einem „ergreifenden Drama mit großartigen Figuren“ gesprochen. Tatsächlich sollte die Affäre sehr bald neben dem politischen und juridischen Zündstoff auch den Inhalt von Romanen, Theaterstücken und sogar von Filmen liefern – darunter auch von solchen deutscher Autoren.

Karl Zieger (Universität Valenciennes) resümiert in seinem Vortrag zuerst die wichtigsten Momente der Dreyfus-Affäre und die österreichischen Reaktionen darauf und analysiert dann die szenische Darstellung der Affäre im Theaterstück Die Affäre Dreyfus von Hans J. Rehfisch und Wilhelm Herzog (1929), sowie im Dreyfus-Film des Wiener Regisseurs Richard Oswald (1930), in dem Dreyfus von Fritz Kortner und Zola von Heinrich George verkörpert werden.


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Marina Palej
Dienstag, 5. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Lesung

Im Gespräch mit der Autorin:
die Literaturwissenschaftlerin Christine Engel

Mit feinem stilistischem Gespür umkreist Marina Palej in ihren Texten Grundfragen der menschlichen Persönlichkeit: Inwiefern prägen Routine, Kreisläufe und eingeübte Kulturmuster das Verhalten? Wie können dabei dennoch Spielräume und Alternativen geschaffen werden? Welche Veränderungen bewirkt die Perspektive eines anderen Kulturraums? Und welche die einer migratorischen Lebensweise? Solche Erkundungen führen die Ich-Erzählerin, eine russische Schriftstellerin, quer durch Europa. Auf seine Art ist der Erzählband Inmitten von fremden Ernten aber auch eng mit Innsbruck verbunden, denn Christine Engel hat mit Absolventinnen der Universität Innsbruck die Texte aus dem Russischen übertragen.

Marina Palej, geboren 1955, verfasst neben Erzählungen und Romanen auch Theaterstücke und Gedichte, betätigt sich als Lyrik-Übersetzerin und Literaturkritikerin und tritt als Performance-Künstlerin auf. Zu ihrer eigenen migratorischen Lebensweise meint sie in einem Interview: „Das „Ich“ ist eine Jüdin, geboren in Russland, wohnhaft dort bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr (bis zu ihrem dreißigsten hat sie sich mit Medizin beschäftigt). Gegenwärtig hat sie einen niederländischen Pass (und nennt sich spöttisch ‚mevrouw van der Palej‘), schreibt in einem Vorort von Rotterdam auf Russisch, verständigt sich hauptsächlich in Englisch.“

Marina Palej: Inmitten von fremden Ernten.Erzählungen. Aus dem Russischen übertragen von Christine Engel mit RuBel. Kitab Verlag 2010


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Carolina Schutti Donnerstag, 7. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Lesung und Buchpräsentation

Einführung: Johann Holzner
Musik: Christian Spitzenstätter (Klarinette)

Schon oft haben im Otto Müller Verlag junge Talente ihr Debüt präsentiert, so auch Carolina Schuttis Roman Wer getragen wird, braucht keine Schuhe, ein Roman über Liebe und Einsamkeit, über Vertrauen und Schuld. Carolina Schutti erzählt die Geschichte einer jungen Frau, für die zunehmend Innen- und Außenwelt verschmelzen. Anna ist jung, 18 Jahre, lebt allein in einer Stadt, die sie immer wieder durchstreift, erkundet, erfühlt. Dann lernt sie Harald kennen. Er ist älter als sie, etwas verändert sich in ihr, sie fühlt so etwas wie Glück. Sie wollen die Stadt mit ihren grauen Mauern hinter sich lassen, nur für ein Wochenende ins Gebirge fahren. Vor der plötzlich hereinbrechenden Dunkelheit finden sie Zuflucht in einer alten Kapelle. Dort, in der Nacht, unter den Figuren von Heiligen, vertraut sie sich ihm an.

Carolina Schutti, 1976 in Innsbruck geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik sowie Konzertgitarre und promovierte über Elias Canetti. Sie lebte als Universitätslektorin in Florenz, lehrte an der Universität Innsbruck sowie an mittleren und höheren Schulen. Vorstandsmitglied des Brenner-Forums sowie Mitglied des Kuratoriums des Brenner-Archivs. Sie veröffentlichte zahlreiche Literaturkritiken und Abhandlungen sowie Kurzprosa in verschiedenen Literaturzeitschriften. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Innsbruck.

