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Die Rolle der TZI in einer "Kommunikativen Theologie"
(Konzept und Modell)

Autor:Scharer Matthias
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Die Arbeit mit der Themenzentrierten Interaktion R.C. Cohn ( TZI) hat in den christlichen Kirchen und in der Theologie eine breite Anerkennung gefunden. Dabei bleibt es nicht selten bei einer bloßen Anwendung von TZI als Methode lebendigen Lernens. Der Beitrag zeigt auf, welche Tiefe und Intensität themenzentriert- interaktionelle Gruppenarbeit gewinnen kann, wenn sich die Theologie auf alle Bereiche des TZI Ansatzes bezieht. Umgekehrt gewinnt die theologische Arbeit durch TZI ein eigenes Profil. Im Modell einer "Kommunikativen Theologie" wird in Theorie und Praxis eine "ungetrennt- unvermischte" Verbindung von Theologie und TZI praktiziert und reflektiert.
Publiziert in:Scharer M., Die Rolle der TZI in einer "Kommunikativen Theologie", in: Themenzentrierte Interaktion 1 (2001) 33-41.
Datum:2001-12-13

Inhalt

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Meine Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Theologie und TZI. Als Lehrer an einer Theologischen Fakultät und als Fortbildner arbeite ich seit vielen Jahren nach dem Ansatz der Themenzentrierten Interaktion nach R.C. Cohn. Als Lehrbeauftragter von WILL integriere ich mein theologisches Bewusstsein in die themenzentriert-interaktionelle Arbeit mit Gruppen. Als Grenzgänger zwischen beiden Welten ist mir sowohl deren Unterscheidung als auch deren Verbindung zu einem zentralen Anliegen geworden. Als Begriff für dieses Bemühen spreche ich von einer "Kommunikativen Theologie". Mit einer Reihe von KollegInnen (1) bin ich daran, diesen Ansatz in Forschung und Lehre weiter zu entfalten (siehe Homepage: http://praktheol.uibk.ac.at/scharer). Ein Schritt auf diesem Weg ist die Einrichtung eines fünfsemestrigen Universitätslehrganges "Kommunikative Theologie" an der Theologischen Fakultät Innsbruck.

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Was habe ich in dieser Woche gelernt?

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Mit dieser Frage endete das erste Modul des fünfsemestrigen Universitätslehrganges „Kommunikative Theologie" (ULG), der im Herbst 2000 an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck gestartet ist. Hier einige Antworten der TeilnehmerInnen aus der abschließenden Bilanz nach der ersten Kurswoche: (2)

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  • Ich habe eine neue Form universitären Lernens erlebt.
  • Lebendiges Lernen, Freude am Lernen, meine Biografie und Theologie kennen und vertiefen lernen - das war mir in dieser Woche wichtig.
  • Ich habe eine neue Sicht, was Theologie ist bekommen: Sie betrifft mein ganzes Leben
  • Ich habe das Gleichgewicht verloren - ich bin aufgefangen worden und habe das Gleichgewicht wieder gefunden.
  • Meine Suche nach Ruhe war mir sehr wichtig.
  • Ich habe viele Fragen: Vor allem die Umsetzbarkeit des Erlebten bzw. Verstehbarkeit für andere.
  • In der Woche kamen wir vom Schein zum Sein.
  • Ich wurde angenommen und verstanden, auch als Ausländerin - mich einbringen war möglich.
  • Wachsen in gut begleiteten Begegnungen, im guten Rahmen.
  • Ich hatte große Spannungen am Beginn - dann die Erfahrung, dass es gut läuft, lebendig und orientiert, selbständig; hoch kompetente und vielfältige Gruppe, Dankbarkeit und Zufriedenheit.
  • Respektvolle Art des Lernens im / vom Leben; eigene Biografie / Theologie begreifen lernen
  • Hohe Qualität der menschlichen Begegnungen; christliche Qualität, aufgeladene Batterien, Energie, die treibt
  • Fremdsein - vertraut werden; fremd auch in der akademischen Welt; stimmige Schritte; neue Art des Theologisierens
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Themenzentrierte Interaktion als Haltung und Methode

