Literaturhaus am Inn

Programm Jänner–Februar 2013

Lesung

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Mittwoch, 9. Januar, 20 Uhr 
Literaturhaus am Inn
Andrea Grill und Hanno Millesi
Einführung: Joe Rabl
 
Reisen – Erzählen – Scheitern?

Ich bin eine New Yorkerin gewesen, bevor ich je einen Fuß in die Stadt setzte. Das ist nicht einfach so dahin gesagt. Das Tempo der Schritte der Fußgänger ist das Metronom einer Stadt, ein Code, anhand dessen sich identifizieren lässt, wo man sich befindet. Nach Romanen und Erzählungen von Andrea Grill erscheint nun ein Band mit Texten, die allesamt in und um New York spielen. Wie filmische Short Cuts reihen sich dabei die Episoden aneinander, in deren Mittelpunkt vor allem die Begegnungen mit Menschen dieser Stadt stehen.

Andrea Grill, geboren 1975 in Bad Ischl, absolvierte ihr Biologie-Studium in mehreren Ländern Europas, hat in der Schweiz gelebt, in Italien, Holland, Griechenland, Albanien und überall die Landessprache erlernt. Neben ihrer eigenen literarischen Tätigkeit übersetzt sie aus dem Albanischen. Zuletzt erschienen: Das Schöne und das Notwendige. Roman (2010), Happy Bastards. Gedichte (2011, beide: Otto Müller). www.m-orld.org

In Hanno Millesis Roman Granturismo nützt ein kleiner Angestellter eine krisenbedingte berufliche Freistellung dazu, sich den lebenslang gehegten Traum von jenem Aufbruch ohne ein bestimmtes Ziel, jener Reise um des Reisens willen, zu erfüllen. Gleichzeitig schickt ihn ein Schriftsteller als Hauptfigur seines Prosatextes auf eben jene große Fahrt. Von diesem Moment an werden die Fährnisse des einen zu Unannehmlichkeiten für den anderen.

Granturismo erzählt vom Entstehen und Scheitern eines Reiseromans. Sobald sich der Reisende gezwungen sieht, eine Atempause einzulegen, wendet sich sein Erfinder der eigenen Umgebung zu und avanciert auf diese Weise zum Helden einer ganz anderen, seiner „eigenen“ Geschichte, die immer lebendigere Ausmaße annimmt.

Hanno Millesi, geboren 1966, studierte Kunstgeschichte an den Universitäten in Wien und Graz und an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Millesi lebt heute als freier Schriftsteller und Künstler in Wien. Neben seinen literarischen Aktivitäten wirkt er seit 1993 auch als Gitarrist bei der Band Albers mit. Zuletzt erschienen: Wände aus Papier (2006), Das innere und das äußere Sonnensystem (2010, beide: Luftschacht). www.ignorama.at

Joe Rabl, geboren in Kufstein, Studium der Germanistik und Komparatistik, seit 1996 im Verlagswegen freier Lektor.

 

Andrea Grill: Liebesmaschine N. Y. C. Storys. Otto Müller 2012

Hanno Millesi: Granturismo. Roman. Luftschacht 2012

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Lesung mit Musik

Donnerstag, 17. Januar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Angelika Rainer
Trompete: Markus Rainer

Mit ihrem Debüt, der lyrischen Erzählung Luciferin, hat Angelika Rainer im Jahr 2008 Publikum und Kritik in Staunen versetzt. In ihrem unverwechselbaren, klangvollen Ton kreist sie in ihrem zweiten Werk nun um Odradek – ein gesichtsloses Zwirnspulenwesen, wie es Kafka in seiner Erzählung Die Sorge des Hausvaters beschreibt. Rainer erzählt die Geschichte weiter: Das Wesen Odradek hat keine feste Bleibe, es zeigt sich selten, und nur solange der Hausvater zu ihm spricht, ist es anwesend. Doch auch von den Zeiten seiner Abwesenheit gibt es Bericht, und unversehens gerät die Erkundung des Wesens zu einer Erkundung der Seele – geheimnisvoll und lange nachhallend.