Carolina Schutti: Wer getragen wird, braucht keine Schuhe. Roman. Otto Müller Verlag 2010


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Melinda Nadj Abonji
Dienstag, 12. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Lesung

Im Gespräch mit der Autorin: Angelika Klammer, Lektorin im Jung und Jung Verlag

Eine ungarische Familie aus Serbien in der Schweiz: In ihrem Roman Tauben fliegen erzählt Melinda Nadj Abonji die Geschichte der Familie Kocsis aus der Vojvodina im Norden Serbiens, wo die ungarische Minderheit lebt, zu der auch diese Familie gehört. Vor etlichen Jahren sind sie ausgewandert in die Schweiz, erst der Vater und dann, sobald es erlaubt war, auch die Mutter mit den beiden Töchtern, Nomi und Ildiko. Sie ist es, die alles erzählt. So auch den Besuch im Dorf, der nicht der einzige bleibt, Hochzeiten und Tod rufen sie jedesmal wieder zurück ins Dorf, wo Mamika und all die anderen Verwandten leben, solange sie leben.

Die Schweiz ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem. Sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Ein schwungvoll und gewitzt erzählter Roman aus der Mitte Europas.

Melinda Nadj Abonji, geboren 1968 in Becsej, Serbien, lebt als Schriftstellerin und Musikerin in der Schweiz.

Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen. Roman. Jung und Jung Verlag 2010


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Reina Roffé und Alicia Kozameh


In Kooperation mit der Forschungsplattform Cultural Encounters and Trasfers (CeNT)

 

Freitag, 15. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Kontinental-Verschiebungen:

Jüdisch-argentinische Autorinnen in Exil und Diaspora
Zweisprachige Lesung (spanisch-deutsch) mit Alicia Kozameh und Reina Roffé
Moderation und Übersetzung: Erna Pfeiffer

Argentinien war im 19. Jahrhundert Ziel- und Fluchtpunkt mehrerer Millionen von Einwanderern, darunter vieler jüdischer ImmigrantInnen, sowohl aus dem sephardischen als auch aus dem Ashkenazi-Bereich. Während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 sahen sich zahlreiche Nachfahren der jüdischen Zuwanderer gezwungen, das Zufluchtsland ihrer Großeltern wieder zu verlassen. Viele fanden Exil in Europa oder den USA und kehrten auch später nicht mehr nach Argentinien zurück. Dazu kam eine zunehmende Zahl von Wirtschaftsflüchtlingen, die im Zuge der Wirtschaftskrise des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts ebenfalls dem Land den Rücken kehrten, in den meisten Fällen allerdings ohne großen Erfolg, da sie auch heute in Europa oder in den USA vielfach in prekären Verhältnissen leben.

Mit Alicia Kozameh und Reina Roffé lesen zwei jüdisch-argentinische Autorinnen aus Werken, in denen sie versuchen, mit verschiedenen literarischen Mitteln die komplexe Wanderungsgeschichte ihrer Familien und ihr eigenes Exil künstlerisch zu reflektieren.

Alicia Kozameh, geboren 1953 in Rosario, Argentinien, Tochter einer jüdisch-arabischen Einwandererfamilie, war als linke Aktivistin von 1975 bis 1978 politische Gefangene der Militärdiktatur und ging anschließend ins Exil nach Mexiko und in die USA, wo sie heute noch lebt. In ihrem literarischen Werk (Romane, Lyrik, Erzählungen) vermengt sie Erfundenes, Historisches und selbst Erlebtes zu einem höchst innovativen Gemisch. Durch dokumentarische Zeugnisse, Briefesammlungen und Essays sowie ihre Tätigkeit als Vortragende für Amnesty International versucht sie auch international, Bewusstsein und Sensibilität für die Lage der argentinischen Exilierten zu wecken.

Reina Roffé, geboren 1951 in Buenos Aires, Tochter einer jüdischen Einwandererfamilie aus Marokko, harrte während der Jahre der Diktatur (die 1976 ihren zweiten Roman Monte de Venus als „unmoralisch“ verbot) zunächst in innerem Exil in Argentinien aus, ging dann 1981 für einige Jahre in die USA und zog nach einem kurzen Intermezzo der vorläufigen Rückkehr 1988 aus wirtschaftlichen Gründen nach Spanien, wo sie heute lebt. In ihren komplexen Romanen und Erzählungen bearbeitet sie vor allem Probleme weiblichen Begehrens in einer machistischen Gesellschaft; neuerdings geht sie auch vermehrt den Spuren ihrer sephardischen Vorfahren nach.

