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Von Eseln, Ochsen, Pferden, gar Traktoren. Oder aber von dem Stern: vor dem Karren meines Lebens. Adventspredigt
( auf dem Hintergrund von Baruch 5, 1-9. Gehalten in der Jesuitenkirche am 9. Dezember 2018 um 11.00 und 18.00 Uhr)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-12-12

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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„Binde deinen Karren an einen Stern!“ Das geflügelte Wort wird Leonardo da Vinci zugeschrieben, dem Universalgenie, der aus eigener Erfahrung wohl wissen musste, was es denn für einen Unterschied macht, ob man vor den Karren des eigenen Lebens bloß einen Esel, ein Rind, das Pferd, gar einen – damals noch unbekannten – Traktor spannt oder eben einen Stern. Den Esel, der zwar zäh und ausdauernd ist, widerspenstig bleibt, vor allem aber unfähig zu einem kreativen Aufbruch! Den Traktor, der den Karren zwar dorthin zieht, wohin der Lenker ihn haben will, dessen Zugkraft aber von dem geistlosen Treibstoff abhängig bleibt! Auch wenn der Esel, der Ochse, das Pferd und der Traktor den Karren aus dem Dreck ziehen können, eines vermögen sie nicht. Sie vermögen das nicht zu leisten, was der Stern vermag: jener Stern, der nicht nur in Bewegung bleibt, sondern meinen Blick nach oben zieht, so dass ich mehr sehe als bloß den allernächsten Schritt, jener Stern, der mir hilft, über meine begrenzte Welt zu springen.

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Liebe Schwestern und Brüder, im Advent haben Sterne Konjunktur. Und dies nicht bloß am Himmel. Überall glitzern sie, ziehen unseren Blick an, deuten damit aber auch darauf hin, dass Menschen nach Sternen Ausschau halten, dass sie den Blick vom Boden heben, dass sie sich von einem Licht leiten lassen wollen: gerade in der Dunkelheit. Wer seinen Karren an einen Stern bindet, lässt sich gar auf das ein, was in den Sternen steht, was also nicht von dieser Welt zu sein scheint. Wer seinen Karren an einen Stern bindet, vertraut auf himmlische Kräfte. Warum solche Vergleiche, Bilder und Metaphern an diesem (zweiten) Adventsonntag?

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Ich glaube, Baruch hatte seinen Karren an einen Stern gebunden. Baruch – zu Deutsch: der Gesegnete, Benedictus auf Latein – lebte in einer denkbar dunklen und hoffnungslosen Situation. Im Exil! Nach der Zerstörung Jerusalems nach Babylon verschleppt, war er tagtäglich mit seinen frustrierten Landsleuten konfrontiert. Sie fristeten ihr Dasein. Klage und Jammer standen da an der Tagesordnung. Wer kennt das nicht? Jammer und Klage tagein, tagaus. Und „Steinewerfen“ auf all jene, die mir vor die Nase kommen. Weil ich sie für mein Unglück verantwortlich mache. Selbstvorwürfe, gar Selbsthass, weil man nicht vom Fleck kommt. Weil sich keine Zukunft am Horizont abzeichnet.

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Exil muss nicht nur für eine politische Situation stehen. Immer und immer wieder erleben wir ja alle auch unser persönliches Exil. Wenn man scheitert und in eine Sackgasse gerät. Von Menschen gemieden wird. Wenn man alt und krank wird, zu Hause bleibt und sich ausgeschlossen erlebt von dem alltäglichen Hin und Her. Schmerzen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit statt Lebensenergie. Ungefragt kommen dann nur noch die Tränen, nicht der Schlaf. Da hilft es wenig, den sprichwörtlichen Esel, das Pferd oder gar den Traktor vor den Karren dieses zunehmend einsamen und verbitterten Lebens zu spannen. Man kommt nicht vom Fleck, weil die Gedanken sich bloß im Kreis bewegen. Die besten technischen Hilfsmittel, die uns die moderne Medizin und Pflege zur Verfügung stellen, helfen nur bedingt über ein paar nächste Schritte weiter. Denn: die Perspektive fehlt. Und auch der Stern, der da in unsere Dunkelheit leuchten müsste, glitzert nicht. Gefangen im krank und alt werdenden Körper, eingeschlossen in einem kalten sozialen Exil leiden unzählige Menschen, weil ihnen der Stern des Glaubens und der Hoffnung abhandengekommen ist.