Markus Rainer, Trompeter bei den Münchner Philharmonikern und der Musicbanda Franui, wird die Lesung mit gedämpfter Trompete begleiten.

Angelika Rainer, geboren 1971 in Lienz/Osttirol, lebt in Wien. Harfenistin bei der Musicbanda Franui. 2008 debütierte sie mit Luciferin bei Haymon.

Angelika Rainer: Odradek. Haymon 2012 

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[Montagsfrühstück - Forum für strategische Langsamkeit] Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Montag, 21. Januar, 9 - 11 Uhr
Literaturhaus am Inn

Digitalisierung von Bücherwelten:
Zukunftsvision oder Albtraum?

Moderation: Martin Fritz

Die Österreichische Nationalbibliothek will sich in den kommenden Jahren mit einem großangelegten Digitalisierungsprojekt zu einem „offenen Wissenszentrum“ entwickeln. Mit dieser Meldung ging die Generaldirektorin der ÖNB Johanna Rachinger im Herbst letzten Jahres an die Presse: „Wir sind die erste Kultur- und Wissensinstitution, die eine Vision für die Zukunft entwickelt hat“, so Johanna Rachinger über das Projekt „Vision 2025“. Für Kontroversen sorgte vor allem das auf einer angestrebten Novelle des Mediengesetztes basierende Vorhaben, nur noch die E-Books neuer Bücher zu archivieren. Der Vorstand der IG Autorinnen und Autoren stellte eine verlässliche Archivierung und bleibende Zugänglichkeit durch eine rein digitale Speicherung infrage. Kritisiert wurde u.a. nicht nur, dass Bücher bzw. Printmedien als kollektives gesellschaftliches Gedächtnis in Zukunft ausschließlich in virtueller Form aufbewahrt werden sollen, sondern auch die Abwicklung über den Konzern Google.

Im Montagsfrühstück diskutieren Bettina Kann, Leiterin der Hauptabteilung Digitale Bibliothek der ÖNB, und der Autor und Kritiker des Projekts Radek Knapp über die Risiken und Möglichkeiten eines solchen Digitalisierungsprojekts und über seine Auswirkungen.

Bettina Kann, Studium der Geschichte an der Universität Wien. Seit 1993 an der Österreichischen Nationalbibliothek mit verschiedenen Schwerpunkten, darunter Informationsretrieval und Bibliothekssysteme. Seit 2004 Spezialgebiet Digitale Langzeitarchivierung, Repositories und Management digitaler Sammlungen. Lehrtätigkeit im Rahmen des Universitätslehrganges „Master of Science (MSc) Library and Information Studies“.

Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, lebt in Wien. Studium der Philosophie. Publikationen: Herrn Kukas Empfehlungen (1999), Der Papiertiger (2003), Gebrauchsanweisung für Polen (2005). Zuletzt: Reise nach Kalino (2012, alle: Piper).

 

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[Nahaufnahme] Dienstag, 5. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 
In dieser Reihe wird an Autorinnen und Autoren erinnert, literarische Fundstücke werden präsentiert und zu Unrecht aus dem Kanon gefallene Schriftstellerinnen und Schriftsteller wiedergelesen.


Widerständige Windsbräute in surrealistischen Hexenküchen:
Leonora Carrington und Remedios Varo

Eine Collage von Doris Eibl

Es liest Verena Mayr

Der historischen Avantgarde war es eigen zu schockieren, Menschen aufzuregen, sich an die Grenzen des Denkbaren, des Sagbaren, des Darstellbaren heranzuarbeiten, sie bisweilen zu verschieben und neue Denkräume zu erschließen. Der französische Philosoph Jean-François Lyotard sagte über die Avantgarde, sie hätte auf künstlerischer und literarischer Ebene eine Reihe von Fragen vorweggenommen, die ab den 1960er Jahren auf theoretisch-philosophisch-wissenschaftlicher Ebene einen Paradigmenwechsel einleiteten.

