Literaturhaus am Inn

Programm Jänner–Februar 2012

Lesung

Platzhalter

Donnerstag, 12. Januar
Literaturhaus am Inn
Miguel Herz-Kestranek

19 Uhr: Signierstunde

20 Uhr: Lesung und Gespräch
Moderation: Johann Holzner

Mit Lächeln und leiser Wehmut verbindet der Autor in seinem neuen Buch Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte auf literarische Weise vergessene jüdische Geschichten und weniger geläufige jüdische Witze und Anekdoten, wie er sie schon als Kind von seinem Vater gehört hat, mit Erinnerungen an seine Kindheit und an den Vater. Behutsam und liebevoll spürt er dabei vor seinem eigenen jüdischen Hintergrund dem verklungenen „Ton“ nach, wie er seiner Meinung nach zu den Geschichten gehört, und erzählt dabei geistreich und auf vergnügliche Art, wie viele Aussprüche und Pointen als geflügelte Worte in die Familien-sprache eingingen.

Ob es die Anekdoten über die legendäre Frau Pollak mit ihren unfreiwillig komischen Bonmots und die in epischer Breite ausgeschmückten Geschichten über Rabbis und Wunderrabbis im ostjüdischen Schtetl sind, oder die Pointen von Schadchen und Schlemihlen, von Schnorrern und Millionären: Miguel Herz-Kestranek versteht es, Verschüttetes und Vergessenes humorvoll auferstehen zu lassen und damit in die Gegenwart zurückzuholen, was unser aller mitteleuropäisches Erbe ist.

Miguel Herz-Kestranek, geboren 1948 in St. Gallen, Schweiz. Als Autor und Herausgeber von 2000 bis 2010 Vizepräsident des Österreichischen PEN-Clubs; derzeit Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung; als Schauspieler mehrere Dutzend Theaterrollen und über 160, zum Teil internationale TV- und Filmrollen; Kabarettist, Chansonnier, Entertainer, Redner, Diskussionsleiter und Moderator; lebt in Wien und St. Gilgen am Wolfgangsee. www.herz-kestranek.com

Miguel Herz-Kestranek: Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte. Ibera 2011


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Franz Tumler zum 100. Geburtstag

Montag, 16. Januar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Barbara Hoiß
Johann Holzner
Reinhard Kaiser-Mühlecker

Präsentation des ersten Bandes der neuen Werkausgabe: Nachprüfung eines Abschieds

Impulsreferate: Johann Holzner: Franz Tumler, „der Vater unserer Literatur“? und Barbara Hoiß: „Niemand kann aus seiner Haut“

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Gedanken zu Franz Tumler und Lesung

Mit seinem literarischen Schaffen prägte Franz Tumler die moderne Erzählliteratur der Nachkriegszeit nachhaltig. So gehört Nachprüfung eines Abschieds zu den beachtlichsten Prosastücken nicht nur Franz Tumlers, sondern einer ganzen Autorengeneration.

Die wichtigsten Werke von Franz Tumler werden nun im Haymon Verlag neu aufgelegt. Der Beginn wird mit der Erzählung Nachprüfung eines Abschieds gemacht, die 1964 im Suhrkamp Verlag erschien. Im Zentrum steht das Thema der Schuld, sowohl in einer privaten als auch in einer politischen Dimension. Markant, aufwühlend und kompromisslos schildert Franz Tumler die schmerzlichen Erfahrungen zweier Menschen, die voneinander Abschied nehmen. In stetem Einkreisen und Beschreiben rekonstruiert er deren Begegnung und dringt dabei bis in die tiefsten Gründe des Zwischenmenschlichen vor. Gleichzeitig ist die Erzählung Reflexion über die Kunst des Erzählens, besser gesagt: über die Strategien des Erzählens nach dem Ende aller großen Erzählungen.

Franz Tumler, geboren 1912 in Gries/Bozen, gestorben 1998 in Berlin. Eine ausführliche Biographie finden Sie im Online-Lexikon Literatur in Tirol auf der Homepage des Brenner-Archivs: www.uibk.ac.at/brenner-archiv

Reinhard Kaiser-Mühlecker, geboren 1982 in Kirchdorf an der Krems, lebt in Wien. Debütierte mit seinem Roman Der lange Gang über die Stationen. Es folgten Magdalenaberg und Wiedersehen in Fiumicino. Zuletzt erschien 2011 Die Therapie. Ein Stück (alle: Hoffmann und Campe).

