Literaturhaus am Inn

Programm März - April 2015

Menschenbilder

 

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Dienstag, 3. März, 20 Uhr 
Literaturhaus am Inn
Reinhard Kaiser-Mühlecker
Lesung und Autorengespräch
Moderation: David Winkler-Ebner

In seinen fünf bisher erschienen Romanen hat Reinhard Kaiser-Mühlecker ein großes Epos der menschlichen Schuld geschrieben. In seinem aktuellen Erzählband Zeichnungen verdichtet er die existentiellen Fragen: Wie wird der Mensch schuldig? Wie verketten sich Verfehlungen, Verschweigen, Gerüchte und Lügen zu einer Lebensgeschichte? Und ist jeder unausweichlich in sein vorgezeichnetes Schicksal verstrickt? Ein ängstlicher Verrat, eine Bösartigkeit, ein perfider Freundschaftsdienst lösen ein Unheil aus, das lange nachwirkt. Mit großer poetischer Kraft erzählt Kaiser-Mühlecker von der Sehnsucht, den alten Geschichten und der Vergangenheit zu entkommen und ein eigenes, freies Leben zu beginnen.

Reinhard Kaiser-Mühlecker, geboren 1982 in Kirchdorf an der Krems, Studium der Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. Sein Debütroman Der lange Gang über die Stationen erschien 2008. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Kunstpreis Berlin (2013), Östereichischer Staatspreis (2013), Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (2014). Publikationen zuletzt: Wiedersehen in Fiumicino (2011) Roter Flieder (2012) und Schwarzer Flieder (2014, alle Hoffmann und Campe).

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Zeichungen. Drei Erzählungen.

S.Fischer Verlag 2015

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In der Reihe [ Nahaufnahme ] wird an Autorinnen und Autoren erinnert, literarische Fundstücke werden präsentiert und Schriftstellerinnen und Schriftsteller wiedergelesen.

Donnerstag, 5. März, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 
W. G. Sebald
Vortrag von Uwe Schütte

„Ich habe einen Horror vor allen billigen Formen der Fiktionalisierung. Mein Medium ist die Prosa, nicht der Roman.“ (W. G. Sebald)

W. G. Sebald ist einer der anerkanntesten und zugleich umstrittensten Schriftsteller der deutschsprachigen Literatur des späten 20. Jahrhunderts. Sein vielgerühmtes literarisches Werk ruht auf einem Fundament, das weitenteils kaum bekannt ist, nämlich die im Verlauf von rund 30 Jahren entstandenen kritischen Schriften. Uwe Schüttes umfangreiche Studie Interventionen bietet daher einen Überblick der literaturkritischen Arbeiten Sebalds, unter Einbezug zuvor unveröffentlichter Archivdokumente. Die Studie legt anschaulich dar, wie sich Sebalds eigenwillige Literaturkritik – von der Magisterarbeit über Carl Sternheim bis zum polemischen Essay über Luftkrieg und Literatur – entwickelt hat. Zugleich skizziert Schütte mit seinem Buch die intellektuelle Biografie des vom Allgäu in die Provinz East Anglias entlaufenen Germanisten. Vor allem aber zeichnet Interventionen nach, wie Sebald im kritischen Widerspruch zu Germanistik und deutscher Nachkriegsliteratur selbst zum Schriftsteller wurde.

W. G. Sebald, geboren 1944 in Wertach, gestorben 2001 in Norfolk. Literarische Werke, Auswahl: Die Ringe des Saturn. Eine Englische Wallfahrt (1995); Die Ausgewanderten (1992), Austerlitz (2001, alle: Fischer Verlag).

Uwe Schütte, geboren 1967, hat in München Germanistik und Anglistik studiert und wechselte 1992 an die University of East Anglia, Norwich. Dort MA und PhD in österreichischer Literatur bei Professor W. G. Sebald. Seit 1999 Reader in German an der Aston University, Birmingham / UK. Mehrere Publikation zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur; über Sebald sind erschienen: W. G. Sebald. Einführung in Leben & Werk (2011, UTB) und Figurationen. Zum lyrischen Werk von W. G. Sebald (2013, Edition Isele), Interventionen: Literaturkritik als Widerspruch bei W. G. Sebald (2014, edition text + kritik).

