- Leseraum
| Erstkommunion: Schwächen der gegenwärtigen Praxis und ein Vorschlag zur WeiterentwicklungAutor: | Lumma Liborius |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2019-07-23 |
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Inhalt1
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| Vor kurzem hörte ich von einem kleinen Zwischenfall bei einer Erstkommunionfeier: Eines der Kinder, die monatelang auf dieses Fest vorbereitet worden waren, kollabierte während der Liturgie und musste nach draußen gebracht werden. Nach kurzer Zeit ging es dem Kind wieder gut, der Tag nahm seinen weiteren Verlauf – nur die Kommunion hatte das Kind nicht empfangen. Die für die Erstkommunion verantwortliche Mitarbeiterin der Pfarre lud das Kind und seiner Familie ein, an einem der folgenden Sonntage an der Eucharistie der Pfarrgemeinde teilzunehmen und dabei die Erstkommunion nachzuholen. Die Antwort: Nein, man habe kein Interesse, das Fest sei ja jetzt vorbei. | 3
| Dies dürfte nicht der einzige Fall sein, in dem ein Kind und seine Familie die Erstkommunionfeier aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten als die für die Vorbereitung Verantwortlichen – Missverständnis und Frustration sind da vorprogrammiert: Auf Seiten der Familie gibt es womöglich Irritation über die unverständliche, vielleicht sogar als aufdringlich empfundene Anfrage, eventuell auch Enttäuschung darüber, dass die Feiergestaltung für das Kind zu anstrengend war. Auf Seiten der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingegen muss sich die investierte Arbeit umso sinnloser anfühlen, je mehr das Heiligste, das die katholische Überlieferung kennt und für das die Haupt- und Ehrenamtlichen einstehen, auf Sekundäres reduziert wird: in diesem Fall ein Familienfest, für das die Kirche nicht als Trägerin transzendenter Sinnoption, das Leben verdichtender Rituale und Erfahrungsort sozialer Gemeinschaft dient, sondern eher als eine Art Eventmanagement-Agentur. Nun ist es wahrlich nichts Schlechtes, wenn die katholische Kirche den Grund für familiäre Feste bietet – nur stehen dafür viele andere Formen zur Verfügung als ausgerechnet die Eucharistie, die seit den Anfängen das Herzstück ritueller und gemeinschaftsstiftender Erfahrung im Christentum ausmacht. | 4
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| Ich habe sakramententheologisch begründete Vorbehalte gegen die in der römisch-katholischen Kirche (anders als in den Ostkirchen, auch den katholischen) etablierte und kirchenrechtlich fixierte Aufspaltung des einen Initiationsaktes in Taufe, Firmung und Erstkommunion in drei verschiedenen Lebensphasen, jedenfalls soweit es sich nicht um die Erwachseneninitiation handelt (siehe cc. 866, 867 § 1, 891 und 913 § 1 CIC/1983). Aber das soll hier nicht das Thema sein: Ich gehe davon aus, dass die römisch-katholische Kirche auch weiterhin Kinder nur unter bestimmten Bedingungen zum Eucharistieempfang zulassen wird und auch weiterhin Kinder in katholischen Pfarrgemeinden gruppen- oder jahrgangsweise darauf vorbereitet werden. | 6
| Die Erstkommunion initiiert in ein Dreifaches: Sie initiiert in die volle Teilnahme an der Eucharistiefeier selbst, die laut Zweitem Vatikanischem Konzil „Quelle und Höhepunkt“ von allem ist, was die Kirche ausmacht (siehe SC 10); sie initiiert damit zugleich in die Kirche als ganze, also als weltweite Glaubens- und Erzählgemeinschaft; drittens initiiert sie in eine konkrete örtliche Gemeinschaft, in der Regel eine Pfarrgemeinde. Diese dreifache Initiation konnte sich unter den Bedingungen der sogenannten Volkskirche sinnvoll entfalten: Wo Familien ihre Kinder mehr oder weniger jeden Sonn- und Festtag mit in die Eucharistiefeier nahmen, wuchsen die Kinder – bis zu einer allfälligen persönlich getroffenen abweichenden Entscheidung – Schritt für Schritt in diese Feiergemeinschaft hinein. Ein erstes Mal die Eucharistie zu empfangen wurde dann eigens katechetisch vorbereitet und durch besondere Kleidung, Kirchenschmuck, besondere Gottesdienstgestaltung und persönliche Geschenke zugleich individuell wie familiär wie gemeindlich gefeiert. | 7
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| Die Erstkommunion spielt sich aber heute in einem anderen Kontext ab, daher wird die eben beschriebene dreifache Initiation zwangsläufig oft verfehlt: Erstens ist die Eucharistiefeier ein hochkomplexes Ritual, dessen Symbolkraft und Erfahrungsqualität nicht durch ein einmaliges Mitfeiern erlebt werden kann, sondern Vertrautheit durch regelmäßige Wiederholung verlangt, um sich dann in verschiedene Glaubens-, Lebens- und Gemeinschaftssituationen hinein entfalten zu können. Zweitens muss die Initiation in die Kirche defizitär bleiben, wenn diese Kirche nur an wenigen Angelpunkten der Biographie auftaucht, nicht jedoch in ihrem Anspruch und Potenzial, die menschliche Existenz insgesamt sinnvoll zu deuten. Schließlich wird drittens die Initiation in eine konkrete Gemeinde verfehlt, wenn sich zur Erstkommunionfeier gar nicht die real vor Ort bestehende Gemeinschaft, sondern nur eine ad hoc zusammengestellte Personengruppe aus Erstkommunionkindern und ihren Angehörigen versammelt, die in keiner sozialen Beziehung zur eigentlichen „Kerngemeinde“ der Pfarre steht. | 9
