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Geist ist mehr als Gehirn
(Das Rätsel des bewussten Erlebens in materialistischer und funktionalistischer Deutung)

Autor:Goller Hans
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Kann die Hirnforschung das Bewusstsein vollständig erklären oder bleibt Bewusstsein der weiße Fleck auf der Landkarte des wissenschaftlichen Weltbildes? Der Artikel thematisiert jene Eigenschaften des bewussten Erlebens, bezüglich derer die Neurowissenschaften trotz reger Forschungstätigkeit nicht vorangekommen sind.
Publiziert in:219, Dezember 2001, Heft 12.
Datum:2001-10-29

Inhalt

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Das "Jahrzehnt des Gehirns" ist bereits Vergangenheit. Nicht wenige Hirnforscher meinen allerdings, dass ein Problem dieser Komplexität nicht in einem Jahrzehnt zu lösen ist. Für ein etwas tieferes Verständnis der vielfältigen Aspekte des Gehirns benötige die Forschung mindestens ein Jahrhundert (vgl. Pauen und Roth, 2001). (1) Der Neurobiologe T. Wiesel von der Rockefeller University in New York meinte neulich in einem Interview, die Hirnforschung sei ungefähr da, wo Galilei seiner Zeit bei der Erforschung des Universums war. Das Universum in unseren Köpfen stehe noch an einem frühen Zeitpunkt der Erforschung (ORF 27.06.2001). Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften sind jedoch beachtlich. Die Hirnforschung identifiziert immer genauer die neurophysiologischen Prozesse, die unserem Erleben und Verhalten zugrunde liegen (vgl. Goller 2000).(2) Die philosophische Erörterung des Geist-Gehirn-Verhältnisses in den siebziger und achtziger Jahren war von dem Optimismus geprägt, Bewusstsein lasse sich letztlich physikalisch erklären. Zur Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die Bewusstsein für etwas Rätselhaftes und Mysteriöses halten, das unserem Verständnis für immer entzogen bleiben wird.

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Die Grundthese der Hirnforschung lautet: Unser gesamtes Erleben und Verhalten ist vom Gehirn und seinen Funktionen abhängig. Ohne funktionierendes Gehirn in einem funktionierenden Körper erleben wir nichts. Damit hat auch alles, was je über Seele, Materie und Bewusstsein gedacht und geschrieben wurde, seinen Ursprung in Gehirnvorgängen (vgl. Rohracher,1965). (3)

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Das bewusste Erleben ist das vertrauteste und zugleich rätselhafteste Geschehen überhaupt. Über nichts wissen wir direkter Bescheid als über das eigene Erleben. Es lässt sich aber nur äußerst schwer mit allem, was wir sonst noch wissen, in Einklang bringen. Warum existiert es? Was tut es? Wie geht es aus Gehirnprozessen hervor? Solche Fragen gehören seit jeher zu den großen Rätseln menschlichen Forschens und Denkens (vgl. Chalmers 1996, 40). (4) Die Neurowissenschaften sind trotz reger Forschungstätigkeit bezüglich der Frage des bewussten Erlebens praktisch nicht vorangekommen. Obwohl dieses Problem seit der Antike bekannt ist, wird es in den aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen häufig negiert oder missverstanden. Es handelt sich um das sogenannte schwierige Problem des Bewusstseins (vgl. Windmann und Durstewitz, 2000,75). (5) Was am bewussten Erleben entzieht sich so hartnäckig dem wissenschaftlichen Zugriff?

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1. Das bewusste Erleben

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Der Ausdruck Erleben meint alle inneren Prozesse und Zustände, die nur der Selbstbeobachtung direkt zugänglich sind: Sinnesempfindungen wie Farben, Töne, Gerüche, Geschmacksempfindungen, Tasterlebnisse; Körperempfindungen wie Schmerz, Kälte, Hitze, Druck; Wünsche, Bedürfnisse, Willensentschlüsse; Gefühle wie Freude, Ärger, Wut, Überraschung, Scham und Ekel; Stimmungen wie Heiterkeit, Ängstlichkeit und Niedergeschlagenheit. Was ist das Besondere der Zustände des Erlebens? Sie sind nicht einfach vorhanden wie Gegenstände, wie Tische, Stühle oder Autos, sondern es fühlt sich auf eine ganz bestimmte Art und Weise an, in ihnen zu sein. Sie bestimmen für uns, wie es ist, ein Mensch zu sein. Sie sind ausschlaggebend dafür, dass jeder Mensch sich als Subjekt, als Urheber seines Handelns erfährt.

