University Logo

Das Virus, der Karneval und die österlichen Augen

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Kommentar in der „Tiroler Tageszeitung“, 30. Jänner 2021
Datum:2021-02-02

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
Paragraph Icon

Es war einmal ein armer Bauer. Als tiefgläubiger Mensch füllte er jeden Morgen seine rechte Hosentasche mit Bohnen. Wozu denn? Bei jeder kleinsten Freude seines ärmlich verfassten Alltags legte er eine Bohne in die linke Tasche. Unter sein Herz sozusagen. Um dann am Abend abzurechnen. Die Freuden im Herzen zu zählen. Und festzustellen, wie viel an Freude ihm an diesem Tag geschenkt wurde. Aber auch, um ein kräftiges Danke dem lieben Herrgott zu sagen.

2
Paragraph Icon

Man kann die Freude nicht befehlen. Und doch: eine humorvolle Lebenseistellung hat viel mit Entscheidung zu tun und auch mit Übung. Man muss es nicht mit Bohnen machen. Man kann es auch mit einem Tagebuch probieren in dem man einen Gedanken am Abend niederschreibt: Wo habe ich heute Freude erlebt? Wo ist mir Freude geschenkt worden? Denn: nur wenn wir die Spiritualität der Freude pflegen, wenn wir unsere Mundwinkel und Augenmuskel immer und immer wieder nach oben ziehen wird uns selber die Logik des gläubigen Vertrauens aufgehen, von der die Existenz des armen Bauers beflügelt war. Diese Freude am Dasein brauchen wir heutzutage mehr denn je!

3
Paragraph Icon

Das Virus hält uns alle fest in der Hand. Es verordnet die Umwertung vieler Werte. So wie der traditionelle Karneval, der die Welt auf den Kopf und Autoritäten an den Pranger stellte. Im Fasching 2021 sind nicht nur die Masken allgegenwärtig. Auch die Moralinsäure, der erhobene Zeigefinger und die Frustrationen. All das kräftig befeuert durch mediale Krisenberichterstattung. Das karnevaleske Treiben kannte auch das Auslachen des Todes. Danach wird heuer wohl kaum jemanden zumute sein. Wie steht es aber um die christliche Alternative? Sind wir der Welt nicht die Perspektive der „österlichen Augen“ schuldig? Jene Sicht der Welt und des Lebens, die mehr wahrnimmt, als bloß Bedrohung, Vergehen und Tod. Und die deswegen auch die kleinsten Freuden des Alltags schätzen kann. Als Vorgeschmack der Ewigkeit.

4
Paragraph Icon

Das letzte Wort soll heute dem großen Denker des Mittelalters, Thomas von Aquin, gehören: „Von allen Leidenschaften der Seele schadet keine dem Körper so wie die Traurigkeit. Und wir müssen unseren Körper mit der gleichen Liebe lieben, mit der wir Gott lieben.“ Unser Bauer kann da nur zustimmen. Und dazu kräftig lächeln!

© Universität Innsbruck - Alle Rechte vorbehalten
Webredaktion | Impressum

Powered by XIMS