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Die Pandemie, der Lockdown und die Weisheit vom Kreuztragen

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Kommentar in der „Tiroler Tageszeitung“, 23. Jänner 2021
Datum:2021-01-25

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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„Jetzt aber reicht es! Seit Wochen bloß Stillstand. Mit ihren Beschlüssen geht mir die Regierung auf die Nerven. Sie macht alles kaputt. Die Wirtschaft und die Kultur. Und auch die Religion. Es ist ein Kreuz mit dem viel zu langen Lockdown. Der gesunde Menschenverstand sagt, was man mit solchen Kreuzen machen soll. Nichts als wegwerfen!“ So oder ähnlich „beteten“ viele autoritätskritische Zeitgenossen am letzten Sonntag. Als Reaktion auf die Verlängerung des Lockdowns. Nachdem sie ihrem Ärger Luft gemacht hatten, schliefen sie ein. Einer von ihnen träumte. Er sah eine lange Prozession. Alle Menschen schleppten Kreuze auf den Schultern. Mühsam kam der Zug vorwärts. Schon deswegen, weil immer wieder einige zur Seite traten. Sie warfen ihre Kreuze weg, oder verkürzten diese. Immer noch im Traum glaubte der Mann, sein Kreuz wäre zu lang. So trat er zur Seite, ergriff eine Säge und sägte die Hälfte des Stammes ab. Nun war das Kreuz leichter. Und dann? Dann kam der Zug an einen tiefen Abgrund. Einer nach dem anderen legten die Menschen ihre Kreuze darüber und marschierten ruhigen Schrittes auf die andere Seite. Als die Reihe an ihn kam, positionierte auch er sein Kreuz. Es war aber zu kurz. Beim Versuch drüber zu gehen, stürzte der Mann in die Tiefe. Da wachte er schweißgebadet auf. Und fing an über den Sinn seines Traums nachzudenken.

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Es ist eine alte Überlieferung, situationsgerecht modernisiert: als Reaktion auf die irrationale Kritik an Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Die Ermüdung durch „aufgebürdete“ Lasten, das Schimpfen über „Corona-Politik“ und die Demonstrationen dagegen erinnern an das irrationale Verhalten vieler Menschen in Zeiten der Pest. Auch damals wurde die Geduld auf die Probe gestellt.  Vom sog. „gesunden Menschenverstand“ beflügelt, stürzten sich viele in tödliche Gefahr, rüttelten an öffentlicher Ordnung und berauschten sich am Chaos. Eigentlich müsste es aber jeder wissen: Die Entbehrungen, die wir momentan in Kauf nehmen, sind ein „kleines Übel“, das wir erleiden müssen, wenn wir nicht im Abgrund der Katastrophe landen sollen. Vielleicht fällt uns die Akzeptanz des Lockdowns deswegen schwer, weil wir es längst verlernt haben, unsere „Kreuze“ des Alltags in Geduld zu tragen.

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