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In der Philosophie verwendet man für geistige und psychische Phänomene den Ausdruck "das Mentale" (vgl. Brüntrup, 1996).(6) Zu den mentalen Zuständen zählen einerseits Denkinhalte, Reflexionen, Meinungen und Wissensinhalte, andererseits qualitative Wahrnehmungen und Empfindungen. Für die qualitativen Bewusstseinszustände hat sich in der Philosophie der Ausdruck Qualia eingebürgert (Lewis, 1956). (7) Qualia sind Erlebnisqualitäten wie beispielsweise der Anblick glänzender Schneeberge, die Klangqualität einer Harfe, der Geruch gerösteter Kastanien, der Geschmack von Pistazien-Eis, die Schmerzhaftigkeit von Schmerzen, das Tasterlebnis der Glätte, das Sie haben, wenn Sie mit der Hand über den Tisch streichen; Gefühle wie Freude, Überraschung, Trauer, Ärger, Wut, Ekel, Scham, Furcht oder Verachtung. Erlebnisqualitäten besitzen einen ganz bestimmten phänomenalen Gehalt. Sie bilden das eigentliche Rätsel des Geistes (Chalmers 1996, 42) (8), das sogenannte "schwierige Problem" des Bewusstseins.

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2. Zentrale Merkmale des bewussten Erlebens

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2.1 Das Erleben ist subjektiv und privat

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Das Erleben ist subjektiv und privat. Das Verhalten, die Körperprozesse und Hirnprozesse sind öffentlich, d.h. objektiv erfassbar, intersubjektiv verifizierbar. Das eigene Erleben ist uns direkt zugänglich. Zum Erleben anderer Menschen haben wir keinen direkten Zugang. Es hat noch kein Mensch das Erleben eines anderen von innen her erfahren. Wir können zwar das Verhalten anderer Menschen beobachten, aber nicht deren Subjektivität. Auf Grund unserer Verhaltensbeobachtungen und aufgrund von Erlebnisberichten der Betroffenen schließen wir auf deren Befinden. Zudem nehmen wir eine Gegenkontrolle anhand des eigenen Erlebens in ähnlichen Situationen vor. Wir sind fähig, uns vorzustellen, was im anderen vorgeht, wenn er sich in einer bestimmten Situation befindet. Dies ist nur mit Hilfe einer Theorie des Geistes möglich.

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Was das Geist-Gehirn-Problem so vertrackt macht, ist die Schwierigkeit, der Subjektivität und Privatheit des Erlebens gerecht zu werden. Freude fühlt sich anders an als Ärger, Wut anders als Ekel, Verachtung wieder anders als Langeweile. Für jeden von uns haben solche Zustände eine ganz spezifische Erlebnisqualität. Es fühlt sich auf eine charakteristische Weise an, das Erlebnis des Anblicks einer grünen Wiese zu haben, den beruhigenden Ton einer Klarinette zu hören oder den bitteren Geschmack von Campari auf der Zunge zu spüren. Solche Zustände zu erleben ist etwas anderes als sie zu denken, zu beurteilen oder zu glauben, in ihnen zu sein (vgl. Bieri, 1992). (9) Jeder Mensch lebt in seiner eigenen persönlichen Erlebniswelt. Er nimmt andere Menschen, Gegenstände und Ereignisse auf eine einzigartige Weise wahr, mit nur von ihm selbst empfundenen Bedeutungen. Diese innere Erlebniswelt mit ihren gefühlten Bedeutungen und Erfahrungen ist nur der betreffenden Person selbst zugänglich. Nur sie kann sagen, was sie fühlt, was sie erlebt und wie sie es erlebt. Es gibt so viele Erlebniswelten wie es Menschen gibt. Die Neurowissenschaften erforschen die neuronalen Grundlagen des Erlebens, jedoch nicht das Erleben selbst. Wenn die Hirnforschung z.B. heute schon angeben könnte, mit welchen neuronalen Aktivitätsmustern das Erleben von Freude einhergeht, wüssten wir ohne eigene Freudeerlebnisse immer noch nicht, wie es ist, sich zu freuen.

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2.2 Das Erleben ist unräumlich