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[Montagsfrühstück –
Forum für strategische Langsamkeit]

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Montag, 9. März, 9-11 Uhr
Literaturhaus am Inn
[Montagsfrühstück –
Forum für strategische Langsamkeit]
„social freezing“ – biologische Befreiung oder ökonomischer Zwang?
Anna Bergmann und Gertraud Klemm im Gespräch
Moderation: Doris Eibl (Institut für Romanistik)

Die Entnahme von unbefruchteten Eizellen und deren Konservierung durch Einfrieren war bisher als Möglichkeit für junge Krebspatientinnen gedacht: Junge Frauen können sich Eizellen entnehmen lassen, um zu einem späteren Zeitpunkt die Chance zu haben, ein eigenes Kind zu bekommen. Was bisher aus rein medizinischen Gründen praktiziert wurde, etwa vor einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung, erscheint nun unter dem Begriff „social freezing“ in einer neuen Dimension: Frauen können sich etwa auch aus karrieretechnischen Gründen entscheiden, ihre Eizellen einzufrieren und zu einem für sie geeigneten Zeitpunkt darauf zurückgreifen. Durch das Angebot von Firmen wie Facebook oder Google, ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren ihrer Eizellen zu finanzieren, damit sich diese auf ihre Karriere konzentrieren können, fand „social freezing“ Einzug in die öffentliche Debatte. Das [ Montagsfrühstück ] möchte sich der Frage stellen, ob die Praxis des „social freezing“ die Emanzipation von Frauen von biologischen und gesellschaftlichen Zwängen vorantreibt und tatsächlich Wahl- und Entscheidungsfreiheit über ihre Karriere-, Lebens- und Familienplanung ermöglichen könnte. Oder ist diese Praxis ein weiterer Schritt der Verfügbarmachung des (weiblichen) Körpers und der Unterwerfung unter die Mechanismen eines kapitalistischen Arbeitsmarktes, auf dem ökonomisch sehr potente Firmen zunehmend in jene Bereiche eingreifen, die bislang als privat galten?

Anna Bergmann, geboren 1953, apl. Professorin an der Euopa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder, lehrt Medizin- und Kulturgeschichte. Zahlreiche Buchpublikationen (Auswahl): Der entseelte Patient. Die moderne Medizin und der Tod (2004, überarb. 2. Aufl. 2015, Aufbau-Verlag), Überleben zu welchem Preis? Das Menschenexperiment Transplantationsmedizin (2015).

Gertraud Klemm, geboren 1971 in Wien, aufgewachsen in Baden, studierte Biologie; mehrere Stipendien und Förderpreise, zuletzt Irseer Pegasus 2014 sowie den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2014. Publikationen: Herzmilch (2014), Aberland (2015, beide: Droschl).

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung
für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

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In der Reihe [ Editionen ] des Forschungsinstituts Brenner-Archiv werden aktuelle editorische Publikationen vorgestellt.

Dienstag, 24. März, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Joseph Zoderer, Johann Holzner, Verena Zankl
Joseph Zoderer: Dauerhaftes Morgenrot. Roman
Präsentation des ersten Bandes der Werkausgabe Joseph Zoderer,
Lesung des Autors und ein Einblick in seine Werkstatt
Moderation: Ulrike Tanzer (Brenner-Archiv)

Lukas ist einer, der stets getrieben ist und doch nie ankommt. Seine Frau bringt ihn dazu, sie zu verlassen – wohlwissend, dass er zurückkommen wird. Er reist in die fremde Stadt am Meer, die andere Frau zu suchen, die andere Liebe. Doch noch während er sich der Erfüllung seiner Sehnsucht nähert, zeigt sich: Vielleicht ist die Sehnsucht selbst schon ihre Erfüllung. Dauerhaftes Morgenrot erzählt davon, dass Liebe nur möglich ist, wenn das Sehnen nicht aufhört.

Dauerhaftes Morgenrot ist der Auftakt zu einer Edition der Werke Joseph Zoderers im Haymon Verlag. In Zusammenarbeit mit Johann Holzner und dem Brenner-Archiv werden die Romane, Erzählungen und Gedichte in Einzelbänden neu aufgelegt. Jeder Band wird durch ein Nachwort sowie Materialien aus dem so genannten „Vorlass“ des Autors ergänzt.