Franz Tumler: Nachprüfung eines Abschieds. Erzählung. Haymon 2011


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Lesung und Diskussion

Montag, 23. Januar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Boualem Sansal

Gestaltung des Abends: Birgit Mertz-Baumgartner und Doris Eibl

Boualem Sansal, der 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, zählt zu den wenigen algerischen Schriftstellern, die das Land während des Bürgerkriegs der 1990er Jahre nicht verlassen haben und weiterhin dort leben und schreiben. Seine Werke sind in Algerien jedoch verboten.

In einer schonungslosen, oft als realistisch bezeichneten Sprache entwirft Boualem Sansal individuelle Schicksale vor dem Hintergrund großer historischer Ereignisse wie der Kolonisierung Algeriens durch Frankreich, dem Unabhängigkeitskrieg oder dem Bürgerkrieg in Algerien. „Geschichte“ wird dabei stets ungewöhnlich und neu perspektiviert, wie etwa in Das Dorf des Deutschen, das über den Protagonisten Hans Schiller die NS-Zeit, algerischen Unabhängigkeitskrieg und Bürgerkrieg thematisiert und dabei grundlegende Fragen nach Schuld und Verantwortung aus transnationaler Perspektive neu stellt.

Der Essayband Postlagernd: Algier, gerichtet an seine Landsleute, spiegelt die Empörung des Autors über die politischen Missstände im zeitgenössischen Algerien und ist ein kraftvolles, gleichzeitig auch berührendes Plädoyer für Veränderung.

Boualem Sansal, geboren 1949, Studium des Maschinenbaus und der industriellen Ökonomie. Beginn der Karriere als Schriftsteller 1999 mit Le serment des barbares (Der Schwur der Barbaren,2003); Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2011. Weitere Werke: L‘enfant fou de l‘arbre creux(2003; Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum, 2003), Harraga (2005; Harraga, 2007), Poste restante: Alger. Lettre de colère et d‘espoir à mes compatriotes (2006; Postlagernd: Algier, 2011), Le village de l‘allemand (2008; Das Dorf des Deutschen, 2009), Rue Darwin (2011). Die deutschen Übersetzungen sind im Merlin Verlag erschienen. www.boualem-sansal.de


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Vortrag von Klaus Müller-Salget Donnerstag, 26. Januar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Heinrich von Kleist: Ein verdächtiges Subjekt

Heinrich von Kleist, der im Jahr 1811 als 34jähriger zuerst dem Leben seiner Gefährtin Henriette Vogel und dann seinem eigenen ein Ende setzte, löste mit seinem schmalen, aber revolutionären Werk bei vielen seiner Zeitgenossen, zum Beispiel bei Johann Wolfgang von Goethe, Befremden aus.

Klaus Müller-Salget, einer der führenden Kleist-Forscher unserer Zeit, beleuchtet in seinem Vortrag schlaglichtartig die Besonderheiten von Kleists Werken, Besonderheiten, deren Beunruhigungspotenzial Leser, Regisseure, Schauspieler und Zuschauer noch heute fasziniert.

Klaus Müller-Salget, geboren 1940, emeritierter Professor für Neuere Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Innsbruck, Vorstandsmitglied der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft, Mitherausgeber der Gesammelten Werke von Heinrich von Kleist im Deutschen Klassiker Verlag und Verfasser einer Biographie zum Dichter (2011, Reclam Verlag). Des Weiteren zahlreiche Publikationen zur deutschen Literatur und Literaturgeschichte.


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[Montagsfrühstück. Forum für strategische Langsamkeit]


Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck
Montag, 30. Januar, 9 - 11 Uhr
Literaturhaus am Inn
Ohnmacht und Empörung

Anneliese Rohrer, Xaver Schumacher und Andrea Umhauer im Gespräch

Moderation: Gabi Wild

„Empört euch!“ – Die Streitschrift von Stéphane Hessel scheint ein Jahr nach dessen Erscheinen aktueller denn je zu sein. Überall auf der Welt trifft man sie mittlerweile an, die Empörten. Menschen treten in den Widerstand, wehren sich gegen den Umgang der Politik mit der Finanzkrise, kämpfen für den Erhalt des Wohlfahrtsstaates oder entrüsten sich, wenn sie eine Zerstörung der Umwelt durch große Bauprojekte wie „Stuttgart 21“ befürchten. Der so genannte Wutbürger scheint sich zu erheben, sich gegen Demokratieverlust und für mehr Basisdemokratie und Selbstbestimmung einzusetzen.