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Physisches ist von raum-zeitlicher Struktur, Erlebniszustände sind unräumlich, unausgedehnt und besitzen nur eine zeitliche Existenz. Es hat keinen Sinn danach zu fragen, wie lange, wie breit, wie hoch oder wie schwer ein Gefühl oder ein Wunsch ist. Die Hirnaktivität, die mit Gefühlen einhergeht, kann als ausgedehnt bezeichnet werden, jedoch nicht die Gefühle selbst. Bewusstsein ist kein "Gegenstand", der sich nahtlos in die gewöhnliche Welt einfügt. René Descartes' Intuition der Nicht-Ausgedehntheit ist ein fester Bestandteil unseres normalen Begriffs des Mentalen. Daraus ergeben sich mehrere Fragen: Wie kann etwas Nichträumliches wie z.B. ein Willensentschluss Veränderungen in der Welt des Räumlichen verursachen? Wenn Bewusststein nicht räumlich ist, wie kann es dann seinen Ursprung in der räumlichen Welt haben? Zuerst gab es das Universum ohne Bewusstsein. Dann begann die Evolution des Lebens und die Materie ordnete sich immer komplexer und raffinierter an. Als Ergebnis davon kam das Bewusstsein in die Welt. Es wurde etwas radikal Nicht-Räumliches hervorgebracht. Etwas wesentlich Nicht-Räumliches ging aus etwas rein Räumlichem hervor. Wie kann etwas Unausgedehntes aus dem Ausgedehnten entstehen? Der amerikanische Philosoph Colin McGinn spekuliert: Der Ursprung des Bewusstseins bedient sich irgendwie jener Eigenschaften des Universums, die dem Urknall vorausgegangen sind und ihn erklären. Bewusstsein wäre demnach älter als Materie im Raum, zumindest was sein Rohmaterial betrifft. Unser Gehirn muss über Eigenschaften verfügen, die in unserer gegenwärtigen physikalischen Weltsicht nicht repräsentiert sind. Eigenschaften, die wir nicht im geringsten verstehen. Dieser Auffassung nach ist unsere Sicht der Realität, einschließlich der physikalischen Realität, grundlegend unvollständig. Bewusstsein ist eine Anomalie in unserer gegenwärtigen Weltsicht (vgl. McGinn, 1996). (10)

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2.3 Das Erleben ist an eine Perspektive gebunden

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Es gibt zwei grundverschiedene Zugangsweisen, durch die wir ein Wissen über Bewusstsein erlangen: Von innen und von außen. Von innen, aus der Innenperspektive, der Erlebnisperspektive oder der Ersten-Person-Perspektive; von außen, aus der Außenperspektive, der Beobachterperspektive oder der Dritten-Person-Perspektive. Die erste Zugangsweise ist die Introspektion, der sogenannte phänomenologische Ansatz. Die zweite Zugangsweise ist der Versuch, sich dem Bewusstsein von außen zu nähern z.B. mit Hilfe der Verhaltensbeobachtung und der Hirnforschung. Die beiden Perspektiven lassen sich nicht aufeinander reduzieren. Wissenschaft kann nur von außen beobachten. Jeder von uns hat aber glücklicherweise die Möglichkeit zum Blick von innen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, herauszufinden wie Dinge funktionieren. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen der Erklärung, wie etwas funktioniert und der Erfahrung dessen. Erfahrung ist etwas sehr Spezielles und Individuelles.

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Erlebnisqualitäten sind an die Erste-Person-Perspektive gebunden. Diese kann von einem objektiven Standpunkt aus nicht eingenommen werden. Erlebnisse gibt es nicht an sich. Sie sind immer jemandes Erlebnisse. Niemand weiß, wie es für mich ist, das Rollen einer niedersausenden Schneelawine zu erleben. Unser Bewusstsein ist ein zentriertes Bewusstsein. Der Mittelpunkt des Bewusstseins sind wir selbst. Bewusstsein hat eine perspektivische Natur und das müßte Gegenstand jeder überzeugenden wissenschaftlichen Theorie des Bewusstseins sein. Objektive Wissenschaft abstrahiert aber von allen subjektiven Perspektiven. Eine Theorie über Schmerzen z.B., in der die Erlebnisqualität des Schmerzes nicht vorkommt, ist überhaupt keine Theorie über Schmerzen. Sie wäre uns unendlich fern, denn sie würde genau das auslassen, was uns interessiert. Das ist der Grund, warum einige Philosophen den phänomenalen Gehalt von Erlebnisqualitäten für eine irreduzible Eigenschaft solcher Zustände halten (vgl. Metzinger, 1996, 15-53). (11)

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Wir können die Welt so beschreiben, dass wir selbst in ihr nur ein Gegenstand unter vielen anderen Gegenständen sind. Dabei versuchen wir, die Welt gleichsam "von außen" zu beschreiben ohne Berücksichtigung unserer Erlebnisperspektive. Angesichts der unendlichen Weite von Raum und Zeit schrumpft mein Leben zur Bedeutungslosigkeit. Ich bin nur ein Mensch unter Milliarden von Menschen. Ich lebe auf dieser Erde, die nur ein Staubkorn ist, das in der Unendlichkeit des Weltraums sich dreht. Ob es mich gibt oder nicht gibt, ändert an der Menschheit als ganzer und am Universum als ganzem nichts. Auf der anderen Seite erlebe ich mich nicht nur als Gegenstand in der Welt. Ich betrachte die Welt aus der subjektiven Perspektive meines Bewusstseins. Diese Sicht ist einzigartig und unvertretbar. Mit meinem Ende, mit meinem Tod, geht eine ganze Welt zu Ende: die Welt meiner Empfindungen, Erlebnisse und geistigen Zustände, die einen unauflösbar subjektiven Charakter haben. Meine Welt, meine Erlebniswelt wird ausgelöscht.