Zoderers Vorlass wurde 2007 von der Südtiroler Landesregierung angekauft und dem Brenner-Archiv zur Verwahrung und Erschließung übergeben. Seit 2012 beschäftigt sich ein Forschungsprojekt mit dem Autor und seinem Werk. Informationen unter: www.uibk.ac.at/brenner-archiv/projekte/zoderer/

Joseph Zoderer, geboren 1935 in Meran, ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren Südtirols. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise, u. a. Hermann-Lenz-Preis (2003), Walther-von-der-Vogelweide-Preis (2005), Ehrenbürgerschaft der Universität Innsbruck (2008), Premio Ostana (2012). Werke (Auswahl): Das Glück beim Händewaschen (1976, Relief), Die Walsche (1982), Das Schildkrötenfest (1995), Der Schmerz der Gewöhnung (2002), Der Himmel über Meran. Erzählungen (2005, alle: Hanser), zuletzt erschienen: Mein Bruder schiebt sein Ende auf. Zwei Erzählungen (2012) sowie Hundstrauer. Gedichte (2013, beide: Haymon).

Johann Holzner, geboren 1948, Leiter des Brenner-Archivs 2001–2013, seit 2014 Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Theodor-Fontane-Archivs Potsdam.

Verena Zankl, geboren 1980 in Lienz, seit 2001 wissenschaftliche Projekt-Mitarbeiterin am Brenner-Archiv; Forschungsschwerpunkte: Editionsphilologie, Briefforschung, Literatur der Nachkriegszeit und der 1950er Jahre in Österreich; Mitarbeiterin des Forschungsprojekts über Joseph Zoderer.

In Kooperation mit Brenner-Forum und Haymon Verlag

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Kampf der Generationen

Donnerstag, 26. März, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn
Marlene Streeruwitz & Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn
Lesung und Autorinnengespräch
Moderation: Gabriele Wild

Zwei der aufsehenerregendsten Neuerscheinungen des vergangenen Bücherherbstes wurden von Marlene Streeruwitz geschrieben: „Ich kritisiere nicht. Ich lehne ab.“, sagt Nelia Fehn, Marlene Streeruwitz’ Romanheldin aus Nachkommen in ihrem ersten Fernsehinterview. Nelia Fehn spricht über ihr Romandebüt Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland, das auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht. Ihr Erstling handelt vom frühen Tod ihrer Mutter, von ihrer Liebe zu ihrem griechischen Freund Marios und davon, wie weder Trauer noch Liebe einen Platz in der Welt haben. Auf der Frankfurter Buchmesse trifft Nelia Fehn im Zuge der Verleihung des Deutschen Buchpreises auf einen Literaturbetrieb, der nur noch sich selbst inszeniert. Sie findet sich an den Forderungen einer Kultur gemessen, die von den Generationen vor ihr schon immer preisgegeben war. Nachkommen ist eine Roman über die Ordnung der Generationen und wie sie durch Gier und Vernachlässigung außer Kraft gesetzt wird.

Das zunächst fiktive Romandebüt von Nelia Fehn erschien einige Monate später tatsächlich: In Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland übernimmt Marlene Streeruwitz die Rolle ihrer Romanheldin Nelia Fehn aus Nachkommen und schreibt, als Nelia Fehn, deren erstaunliches Erstlingswerk: Eigentlich wollte Nelia sich Gedanken machen, wie ihr eigenes Leben nach der Matura weitergehen sollte. Aber dann wird die Reise durch Griechenland nach Athen zu ihrem Geliebten Marios eine abenteuerliche Irrfahrt durch eine zusammenbrechende Welt. Nelia will, dass alle wissen, was das heißt: mit den Folgen der Eurokrise zu leben.

Marlene Streeruwitz, geboren 1950 in Baden bei Wien. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise, zuletzt Bremer Literaturpreis, mehrfach für den Deutschen Buchpreis nominiert. Publikationen zuletzt: Die Schmerzmacherin. Roman (2011, S.Fischer Verlag), Poetik. Tübinger und Frankfurter Vorlesungen (2014, Fischer Taschenbuch). www.marlenestreeruwitz.at

Nelia Fehn, geboren
1993 in Wien, lebt in Österreich und Griechenland. Sie ist die Tochter der verstorbenen Schriftstellerin Dora Fehn. Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland ist ihr erster Roman.

Marlene Streeruwitz: Nachkommen. Roman. S.Fischer 2014 
Nelia Fehn: Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland. Roman. S.Fischer 2014 

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Kann der Erzähler einer Geschichte verschwinden?

