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Spannendes Abenteuer Weltkirche?
(Wahrnehmung welt- und ortskirchlicher Lernprozesse)

Autor:Weber Franz
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:„Rom gegen die Ortskirchen“ und „sterbende Kirche in Europa – blühende Kirche im Süden“ sind zu simple Formeln für die komplexe Wirklichkeit Weltkirche. Sie zeigt sich vielmehr insgesamt und an vielen Orten als herausfordernde Gnade.
Publiziert in:# in: Diak 33 (2002) 170-176
Datum:2002-07-05

Inhalt

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Es krache schon seit einiger Zeit gewaltig im Gebälk der katholischen Weltkirche, sagen viele, und die Risse im "Kirchengebäude" seien unübersehbar. Nach "Richtung" verschieden, fordern die einen vehement Ab-, Um- oder Neubaumaßnahmen, während die anderen für die Errichtung massiver Stützmauern eintreten, damit die Restaurierungsarbeiten am kostbaren Glaubens- und Kulturgut gefahrlos vor sich gehen können.

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So einfach sollte man sich die Erneuerung der Kirche allerdings nicht machen. Wer sich nicht damit begnügt, die gegenwärtigen Auseinandersetzungen plakativ als ein Gegeneinander von "konservativ" und "progressiv, von "römisch" und "antirömisch", von "Hierarchie" und "Laien" zu deuten, sondern sie weltweit als Vorgang einer spannungsreichen Ekklesiogenese, einer Kirchwerdung im Prozess, in den Blick zu nehmen versucht, der kann Walter Kasper durchaus zustimmen: Die Kirche ist tatsächlich "gegenwärtig auf dem Weg über vielfältige innere und äußere Konflikte mitten in einem Gestaltwandel begriffen, dessen Ende noch nicht abzusehen ist, in dem sich aber ihre Communio-Struktur und damit der Reichtum ihrer Katholizität deutlicher und reicher ausprägen werden, als dies in den letzten Jahrhunderten der Fall sein konnte" (1).

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In seiner jüngsten "freundschaftlichen Auseinandersetzung" mit Kardinal Ratzinger hat Kardinal Kasper aus eigener pastoraler Erfahrung als Diözesanbischof und in Berufung auf viele andere Bischöfe in der Weltkirche aber auch sehr deutlich über die Zunahme zentralistischer Tendenzen in der Kirche Klage geführt. (2) Es ist nicht Absicht dieses Beitrages, auf dieses aus der Balance geratene Verhältnis zwischen Universal- und Partikularkirche (3) einzugehen und die zahlreichen Widersprüche zwischen konziliarer Communio-Theologie und "unkommunikativer" Welt- und Ortskirchenpraxis darzustellen. Statt dessen soll hier der Versuch unternommen werden, auf der Basis von Erinnerungen an biblische Kirchenbilder und ekklesiologische Leitideen des 2. Vatikanischen Konzils zu einer Wahrnehmung einiger Lebenszeichen zu gelangen, die ein differenzierteres Bild der katholischen Weltkirche von heute ergeben.

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Die alten Kirchenbilder

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Wer die Kirche mit einem Haus vergleicht, steht zwar ganz in der biblischen und patristischen Tradition, die auch vom 2. Vatikanum aufgenommen wurde (vgl. LG 6), spürt aber zugleich, dass dieses alte Bild der neuen Wirklichkeit einer multiethnischen und plurikulturellen Weltkirche vielfach nicht mehr gerecht wird. Die biblischen Vergleiche stellen aber zumindest klar, dass diese Kirche immer noch zuerst "Gottes Bau" (1Kor 3,9) und "Hauswesen Gottes" (1Tim 3,15) ist, in der Menschen "als lebendige Steine" (1Petr 2,5) "im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut" (Eph 2,22) werden, und nicht nur eine "Baustelle", in der lediglich globale und lokale menschliche Hierarchien und Strategien miteinander im Streit liegen.