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Das Dilemma der zwei Perspektiven zeigt sich noch in einer anderen Form. Einerseits bin ich als materieller Körper ein Teil der physischen Welt und unterliege daher den gesetzmäßigen Notwendigkeiten, welche die Naturwissenschaften beschreiben. Aus dieser Sicht bin ich nur ein Spielball der Kräfte, die den mechanischen Ablauf unserer Welt bestimmen. Ich bin in ein Netz kausaler Beziehungen eingebettet. Andererseits erlebe ich mich aber als autonom und als kausalen Ursprung meiner Handlungen. Das findet seinen Ausdruck in der sittlichen Verantwortung und der Schuld. Beide Perspektiven sind uns vertraut, und beide haben für uns ein hohes Maß an Plausibilität. Das Problem ergibt sich dadurch, dass sie sich - zumindest auf den ersten Blick- zu widersprechen scheinen. Welches der beiden Selbstbilder auch wahr sein mag, das jeweils andere scheint auf einem Irrtum zu beruhen. Wie kann man den Widerspruch zwischen diesen beiden Perspektiven beseitigen? Wer sich diese Frage stellt, beginnt, über das Leib-Seele-Problem nachzudenken (vgl. Brüntrup 1996, 11-12). (12)

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Bewusstes Erleben tauchte in der Entwicklung des Universums sehr spät auf. Mit der Entstehung des Bewusstseins bilden sich individuelle Räume des inneren Erlebens. In einem mittelpunktlosen Universum entstehen plötzlich Ich-Zentren, Brennpunkte des Bewusstseins. Jedes dieser Bewusstseinszentren bildet eine eigene Perspektive auf die Welt. An jede dieser Perspektiven ist eine eigene Erlebniswelt gebunden. Diese individuellen Welten besitzen ihre eigene Geschichte und ihre eigene Biographie. Mit Bewusstsein entsteht immer das, was wir im Alltag bewusstes Erleben nennen. Es geht nun darum, folgendes zu verstehen: Wie können in einem objektiven Universum ständig viele subjektive Universen entstehen und wieder vergehen? Wie kann jeder von uns ein subjektives Universum sein?

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3. Deutungen des Verhältnisses von Geist und Gehirn

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Die vielen philosophischen Deutungen reichen von reduktionistischen Modellen, die voraussetzen, dass Bewusstsein sich mit den gängigen Methoden der Neurowissenschaften und der Psychologie erklären lasse, bis zur Position, dass wir das Verhältnis von Geist und Gehirn niemals verstehen werden (Chalmers 1996, 40). (13) Im folgenden skizziere ich zwei reduktionistische Deutungen, die Identitätstheorie und den Funktionalismus, und erörtere die offenen Fragen, die sie aufwerfen.

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3.1 Die materialistische Identitätstheorie

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Zur Zeit sind materialistisch-monistische Deutungen des Geist-Gehirn-Verhältnisses populär. Auf Grund der Fortschritte der Hirnforschung glaubt man, in Zukunft das Bewusstsein naturwissenschaftlich erklären zu können. Wenn wir einmal genau wissen, wie die Nervenzellen des Gehirns Informationen verarbeiten, dann haben wir das Rätsel des Bewusstseins gelöst. Der Molekularbiologe und Nobelpreisträger Francis Crick sagt: Die Bilanz von Philosophie und Theologie ist nach zweitausend Jahren der Beschäftigung mit dem Leib-Seele-Problem so armselig, dass sie jede Glaubwürdigkeit verspielt haben und jetzt das Feld zugunsten der Neurophysiologie räumen müßten. In seinem Buch "Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins" (1994)" vertritt er folgende Hypothese:

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" 'Sie', Ihre Freuden und Leiden, Ihre Erinnerungen, Ihre Ziele, Ihr Sinn für Ihre eigene Identität und Willensfreiheit - bei alledem handelt es sich in Wirklichkeit nur um das Verhalten einer riesigen Ansammlung von Nervenzellen und dazugehörigen Molekülen. Lewis Carrolls Alice aus dem Wunderland hätte es vielleicht so gesagt: 'Sie sind nichts weiter als ein Haufen Neurone.' Diese Hypothese ist so weit von den Vorstellungen der meisten Menschen entfernt, dass man sie wahrlich als erstaunlich bezeichnen kann" (Crick 1994, 17). (14)

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Die materialistische Identitätstheorie betrachtet mentale Phänomene als physikalische Zustände unseres Gehirns. "Mentale Zustände und Ereignisse sind Zustände und Ereignisse, wie die Neurophysiologie sie zum Gegenstand hat..." (Bieri, 1993, 36). (15) Daraus folgt, dass mentalistische und neurophysiologische Beschreibungen sich de facto auf denselben Gegenstand beziehen. Unser bewusstes Erleben, so die Argumentation, kann einerseits durch psychologische und andererseits durch physikalische Begriffe beschrieben werden. Dass beide Beschreibungen sich auf ein und dasselbe Phänomen beziehen, wäre durch die empirische Forschung zu entdecken. Die stärkeren Varianten der Identitätstheorie sehen eine Reduktion der Psychologie auf die Neurobiologie vor. Demnach würden wir unser Erleben in ferner Zukunft mit neurophysiologischen Ausdrücken beschreiben. Statt von Empfindungen, Gefühlen, Gedanken oder Bedürfnissen zu sprechen, würden wir uns auf dieselben Phänomene mit Ausdrücken der Neurobiologie beziehen.

