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Eine besondere Mutter
(Predigt zum Muttertag, gehalten am 10. Mai 2015 in der Jesuitenkirche um 11 Uhr)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-05-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt zum Muttertag, gehalten am 10. Mai 2015 in der Jesuitenkirche um 11 Uhr.

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“Eine besondere Mutter”. “Von wem wirst du da predigen?”, wurde ich von Freunden gefragt. “Von Maria, etwa?” Das legt sich ja nahe, haben wir doch Mai, den traditionellen Monat, der in der katholischen Kirche wohl der berühmtesten Mutter geweiht ist. Maria ist eine Mutter, die eigentlich recht überraschend Mutter wurde. Sie gab zwar ihre Zustimmung, doch ganz wohl ist ihr sicherlich dabei nicht gewesen. Ihre Schwangerschaft fiel in ihr Leben buchstäblich aus lauterem Himmel und hatte gewaltige Konsequenzen für ihr eigenes Leben. Zuerst fiel auch ihr Verlobter aus allen Wolken; voll von Misstrauen und Enttäuschung wollte er sie prompt verlassen. Das Gespräch, das die Beiden miteinander führten glich Tausenden und Abertausenden Gesprächen während einer Krise im Beziehungsalltag: Bloß Schweigen und wachsende Spannung. Gerade angesichts einer nicht geplanten Schwangerschaft.

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Maria war eine mittellose Mutter, sie hat ihren Sohn im Stall geboren. Kaum war der Sohn da, mußte sie vor brachialer Gewalt fliehen: eine Mutter auf der Flucht also! Und als das Ärgste vorüber war und dem Mutterglück nichts im Wege stand, kratzt ausgerechnet der Sohn an der möglichen Idylle. Er ist ja alles andere gewesen als ein folgsames Kind. Als Zwölfjähriger riss er zwar nicht direkt von zu Hause aus, ging aber doch verloren. Konfrontiert mit einem sanften Vorwurf: “Wir haben uns doch Sorgen gemacht, der Josef und ich!” reagiert er abweisend, ja: eigentlich recht lieblos. Hätte dieser Jesus schon damals einen  Smartphone gehabt, so hätte er sich vermutlich auf ein SMS, auf ein kurzes: “Na, und?” plus “Smiley” beschränkt.  Bald wird Maria  - so will jedenfalls die Tradition es wissen - zu einer allein erziehenden Mutter, und auch zu einer verlassenen Mutter. Einer Mutter, die wie Hunderttausende von Müttern es erleben muss, dass sich der Sohn abwendet, dass er mit der Familie bricht. “Wer ist schon meine Mutter? Und wer meine Verwandten?”, sagte er als sie ihn nach Hause holen wollte. “Meine Gesinnungsgenossen sind es; all jene, die das Wort Gottes hören. Sie alle sind meine Mutter!” Das hat gesessen und hat auch weh getan. Wie ein Schwert, das direkt ins Herz gestoßen wird! Und sie ist eine traumatisierte Mutter. Eine Mutter, die der Todesstrafe ihres Sohnes beiwohnt, seine Ausstoßung miterlebt, den Kreuzweg mitgeht und ausharrt unter dem Kreuz, mithören muss, wie er nach Gott schreit. Nach Gott, von dem er sich verlassen fühlt! Was ihr bleibt, ist Trauer. Die trauernde Mutter -  durch die Meisterwerke abendländischer Kunst in ihrer Trauer auf berührende Weise festgehalten: mit dem toten Sohn auf ihrem Schoß - diese trauernde Mutter ist zur Quelle des Trostes für unzählige Mütter geworden. Und auch für unzählige Töchter und Söhne, die es auch heute noch schaffen, sich in die katholische Tradition einzufügen und in ihr auch ihre Mutter zu sehen. Eine Mutter, die Schutz gewährt, eine Mutter, die Vertrauen stärkt, eine Mutter, die nicht nörgelt und moralisiert, sondern hilft, den nächsten Schritt auch im größten Schlamassel zu setzen.