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Auch das neutestamentliche Bild der Kirche als "Boot im Sturm" (vgl. Mt 8,23-27) - auf dem manche wie auf einem "Traumschiff" nur ein buntes religiöses Bordprogramm erleben möchten, während andere sich Kirche wiederum als geistliches Kreuzzugsschiff

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  "nur ein buntes religiöses Bordprogramm"

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wünschen - kann zwar die bedrohte Situation vieler Gemeinden vor Ort versinnbildlichen, aber nicht die gegenseitige Verflechtung von Ortskirchen aus verschiedenen Kontinenten zum Ausdruck bringen.

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Von allen biblischen Vergleichen würde sich wahrscheinlich noch am ehesten die Vorstellung von einer Kirche als "Zelt Gottes unter den Menschen" (Offb 21,3) dazu eignen, um in etwa jene millionenfache Wirklichkeit verschiedener inkulturierter Sozialgestalten christlicher Gemeinden zu bezeichnen, mit der wir es heute tatsächlich zu tun haben.

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"Normalfall" von Kirche

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Die "Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend", stellt das 2. Vatikanum ekklesiologisch nüchtern fest. Das Konzil erinnert in der selben Nummer der Kirchenkonstitution daran, wie der "Normalfall von Kirche" vor Ort de facto aussieht: "In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig." (LG 26) Wo aus der hoffnungsstiftenden Erfahrung der Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn und aus der Kraft seines Wortes Gemeinden an der Basis der Weltkirche leben und überleben, weiß man oft gar nichts - Gott sei Dank - von den Konflikten, die es zwischen einer Orts- oder Regionalkirche und Instanzen der römischen Kirchenleitung immer wieder gibt.

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Diese Auseinandersetzungen stellen weltweit gesehen sicher nur einen Bruchteil dessen dar, was Ortskirchen und Gemeinden in ihrem jeweiligen kulturell-sozialen Spannungsfeld an anderen Bewährungsproben durchzustehen haben. Wer mit Medard Kehl das ständige Absterben und Aufleben bestimmter geschichtlich-soziologisch gewachsener Formen von Kirche mit dem Bild des Weizenkorns deutet (4), findet auch eher einen Zugang zu einem tieferen Verständnis der schmerzlichen Wachstums- und Reifungsprozesse in vielen Kirchen des Südens, in denen kulturell-religiöse Konflikte und ethnisch-soziale Gegensätze ein versöhntes Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft in einer christlichen Gemeinde oft nahezu unmöglich machen.

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Dass Kirche dennoch immer wieder unter den schwierigsten Voraussetzungen und unter den unmöglichsten Bedingungen möglich wird, verdankt sie dabei nicht zuerst kirchlicher Diplomatie und pastoraler Strategie, sondern der Leben schaffenden Kraft des Geistes Gottes, der sie auch in bedrohlichen Konflikten am Leben erhält. Wenn Kirche vor Ort weltweit "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art" wahrnimmt und "sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden" (GS 1) und solidarisch weiß, dann wird sie auch fähig, in der Welt als "dem Schauplatz der Geschichte der Menschheit", der "von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt ist" (GS 2), ein Zeichen des Heils und der Hoffnung zu sein.

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"Geschenkte Katholizität"

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Es ist kaum anzunehmen, dass den zum 2. Vatikanum versammelten Bischöfen damals tatsächlich bewusst war, dass sie auf diesem Konzil Zeugen des "ersten amtlichen Selbstvollzugs der Kirche als Weltkirche" wurden, wie Karl Rahner in seiner theologischen Grundinterpretation des Vatikanum II feststellt. (5) War doch das Konzil noch überwiegend von europäischer Theologie geprägt, die sich wahrscheinlich für viele Bischöfe aus den Kirchen des Südens als schwer nachvollziehbar erwies. Da gab es auch noch wenig Raum für kontextuelle Theologien und inkulturierte Pastoral.