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Eine empirische Entdeckung besteht häufig in der Reduktion von Phänomenen durch Identifikation. Reduktionismus ist die Auffassung, dass die materiellen Beschreibungen eine umfassendere und genauere Erklärung der Wirklichkeit liefern als geistige Beschreibungen. Das heißt nicht, dass die geistigen Erklärungen unserer Handlungen, die wir im Alltag benutzen, völlig falsch wären. Obwohl wir wissen, dass die Neurophysiologie letztlich die angemessenere Erklärung für unser Handeln liefert, können wir uns im Alltag der geistigen Beschreibungen bedienen.

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Ist die Identitätstheorie eine empirisch plausible Hypothese? Der bloße Aufweis strikter psychophysischer Korrelationen berechtigt keineswegs zu einer Identifikation. Eine erfolgreiche Reduktion der Psychologie auf die Neurobiologie wäre der einzig legitime Weg zur empirischen Bestätigung dieser Deutung des Geist-Gehirn-Verhältnisses. Sieht man sich die wenigen interdisziplinären Forschungsansätze auf dem Gebiet zwischen Hirnforschung und Psychologie an, dann ergibt sich ein ernüchterndes Fazit: "Eine Reduktion der Psychologie auf die Neurophysiologie ist nicht in Sicht" (Carrier und Mittelstraß 1989, 134). (16)

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Gegen die Identitätstheorie lassen sich folgende Einwände formulieren: Wie können Bewusststeinsphänomene wie Freude, Trauer, Ärger oder Willensentschlüsse mit Gehirnzuständen identisch sein? Es gibt beachtliche Unterschiede zwischen der subjektiven Erlebnisqualität dieser Phänomene und den ihnen zugeordneten Gehirnprozessen. Der Sprung von der subjektiven Erlebnisperspektive zur objektiven Beschreibung auf der neurophysiologischen Ebene führt von den mentalen Phänomen, so wie wir sie erleben, weg. Die objektive Analyse verfehlt den essentiellen Aspekt dieser Phänomene. Was bleibt von unseren Gefühlserlebnissen übrig, wenn wir die subjektive Erlebnisperspektive wegstreichen und sie nur als Hirnprozesse beschreiben? Die erlebten Gefühle sind genauso, wie sie erscheinen, d.h. wie sie sich anfühlen. Eine noch so genaue Kenntnis der neurophysiologischen Grundlage von Ärgererlebnissen sagt nichts darüber aus, wie es sich anfühlt, sich zu ärgern (vgl. Bieri 1992). (17) Der amerikanische Philosoph John Searle betont: Erlebnisqualitäten lassen sich nicht dadurch erfassen, dass man sie "naturalisiert, d.h. auf körperliche Phänomene zurückführt. Wenn wir sagen, Schmerz ist in Wirklichkeit nichts als ein Muster neuronalen Feuerns, dann lassen wir die wesentlichen Merkmale des Schmerzes unberücksichtigt (Searle 1994, 117). (18)

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3.2 Der Philosoph Thomas Nagel sagt in seinem Buch The view from nowhere:

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"Darauf zu bestehen, das Psychische mit Begriffen und Theorien erklären zu wollen, die ausdrücklich zur Erklärung nicht-psychischer Phänomene entwickelt wurden, ist im Hinblick auf die radikal unterschiedlichen Charakteristika des Psychischen intellektuell hinterwäldlerisch und wissenschaftlich selbstmörderisch. Der Unterschied zwischen dem Psychischen und dem Materiellen ist viel größer als der zwischen elektrischen und mechanischen Vorgängen" (Nagel, 1986, 52). (19)

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4. Der Funktionalismus

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Für den Funktionalismus ist das Verhältnis von Geist und Gehirn wie das Verhältnis von Software und Hardware in einem Computer. Das Gehirn wäre in diesem Vergleich die "Hardware" des Computers. Wenn ich wissen will, wie ein Computer funktioniert, warum er mir z.B. keine Umlaute auf dem Bildschirm anzeigt, dann hat es wenig Sinn, den Computer zu zerlegen und herauszufinden, aus welchen materiellen Bestandteilen er zusammengesetzt ist. Ich kann die Funktionsweise des Computers erst verstehen, wenn ich das Programm, z.B. das Textverarbeitungsprogramm, kenne. In ähnlicher Weise hat es wenig Sinn, menschliches Verhalten rein neurophysiologisch erklären zu wollen. Ich muss etwas über das "Programm" des Menschen, seine geistigen Fähigkeiten, sein "Seelenleben" wissen, wenn ich sein Verhalten erklären will. Geistige Erklärungen sind den materiellen überlegen, beide Beschreibungen beziehen sich aber auf ein und dieselbe Wirklichkeit.