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Von wem soll ich - liebe Schwestern und Brüder - predigten unter dem Titel: “Eine besondere Mutter”? Gibt man die Wortfolge ins Google ein, so stößt man an eine berührende Erzählung, theologisch vielleicht nicht ganz koscher, aber zum Heulen schön und zum Nachdenken anregend. Die Geschichte spielt im Himmel. Gott, der allmächtige Schöpfer nimmt seine Sorge für den Fortbestand des Menschengeschlechtes wahr. So gibt er Anweisungen für das Mutterglück und das Muttergeschick. Die Engeln schreiben seine Anweisungen in ein riesiges Buch. “Meier, Helene”, diktiert Gott. “Einen Sohn, ... und als Schutzheiligen: Mathias. Bauer, Christine: eine Tochter. Schutzheiliger Cäcilie. Winkler Marianne: Zwillinge. Schutzheilige: Schicken wir Hubertus und Gerhard dorthin. Die sind es ja gewohnt, dass viel und oft geflucht wird.” Und dann..? Dann nennt Gott mit leiser Stimme einen Namen und sagt: “Ein behindertes Kind”. Dem schreibenden Engel fällt die Feder aus der Hand. “Aber warum? Warum gerade ihr? Sie ist doch so glücklich. Sie lacht doch immer!” “Eben”, sagt Gott, “ich kann einem behinderten Kind keine Mutter geben, die das Lachen nicht kennt. Das wäre grausam.” “Aber”, wirft der Engel ein, “hat sie denn die nötige Geduld?” Die Antwort Gottes verblüffte den Engel. “Ich will nicht, dass sie zu viel Geduld hat, weil sie dann in einem Meer von Selbstmitleid ertrinkt. Wenn der erste Schock abgeklungen ist, wird sie es schaffen. Sie hat den Sinn für Humor, für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, der bei Müttern oft selten, aber doch so notwendig ist. Verstehst Du? Das Kind, das sie bekommt, wird in seiner eigenen Welt leben. Da muss sie genügend Egoismus haben!” Dem Engel verschlag es die Sprache. “Jetzt verstehe ich Bahnhof! Egoismus? Das ist doch keine Tugend!” Da lächelte Gott und fügte hinzu: “Wenn sie sich nicht gelegentlich von dem Kind trennen kann, wird sie das alles nicht überstehen. Sie braucht gesunde Selbstliebe. Jawohl! Sie wird aber auch beschenkt. Sie wird eine besondere Mutter sein. Nie wird sie ein gesprochenes Wort als selbstverständlich hinnehmen, nie einen Schritt als etwas Alltägliches. Wenn ihr Kind ‘Mama’ stammeln wird, wird ihr immer neu ein Wunder zuteil werden. Wenn sie ihrem Kind einen Sonnenuntergang schildern wird, wird sie diesen so sehen, wie nur wenige Menschen den Sonnenuntergang noch sehen können. Ich selber, ich selber werde ihr erlauben vieles deutlicher zu sehen, vieles, was auch ich erkenne: Unwissenheit, Grausamkeit, Vorurteile. Und ich werde sie stärken, auf dass sie sich darüber zu erheben vermag. Und sie wird niemals alleine sein. Ich selber werde bei ihr sein. Jede Minute! Sie wird ihre Arbeit ebenso sicher verrichten, als wäre sie hier direkt neben mir.” “Ja, und welchen Schutzheiligen soll sie bekommen”, fragte der Engel, der seine Feder wieder aufgehoben hat und zu schreiben anfing. Da lächelte der liebe Gott noch einmal und sagte: “Ein Spiegel wird wohl genügen. Damit sie ihr Gesicht sieht. Denn sie selbst ist bereits eine Schutzheilige!”

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Liebe Schwestern und Brüder, von wem soll der Prediger predigen zum Thema: “Eine besondere Mutter” und dies am Muttertag 2015? Von seiner eigener Mutter, etwa? Von einer Mutter, die zwei Töchter im Krieg verloren hat, mit bitterer Not vertraut war und auch mit Krankheit. Von einer Mutter, die verhältnismäßig jung starb. Soll er von ihren besonderen Fähigkeiten predigten, buchstäblich aus dem Nichts nicht nur etwas Essbares zu bereiten, sondern etwas, was auch schmeckte? Soll er darüber erzählen, wie sie reagierte, wenn ihr das Wasser bis zum Hals stand und sie immer wieder dem Vater ankündigte, sie werde uns verlassen? Wie sie dann hinausging, der Vater etwa zehn Minuten wartete und ging, um sie zu holen. Denn: weiter als bis zum Kirschbaum vor dem Haus ist sie nie gegangen. Dort sass sie und wartete bis der Vater sie zurückholt. Sie war eine besondere Mutter. Eine besondere Mutter für mich! Denn:

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Mutter ist eine Beziehungsperson, nicht das Material für die Statistik.. Die Mutter von der Stange, die gibt es nicht, obwohl der spätkapitalistische Liberalismus diese gerne hätte: die typische Mutter, die up to date ist! Die genormte Mutter: beruflich erfolgreich, jung, dynamisch, sportlich, sexy und allen machbaren Wünschen gegenüber offen, selbst dem Wunsch nach Designerkinder. Nein! Diese Mutter von der Stange, die Mutter aus dem Werbekatalog eines globalen Warenhauses gibt es in Wirklichkeit nicht. Und warum? Die Mutter gibt es nur in ihrer Beziehung zu ihrem Kind. Und diese ist immer eine besondere, eine einmalige, eine unverwechselbare Beziehung. Selbst, oder gerade dann, wenn Unverständnis, Brüche, Abbruch,  oder bloß Missverständnisse und Überforderung an der Tagesordnung stehen. Selbst, oder gerade dann ist es eine unverwechselbare Beziehung. Eine einmalige! Deswegen ist für das Kind, deswegen ist für die Tochter und für den Sohn ihre und seine Mutter immer eine besondere Mutter. Immer! Ein Mensch, der in einer einmaligen Beziehung leben darf, einem Geschenk. Von Gott selber, der ja selber in seinem Wesen Beziehung ist. So viele Mütter gibt es, so viele besondere Mütter wird es geben. Gott sei dafür gedankt. Und dies nicht nur heute!

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