Doch sind die Menschen dazu bereit, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen? Was, wenn die am „Tag des Zorns“ erlangte Macht des „Volkes“ am Tag danach zur Ohnmacht wird? Wie kann Widerstand aufrecht erhalten werden und die Resignation durchbrochen werden? „Wir müssen aufhören, zu gehorchen, und anfangen, uns einzumischen. Es ist höchste Zeit.“, so die Meinung
Anneliese Rohrers in ihrem Buch Das Ende des Gehorsams (2011, Braumüller).

Auch an der Universität Innsbruck gab und gibt es eine Bewegung der „Empörten“, und ein kleines Büro erinnert nach wie vor an die „Uni brennt“-Proteste von 2009 / 10. Unter dem Kennwort „Geiwimax“ scheint der Protest der Studierenden gegen unzulängliche Studienbedingungen und für mehr Autonomie weiterzugehen. Es gibt aber genauso Studierende, die sich von diesem Protest distanziert haben.

Es bleiben die Fragen, inwiefern wirklich etwas verändert werden kann und welche Wege und Mittel es gibt, die Forderungen durchzusetzen. Sind ziviler Ungehorsam und Unangepasstheit überhaupt Werte, die in unserer Gesellschaft noch Platz haben oder ist nicht viel eher Angepasstheit und Schweigen erwünscht?

Beim ersten Montagsfrühstück im neuen Jahr sollen verschiedene Generationen zu Wort kommen.

Anneliese Rohrer, geboren 1944, „die Doyenne der innenpolitischen Publizistik“ (Falter), gehört zu den profiliertesten JournalistInnen Österreichs. Sie ist seit 1974 Redaktionsmitglied und Kolumnistin der Tageszeitung „Die Presse“. www.facebook.com – Anneliese Rohrer

Franz Xaver Schumacher, geboren 1984, studierte in Wien, Innsbruck und Bochum vor allem Komparatistik. Derzeit arbeitet er an seiner Diplomarbeit über Systeminterferenzen im Professional Wrestling. Verschiedene Tätigkeiten im Kultur- und Veranstaltungsbreich, journalistische und literarische Veröffentlichungen in mäßig gelesenen Zeitschriften. Er lebt in Innsbruck und Köln.

Andrea Umhauer, geboren 1986 in München, Studium der Erziehungswissenschaft und Psychologie in Innsbruck, seit 2009 bei der „Uni brennt Bewegung“ aktiv. Seit 2011 studentische Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft.
www.facebook.com/#!/geiwimax


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Verlagspräsentation – Bibliothek der Provinz
Donnerstag, 2. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Richard Pils
Astrid Walenta

Verleger Richard Pils und Kinderbuchautorin Astrid Walenta im Gespräch mit Andrea Margreiter und Linda Müller

Seit 1989 ist die Bibliothek der Provinz Teil der österreichischen Verlagslandschaft. Alles begann damit, dass Volksschuldirektor Richard Pils seine Bibliothek erweitern wollte – um Bücher, die noch nicht existierten. Noch heute befindet sich der Verlagssitz in dem kleinen Ort Weitra in Niederösterreich, von wo aus das außergewöhnliche Programm des Verlags vertrieben wird – Beweis genug, dass Literatur auch abseits urbaner bzw. kultureller Zentren entstehen kann.

Schwerpunkt des Verlags bilden neben österreichischer Literatur, Belletristik und Kunstbänden auch Kinderbücher, die sich inhaltlich und grafisch von der Masse der Kinderbuchliteratur abheben und für die der Verlag bereits mehrere Preise erhielt.

Verleger Richard Pils legt großen Wert auf die Betreuung seiner Autorinnen und Autoren, auf den Austausch mit anderen Kunstschaffenden und der Leserschaft, z. B. beim großen Poetenfest, welches jährlich auf der Burg Raabs an der Thaya stattfindet und – ebenso wie die Bibliothek der Provinz – durch außergewöhnlichem Charme besticht. www.bibliothekderprovinz.at

Richard Pils, geboren 1946 in Engerwitzdorf bei Gallneukirchen, lebt und arbeitet heute im Waldviertel in Niederösterreich. Zahlreiche Auszeichnungen für Publikationen seines Verlags, unter anderem mehrmals Österreichischer Staatspreis, Premio Andersen und Österreichischer Kinder- & Jugendbuchpreis. Eigene Publikationen (Auswahl): André Müller im Gespräch mit Thomas Bernhard (1991), Der Affenfritzi: Nur für Buben (1998), Weihnacht (2009, alle: Bibliothek der Provinz).