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Der Funktionalismus wurde zum führenden Paradigma der Künstlichen-Intelligenz-Szene. Was will die Künstliche Intelligenz? Oft wird verkündet, sie wolle Maschinen bauen, die intelligent sind, die denken, die wahrnehmen, die Entscheidungen treffen, die etwas wollen, die kurz gesagt, Bewusstsein haben. Eine viel verwendete "Definition" der Künstlichen Intelligenz formuliert das wesentlich behutsamer:

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"Künstliche Intelligenz ist der Zweig der Computerwissenschaften, der sich damit befasst, Computer so zu programmieren, dass sie Aufgaben ausführen können, die, wenn sie von einem Menschen ausgeführt würden, Intelligenz erfordern" (Gevarter 1987, 9). (20) Anders formuliert: Das Ziel der Künstlichen Intelligenz ist es, Maschinen zu bauen, die sich so verhalten, dass wir das beim Menschen alltagspsychologisch durch mentale Zustände erklären würden" (vgl. Tetens 1994, 106). (21)

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Man kann fragen: Wenn eine Maschine das beobachtbare Verhalten eines Menschen kopiert, kopieren dann die internen Zustände dieser Maschine zugleich das Erleben dieses Menschen? Bisher kennen wir nur Maschinen, die das psychologisch erklärte menschliche Verhalten, wenn überhaupt, dann durch interne Mechanismen zustande bringen. Diese internen Mechanismen ähneln psychischen Zuständen sehr wenig oder gar nicht.

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Nach der These der Starken Künstlichen Intelligenz sind Wesen mit mentalen Zuständen nichts anderes als sehr komplexe Computer. Wäre diese These korrekt, dann gäbe es für die Nachbildung und Überbietung des menschlichen Geistes auf Computern keine Grenzen mehr. Computergestützte künstliche Intelligenz ist nicht bloß eine Simulation menschlicher Intelligenz, beide sind grundsätzlich von der gleichen Art (vgl. Brüntrup, 1996, 101). (22) Schwache Künstliche Intelligenz ist die Auffassung, dass Hirnvorgänge und geistige Vorgänge mittels eines Computers simuliert werden können.

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Der Funktionalismus reduziert Mentales auf seine kausale Rolle, die mechanisch auf verschiedene Weise realisierbar ist. Durch die These, dass beim Menschen mentale Zustände faktisch als Gehirnzustände realisiert sind, wird der Funktionalismus zum funktionalen Materialismus. Es sind die Gehirnzustände, die kausal wirksam sind. Dem Funktionalismus wird vor allem vorgeworfen, dass er die subjektive Erlebnisqualität mentaler Phänomene verkennt, denn für ihn sind diese bloß abstrakte funktionale Zustände. Erlebnisqualitäten lassen sich mit funktionalen Kategorien nicht adäquat deuten. Beim Gebrauch des Ausdrucks Freude z.B. beziehen wir uns nicht auf den funktionalen Zustand Freude bzw. auf dessen kausale Rolle im Informationsverarbeitungsprozess unseres Organismus, sondern auf das Erlebnis der Freude selbst.

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Der amerikanische Philosoph John Searle (23) bekämpft die Auffassung, das Verhältnis von Geist und Gehirn sei analog dem Verhältnis von Computerprogramm und Computermaschine. Computerprogramme sind nur syntaktisch, der Geist aber ist semantisch und besitzt neben einer formalen Struktur auch Inhalte. Der Computer führt seine Operationen durch, ohne sie zu verstehen, da seine Programme gänzlich durch die syntaktische Struktur definiert sind. Er arbeitet mit Zeichen nur unter der Rücksicht der Syntax. Die Zeichen selbst haben für ihn keine Bedeutung. Menschen hingegen verbinden beim Sprechen nicht bloß Worte nach bestimmten Regeln, sondern sprechen über etwas, die Worte haben für sie eine Bedeutung. Searle veranschaulicht seine Argumentation mit dem inzwischen bekannten Gedankenexperiment des Chinesischen Zimmers:

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"...Stellen Sie sich vor, Sie wären in ein Zimmer eingesperrt, in dem mehrere Körbe mit Chinesischen Symbolen stehen. Und stellen Sie sich vor, dass Sie (wie ich) kein Wort Chinesisch verstehen, dass Ihnen allerdings ein auf Deutsch verfasstes Regelwerk für die Handhabung dieser Chinesischen Symbole gegeben worden wäre. Die Regeln geben rein formal - nur mit Rückgriff auf die Syntax und nicht auf die Semantik der Symbole - an, was mit den Symbolen gemacht werden soll. Eine solche Regel mag lauten: "Nimm ein Kritzel-Kratzel-Zeichen aus Korb 1 und lege es neben ein Schnörkel-Schnarkel-Zeichen aus Korb 2". Nehmen wir nun an, dass irgendwelche anderen Chinesischen Symbole in das Zimmer gereicht werden, und dass Ihnen noch zusätzliche Regeln dafür gegeben werden, welche Chinesischen Symbole jeweils aus dem Zimmer herauszureichen sind. Die hereingereichten Symbole werden von den Leuten draußen "Fragen" genannt, und die Symbole, die Sie dann aus dem Zimmer herausreichen, "Antworten" - aber dies geschieht ohne ihr Wissen. Nehmen wir außerdem an, dass die Programme so trefflich und Ihre Ausführung so brav sind, dass Ihre Antworten sich schon bald nicht mehr von denen eines chinesischen Muttersprachlers unterscheiden lassen (vgl. Searle 1984, 31; nach Beckermann 1999, 278-279). (24)

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Würde das bedeuten, dass die Person im Zimmer plötzlich anfängt, Chinesisch zu verstehen? Offenbar nicht. Sie hantiert zwar mit Chinesischen Zeichen, weiß aber deshalb nicht mehr als vorher, was sie bedeuten. Wenn aber die Person im Zimmer kein Chinesisch versteht, dann versteht auch kein Computer Chinesisch, der chinesische Schriftzeichen aufgrund derselben formalen Regeln erzeugt und verändert.

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5. Werden wir das Rätsel des bewussten Erlebens jemals lösen?

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Werden wir das Verhältnis von Geist und Gehirn jemals verstehen? Oder sind wir hier mit einem letztlich unauflöslichen Rätsel konfrontiert? Ist Bewusstsein der weiße Fleck auf der Landkarte des wissenschaftlichen Weltbildes? Muss dieser Fleck aus prinzipiellen Gründen immer ein weißer Fleck bleiben?

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Die Hirnforschung leidet an der Unvereinbarkeit der Ersten-Person-Perspektive und der Dritten-Person-Perspektive. Denken, Fühlen und Wollen beschreiben wir aus der Ersten-Person-Perspektive. Sie sind uns nur in dieser Perspektive unmittelbar zugänglich. In der Dritten-Person-Perspektive der naturwissenschaftlichen Beschreibung kommen diese Phänomene gar nicht vor. Die beiden Perspektiven lassen sich nicht aufeinander reduzieren (vgl. Singer 2001). (25)

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Der Philosoph Colin McGinn sagt: Das Bewusstsein ist uns auf Grund seiner Innerlichkeit einer objektiven Zugangsweise prinzipiell entzogen. Kein noch so vollständiges Wissen über die neurophysiologischen Tatsachen einer Person reicht, um ein Wissen vom bewussten Erleben dieser Person ableiten zu können. Eine rein physikalische Erklärung der Welt muss falsch sein, weil es offensichtlich nicht-physikalische Tatsachen gibt (vgl. Metzinger 1996, 115-53). (26)

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Zoglauer (1998) (27) spricht in diesem Zusammenhang von einem "blinden Flecken der Erkenntnis." Wer das Zustandekommen des bewussten Erlebens rein biologisch oder physikalisch erklären will, berücksichtigt dabei nicht, dass jede Erklärung, jede Beschreibung und jede Theorie von einem denkenden Subjekt entworfen wird. Jedes erkannte Objekt setzt ein erkennendes Subjekt voraus.

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"Das Subjekt besteht aus der Menge all jener mentalen Zustände, die es eigentlich zu erklären gilt und tritt dabei selbst als Erklärer auf. Jeder Versuch, das Subjekt zu einem Objekt zu machen, endet in einer pathologische Selbstreferenz und ist zum Scheitern verurteilt. ... Wir können nicht das erklären, was als Bedingung dieses Unternehmens von Anfang an als gegeben und unhinterfragbar vorausgesetzt wurde, nämlich unser eigenes Bewusstsein. ...Das Rätsel des Bewusstseins ist daher wie ein blinder Fleck, der in der Erkenntnis des Menschen eine Lücke hinterlässt" (Zoglauer, 1998, 187-188).

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Viele glauben, die Physik liefere einen vollständigen Katalog der fundamentalen Eigenschaften und Gesetze des Universums. Der amerikanische Physiker Steven Weinberg nennt als Ziel der Physik eine "Theorie über Alles", aus der sich vollständig herleiten lasse, was man vom Universum wissen kann. Weinberg gibt zu, dass das Bewusstsein dabei problematisch ist.