Erna Pfeiffer ist literarische Übersetzerin und Außerordentliche Professorin für Spanische und Lateinamerikanische Literaturwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität in Graz und hat sich schwerpunktmäßig mit dem Schreiben lateinamerikanischer Autorinnen abseits des Mainstream befasst.


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[Montagsfrühstück Forum für strategische Langsamkeit]




Eine Kooperation zwischen dem Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck


Unterstützt von: Rauchmühle & Brotbuben Lener
Montag, 18. Okt., 9-11 Uhr
Literaturhaus am Inn

Beate Hausbichler und Claudia Posch

Gender Mainstreaming: Belästigung, Mode oder Notwendigkeit?

Beate Hausbichler, feministische Journalistin und Redakteurin bei dieStandard.at und Claudia Posch, Sprachwissenschaftlerin an der Universität Innsbruck im Gespräch mit Julia Prager

Im Kontext gesellschafts- politischer Debatten rund um das Thema „Gender Mainstreaming“ spalten sich die Meinungen darüber, ob und wenn ja wie Strategien entworfen werden könnten, dem ganz und gar nicht geschlechtsneutralen Gesellschafts-Alltag den Spiegel vorzuhalten oder sogar Chancengleichheit zu bewirken. Das erste Montagsfrühstück nach der Sommerpause widmet sich der sprachpolitischen Dimension dieser Diskussion: Inwiefern können sprachliche Markierungen wie das Binnen-I über einen universitären und elitären Kontext sprachwissenschaftlicher Auseinandersetzung Verbreitung bzw. Akzeptanz finden? Welchen Einfluss haben Medien auf unseren Sprachgebrauch und damit auch auf unsere Realitätswahrnehmung? Und wie legitim ist es, sich auf eine Ästhetik des Leseflusses zu berufen, um der sprachlichen Markierung auszuweichen?


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Annie Zadek






Dienstag, 19. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Zweisprachige Lesung

In Kooperation mit dem Französischen Kulturinstitut
Einführung: Doris Eibl

Phantomschmerz (Woyzeck-Figuren) der französischen Autorin Annie Zadek verdankt seine Entstehung dem berühmten Dramenfragment Georg Büchners. Wer ist ein Mörder, wer ist Opfer, was bedeutet Schuld und Verantwortung, wie artikuliert sich Antisemitismus in der Sprache, im alltäglichen Leben? Phantomschmerz will eine Fortsetzung von Büchners Woyzeck sein: nach dem Mord an Marie. Obwohl Texte als solche für Annie Zadek eine vorrangige Stellung einnehmen, gibt sie sie immer auch der Metamorphose preis: im Theater, im Rundfunk, bei experimentellen Lesungen mit Schauspielern, wohl wissend, dass es das Dazwischen ist, in dem es sich lohnt, noch weiter zu suchen und zu graben, das eigene Schreiben immer wieder neu auszuloten.

Annie Zadek, geboren 1948 in Lyon, studierte Philosophie in Lyon und lebt heute in einer ehemaligen Seidenspinnerei im Parc naturel du Pilat (Loire). Sie verfasst vor allem Texte für das Theater. Zuletzt war ihr Stück Vivant in einer Inszenierung von Pierre Meunier zunächst 2008 an der Comédie de Valence und im Théâtre de Sartrouville, dann 2009 im Studiotheater der Comédie Française zu sehen. Auf Deutsch sind bis heute zwei Texte im Verlag Jutta Legueil (Stuttgart) erschienen: Walzerkönig/Roi de la valse, 1991, und Phantomschmerz (Woyzeck-Figuren)/Douleur au membre fantôme (Figures de Woyzeck), 2009 (zweisprachige Ausgaben).

Annie Zadek: Phantomschmerz (Woyzeck-Figuren) Verlag Jutta Legueil 2009


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Klaus Merz und Andreas Neeser Freitag, 22. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Lesung

Zwei Schweizer Meister der Verdichtung: Lyrik von Klaus Merz und Erzählungen von Andreas Neeser

Aus dem Staub zeigt Klaus Merz auf dem Höhepunkt seiner lyrischen Kunst: Als Meister der Verdichtung entwickelt er aus kurzen, sparsam gesetzten Versen ganze Lebensgeschichten, zeichnet mit bloßen Andeutungen Bilder voller Farben und Licht. Ob Klaus Merz über alltägliche Szenen schreibt oder in seine Erinnerungen eintaucht, ob er fremden Orten und Menschen begegnet oder vertrauten – stets gelingt es ihm, den Blick auf das Wesentliche zu richten und ihm seinen ganz eigenen Tonfall zu verleihen. Hinter der Oberfläche seiner lakonischen Poesie blitzen Witz und feine Ironie auf, hinter dem ruhigen Vordergrund seiner Gedichte verbergen sich Momente voller Überraschung und Verstörung.