Dienstag, 14. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 
Markus Bundi, Alois Hotschnig, Julia Gschnitzer
Annäherungen an das Werk Alois Hotschnigs
Buchpräsentation, Autorengespräch und Lesung
Moderation: Martin Sailer (ORF Tirol)

„Das so genannte wirkliche Leben wird einem durch keinen Erzähler erklärend beschrieben, warum sollte das in einem Text-Leben anders sein, denke ich, und aus diesem Grund habe ich in einigen meiner ,Erzählungen‘ auf einen Erzähler verzichtet.“(Alois Hotschnig)

In seinem vielfältigen Prosawerk erprobte Alois Hotschnig bereits unterschiedlichste Formen des vielstimmigen Erzählens. Fraglos ist Hotschnigs Prosa in die zeitgenössische Literatur eingebettet, zugleich aber besticht sie durch eine Eigenständigkeit, die virtuos und poetisch in einem ist. Markus Bundi untersucht in seinem Essay Vom Verschwinden des Erzählers die Erzähltechniken Alois Hotschnigs. Es geht um die Instanzen des Erzählens, um die Erzählstimme, insbesondere aber darum, wie sich Geschichten erzählen lassen, sodass diese zu den Geschichten der Leserinnen und Leser werden. Sich einem Schriftsteller wie Alois Hotschnig an die Fersen heften, heißt zugleich, sich zu verlieren, sich selbst einen Weg zu bahnen – und das gilt für den Autor des Essays wie für die Leserinnen und Leser gleichermaßen. Das Verstricktsein in Geschichten ist uns allen gemein, Versäumnisse und Fragen stehen in einem prekären Verhältnis zueinander – wie im „wirklichen Leben“.

Markus Bundi und Alois Hotschnig sprechen an diesem Abend über die Möglichkeiten des Erzählens, den verschwindenden Erzähler und über Zugänge zum Werk Alois Hotschnigs. Die Schauspielerin und Hotschnig-Interpretin Julia Gschnitzer liest dazu aus den Texten.

Markus Bundi, geboren 1969, lebt in Neuenhof / Schweiz. Publikationen zuletzt: Emilies Schweigen. Novelle (2013), Die Rezeptionistin. Erzählung (2014, beide: Klöpfer & Meyer), Herausgabe der Werkausgabe von Klaus Merz bei Haymon. www.markusbundi.ch

Alois Hotschnig, geboren 1959, lebt als freier Autor in Innsbruck. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise, u. a. Erich-Fried-Preis (2007) zuletzt Anton Wildgans Preis (2010), Publikationen (Auswahl): Die Kinder beruhigte das nicht. 9 Erzählungen (2006), Im Sitzen läuft es sich besser davon. Erzählungen (2009, alle: Kiepenheuer & Witsch).

Julia Gschnitzer, geboren 1931, spielte u. a. am Wiener Volkstheater und am Salzburger Landestheater, heute freie Schauspielerin.

Markus Bundi: Vom Verschwinden des Erzählers. Ein Essay zum Werk von Alois Hotschnig. Haymon 2015

In Kooperation mit 8tung Kultur

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 Stadt weit weg? Dorf und Moderne

Freitag, 17. April, 20:30 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Saša Stanišic´und Niels Grüne
Lesung und Gespräch
Moderation: Thomas Wegmann (Institut für Germanistik)

Den Mittelunkt von Saša Stanišic´s Roman Vor dem Fest bildet ein Dorf, ein fiktives Dorf irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Dieses Dorf wird zum schillernden Schauplatz einer ganzen Reihe eigenwilliger Figuren, aber auch zum Sammelplatz alter Chroniken und Legenden, von Wirtshausslang und Lokalnachrichten, Heimatgesang und Familiengeschichten. Die Sagen, Märchen und Geschichten fügen sich zu einem Mosaik des Dorflebens, in dem Alteingesessene und Zugezogene, Verstorbene und Lebende, Handwerker, Rentner und edle Räuber in Fußballtrikots aufeinandertreffen. Sie alle möchten etwas zu Ende bringen, in der Nacht vor dem Fest … Hat der aus Bosnien-Herzegowina stammende Autor damit eine kunstvolle Sammlung von Geschichten über „die letzten nicht globalisierten Deutschen“ (DIE ZEIT) geschaffen?