| Der erste Schwachpunkt kann wahrscheinlich auch bei bestem Bemühen nie ganz ausgeräumt werden. Die Eucharistiefeier steht – weil sie ein gewachsenes identitätsstiftendes Moment der katholischen Kirche ist – in ihren Strukturelementen und Gestaltungsformen nicht unbegrenzt zur gestalterischen Disposition. Wenn man es aber bevorzugt, sie aus Anlass der Erstkommunion in elementarisierter oder abgewandelter Struktur zu feiern, initiiert man gar nicht mehr in die Eucharistiefeier als solche, sondern nur in eine Ad-hoc-Gestaltungsform, die den Mitfeiernden gar nicht hilft, sich in einer „gewöhnlichen“ Eucharistiefeier zurechtzufinden. Selbstverständlich gilt es, im Rahmen einer Erstkommunionfeier besondere Sorgfalt in der ars celebrandi walten zu lassen: im Zusammenspiel von Liedauswahl, musikalischer Qualität, Predigtkultur, Umgang mit Rhythmen, sinnlicher Symbolik usw. – Aber das gilt ohnehin für jede Liturgie und ändert nichts an der strukturellen und theologischen Komplexität der Eucharistiefeier, die nicht für den einmaligen Vollzug, sondern als allgegenwärtiges liturgisch-kulturelles Phänomen des Christentums konzipiert und gewachsen ist. | 10
| Der zweite Schwachpunkt verlangt permanente Evaluation der rund um die Erstkommunion verwendeten katechetischen Materialien und Methoden sowie der theologischen und pädagogischen Kompetenzen derjenigen, die hier Verantwortung übernehmen. Ein vertiefender Zugang zum „Katholischen“ wird allerdings selbst bei bestmöglichen Methoden und Materialien nicht zu erreichen sein, wenn die Rezipientinnen und Rezipienten nicht bereit sind, sich auf mehr einzulassen als nur auf eine einmalige Begegnung mit den historischen, theologischen, philosophischen und kulturellen Quellen der Kirche. | 11
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| Ich möchte aber einen konkreten Vorschlag machen, um wenigstens den dritten Schwachpunkt anzugehen: Initiation in eine konkrete katholische Pfarrgemeinde ließe sich besser realisieren, wenn die Kinder ihre Erstkommunion nicht in einer für die komplette Kindergruppe eigens gestalteten Eucharistiefeier empfingen, sondern einzeln oder in kleineren Untergruppen in den üblichen pfarrlichen Eucharistiefeiern. Auf diese Weise fände eine echte Einführung in die Pfarrgemeinde statt. Anstatt an einer „artifiziellen Einmalliturgie“ teilzunehmen, könnten sich die Kinder und ihre Familien als Teil der realen Gemeinschaft, wie sie eben ist, erleben. | 13
| Die Erstkommunion verlöre damit ihren Event-Charakter. Was auf den ersten Blick wie eine reine Arbeitsersparnis ausschaut – es müsste keine eigene, auf die Kindergruppe bezogene Feierform kreiert werden –, wäre auf den zweiten Blick durchaus eine erhebliche Herausforderung: Die gesamte Pfarrgemeinde – nicht nur die Hauptamtlichen, die sonst immer die Erstkommunionfeier verantworten – müsste im wahrsten Sinne des Wortes eine „Willkommenskultur“ entwickeln. Sie müsste ihre allsonntägliche Feier- und Gemeinschaftspraxis daraufhin reflektieren, inwieweit sie für Gäste offen und zugänglich ist, sich emotional und intellektuell erschließt und dazu einlädt, wiederzukommen. Die Erstkommunionkinder und ihre Angehörigen würden mit einer Feier konfrontiert, in der sich nicht alles um sie dreht, sondern um etwas bereits Vorgegebenes, an dem sie Anteil nehmen können. Die Liturgieverantwortlichen müssten ihre ars celebrandi weiterentwickeln, um unterschiedliche Personengruppen – von allsonntäglich Mitfeiernden bis zu Menschen, die mit der katholischen Kirche nicht vertraut sind oder ihr sogar kritisch gegenüberstehen – angemessen zu integrieren. | 14
| Eine solche Vorgehensweise bliebe auch nicht ohne Konsequenz für die beiden anderen genannten Schwachpunkte: Die Feierkultur müsste insgesamt kritisch reflektiert werden, ebenso die Selbstdarstellung der Pfarrgemeinde als Teil einer weltweiten Kirche: Wie erleben Außenstehende die katholische Kirche anhand dieser einen Eucharistiefeier? Entsteht dabei ein sachgerechtes Bild des Katholischen? | 15
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| Wie ich angedeutet habe, sehe ich Gründe, Taufe, Firmung und Erstkommunion grundsätzlich wieder in einer einzelnen Feier zu verbinden. Solange es aber bei den derzeitigen Rahmenbedingungen bleibt, schlage ich vor, die Erstkommunion nicht mehr im Rahmen einer für alle Kinder eines Jahrgangs eigens gestalteten Eucharistiefeier, sondern für einzelne Kinder oder kleinere Gruppen im Rahmen regulärer pfarrlicher Sonntagsgottesdienste zu begehen. |
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