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In der Ankündigung des Lehrganges (http://praktheol.uibk.ac.at/komtheo/lehr gang/) heißt es: Der ULG Kommunikative Theologie wird nach dem Ansatz der Themenzentrierten Interaktion (R.C. Cohn) geleitet. In das Konzept der TZI wird in den beiden ersten Modulen konkret eingeführt, indem die einzelnen Gruppenmitglieder (ICH), das Beziehungsgefüge in der Gruppe (WIR), das gemeinsame Anliegen bzw. die gemeinsame Aufgabe (ES) und die konkrete kirchlich-gesellschaftliche Wirklichkeit (GLOBE) gleichermaßen Beachtung finden. Die Leitung geschieht in der Form, dass im Sinne einer „Dynamischen Balance" die vier Faktoren in gleicher Weise berücksichtigt werden. Besondere Beachtung findet das "Störungs- und Konfliktpotential" in der Gruppe, das konstruktiv für das Lernen genützt wird.

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Das dialogische Menschenbild der Kommunikativen Theologie kennzeichnet auch Haltung und Methode der Themenzentrierten Interaktion (R.C. Cohn). So wird in den spezifisch theologischen Kursen ein Lernen möglich, bei dem die Anliegen nicht nur intellektuell bewältigt werden, sondern in einer Themenzentrierten Interaktion, die den Menschen in seinem Denken, Fühlen und Handeln gleichermaßen ernst nimmt.

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Auf dem Hintergrund der spezifischen theologischen, interkulturellen und interreligiösen Erfahrungen werden konkrete Projekte geplant, durchgeführt und nach dem Ansatz der Themenzentrierten Interaktion supervidiert.

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Wie wird TZI in einer Kommunikativen Theologie rezipiert?

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Es gibt vielfältige Versuche, Theologie mit Hilfe von TZI zu verlebendigen bzw. in das Leben hinein zu vermitteln. In diesen Fällen besteht die „Sache" (ES) in theologischen Inhalten, Konzepten und Begriffen, die in lebendigen Lehr-/Lernprozessen Menschen auf der individuellen und auf der gruppenbezogenen Ebene unter Beachtung des jeweiligen Globes nahegebracht werden. In dieser Form reiht sich TZI in den Reigen offener und kommunikativer didaktischer Ansätze ein, welche Theologie zu erschließen versuchen (Vgl. Polzien 1976; Honsel 1983; Mayer-Scheu 21981; Biesinger 1984; Scharer 1987; Kroeger 1989; Raguse 1997).

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Eine lebendige Erschließung theologischer Inhalte, Konzepte und Begriffe mit Hilfe der TZI mag hilfreich ein. Sie übersieht aber, dass die wesentlichen Perspektiven der Theologie nicht nur das „ES" betreffen, sondern das ganze themenzentriert-interaktionelle System einschließlich der zu Grunde liegenden Haltungen und Werte. Einen Schritt in die Richtung einer umfassenderen praktisch-theologischen Rezeption geht bereits D. Funke mit seinem Versuch, TZI als „Modell thematisch-symbolischer Orientierung" (Funke 1984) zu rekonstruieren. Seine Aufmerksamkeit gilt der Symbolfähigkeit von Menschen bzw. deren Symbolverlust im Alltag, der ohne Symbole zur Routine erstarrt. Die Symbolfähigkeit wird zur Überlebensfrage der Menschen, da Sinnkonstruktion mit Symbolkonstruktion unmittelbar verbunden ist. Die thematisch-symbolische Orientierung individueller und kollektiver Symbole und deren intersubjektive Vergewisserung, wie sie nach D. Funkes Ansatz in TZI Gruppen ermöglicht wird, rettet aus dem Symbolverlust. Dieser religionspsychologisch und religionssoziologisch bewusste Ansatz macht auf die Chancen von TZI aufmerksam, als Gesamtsystem die religiöse Dimension im und zwischen Menschen sowohl individuell als auch kollektiv zu erschließen (vgl. Scharer 1997).