Die literarische Soiree mit Saša Stanišic´ findet im Rahmen der Tagung Grenzräume – Raumgrenzen: Ländliche Lebenswelten aus kulturwissenschaftlicher Sicht (16.–18. April 2015) statt. Diese Veranstaltung des Forschungsschwerpunkts „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“ der Universität Innsbruck führt gesellschafts- und geisteswissenschaftlicher Fächer zusammen, um die Erkenntnischancen des so genannten „spatial turn“ auszuloten. Ländliche Lebenswelten und deren nicht- bzw. anti-urbane Charakteristik bilden hierbei ein Leitmotiv.

Saša Stanišic´, geboren 1978 in Visegrad, Bosnien-Herzegowina, lebt seit 1992 in Deutschland. Sein Debütroman Wie der Soldat das Grammofon repariert (2006, Luchterhand) begeisterte Leserschaft und Kritik gleichermaßen; Übersetzungen in mehr als 30 Sprachen; zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Adelbert-von-Chamisso-Preis; zum Erscheinen im März 2014 erhielt Vor dem Fest den Preis der Leipziger Buchmesse.

Niels Grüne, Universitätsassistent am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie und Leiter des Clusters „Politische Kommunikation“ im Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“.

Saša Stanišic´: Vor dem Fest. Roman. Luchterhand 2014

In Kooperation mit dem Forschungszentrum Prozesse der Literaturvermittlung

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  Denkt an uns: Gedichte aus dem Exil

Dienstag, 21. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Greta Elbogen und Konstantin Kaiser
Buchpräsentation, Lesung, Gespräch

Greta Elbogen wurde 1937 in Wien geboren, floh 1939 mit ihren Eltern nach Ungarn und überlebte die Shoah in verschiedensten Verstecken. Ihr Vater war in mehreren Konzentrationslagern; in Dachau wurde er ermordet. Gretas Mutter und ihre ältere Schwester überlebten in Budapest unter dem Schutz von Raoul Wallenberg. Greta und ihre beiden älteren Brüder waren in einem Roten Kreuz Quartier außerhalb von Budapest untergebracht. 1956, während des Ungarischen Volksaufstandes, gelang die Flucht nach Wien. Mutter und Kinder waren kurzzeitig wieder vereint, aber die Mutter war so traumatisiert, dass die Mädchen in ein Kinderheim, die Brüder in England in ein orthodoxes Rabbinerseminar kamen. 1957 emigrierte Greta nach New York, wo sie auch heute noch lebt. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin und ist Psychotherapeutin und Lyrikerin.

Konstantin Kaiser liest an diesem Abend aus Greta Elbogens Gedichtband Gott spielt verstecken / God plays hide and seek sowie aus Herbert Kuhners Smoke and Fire / Rauch und Feuer und Trude Krakauers Niewiederland.

Im Anschluss an die Lesung wird Greta Elbogen, die auf Einladung des Jewish Welcome Service in Österreich ist, mit Konstantin Kaiser über die Bedeutung des Gedichts für ihr Leben und ihre Arbeit sprechen.

Konstantin Kaiser, geboren 1947 in Innsbruck, studierte Philosophie in Wien. Seit 1983 ist er freier Schriftsteller und Literaturwissenschaftler. Mitbegründer der „Theodor Kramer Gesellschaft“ und der „Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung“. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Essays, Gedichte und Prosa, zuletzt: Für und wider in dieser Zeit (Konstantin Kaiser und Siglinde Bolbecher, 2014).

Greta Elbogen: Gott spielt verstecken / God plays hide and seek. Gedichte. Band 6 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2015
Herbert Kuhner: Smoke and Fire / Rauch und Feuer. Band 3 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2014
Trude Krakauer: Niewiederland. Band 2 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2013

In Kooperation mit der Theodor Kramer Gesellschaft

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[Montagsfrühstück –
Forum für strategische Langsamkeit]

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Montag, 27. April, 9-11 Uhr
Literaturhaus am Inn
[Montagsfrühstück –
Forum für strategische Langsamkeit]
Europa: Zwischen Utopie und „Zerfall“?
Anton Pelinka im Gespräch mit dem/der Innsbruck-liest Autor/in
Moderation: Christina Antenhofer

