Geheimnis des Todes? |
Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | predigt |
Abstrakt: | |
Publiziert in: | Predigt beim Osterfestival 2002 in der Pfarrkirche Hall am 17. März |
Datum: | 2002-03-20 |
1 | Faszinierende aber auch erschreckende Kulissen tauchen vor unseren Augen auf, in dem Moment, wo uns das Wort Gottes in dieser Liturgie trifft. Kulissen, die mit dem besten Barocktheater aufnehmen können. Das Szenario aus dem Buch Ezechiel etwa, ein wahrhaftiges Mysterium tremendum et fascinosum. Ein weites Feld voll von ausgetrockneten Gebeinen, ein überdimensionaler Friedhof, dessen Gräber die ausgebleichten Knochen nicht mehr bergen können. Ein Schlachtfeld oder das Feld menschlicher Geschichte. Facta bruta; die nackten Tatsachen des menschlichen Lebens, eines Lebens, das mit den nüchternen Augen des Naturwissenschaftlers betrachtet, bloß der Inbegriff von biologischen, chemischen und physikalischen Tatsachen bleibt. Der Mensch, diese fleischgewordene Lebenslust, die profundio et universalio appetitio, dieses tiefe und keine Grenzen kennende Verlangen nach Glück, der Mensch stirbt, reduziert sich zum Knochengerüst und wird zum Staub, zur Materie, aus der wiederum das Leben zu kommen scheint nach dem Motto, stirb und werde. Das faszinierende Schauspiel, aber auch nicht mehr. Der Visionär des Ezechielbuches erlebt in seinem Traum, wie die Gebeine zusammenrücken, sich mit Sehnen und Fleisch überziehen, zu lebendigen Frankensteins werden, oder aber zu Zombies. Der Atem stockt ihm genauso wie dem Naturwissenschaftler, dem Gentechniker und dem Nanomediziner der Atem stocken wird, wenn er zum Zeugen wird, zum Zeugen der Transformation der Materie. Doch, so faszinierend das Schauspiel auch sein mag, so banal bleibt es in seinem Kreislauf. Von der Transzendenz keine Spur und wir alle eingebettet in dieses ewige stirb und werde, würden diese Banalität nicht einmal merken, wenn es das Wunder nicht gäbe, wenn der göttliche Geist die facta bruta des menschlichen Lebens, wenn er diese facta bruta nicht falsifizieren würde, denn inmitten dieser Barockkulissen spricht Gott zu uns in der heutigen Lesung "ich hauche euch meinen Geist ein, erst dann werdet ihr lebendig!" Der Staub, die Materie, die physikalischen, chemischen und biologischen Tatsachen machen ja den Menschen noch lange nicht aus. Kommt der göttliche Geist nicht hinzu, so werden im überdimensionalen Laboratorium menschlicher Geschichte, in dem der Mensch längst mit seinem Gebein und Fleisch experimentiert, aus diesem Labor bestenfalls Zombies und hochentwickelte Frankensteins hervorgehen, mechanische Gliederpuppen ohne den Geist. Ohne den Geist, der von außen kommt, gibt es die Transformation zum Menschsein nicht, genauso wie es ohne die von außen her kommende Inspiration auch keine Kunst geben kann. Doch auf welche Art und Weise kommt der göttliche Geist in diese Welt hinein? Wo wird er greifbar auf diesem überdimensionalen Schlachtplatz? In diesem Labor mit seinem facta bruta mit den nackten Tatsachen des menschlichen Lebens, mit dem stirb und werde. Wo? "Als Jesus sah wie Maria weinte und wie die Juden weinten, war er im Innersten erregt und erschüttert und da weinte auch Jesus." Im Mitgefühl, im Gefühl, in der Empathie füreinander, eine Empathie, die so stark sein kann, dass sie den Naturgesetzen zu trotzen vermag: "Lazarus komm heraus!" In dieser Empathie vermögen wir die ersten Spuren der Menschwerdung des göttlichen Geistes wahrzunehmen und auch die ersten Akte einer dramatischen Auseinandersetzung zwischen diesem lebendigmachenden Geist und dem Staub der Materie, den physikalischen, chemischen und biologischen Tatsachen. Weil diese eine Übermacht über die Menschen gewinnen können. "Was sollen wir tun?" fragte der Hohe Rat, dieser Mensch tut viele Zeichen, er wagt ja die facta bruta, die nackten Tatsachen des menschlichen Lebens in das Wunder einzubeziehen. Wenn wir ihn gewähren lassen, werden viele glauben an den lebendigmachenden Geist, an die Inspiration, an die Transzendenz. Lass uns also die Kraft der Empathie brechen und die Übermacht des Sterbens und Vergehens demonstrieren, den Kreislauf siegen lassen, auf dass seine Knochen ausgebleicht zum Staub werden und das Grab noch einmal die Banalität unserer Existenz demonstriert und man hängte ihn auf, begrub und deckte seinen Leichnam zu und die Banalität des Alltags hätte beinahe gesiegt, wenn es das Wunder nicht gäbe, das den Kreislauf durchbricht. Das Wunder des göttlichen Geistes, dieser lebendigmachende Geist ließ es nicht zu, dass jener Mensch, der in seinem Leben zum Inbegriff der Empathie wurde, im Tode bleibt, oder nur im ewigen stirb und werde, reduziert auf den Inbegriff biologischer, chemischer und physikalischer Gesetze. Nein! Der lebendige göttliche Geist weckte ihn auf durch den Tod hindurch, zeigte eine Lebensform, die sich den nüchternen Augen des Naturwissenschaftlers, des Gentechnikers und Nanomediziners entzieht. Eine Lebensform, von der nur Religion und Kunst zeugen vermögen. Eine Lebensform, die all die uns bekannten Mysterien tremenda et fascinosa übersteigt, weil sie aus dem Himmel des lebendigmachenden Gottes kommt. Aus dem Himmel der Unsterblichkeit, dem Himmel eines empathischen Gottes, mehr noch, dem Himmel des göttlichen Liebhabers des Lebens. |
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