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„Leg ab das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit“, ruft uns heute Baruch, der Gesegnete, zu. Jener Mensch, der obwohl in einer denkbar tristen Situation lebend, von jammernden und klagenden Mitmenschen umgeben, den Stern vor den Karren seines eigenen Lebens gebunden hat, das Licht, das von weither kommt, verinnerlicht hat – das Licht, das nicht von dieser Welt ist, sondern vom Himmel. Und so wie damals im Exil zu Babylon, wo er seinen tieffrustrierten Landsleuten diesen Stern vor ihren Karren zu spannen suchte, wenn er vor ihren Augen das herrliche Bild malte: das scheinbar völlig illusionäre Glaubensbild der Rückkehr nach Jerusalem, das Glaubensbild der sich senkenden hohen Berge und der sich erhebenden Täler, das Glaubensbild der Bäume in der Wüste, die ihnen Schatten spenden werden, so wie er mit solchen Worten und Bildern auch immer und immer wieder in den nachfolgenden Jahrhunderten den Menschen half, jenen glitzernden Stern in der Dunkelheit ihres Lebens zu finden, so weist er auch uns den Weg zu dem oft nur schwach glitzernden Stern, den wir auch heute vor unseren Karren binden sollen.

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Es ist Gott selber, der die gewaltigen Hindernisse beseitigt, Hindernisse, die uns daran hindern, diesem Stern zu trauen. Jenem Stern, der über dem Ort aufgegangen ist und auch weiterhin aufgeht, wo Gott Mensch geworden ist und wo er immer und immer wieder neu Mensch wird. Unsere menschliche Routine, die ja der Routine und der Hartnäckigkeit eines Esels gleicht, hilft da nicht weiter. Genauso wenig, wie die Beschleunigung uns nicht hilft, das Galoppieren durch die Nächte und Tage unseres Alltags, wenn wir wie eine Horde wildgewordener Pferde außer Atem geraten. Und auch die übermenschliche Kraft des Traktors hilft uns nicht, über die vielen Abgründe zu springen. Die Kraft versagt ja spätestens im Angesicht des Todes.  Nur Gott selber, Gott, der in seinem menschgewordenen Sohn in das Tal des Todes, gar in den Abgrund des Todes hinunterfiel, vermag diese Kluft zwischen Diesseits und Jenseits zu füllen. Auf dass wir alle diesen Weg gehen können. Getragen in Christi Armen wie in einer königlichen Sänfte.

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Liebe Schwestern und Brüder, binden wir unseren Karren an den Stern, der über dem Horizont unseres Lebens glitzert. An den Stern, der nicht von dieser Welt ist, den Stern, der uns alle zu unserer Heimat im Himmel führen will. Mit dem Stern des Glaubens an das ewige Leben in Gott, jenem Stern, den wir vor den Karren unseres Lebens gebunden haben, können wir unser Haupt erheben, den Lebensweg beschreiten und uns auch freuen über die vielen Kräfte, die uns auf diesem Weg ein Stück weiterhelfen, über die vielen Esel, Ochsen, Pferde, Traktoren und vieles andere mehr.

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Übrigens: weil Dietrich Bonhoeffer diesen glitzernden Stern an seinen Wagen gebunden hat, konnte er im Gefängnis in den Tagen, in denen er auf die Vollstreckung des Todesurteils wartete, sein weltberühmtes Lied dichten: „Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag“. Weil sie dem oft so schwach glitzernden Stern vertrauten, konnten die gestern (8.  Dezember) selig gesprochenen algerischen Märtyrer – Opfer des islamistischen Terrors – im Geist der christlichen Feindesliebe in den Tod gehen und so über ihren Tod hinaus einen Beitrag zur Versöhnung leisten: zur Versöhnung zwischen Muslimen und Christen. Und dies nicht nur in Algerien.

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