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Auf dem Hintergrund von D. Funkes Rezeption von TZI als Gesamtsystem führt die „Kommunikative Theologie" (Scharer 1999) den Ansatz in einer spezifisch christlich-theologischen Perspektive weiter. Dann geht es nicht mehr nur um die Theologie als „Sache", als „Lerngegenstand" oder als Thema (ES); auch die subjektive und intersubjektive Symbolbildung und Symbolvergewisserung in TZI Gruppen wird nochmals in einen ausdrücklichen theologischen Zusammenhang gebracht. In einem kommunikativ-theologischen Prozess werden die subjektive- (ICH-), die intersubjektive- (WIR-) und Kontext- (GLOBE-)ebene in ihrem je authentischen theologischen Charakter angefragt:

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Das ICH wird vor allem durch das Verhältnis von Theologie und Biografie im Blick auf eine Identität im Fragment (Luther 1992; Greiner 2000), die gnadentheologisch zu bestimmen ist, gekennzeichnet.

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Das WIR bringt das bleibend Brüchige von Gruppen und Beziehungen, letztlich die „geschenkte" - auch durch TZI nicht herstellbare - Gemeinschaft der Gemeinde/Kirche ins Spiel (Scharer 1998).

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Schließlich ist abseits des Kontextes (GLOBE) in seiner kulturellen, gesellschaftlichen und (orts-)kirchlichen Verortung keine ernstzunehmende Theologie mehr möglich.

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Eine biografisch geerdete Theologie bejaht die Identität im Fragment

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Dass das Leben des Menschen in seiner individuellen Geschichtlichkeit ein theologischer Ort ist, kann durch die ganze Theologiegeschichte hindurch verfolgt werden und ist in den letzten Jahrzehnten neu in den Vordergrund getreten (Vgl. u.a. Lutz 1999; Dormeyer (Hg.), u.a. 2000). Dabei muss im Bewusstsein bleiben, dass der Glaube der Kirchen, den die Theologien reflektieren, mehr ist als die Summe der biografisch geprägten Theologien. Die Kirchen tradieren nicht nur in den einzelnen Subjekten sondern als Ganze in ihrem Leben und in ihrer Lehre die Wahrheit Gottes durch die Geschichte hindurch und entfalten sie. Dabei hat der Glaubenssinn des ganzen Volkes Gottes, von dem das Zweite Vatikanische Konzil eindrucksvoll spricht, für die Tradierung gläubigen Lebens, der die Theologie zu dienen hat, eine grundsätzliche Bedeutung. Wo und wie das Zusammenwirken von Gottes lebendigem Geist und den einzelnen Menschen sich ereignet, bleibt im Letzten Geheimnis. Je mehr sich glaubende Menschen der biografischen Zusammenhänge, „ihrer" Wahrheit mit Licht und Schatten, mit Möglichkeiten und Grenzen bewusst werden, je transparenter ihnen also der Zusammenhang von Theologie und Biografie auf ihr ganzes Leben hin wird, umso mehr wissen sie, dass sie nicht die ganze Wahrheit besitzen und ergänzungsbedürftig sind. Auch für den Glauben und seine Wahrheit gilt: Der Mensch ist autonom und interdependent, eigenständig und gleichzeitig bezogen auf das Ganze.

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In einem themenzentrierten Interaktionsprozess geht es aus der Sicht der Theologie nicht nur darum, dass der Gegenstand der Theologie persönlich bezogen wird. Jede und jeder einzelne ist insofern gleich wichtig als ihre/seine Geschichte mit Gott und den Menschen ein Ort göttlicher Offenbarung ist und von daher die (auch wissenschaftliche) Rede von Gott wesentlich mitbestimmt. Besonders deutlich wird diese theologische Einsicht in den Texten der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Puebla (1979), wenn sie von der „Option für die Armen" spricht:

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Die Armen verdienen ein vorrangiges Augenmerk, ungeachtet ihrer moralischen oder persönlichen Befindlichkeit. Geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis, um seine Kinder zu sein, wird dieses Bild jedoch verdunkelt, ja verhöhnt. Daher übernimmt Gott es, sie zu verteidigen, und er liebt sie (1142).