Die surrealistischen Künstlerinnen und Schriftstellerinnen Leonora Carrington (19172011) und Remedios Varo (19081963) inszenierten in ihren Werken Maskeraden, untergruben Geschlechterrollen, zelebrierten Hybridität und Métissage in einer eigenwilligen Prononciertheit, die dem Zwischen den Sprachen, dem Zwischen den Bilderwelten, dem Zwischen den Mythen und den Kulturen im weitesten Sinne geschuldet war, wobei sie sich in ihren Text- und Bildzwischenräumen als mögliche Identitäten unentwegt neu und anmaßend entwarfen.

Doris Eibl, Vertragsassistentin am Institut für Romanistik, arbeitet in ihrer Habilitation zur surrealistischen Literatur von Frauen in der Romania.


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Buchpräsentation und Lesung Donnerstag, 14. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Martin Roda Becher
Anja Becher

Einführung: Konstantin Kaiser

Ulrich Becher, geboren 1910 in Berlin, wird 1933 als aufstrebender junger Schriftsteller durch die Machteinsetzung Hitlers 1933 zu einem Niemand, so auch der Titel eines Stücks, dessen Uraufführung in Berlin verboten wird. Er flieht aus Deutschland und streift durch das noch freie Europa, abhängig von den Zuwendungen des vermögenden Vaters. 1941, sein Gesamtwerk wird im Deutschen Reich verboten, emigriert er mit seiner Frau Dana, Tochter von Alexander Roda Roda, nach Brasilien, 1944 in die USA. Er kehrt zur Uraufführung von Der Bockerer 1948 nach Wien zurück und lässt sich 1959 definitiv in Basel nieder.

In den Briefen an die Eltern aus dem Zeitraum 1917 bis 1945 werden die Lesenden Zeugen eines unruhigen Lebens, der Irrtümer und Erfahrungen eines Autors, der rastlos von Ort zu Ort zieht.

Martin Roda Becher, Sohn von Ulrich Becher, geboren 1944 in New York, lebt heute als freier Schriftsteller und Drehbuchautor in Basel. 2000 erschien von ihm Dauergäste. Meine Familiengeschichte (Nagel & Kimche)

Anja Becher, Enkelin von Ulrich Becher, geboren 1977 in Basel, Schauspielausbildung in Wien und Zürich, Schauspielerin.

Ulrich Becher: Ich lebe in der Apokalypse. Briefe an die Eltern 1917 – 1945. Vorwort von Martin Roda Becher, herausgegeben von Martin Roda Becher, Dieter Häner und Marina Sommer.

Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2012


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Lesung
Donnerstag, 21. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Gabriele Bösch
Sylvie Schenk


Einführung: Gabriele Wild

Am Umschlagbild von Gabriele Böschs Roman Schattenfuge ist Die Liebenden von René Magrittes abgebildet und die Bilder des surrealistischen Malers begleiten das Zusammentreffen des Mannes und der Frau, das sich während einer einzigen Nacht abspielt. Die beiden haben eine Abmachung: Sie will schweigend sein Porträt malen, er soll währenddessen von sich erzählen. Er, ein Architekt, der seinen Beruf an den Nagel gehängt hat, beginnt seine Erzählung mit der Schilderung seines Scheiterns. Als sie das nicht mehr aushält, schickt sie ihn fort. Er kommt zurück und beginnt, von seiner Fußwanderung nach Finisterre zu erzählen. Schritt für Schritt hört sie ihm zu, Strich für Strich entsteht das Porträt eines Liebenden, in dem sie sich selbst erkennt. Die Bezüge zu Malerei und Architektur machen den Roman zusätzlich zu einer Auseinandersetzung mit dem Sehen.