„Europa ist eine Utopie des Friedens, der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit in der globalisierten Welt“, meinte der Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit in einem Interview, kurz vor den jüngsten EU-Wahlen. Eine Utopie, die den Traum nach einer anders denkenden und funktionierenden Gesellschaft miteinschließt. Doch wie sollte eine derartige europäische Gesellschaft aussehen? Zu bedenken ist bei diesen Fragen, dass diese „Utopie des Friedens“ nicht nur durch die jüngsten politischen Ereignisse (Stichwort: Ukraine) in die Ferne zu rücken scheint, sondern dass sie auf einem labilen ökonomischen Fundament beruht, das in globaler Perspektive alles andere als „sozial gerecht“ ist: Der Wohlstand Europas verdankt sich nicht (nur) einer spezifischen „Kultur“, sondern auch Prozessen einer globalisierten Wirtschaft, die Produktion in Billiglohnländern verschiebt, wo die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern keine Ausnahme ist. Zudem bedrohen Prozesse des Finanzkapitalismus das komplexe ökonomische Gefüge Europas. Beim [ Montagsfrühstück ] wollen wir nicht zuletzt die Frage diskutieren, in welche Richtung sich Europa momentan bewegt.

Es diskutieren der Politikwissenschaftler Anton Pelinka und der/die diesjährige Innsbruck-liest Autor/in, der/die am 8. April von der Stadt Innsbruck präsentiert wird.

Anton Pelinka, geboren 1941 in Wien, ist seit September 2006 Professor für Politikwissenschaft und Nationalismusstudien an der englischsprachigen Central European University in Budapest. Davor war er seit 1975 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck, davon mehrere Jahre auch als Dekan. www.ikf.ac.at

Christina Antenhofer, geboren 1973, Assistenzprofessorin am Instituts für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie; Arbeit an der Habilitationsschrift Mensch-Objekt-Beziehungen im Mittelalter und in der Renaissance am Beispiel der fürstlichen Höfe des süddeutschen und oberitalienischen Raums; Mitarbeit im Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen und Kulturelle Konflikte“,
Cluster Politische Ästhetik.

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung
für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

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 Historisches Material und literarische Imagination

Dienstag, 28. April, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 
Katharina Geiser
Lesung und Autorinnengespräch
Moderation: Ulrike Tanzer

Der Ursprung des Romans Vierfleck oder Das Glück liegt in der Begegnung Maya Rauchs mit Katharina Geiser. Maya Rauch erzählte der Autorin vor einigen Jahren von den Briefen ihres Vaters Heinrich Zimmer an ihre Mutter Mila Esslinger-Rauch. Nach Maya Rauchs Tod, wurde Katharina Geiser beauftragt, Maya Rauchs Hinterlassenschaft zu sichten und zu archivieren. Es entstand eine literarische Auseinandersetzung mit den Briefen und Materialien, der Roman Vierfleck oder Das Glück: Es ist die Geschichte eines Mannes, der einiges gewinnt und alles verliert. Eugen Esslinger, Sohn eines Miederwarenfabrikanten, lebt zunächst von seinem ererbten Vermögen, ist homosexuell und heiratet Mila Rauch, mit der er drei Kinder hat. Deren Vater aber ist er nicht. Seine Frau hat eine lebenslange Beziehung mit dem berühmten Indologen Heinrich Zimmer. Dieser ist mit Christiane von Hofmannsthal verheiratet, der Tochter des großen Dichters. Auch wenn Eugen Esslinger hinter allen anderen verschwindet, steht er in diesem Roman im Mittelpunkt, als ein Mensch, der viel liebt, der früh verlernt, sich zu behaupten und der in seinem Leben wie in den Leben derer, mit denen er es teilt, selten mehr ist als eine Nebenfigur. Und der in dem einen entscheidenden Moment nicht da ist, um jemanden zu retten …

Es sind vier Jahrzehnte deutscher Geschichte (1900–1944), die in diesem Roman lebendig werden, vor allem, und das ist die große Kunst seiner Autorin, in den Details, abseits der Hauptsachen und der Hauptfiguren.

Katharina Geiser, geboren 1956, studierte Germanistik, Englisch und Pädagogik. Sie lebt am Zürisee und zwischen Eider und Treene in Schleswig-Holstein. Zuletzt erschien der Roman Diese Gezeiten (2011, Jung und Jung). www.katharinageiser.ch

Katharina Geiser: Vierfleck oder das Glück. Roman. Jung und Jung 2015

Mit Unterstützung von Pro Helvetia. Schweizer Kulturstiftung


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