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Nicht eine besondere moralische oder persönliche Qualifikation macht Menschen, wie die Lateinamerikaner sagen, zu „Interlokutores", wörtlich übersetzt zu „Buchstabierern" des Evangeliums, sondern einzig und allein ihre Würde von Gott her, die sie auch dann noch behalten, wenn sie von allen gesellschaftlichen Systemen marginalisiert, ausgeschlossen und zu Opfern gemacht werden (vgl. Scharer 1990; 2000). Die biografische Erdung der Theologie zielt nicht auf eine Glaubensidentität des Menschen, die ihn - im Sinne der Aufklärungslogik - als autonomes Subjekt unabhängig von anderen dastehen lässt. Das TZI Bewusstsein von der mit der Autonomie untrennbar verbundenen Interdependenz, um die sich R. Cohn mit anderen VertreterInnen der Humanistischen Psychologie streitet, schützt vor Identitätsfantasien, wie sie selbst manchen religionspädagogischen Entwürfen vom autonomen Glaubenssubjekt als Ziel der Entwicklung und Erziehung implizit innewohnen (vgl. u.a. Oser 1988). Als kritische theologische Herausforderung des interdependenten Autonomieverständnisses der TZI bleibt freilich jenes christliche Menschenbild bestehen, das Identität nicht nur im Übergang, sondern innerweltlich bleibend als Identität im Fragment versteht: „Wir sind immer zugleich auch gleichsam Ruinen unserer Vergangenheit, Fragmente zerbrochener Hoffnungen, verronnener Lebenswünsche, verworfener Möglichkeiten, vertaner und verspielter Chancen. Wir sind Ruinen aufgrund unseres Versagens und unserer Schuld ebenso wie aufgrund zugefügter Verletzungen und erlittener und widerfahrener Verluste und Niederlagen. Dies ist der Schmerz des Fragments" (Luther 1992, 168).

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So gesehen erweitert sich sowohl das entwicklungsoptimistische Axiom „Respekt gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum" (Cohn 1975, 120) als auch das Chairpersonpostulat in der TZI. Wenn ich mich nicht nur vorübergehend, sozusagen als notwendigen Entwicklungsabschnitt, sondern insgesamt als bleibend fragmentiertes Subjekt verstehe, dann kommt der Wachstumsbegriff an die Grenze; das Konzept der Chairperson fordert zur inneren Zustimmung mit dem Fragmentarischen in mir und bei anderen heraus: „Jede Begegnung mit anderen, die diesen als solchen ernst nimmt, muß zur erneuten Selbstrückfrage werden: 'Wer bin ich?' Das Ideal der Ich-Stärke und der gefestigten Identität, die sich von der Andersheit der begegnenden anderen nicht verunsichern und verwirren läßt, führt zur Gleichgültigkeit und Selbstabschließung gegenüber den anderen." (Luther 1992, 169).

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Eine (theologisch orientierte) Biografie als Rekonstruktion des Lebenslaufes ist letztlich dadurch gekennzeichnet, dass durch alle erinnerten und unausgestandenen Schuld- und Schamgeschichten hindurch, letztendlich Versöhnung mit dem Leben, wie es gelaufen ist, aufleuchtet: „Das Auf-sich-beruhen-lassen-können ist ja gerade das Problem. Das setzt schon voraus, mit sich selbst versöhnt zu sein" (Siller 1995, 6). Andererseits gehört zur Biografie auch der Blick nach vorne: „Wie kann ich damit umgehen, dass ich eines Tages meiner Selbstmächtigkeit verlustig gehen werde?" (Siller 1995, 6). Aus diesem Zusammenhang bekommen die religiösen Grundfragen des Menschen und ihre symbolische Repräsentanz im Leben eine neue Dringlichkeit: „Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was darf ich hoffen? In wessen Hände falle ich, wenn ich mir selber im Sterben aus der Hand gerate" (Siller 1995,6f)? Der Appell „Ich" zu sagen wird bei angereicherter Lebenserfahrung zur Herausforderung, die Identität nicht zu spalten und das bleibend Fragmentierte umfassend zu bejahen. Nach Siller besteht darin „die Authentizität und Autorität, die einer oder einem im Alter zuwächst" (Siller 1995, 7).

