Die aktuelle weltpolitische Lage ist besorgniserregend. Gewalt in Europa im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen der Ukraine und Russland, der immer wieder aufflammende Konflikt in Israel / Palästina sowie die grausamen Terrorakte des sogenannten „Islamischen Staates“ drängen das Problem der Gewalt wieder in den Vordergrund. Dschihadistische Gewalt lässt auch einmal mehr nach dem Verhältnis zwischen Gewalt und Religion fragen. In dieser Bedrängnis sind mir Gedanken der französischen Mystikerin und Philosophin Simone Weil wichtig geworden. Sie hat immer wieder gezeigt, wie sehr wir Menschen unsere gewöhnlichen Vorstellungen von der Durchsetzungskraft der größeren Macht auch religiös fortsetzen und deshalb menschliche Gewaltmuster auf Gott projizieren. Doch solche bis heute häufig vorherrschenden Muster sind für sie nur Götzendienst, die zwischenmenschliche Konflikte verschärfen. Der wahre Gott verzichtet nach Weil dagegen auf seine Durchsetzungsmacht. In der jüdischen Kabbala entdeckte sie einen Schöpfergott, der erst durch seinen Rückzug die Schöpfung ins Leben ruft, und in der Menschwerdung Jesu Christi tritt dieser göttliche Verzicht für sie besonders deutlich hervor. Im Blick auf den eingangs zitierten Philipperhymnus zeigt sich, dass wir zu Weihnachten den Machtverzicht Gottes feiern. Darum kommt Jesus in einem armseligen Stall und nicht am Königshof zur Welt. Diese Haltung der kenosis (Entäußerung) weist einen Weg des Friedens, weil unser Machtverzicht den anderen die Angst vor uns nehmen kann und uns selbst umgekehrt dazu befähigt, andere besser verstehen zu können. Sie ist die Grundlage jedes echten Dialogs und lässt uns ähnliche Haltungen in den anderen Weltreligionen entdecken. Simone Weil öffnete sich dadurch beispielsweise für die östlichen Religionen und die islamische Mystik. |