Astrid Walenta wuchs im Burgenland auf und lebt heute im Wiener Karmeliterviertel. Nach der Matura und einer Ausbildung zur Touristik- und Exportkauffrau wechselte sie ins künstlerische Fach. Seit 1995 nützt die vielseitige freiberufliche Künstlerin ihr kreatives Potential u. a. als Theatermacherin, Clownfrau, Kinderbuchautorin und Musikerin. Publikationen: Ferdinand der Affe (2006), Die Fische fliegen wieder (2009), Esmeraldas Taxi (CD, 2009), Ferdinand im Morgenland (2011, alle: Bibliothek der Provinz).

www.astridwalenta.com


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Lesung und Gespräch Donnerstag, 9. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Antje Rávic Strubel

Moderation: Gabi Wild

Während eines Tagesausfluges zu einer Vogelschutzinsel in der schwedischen Ostsee begegnet Erik, ein junger Mann Mitte zwanzig, der Ornithologin Inez. Sie fasziniert ihn, und so bleibt er. Doch Inez ist zurückhaltend, scheint von einer Vergangenheit verfolgt, die Erik reizt. Er beginnt ihr nachzujagen. Mit Erik ist ein Mann auf die Insel gekommen, der ebenfalls nicht abreist, Rainer Feldberg. Nach und nach findet Erik heraus, dass zwischen diesem Mann mit undurchsichtigen Motiven und Inez eine alte Verbindung besteht. Erik wird in diesem Sommer nicht nur in die gefährdete Welt der Vögel, sondern auch in eine Geschichte eingeweiht, die ihn selbst gefährdet und seine Liebe bedroht: die Lebensgeschichte eines ostdeutschen Jungen, die als Stasilegende und Politstory erfunden wird.

Antje Rávic Strubel, geboren 1974, lebt in Berlin. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Hermann-Hesse-Preis, Rheingau-Literatur-Preis,
2007 nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse. Publikationen zuletzt: Fremd Gehen. Ein Nachtstück. (2002, marebuch), Tupolew 134 ( 2005, C. H. Beck), Kältere Schichten der Luft (2007, S.  Fischer) Vom Dorf. Abenteuergeschichten zum Fest. (2007, DTV).

www.antjestrubel.de

Antje Rávic Strubel: Sturz der Tage in die Nacht. Roman. S. Fischer 2011


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Lesung und Gespräch Mittwoch, 29. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Marlene Streeruwitz

Moderation: Anna Rottensteiner

Leute werden verschleppt, verschwinden, werden eingesperrt oder gefoltert. Amy arbeitet für einen privaten Sicherheitsservice, sie kann die Korruption und Gewalt nur ahnen, die sich als Abgrund hinter den geheimen Operationen abzeichnet. Als sie beschließt auszusteigen, gerät sie endgültig in die Fänge einer undurchsichtigen, aber brutalen Organisation. Amys Verlorenheit korrespondiert mit dem Ringen um die Wahrnehmung der Realität. Was kann sie glauben? Wer ist sie selbst? Und vor allem: Was passierte an dem Tag, an den sie sich nicht erinnern kann?

Marlene Streeruwitz, die mit ihrem Roman Die Schmerzmacherin für den Deutschen Buchpreis nominiert war und für den sie zuletzt den Bremer Literaturpreis erhielt, entwirft darin ein unheimliches und unvergessliches, ganz in der Gegenwart verankertes Szenario, in dem sie nach dem Ort des Individuums in einer zunehmend privatisierten Öffentlichkeit fragt.

Marlene Streeruwitz, geboren 1950 in Baden bei Wien, studierte Slawistik und Kunstgeschichte und begann als Regisseurin und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, neben oben genannten zuletzt den Droste-Preis und den Peter-Rosegger-Literaturpreis. Jüngste Publikationen: Das wird mir alles nicht passieren … Wie bleibe ich FeministIn. 11 Kleinstromane(2010); Kreuzungen.Roman (2008, beide: Fischer); Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin. Erzählung (2008, weissbooks).

www.marlenestreeruwitz.at

Marlene Streeruwitz: Die Schmerzmacherin. Roman. Fischer 2011


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