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Das WIR der (TZI) Gruppe wird zum „geschenkten" WIR

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Zu den authentischen theologischen Orten, in denen sich Gott in der Geschichte von Menschen ereignet, zählt nicht nur deren Biografie sondern ebenso deren Interaktion und Kommunikation. Im Glauben an den einen und dreieinen Gott der ChristInnen, der Beziehung ist, erschließt sich jede Kommunikation von Menschen als theologische Herausforderung. Diese bleibt nicht in der Abstraktheit eines theologischen Gedankenspiels: sie wird lebendig in der Kirche; aus katholischer Sicht sowohl in der Orts- wie auch in der Weltkirche (vgl. LG 13). Wenn die WIR-Ebene aus einer ekklesiologischen Perspektive betrachtet wird, dann werden die Kommunikativität, aber auch die Alterität bis hin zur Fremdheit zur besonderen Herausforderung in themenzentrierten-interaktionellen Prozessen. Christliche Gemeinde ist speziell auch als feiernde Gemeinschaft (Scharer 2001) nicht die charismatisch begeisterte, homogene Gruppe, in der sich alle ständig umarmen. Die Gruppe/Gemeinde ist als „geschenktes" und nicht „gemachtes" WIR Gabe des Geistes Gottes, trotz aller Fremdheit (vgl. Scharer 1998).

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In den vielfältigen Rollen und Beziehungen, in den oft schmerzvollen Wandlungen, wie sie in TZI Gruppen erfahren werden können, liegt nicht nur eine interaktionelle Methode sondern die prozesshaft erfahrbare Wahrheit des einen und dreieinen Gottes, der in sich selbst Beziehung ist und im Gekreuzigten alle gruppendynamisch herstellbaren Einheits- und Harmoniefantasien radikal durchbricht und den Horizont auf eine neue, Fremdheit, Andersheit und Verschiedenheit einschließende Begegnungsqualität hin öffnet. Die Priorität von Störungen und Betroffenheiten, wie sie Ruth Cohn anmahnt, finden im gekreuzigten „Unterbrecher" eine theologische Tiefe, die durch kein didaktisches Postulat eingeholt werden kann. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, wird zum Eckstein, der als Sündenbock ausgestoßene Gottesknecht, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht, wird von Gott her zum Erlöser; auch zum Erlöser aus allzu harmonisch erlebten TZI Welten. Theologisch orientierte TZI Gruppen ermöglichen eine hohe Konfliktfähigkeit und eine besondere Sensibilität für die Anderen und (auch TZI) Fremden, für die Ausschluss- und Opferstrategien vor denen kein Gruppenprozess gefeit ist und schließlich für das nichtherstellbare Geschenk, das eine lebendige Gruppe/Gemeinde darstellt (vgl. Scharer/Niewiadomski 1999).

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Theologie ist im Globe verankert

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Das Gott-Denken und von ihm Sprechen ereignet sich niemals im luftleeren Raum. Es ist unabdingbar in den geschichtlichen, kulturell-gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext eingebunden. Der Satz von Ruth Cohn „Wer den Globe nicht achtet, den frisst er" gilt in besonderer Weise für die Theologie. Hatte man in bestimmten kirchlichen Epochen insbesondere in der neuscholastischen Theologie den theologisch reflektierten Glauben der Kirche wie ein fertiges Paket weiterzugeben versucht, so gehört heute die Kontextualität zum Standard jeder ernstzunehmenden Theologie. Was und wie von Gott geredet wird, ist unabdingbar der Geschichtlichkeit und Kontextualität unterworfen. Zu einer redlichen theologischen Arbeit gehört es also, die (wissenschaftliche) Rede von Gott in einer Denkweise und Sprachgestalt zu vollziehen, die kontextuell eingebunden ist und bleibt. Insofern verändert der Kontext die Theologie ständig.

