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Epiphanie: eine Chance für die Abgehobenen
(Predigt zum Fest Erscheinung des Herrn 2015)

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-01-13

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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versuchsballons gleich
ließen sie ihre köpfe steigen
in die sterne babylons
magier

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doch der horizont ihrer linsen
wurde gesprengt
vom radioteleskop der herzen

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weise

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So heißt es in einem zeitgenössischen Text zum heutigen Fest. Die Rede ist von den Sterndeutern über die wir gerade gehört haben. Magoi heißen sie im griechischen Text, doch auch im Griechischen war das schon ein Lehnwort aus der altpersischen Sprache, das wir fast unverändert ins Deutsche übernommen haben, um bis heute von Magier und Magie zu sprechen. Weil das in unseren Ohren mit Geheimnisvollem, mit Zauberei und Hokuspokus zu tun hat, vergessen wir nur allzu leicht, dass die Gestalten, von denen das Evangelium spricht, keine Jahrmarktskünstler oder obskuren Hexenmeister waren, sondern im Gegenteil so etwas wie die intellektuelle, ja die naturwissenschaftliche Elite ihrer Zeit.

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Astrologen werden solche Magier wohl gewesen sein, aber dazu mussten sie aber auch Astronomen sein; Leute, die sich mit dem Sternenhimmel gut auskannten und mit seinen Gesetzmäßigkeiten, mit dem Lauf der Sonne und des Mondes, mit den Planetenbahnen. Heute wären sie vielleicht Astrophysiker, deren Forschungssatelliten ferne Kometen nicht nur zu beobachten, sondern sogar zu besuchen vermögen.

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Seit langem lieben wir es, die Ereignisse um die Geburt Jesu in unsere Welt hereinzuholen, in unsere Lebenswelt, unseren Alltag. Neben zahllosen Liedern und Hirtenspielen geben gerade auch die alpenländischen Krippen beredtes Zeugnis davon. Und was könnte richtiger sein als das; als diese Inkulturation der Menschwerdung Gottes. Hat er selbst mit diesem Ereignis doch begonnen ganz augenfällig und greifbar unter uns zu leben. Wie es im Johannesevangelium wörtlich sogar heißt: er hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen. Gott campiert unter den Menschen. So mobil, so flexibel hat er sich gemacht, um uns in die letzten Verästelungen unserer Existenz hinein folgen zu können. Das haben die einfachen Menschen in aller Welt stets ganz spontan begriffen und tun es bis heute. Daher werden mittlerweile Krippen mit einem schwarzen Jesuskind und solche mit einer Indio-Maria ebenso aufgestellt, wie die mit dem Josef in der Lederhose.

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Und wir, die wir vor diesen Inkulturationen des Weihnachtsereignisses stehen, fühlen uns gut repräsentiert durch die, die da zur Krippe kommen: durch die Armen, die Randständigen, die Schlichten mit ihren simplen Gaben, denen die Botschaft der Engel zuerst verkündet wurde. Wir fühlen uns gut repräsentiert, auch wenn wir im Wohlstand leben und ziemlich im Zentrum der Gesellschaft geborgen sind und längst kein selbstgebackenes Brot, keine eigenhändig gemolkene Milch und schon gar kein Lamm aus der bewachten Herde mehr zu bieten haben, sondern bestenfalls ein paar Euro für die Sternsinger. An der Krippe zählen wir uns gern zu den Kleinen und Einfachen, ja zu den Naiven. Gerade an Weihnachten erlauben wir uns ein paar sentimentale Schritte zurück ins Kindliche. 

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Aber ab 6. Jänner tauchen da jedes Jahr noch andere Gestalten in unseren Krippen auf. Ja natürlich gehören auch sie dazu, aber irgendwie sind sie doch Fremdkörper. Exotisch, glitzernd, offenkundig reich, die einzigen, die so gar nicht in die Hirtenschar und die bäuerliche Gesellschaft unserer Tiroler Krippen passen. Großkopferte sind das, könnte man etwas despektierlich sagen. Sie, die Heiligen drei Könige, die Magier aus dem Osten heben sich deutlich ab von ihrem Umfeld.

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Abgehoben sind sie aber nicht nur durch ihre äußere Erscheinung und ihren Reichtum, sondern auch durch ihre innere Haltung, diese antiken Astrophysiker.          

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Nehmen Sie etwa eine Figur, die man in manch traditioneller Krippe findet, auch hier in der Jesuitenkirche: die Figur des Blinden, der von einem Kind zum neugeborenen Jesus hin geführt wird, unter der Wegweisung eines Engels. Nun, in blindem Vertrauen einem Kind zu folgen, das Engelsvisionen hat, ist wohl nicht gerade der Inbegriff aufgeklärten Verhaltens.

