Was heißt "unfehlbar"? |
Autor: | Wandinger Nikolaus |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | kommentar |
Abstrakt: | |
Publiziert in: | Leicht erweiterte Fassung eines Beitrags im Tiroler Sonntag vom 14. Juni 2018 |
Datum: | 2018-06-15 |
1 | Der Papst, die auf einem ökumenischen Konzil mit dem Papst versammelten Bischöfe oder die über die Welt verstreuten, übereinstimmend miteinander und mit dem Papst lehrenden Bischöfe, lehren dann mit Unfehlbarkeit, wenn sie ihre höchste Autorität in Anspruch nehmen und eine Lehre über den Glauben oder die Morallehre der Kirche (und nur über diese!) endgültig als von Gott geoffenbart und daher als von der ganzen Kirche festzuhaltend erklären. So hat es das Erste Vatikanische Konzil (1870) vom Papst, das Zweite (1964) dann für Papst und Bischöfe gemeinsam erklärt.[1] Unfehlbar ist dann das kirchliche Lehramt; die Lehre, die so verkündet wird, ist genau genommen nicht unfehlbar, sie ist unwiderruflich, auch wenn oft anders gesprochen wird. Der Sinn der Unfehlbarkeit ist: Es gibt eine Instanz, die endgültige Entscheidungen treffen kann, um so die Einheit zu schützen. Diese Instanz hat dabei den Beistand des Heiligen Geistes, d.h. sie wird vor Irrtum bewahrt. Sie erhält aber keine neuen Offenbarungen. Auch ist sie nicht davor gefeit, ungeschickt in Vorgangsweise oder Formulierung zu sein. Da es sich um geoffenbarte Wahrheit handelt, ist die Gültigkeit einer solchen Entscheidung nicht von der Zustimmung der Gläubigen abhängig. Da aber die Gemeinschaft der Glaubenden auch vom Heiligen Geist geleitet wird, kann einer solchen Aussage die Beipflichtung der Kirche nicht fehlen. |
2 | Man könnte sagen, dass schon Paulus so etwas beansprucht, wenn er sagt: Falls er selber oder sogar ein Engel ein anderes Evangelium verkündigen sollte als das bisher verkündete, sei der verflucht (vgl. Gal 1,8-9). Später argumentierte man, dass der Bischof von Rom der Nachfolger des Petrus sei und dass Jesus diesem die Binde- und Lösegewalt übergeben habe (vgl. Mt 16,19). Letztlich hat sich in der katholischen Kirche diese Interpretation durchgesetzt. Andere Kirchen lehnen dies allerdings ab und es ist ein Grund für die weiter bestehende Spaltung. |
3 | Päpste haben diese Unfehlbarkeit bisher nur zweimal in feierlicher Erklärung beansprucht (1854: Bewahrung Marias vor der Erbsünde im ersten Augenblick ihrer Empfängnis und 1950: Aufnahme der Gottesmutter mit Leib und Seele in den Himmel).[2] Der Leiter der Glaubenskongregation, Erzbischof Ladaria, hat nun in einem Beitrag für den L’Osservatore Romano wiederholt, was die Glaubenskongregation schon 1995 auf eine entsprechende Anfrage geantwortet hat: die Entscheidung Papst Johannes Pauls II., die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen zu Priestern zu weihen,[3] habe auch den Status der Unwiderruflichkeit. |
4 | Das wirft aber einige Probleme auf von denen nur drei genannt seien: 1) Eine Anfrage an die Glaubenskongregation bedeutet, dass es Zweifel an der Unwiderruflichkeit der Aussage gab (und gibt). Gemäß dem Kirchenrecht ist aber eine Lehre nur dann „als unfehlbar definiert […] anzusehen, wenn dies offensichtlich feststeht“[4]. Wenn es eine Anfrage gibt, steht es aber doch nicht offensichtlich fest. 2) Johannes Paul II. sagt nicht, dass dies von Gott geoffenbart sei. Dieses wichtige Element kommt nicht vor in seiner Erklärung. |