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Im ULG wird der Globebezogenheit der Theologie dadurch besonders Rechnung getragen, dass ein eigener Lehrgangsabschnitt mit zwei Wochenkursen und einer Exkursion der Begegnung mit einer weltkirchlichen Situation in Lateinamerika, Afrika oder in einem anderen Teil der Welt (jeweils in kleinen Gruppen) gilt. Diese radikale Globeausweitung verändert die Eurozentriertheit der Theologie und ist für ein theologisches Lernen unter weltkirchlichem Anspruch unverzichtbar.

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„Ungetrennt und unvermischt" als Kriterium der Kommunikation und der Unterscheidung

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Eine zentrale Frage christlicher Theologie beschäftigt sich seit der Frühzeit der Kirche mit der Frage, wie das Gott-Mensch-Verhältnis zu denken ist. Diese Frage kulminiert im „Gott-Menschen" Jesus Christus. Ist er (nur) Gott oder ist er (nur) ein besonderer gotterfüllter Mensch? Das Konzil von Chalkedon (451) hat mit der theologischen Formel „ungetrennt und unvermischt" eine geniale Formel für das Gott-Mensch-Verhältnis in Jesus Christus gefunden. In ihm sind die „göttliche und die menschliche Natur" nicht so getrennt, dass sie nichts miteinander zu tun hätten, oder jede für sich allein gedacht und bekannt werden könnte. Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch in dem Sinn, dass beides nicht unabhängig voneinander, also nicht „ungetrennt", stehen kann. Göttlichkeit und Menschlichkeit gehen in Jesus Christus aber nicht einfach symbiotisch in einander auf; sie bleiben je das, was sie sind, und sind in diesem Sinne „unvermischt". Diese christologische Formel lässt sich in zweifacher Hinsicht weiter denken:

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1. Obwohl wir als ChristInnen glauben, dass das Verhältnis von Gott und Mensch in Jesus Christus unüberbietbar und endgültig kulminiert, können wir nach einer Analogie im zwischenmenschlichen Kommunikationsgeschehen einer TZI Gruppe suchen. Worin könnte sie bestehen? Jeder Mensch ist ein Anderer, ja in einer gewissen Hinsicht ein Fremder, so sehr wir uns auch nach Nähe und Beziehung sehnen. Jeder Mensch ist und bleibt ein Geheimnis. Gleichzeitig wird uns gerade der Andere, ja der Fremde zum Du, zum Nächsten. Das ist nicht in einem moralischen Sinn zu verstehen sondern in einem theologisch-existenziellen. „Ungetrennt" verbindet uns die Andersheit ja Fremdheit des Anderen in der Begegnung und dennoch bleibt der Andere als Anderer „unvermischt" mit uns selbst; die beziehungs- und damit auch konfliktreiche Grenzerfahrung zwischen Menschen, ohne die keine wirkliche Begegnung möglich ist (Scharer 1995), wird deutlich. Autonomie kann an den Grenzen wachsen und leben. Gleichzeitig wissen wir uns als interdependente Menschen nicht isoliert und monadisch dahinlebend sondern „ungetrennt" mit dem Anderen.

