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Verbündete für das Evangelium suchen. Statement auf dem deutschen Katholikentag in Münster

Autor:Bauer Christian
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:Podium "Christen - Totengräber oder Retter der Demokratie?" (11. Mai 2018)
Datum:2018-05-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Unsere Pfarrgemeinden haben das letzte Konzil bisher nur halb verwirklicht. Dieses hat die Kirche nämlich in gleich zwei Lehrtexten auf eine duale Weise bestimmt: in Lumen gentium als eine nach innen einladende Komm-her-Kirche und in Gaudium et spes als eine nach außen solidarische Geh-hin-Kirche. Unsere Pfarrgemeinden sind bislang vor allem gewohnt, sich introvertiert als ein kommunialer Ort der Sammlung zu begreifen, weniger extrovertiert als missionarischer Ort der Sendung – wobei Mission hier nicht im Sinne der Zeugen Jehovas zu verstehen ist, sondern als ein Entdeckungsvorgang, in dem Christinnen und Christen die eigene Milieublase verlassen und sich mit lernbereiter Gottesvermutung nach außen wenden. Denn Mission ist nicht wichtig, weil die anderen uns so dringend brauchen, sondern wir die Anderen: ihre anderen Geschichten vom Leben und damit auch ihre anderen Geschichten von Gott. Im Außen ihrer selbst haben unsere Gemeinden viel zu entdecken: faszinierende Menschen spannende Geschichten, aufrichtige Hingabe – und am allermeisten ihren eigenen Gott. Papst Franziskus schreibt:

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„Wir müssen die Stadt [bzw. das Dorf, in dem wir leben,] […] mit einem Blick des Glaubens betrachten, der jenen Gott entdeckt, der in ihren Häusern, auf ihren Straßen und auf ihren Plätzen wohnt. Die Präsenz Gottes begleitet die aufrichtige Suche von Einzelnen und Gruppen, um Halt und Sinn für ihr Leben zu finden. Er lebt unter [ihnen] […] und fördert  […] das Verlangen nach dem Guten, nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Diese Präsenz muss nicht hergestellt, sondern entdeckt und enthüllt werden.“ (EG 71).

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Papst Franziskus lockt unsere Pfarrgemeinden hinaus an die Peripherien – nach Lampedusa, aber auch in die eigenen gesellschaftlichen Problemzonen, wo all jene evangeliumsnahen Randsiedler des Christentums sie erwarten, die Tomáš Halík als ‚Zachäus-Menschen’ bezeichnet, weil sie in interessierter Halbdistanz zum Glauben leben. Dazu braucht es eine mikropolitisch engagierte Stadtteil-, Vorort- oder Dorfraumpastoral, die angesichts der vielfachen Bedrohungen unserer offenen Gesellschaft (Stichwort: Rechtspopulismus) nach neuen Verbündeten für das Evangelium sucht, die vielleicht kirchenfern, deswegen aber noch lange nicht gottlos sind.

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Gerade angesichts des grassierenden identitären Denkens gilt es heute, unsere Gemeinden zu Orten des Evangeliums zu machen, an denen das menschliche Abenteuer des Lebens im existenziell Offenen angstfrei erprobt und fehlerfreundlich eingeübt werden kann – und zwar ohne die Ideologie der neuen Rechten dabei zu verharmlosen oder ihre Sympathisanten zu dämonisieren. Offene Gesellschaften brauchen entsprechende Orte des Erzählens vom eigenen Leben, dessen viele kleine Geschichten nicht zu neuen Großerzählungen homogenisiert werden müssen, sondern ein offenes Narrativ von Solidarität und Freiheit ergeben und dabei auch so etwas wie Heimat ermöglichen.

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Gegen die milieuspezifische Selbstbeschränkung vieler unserer Gemeinden hilft dabei nur eines: Raus aus der Echokammer der eigenen pfarrgemeindlichen Filterblase und hinein in die Gesellschaft. Hin zu denen, die anders denken und fühlen – und mit ihnen sprechen. Face to face. Sie nach ihrer Geschichte fragen und auch die eigene Geschichte erzählen. Auf Bauchgefühle nicht mit Kopfargumenten reagieren. Mehr Demokratie wagen, oder besser: überhaupt Demokratie wagen. Denn man kann eine offene Gesellschaft nicht mit geschlossenem Geist verteidigen.

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