Gabriele Bösch, geboren 1964 in Koblach / Vorarlberg, lebt in Hohenems. Veröffentlichungen in Zeitschriften seit 1996, 2004 Literaturstipendium des Landes Vorarlberg, 2005 Zweiter Preis beim Prosapreis Brixen-Hall. Zuletzt erschienen: Der geometrische Himmel (2007, Skarabäus).

Der Aufbruch des Erik Jansen von Sylvie Schenk erzählt die bewegende Geschichte von Erik Jansen, einem Deutschlehrer mit Leib und Seele um die fünfzig. Er verliert seine Anstellung im katholischen Gymnasium zu Sankt Theresa. Wie es dazu gekommen ist, dass er nicht nur seine sichere Stelle, sondern auch seine Frau und ein wenig wohl auch sich selbst verlor, versucht er, alleine, auf einer Gruppenreise nach Jordanien zu reflektieren. Die Reise ist für ihn ein Aufbruch und Befreiungsschlag – nicht nur aus der fatalen Liebe zu einer Schülerin, sondern aus seinem unerfüllten Leben.

Sylvie Schenks Überschreibung der Parabel von Franz Kafka Der Aufbruch ist nicht nur die Geschichte eines Mannes in der Midlife-Crisis, sie ist auch ein Spiel mit der Literatur, mit Auslegungen und Signifikanz: ein kluger, feinsinniger Roman, durch den sich wie ein roter Faden die Liebe zu Kultur und Literatur zieht.

Sylvie Schenk, geboren 1944 in Chambéry / Frankreich, lebt in Stolberg, Rheinland. Sie schreibt Lyrik auf Französisch und Prosa auf Deutsch. Mehrere Auszeichnungen, darunter der Hasenclever Förderpreis. Publikationen zuletzt: Die Tochter des Buchhändlers (2008), Parksünder (2009) und Der Gesang der Haut (2011, alle: Picus).

Gabriele Bösch: Schattenfuge. Limbus 2012

Sylvie Schenk: Der Aufbruch des Erik Jansen. Picus 2012


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Gespräch über Literatur und Religion Donnerstag, 28. Februar, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Brigitte Schwens-Harrant
Jörg Seipp

Moderation: Johann Holzner

Ein Dialog, zwei Disziplinen. Beide, Religion und Literatur und ihre jeweiligen Wissenschaften, produzieren und interpretieren Texte, bewahren sie auf, nehmen sie auseinander. Der geplünderte Tempel vereint kulturwissenschaftliche Essays über profane und heilige Literatur, verzweckte und wilde Lektüren, inhaltliche und formale Interessen und die Frage, wie man das Verhältnis von Literatur und Religion denken kann. Auf eine kritische Bestandsaufnahme folgen Wege, wie der Diskurs beschreitbar wird und beibt.

Brigitte Schwens-Harrant, Studium der Deutschen Philologie und Religion in Wien. Ressortleiterin der Wochenzeitschrift „Furche“ sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck. Vorträge und Seminare zur österreichischen und internationalen Gegenwartsliteratur und Literaturkritik. Zuletzt erschienen: Literaturkritik. Eine Suche (Studienverlag 2008), Zerstreute Stimmen. Menschen – Themen – Bücher (2010).

Jörg Seip, Studium der Katholischen Theologie an den Universitäten Paderborn und München, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Bonn. Arbeitsschwerpunkte u. a.: Analyse von Normen und Praktiken, Theologie, Literatur und Literaturtheorie, Homiletik und Predigtausbildung. Zuletzt erschienen: Der weiße Raum. Prolegomena einer ästhetischen Pastoraltheologie (2009).

Gemeinsam geben sie eine Internetzeitschrift heraus: www.literatur-religion.net

Brigitte Schwens-Harrant, Jörg Seip: Der geplünderte Tempel.
Ein Dialog. Klever 2012

 




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