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2. Die Formel „ungetrennt und unvermischt" gilt für eine Kommunikative Theologie aber auch noch in einer anderen Weise: Wenn wir in einer Kommunikativen Theologie TZI und Theologie in dem Sinne in Beziehung setzen, dass wir theologische Prozesse TZI gemäß gestalten, dann wird die Theologie nicht einfach zur TZI, wie das auch umgekehrt nicht geschehen darf. Das biografisch geerdete, prozessorientierte und globebewusste theologische Arbeiten nach TZI bleibt Theologie; es bleibt Theologie in einer Weise, die sich von anderen Theologien dadurch unterscheidet, dass sie die Wahrheit der „Gott-Rede" nicht nur formal, sondern auch inhaltlich durch die kommunikative Qualität theologischer Prozesse mitbestimmt wird. Ohne die Frage nach der „Wahrheit" der Interaktion und Kommunikation ist Kommunikative Theologie nicht authentisch zu betreiben. Ein kommunikativ verödetes Szenario wie es eine ausschließlich monologisch betriebene Gott-Rede darstellen würde, ist für die Kommunikative Theologie nicht nur ein formal-didaktisches, sondern ein Wahrheitsproblem. Damit ist nicht gesagt, dass die Interaktion und Kommunikation nach dem themenzentrierten Ansatz den Himmel auf Erden schaffen und aus sich heraus aus allen Kommunikationsdefekten erlösen würde. TZI ist kein neuer Gott, der die inhaltliche Wahrheit der Gott-Rede durch das Erleben einer theologiezentrierten Gruppe kompensiert; sie ist ein bleibend erlösungsbedürftiges Kommunikationsverfahren mit jener Offenheit, die sich der Wandlung von Gott her auf ein Leben in Fülle hin nicht prinzipiell verschließt.

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Die Sichtweise theologischer Arbeit in der die Wahrheitsfrage auch die Prozesse mit einschließt weist viele Parallelen zu befreiungstheologischen Ansätzen in Lateinamerika auf, aus denen ich für meine TZI Arbeit viel gelernt habe. So unvermischt also Theologie und TZI in der Kommunikativen Theologie bleiben müssen, sosehr sind sie gleichzeitig auch ungetrennt, dass nicht auf der einen Seite die theologische Wahrheit als Inhalt und auf der anderen Seite der Prozess als Methode steht. In R. Cohns unermüdlichem Ringen um das Zusammenspiel von Haltung und Methode, das bekanntlich sogar zu einer Namensänderung von „Themenzentrierter interaktioneller Methode (TIM)" zu TZI geführt hat, kann ich eine Ahnung in Richtung des unvermischt-ungetrennten Verhältnisses von Theologie und TZI erblicken, das in der Kommunikativen Theologie in umfassenderer Weise zum Bewusstsein kommt.