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"Trotz der Allgemeingültigkeit der theoretischen Physik lässt sich seine Existenz anscheinend nicht aus physikalischen Gesetzen herleiten. Weinberg verteidigt die Physik mit dem Argument, sie werde wohl eines Tages die objektiven (das heißt neuronalen) Korrelate des Bewusstseins erklären - aber selbstverständlich wäre damit das Bewusstsein selbst noch nicht erklärt. Doch wenn seine Existenz sich nicht aus physikalischen Gesetzen herleiten lässt, ist eine physikalische Theorie keine Theorie über wirklich alles. Eine allumfassende Theorie muss eine zusätzliche fundamentale Komponente enthalten" (Chalmers 1996, 44). (28)

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Darum schlägt der Philosoph David Chalmers (29) vor, das bewusste Erleben (conscious experience) als fundamentalen, irreduziblen Wesenszug anzuerkennen.

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Unser Wissen über das Gehirn und dessen Leistungen ist in einem fundamentalen Sinne unvollständig. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wie das bewusste Erleben, das uns nur in der Ersten-Person-Perspektive zugänglich ist, aus objektiv beschreibbaren Hirnprozessen hervorgeht. Dieses Problem ist auch experimentell nicht zugänglich. Wir wissen zwar, dass unser subjektives Erleben eng mit Gehirnvorgängen verbunden ist, aber dieser Zusammenhang selbst erscheint rätselhaft. Niemand weiß, warum bestimmte Hirnprozesse von bewussten Erlebnissen begleitet sind oder warum wir überhaupt Erlebnisse haben. Es verbleibt stets eine "Erklärungslücke" zwischen dem bewussten Erleben und seinem vermuteten materiellen Korrelat (vgl. Windmann und Durstewitz, 2000,78). (30) Erst wenn wir wüssten, wie und warum Hirnprozesse bewusstes Erleben hervorbringen, könnten wir diese Erklärungslücke überwinden. Wir tappen im Dunkeln darüber, wie Bewusstsein in die natürliche Ordnung passt. Das Bewusstsein bildet das größte Hindernis auf dem Weg zu einem wissenschaftlichen Verständnis des Menschen und des Universums.

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Anmerkungen:  

51
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 1. Pauen, M. & Roth, G. (2001). (Hrsg.). Neurowissenschaften und Philosophie. München: Fink.

52
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2. Goller, H. (2000). Hirnforschung und Menschenbild: Die Bedeutung von Körper und Emotion für Bewusstsein und Selbst, in: Stimmen der Zeit, September 2000 , 579-594.

53
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3. Rohracher, R. (1965). Einführung in die Psychologie. Wien/Innsbruck: Urban und Schwarzenberg.

54
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4. Chalmers, D.J. (1996). Das Rätsel des bewussten Erlebens, in: Spektrum der Wissenschaft, Februar 1996, 40-47.

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5. Windmann, S. und Durstewitz, D. (2000). Phänomenales Erleben: Ein fundamentales Problem für die Psychologie und die Neurowissenschaften, in: Psychologische Rundschau, 51 (2), 75-82.

56
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6. Brüntrup, G. (1996). Das Leib-Seele-Problem. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.

57
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7. Lewis, C.I. (1956). Mind and the World Order. New York.

58
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8. Chalmers, D.J. (1996). Das Rätsel des bewussten Erlebens, in: Spektrum der Wissenschaft, Februar 1996, 40-47.

59
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9. Bieri, P. (1992). Was macht Bewusstsein zu einem Rätsel?, in: Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1992, 48-56.

60
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10. McGinn, C. (1996). Bewusstsein und Raum, in: Th. Metzinger (Hrsg.), Bewusstsein: Beiträge aus der Gegenwartsphilosophie (S. 183-200) Paderborn: Schöningh.

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11. Metzinger, Th. (1996). (Hrsg.). Bewusstsein: Beiträge aus der Gegenwartsphilosophie. Paderborn: Schöningh.

62
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12. Brüntrup, G. (1996). Das Leib-Seele-Problem. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.

63
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13. Chalmers, D.J. (1996). Das Rätsel des bewussten Erlebens, in: Spektrum der Wissenschaft, Februar 1996, 40-47.

64
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14. Crick, F. (1994). Was die Seele wirklich ist. Die naturwissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins. München: Artemis & Winkler.

65
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15. Bieri, P. (1993). Analytische Philosophie des Geistes. Bodenheim: Athenäum Hain Hanstein.

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30. Windmann, S. und Durstewitz, D. (2000). Phänomenales Erleben: Ein fundamentales Problem für die Psychologie und die Neurowissenschaften, in: Psychologische Rundschau, 51 (2), 75-82.

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