Klaus Merz, geboren 1945 in Aarau, lebt in Unterkulm/Schweiz. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Hermann-Hesse-Literaturpreis 1997, Gottfried-Keller-Preis 2004, Aargauer Kulturpreis 2005, Werkpreis der schweizerischen Schillerstiftung 2005. Zuletzt bei Haymon erschienen: Priskas Miniaturen. Erzählungen 1978–1988 (2005), Der gestillte Blick. Sehstücke (2007), Der Argentinier. Novelle (2009), Am Fuß des Kamels. Geschichten & Zwischengeschichten (2010).

Andreas Neeser erzählt in seinem Erzählband Unsicherer Grund von rastlosen Zeitgenossen: von Büchersammlern, Stadtstreunern, Reiseberatern, Fußballern, Klippenwanderern und Immobilienmaklern. Sie alle sind auf der Suche nach den eigenen Denk- und Lebbarkeiten jenseits vorgefertigter Wahrheiten. Entlang von zarten Vergangenheitsfäden bewegen sie sich zurück in ihre Erinnerungen, in die Gerüche, Geschmäcker und Gefühle ihrer Kindheit, wo sie Antworten erhoffen auf die Vieldeutigkeiten des Lebens. Doch das Haus der Erinnerungen steht auf dem unsicheren Grund von Ahnungen, Möglichkeiten und Konjunktiven. So sind es die kleinen Schritte, denen es sich zu stellen gilt. Neesers Figuren tun es ohne jedes Selbstmitleid oder Pathos, und wir gehen ebenso fasziniert wie berührt ein Stück des Weges mit.

Andreas Neeser, geboren 1964, lebt in der Nähe von Aarau. Studium der Germanistik, Anglistik und Literaturkritik an der Universität Zürich. Seit September 2003 Leiter des Aargauer Literaturhauses „Müllerhaus. Literatur und Sprache“ in Lenzburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen sowie Preise und Auszeichnungen.


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Konrad Rabensteiner

Donnerstag, 28. Okt., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Lesung aus den Werken

Einführung: Christine Riccabona

Konrad Rabensteiner, geboren 1940 in Villanders, lebt und schreibt in Bozen. Seit den 1960er Jahren veröffentlicht der Autor in Zeitschriften, Anthologien und Rundfunkanstalten, nahm an mehreren internationalen Lyriktagungen teil und publizierte zahlreiche Gedichtbände, zuletzt Stilleben mit Zäunen (Edition Raetia 1991), 1996 Unterm stürzenden Licht, Gedichte zu Skulpturen von Sieglinde Tatz-Borgogno sowie 2003 Von Fall zu Fall (Skarabaeus). In seiner Lyrik zeigt sich neben vielfältiger Thematik Rabensteiners besondere Nähe zur Bildenden Kunst. Für sein lyrisches Werk wurde er bereits 1981 mit dem Mölle-Literaturpreis in Schweden für Lyrik sowie 1986 mit dem Förderpreis „Walther von der Vogelweide“ ausgezeichnet. In den letzten Jahren wendet sich Rabensteiner vermehrt der Prosa zu, 2007 ist in der Edition Raetia sein umfangreicher Roman erschienen, über den Hans Bender schreibt: „Gestern Abend habe ich Ihren Roman Der Befall zu Ende gelesen (…). Ich geriet in einen Sog, wie ich ihn lange nicht mehr erlebte. (…) Hohes Lob verdient die Sprache des Romans; die Genauigkeit, ja Penibilität der Beschreibung. Gerne höre ich den Tonfall, erfreue mich an den Wörtern aus Südtirol.“ (Verlag)

Der Abend bietet einen Querschnitt durch das Werk des Südtiroler Autors. Rabensteiner wird Texte aus älteren und jüngeren Bänden lesen, insbesondere aus seinem jüngsten Werk, dem im Herbst in der Edition Raetia erscheinenden Roman Aldo Ricci, der von der schwierigen Liebe zweier Männer handelt.


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