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Literatur

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  • Biesinger, Albert, Lebendiges Lernen in der Katechese. Hoffnungsversuche in Schule und Gemeinde. Antrittsvorlesung an der Universität Salzburg, CPB 97 (1984), 6-9. 85-95. 223-226).
  • Cohn, Ruth C. u.a., Gelebte Geschichte der Psychotherapie, Stuttgart 1975, 111992.
  • Dormeyer, Detlev/Mölle, Herbert/Ruster, Thomas (Hg.), Lebenswege und Religion. Biographie in Bibel, Dogmatik und Religionspädagogik (= Religion und Biographie Bd. 1), Münster u.a.O. 2000.
  • Friedrichs, Lutz, Autobiographie und Religion der Spätmoderne. Biographische Suchbewegungen im Zeitalter transzendentaler Obdachlosigkeit (Praktische Theologie heit: Band 40) Stuttgart u.a.O. 1999
  • Funke, Dieter, Verkündigung zwischen Tradition und Interaktion. Praktisch-theologische Studien zur Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn, Frankfurt/M. 1984.
  • Greiner, Ulrike, Der Spur des Anderen folgen? Religionspädagogische Theoriekritik aus der Perspektive des Fremden, Thaur 2000.
  • Honsel, Bernhard, Der rote Punkt. Eine Gemeinde unterwegs, Düsseldorf 1983.
  • Kröger, Matthias, Themenzentrierte Seelsorge, Stuttgart 41989.
  • Luther, Henning, Religion und Alltag. Bausteine zu einer Praktischen Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992.
  • Mayer-Scheu, Josef, Seelsorge im Krankenhaus: Entwurf einer neuen Praxis, Mainz 21981.
  • Oser, Fritz, Wieviel Religion braucht der Mensch? Erziehung und Entwicklung zur religiösen Autonomie, Gütersloh 1988.
  • Polzien, Sigrun/Leonhard, Helmut, Themenzentrierte Interaktion. Christliches Gemeinschaftsleben als ein Prozeß lebendigen Lernens, in: Diakonia 7 (1976), 149-157.
  • Raguse, Hartmut, Theologische Implikationen der TZI, in: Ludwig, Karl Josef (Hg.), Im Ursprung ist Beziehung. Theologisches Lernen als themenzentrierte Interaktion, Mainz 1997, 29-53.
  • Scharer, Matthias /Niewiadomski, Józef, Faszinierendes Geheimnis. Neue Zugänge zur Eucharistie in Familie, Schule und Gemeinde, Innsbruck-Mainz 1999.
  • Scharer, Matthias Theologie, Glaubenskommunikation und Themenzentrierte Interaktion. Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion, Ludwig, Karl Josef (Hg.), Im Ursprung ist Beziehung. Theologisches Lernen als themenzentrierte Interaktion, Mainz 1997, 121-127.
  • Scharer, Matthias, Katechese wider den Tod. Lateinamerika als Herausforderung für die Glaubensvermittlung. ThPQ 138 (1990), 135-143.
  • Scharer, Matthias, Begegnungen Raum geben. Kommunikative Lernprozesse in Gemeinde, Schule und Erwachsenenbildung. Mainz 1995.
  • Scharer, Matthias, Das geschenkte Wir. Kommunikatives Lernen in der christlichen Gemeinde, in: Weber, Franz (Hg.), Frischer Wind aus dem Süden: Impulse aus den Basisgemeinden, Innsbruck-Wien 1998, 84 - 100.
  • Scharer, Matthias, Fremde Gesichter. Südlicher Einspruch gegen theoretische „Brücken" zwischen modernem Leben und altem Glauben, in: Angel, Hans-Ferdinand, Tragfähigkeit der Religionspädagogik (=Theologie im kulturellen Dialog Bd. 4), Graz 2000, 217 - 226.
  • Scharer, Matthias, Kommunikative Theologie. Ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung theologischer Lehre, in: Körtner, Ulrich/Schelander, Robert (Hg.), GottesVorstellungen. Die Frage nach Gott in religiösen Bildungsprozessen. Gottfried Adam zum 60. Geburtstag, Sonderheft der religionspädagogischen Zeitschrift: Schulfach Religion, Wien 1999, 437 - 451.
  • Scharer, Matthias, Thema - Symbol - Gestalt, Graz 1987.
  • Siller, Hermann P., Die Fähigkeit eine Biographie zu haben, in: Diakonia 26 (1995), 6-16.
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Anmerkungen:

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1. U.a. Jochen Hilberath, Tübingen; Karl Ludwig, Mainz; Józef Niewiadomski, Innsbruck; Franz Weber, Innsbruck; Regina Hintner, Salzburg.

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2. Der erste Durchgang des Universitätslehrganges wird mit einer qualitativen und quantitativen Untersuchung begleitet. Die Ergebnisse werden später vorgelegt. Die Texte im Statut des ULG wurden von der derzeitigen wissenschaftlichen und erwachsenenbildnerischen Leitung formuliert. Ihr gehören an: Józef Niewiadomski, Professor für Dogmatik; Matthias Scharer, Professor für Katechetik/Religionspädagogik, Lehrbeauftragter von WILL International (Geschäftsführung); Franz Weber MCCJ, Professor für interkulturelle Pastoraltheologie, Elisabeth Rathgeb, Leiterin des BH St. Michael, Matrei a. Brenner.

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Abstract in English:

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So far, work with TCI has been widely accepted in the Christian churches and in theology. What is more, TCI is not merely used as a method of intensive learning. The article at hand shows the profound intensity that thematic-interactive group work may engender, if theology is prepared to utilize the whole scope of TCI-theory. Additionally, theological work acquires a new profile through TCI. Hence, “Communicative Theology” may serve as a model in which, in theory and in practice, a combination of theology and TCI is reflected and put into reality, with TCI and theological methods still being discernible, in a union “without confusion and without separation”.

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