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Ganz anders die Magier! Häufig steht einer von ihnen - die Hand schirmend über die Augen gehalten - weit ausschauend da, oder reitet so auf seinem Kamel. Um Menschen mit Weitblick handelt es sich, die sich nicht einfach vom Augenblick überraschen ließen, sondern sich wohl geplant, vorbereitet und ausgerüstet auf einen weiten Weg gemacht haben. Das weiß auch die Volkskultur unserer Krippen. Und der Blick in das Evangelium bestätigt es.

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Die Magier aus dem Osten sind längst abgehoben von der Naivität der Hirten und ihrer belämmerten Vertrauensseligkeit, die etwas auf himmlische Heerscharen gibt. Sie kennen ihre eigenen Autoritäten; zuverlässigere. Zuallererst die empirische Forschung, die exakte Beobachtung der Tatsachen. Ohne die wäre ihnen ein neuer Stern niemals aufgefallen. Dort wo sie mit ihrem eigenen Forschen nicht mehr weiter kommen, holen sie sich Rat in der Scientific Community. Ein Mitglied der eigenen Peergroup, der König in Jerusalem wird konsultiert, mitsamt seinen exzellenten Topexperten. Und gemeinsam forscht man dann in der renommierten Fachliteratur.

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Das Ergebnis? Tatsächlich ein Treffer. Auch die antiken Astrophysiker kommen mit ihren Methoden nach Betlehem.

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Die Fakten stimmen. Deren Bedeutung bleibt vorerst freilich noch etwas im Vagen. Denn vermutlich erwarten unsere Magier-Astrophysiker noch immer einen König wie Herodes vorzufinden, oder vielleicht doch einen etwas mächtigeren und prunkvolleren, damit der weite Weg sich auch gelohnt hat – und Herodes fürchtet genau das.

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Da der Stern vor ihnen herzieht fragt man sich, ob der Weg über Jerusalem nicht ein Umweg war. Aber kritisch reflektierende Menschen, die sich von der Naivität der Unaufgeklärten abheben, nehmen auch solche Umwege in Kauf, um sicher zu gehen. Vielleicht kommen sie auch deshalb erst mit fast zweiwöchiger Verspätung an.

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Und dann, am wohl errechneten Ziel ihrer Reise: Sie sehen – einfach so! Sie freuen sich! Sie fallen nieder und beten an!

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Eine Landung der Abgehobenen auf Knien vor der Krippe? Es scheint so. Die Begegnung mit Mutter und Kind, der Blick in die Augen des menschgewordenen Gottes wiegt schwerer als alle Beobachtungen, Theorien, Exegesen und Rückschlüsse. Und siehe da, nun sind unsere Magier-Astrophysiker plötzlich auch fähig zu träumen und intuitiv-traumwandlerisch das Richtige zu tun. Wie es scheint ganz ohne rationale Rückversicherung. In der Begegnung mit dem Kind in Betlehem ist etwas geschehen, das sie von bloß wissenden Magiern zu Weisen werden ließ. Ein Ereignis so unwahrscheinlich, wie der Durchgang eines ihrer Kamele durch ein Nadelöhr, und doch hat es stattgefunden und die Augen des Herzens dieser Aufgeklärten geöffnet. Daher haben auch sie, die ökonomische und intellektuelle Elite ihrer Zeit, ihren angestammten Platz in unseren Inkulturationen des Weihnachtsgeschehens.

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Wenn gegen Ende der Weihnachtszeit der Alltag wieder unüberhörbar anklopft und das kerzenbeleuchtete Sentiment immer blasser wird, dann bin ich sehr froh über das Fest Epiphanie und über die fremdartigen Gestalten in meiner Weihnachtskrippe. Denn sie sagen mir: Du, es gibt auch eine Chance für dich, auch dann wenn du längst zu den Abgehobenen zählst, auch dann, wenn du zu blindem Vertrauen und kindlicher Einfalt nicht mehr fähig bist. Auch für dich gut abgesicherten, aufgeklärten, kritischen Menschen gibt es einen Weg nach Betlehem, auch wenn es vielleicht ein Umweg ist und viele andere schon längst dort waren. Auch für die Astrophysiker und sogar für die Theologen ist eine punktgenaue Landung vor der Krippe möglich. Dort braucht es dann nur noch diese letzte kleine Bereitschaft, sich überraschen zu lassen. Angesichts aller kritischen Fragen, aller eigenen Konzepte, Hypothesen und Theorien muss ich mir die Fähigkeit offen halten, die Augen auf zu machen, wenn ich vor einem Wunder stehe. Wenn ich dann noch die Demut aufbringe zu staunen, nicht nur zu wissen, anzubeten, nicht nur anzumerken, dann könnte auch aus mir vielleicht noch ein Weiser werden, wie aus den Magiern aus dem Osten. Diese Hoffnung gibt mir dieses Fest.

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ließen sie ihre köpfe steigen
in die sterne babylons

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doch der horizont ihrer linsen
wurde gesprengt
vom radioteleskop der herzen

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