5 | Viel zentraler als diese Feinheiten scheint mir aber 3) zu sein: Der Papst formulierte negativ „die Kirche hat keine Vollmacht dazu“. Hinter so einer negativen Formulierung ist eine positive Lehre zu vermuten, die geschützt werden soll. Dazu gibt es ein sehr schönes Beispiel aus der Geschichte: Durch viele Jahrhunderte hat die Kirche gelehrt, dass es nicht möglich sei, außerhalb der Kirche erlöst zu werden. Es wurde dann aber deutlich, dass die zentrale positive Aussage dabei war: Die Kirche vermittelt den Menschen das Heil. Die negative Abgrenzung war in dieser Schärfe durchaus übertrieben. Dennoch hat die Vorläuferinstitution der Glaubenskongregation diese Lehre auch als „unfehlbar“ bezeichnet und gleichzeitig erklärt, dass sehr wohl gerettet werden könne, wer ohne Schuld nichts von dieser Notwendigkeit wisse.[5] Aus „außerhalb der Kirche kein Heil“ wurde so: „Außerhalb der Kirche kein Heil für jene, die das wissen und trotzdem nicht dazugehören wollen“, aber sehr wohl für jene, die ihrem Gewissen folgen und tun, was sie als richtig erkannt haben. Denn das ist ein Zeichen dafür, dass die göttliche Gnade in ihnen wirkt.[6] |
6 | Man könnte nun fragen: Was ist die positive Lehre hinter der Aussage Johannes Pauls II. zur Unmöglichkeit der Frauenweihe? Und wie könnte das besser ausgedrückt werden? Das ist noch nicht geklärt und daher ist eine weitere Diskussion der Frage ganz sicher notwendig, gerade auch weil dieser Lehre bisher die Beipflichtung vieler Gläubiger fehlt, denn viele können ihre Begründung nicht nachvollziehen. Die Theologie muss die Argumente also weiter bedenken.[7] |
7 | Dazu ein Hinweis: ab 21.11. findet an der Theologischen Fakultät zum Thema „(K)eine Kirche ohne Frauen?“ eine Ringvorlesung statt; immer mittwochs um 18 Uhr im Madonnensaal. |
8 | [1] Vgl. Pastor Aeternus, (DH 3073-3074), Lumen Gentium Nr. 25 (DH 4149-4150 oder https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/238.html#33); DH ist die Abkürzung für das Nachschlagewerk: Denzinger, Heinrich: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum – Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Lat./Dt. (Hg.: Hünermann, Peter / Hoping, Helmut). Freiburg 422009. |
9 | [2] Vgl. DH 2803 und 3902. |
10 | [3] Vgl. Ordinatio Sacerdotalis (1994), DH 4983. |
11 | [4] Codex Iuris Canonici. Vatikan 1983 can. 749 § 3. |
12 | [5] Vgl. den Brief des Hl. Offiziums an den Erzbischof von Boston, 8. Aug. 1949 (v.a. DH 3866-3871). |
13 | [6] Vgl. Lumen Gentium Nr. 14-16, DH 4136-4140 oder https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/238.html#19 |
14 | [7] Deutlich gegen die Möglichkeit der Priesterweihe für Frauen positioniert sich Hauke, Manfred: Das Weihesakrament für die Frau – Eine Forderung der Zeit? 10 Jahre nach der Päpstlichen Erklärung Ordinatio Sacerdotalis. (Respondeo 17). Siegburg 2004. Eine andere Sichtweise findet sich bei: Schwager, Raymund: Ordination der Frau. Grundstruktur einer Argumentation. In: Ders: Kirchliche, politische und theologische Zeitgenossenschaft (Gesammelte Schriften 8) (Hg.: Moosbrugger, Mathias). Freiburg i. Br. 2017, 368–387. |
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