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Was das Konzil aber über die Weltkirche als das "eine Gottesvolk, das in allen Völkern der Erde wohnt" (LG 13), sagte, war damals am Ende der kolonialen Ära wohl mehr als eine Vorahnung. Hier wurden die lehramtlichen Voraussetzungen für eine neue Kirchen- und Gemeindeentwicklung geschaffen. Katholizität sei, so sagt das 2. Vatikanum, als "Eigenschaft der Weltkirche" zu verstehen und sei als solche "eine Gabe des Herrn selbst" (LG 13).

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"Richtig katholisch" konnte die Kirche allerdings erst werden, als sie "in aufrichtigem und geduldigem Zwiegespräch" mit den Menschen aller Religionen und Kulturen zu entdecken begann, "was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat" (AG 11). Frauen und Männer, die aus verschiedenen Völkern zum Glauben kommen, dürfen nicht mehr als "arme Heiden" betrachtet werden. Sie sind Trägerinnen und Träger Jahrtausende und Jahrhunderte alter religiöser Grunderfahrungen, die sie in Form verschiedener Traditionen in die Kirche einbringen.

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All die religiösen und kulturellen Werte, die sich eine Ortskirche in vielschichtigen Inkulturationsprozessen "angeeignet" hat, würden weltkirchlich bedeutungslos bleiben, wenn diese inkulturierten Formen christlichen Glaubenslebens innerhalb der einen Weltkirche nicht

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  "kommunizierbar und als Bereicherung erfahrbar"

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kommunizierbar und als Bereicherung erfahrbar wären. Geschenkte Katholizität verpflichtet. Sie ist Nehmen und Geben. Das Konzil fordert die Ortskirchen zur Mit-teilung der je eigenen Gaben mit den anderen Teilkirchen auf (vgl. LG 13) und begründet damit ekklesiologisch die Vision einer Weltkirche als Gemeinschaft von Ortskirchen, in der jede der anderen "etwas zu sagen und zu geben hat", aber auch fähig ist, sich von der anderen beschenken zu lassen.

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Mut zur eigenen Kirchengestalt

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Die Kirchenkonstitution des Konzils möchte diese der Kirche als Gnade zufallende Katholizität in einer "innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel" (LG 13) zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche verwirklicht sehen. Diese weltumfassende "mehrdimensionale" Gütergemeinschaft ist tatsächlich in den letzten Jahrzehnten wenigstens da und dort ansatzweise in die Tat umgesetzt worden. Sie ist aber gerade in unseren Breiten oft auch auf der Ebene gut gemeinter und hilfreicher "Spendenaktionen" des Nordens für den Süden stehen geblieben. Dass durch diese Einseitigkeit des Gebens aber auch neue Abhängigkeiten geschaffen wurden und weiter bestehen, ist genau so wenig zu leugnen wie die vielen Zeichen weltweiter Solidarität, die die Partner im Süden oder Osten mit Almosen nicht erniedrigen, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe auf eigene Beine stellen. (6)

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Ob Weltkirche als Gemeinschaft von grundsätzlich gleichberechtigten und gleichwertigen Ortskirchen tatsächlich Gestalt gewinnt, hängt wesentlich von deren Mut zur Verwirklichung ihrer eigenen Kirchengestalt ab. Menschen, deren Vorfahren über Generationen um ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde betrogen, als Sklaven ausgebeutet und auch innerkirchlich als Angehörige "zweitklassiger" Missionskirchen lange in einem Abhängigkeitsverhältnis gehalten oder häufig wie unmündige Kinder behandelt wurden, finden jedoch nicht von heute auf morgen zu einem gesunden Selbstbewusstsein. Die Demütigungen und Verletzungen sitzen tief. Nur eine ehrliche Aufarbeitung der Missionsgeschichte als kirchlicher Schuldgeschichte, wie sie etwa auch in den Vergebungsbitten von Papst Johannes Paul II. vom 1. Fastensonntag 2000 versucht wurde (7), vermag den "Missionierten" und "Kolonialisierten" von einst ihre Freiheit und Menschenwürde zurückzugeben.

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Papst Paul VI. hat es in den Jahren nach dem Konzil immer wieder verstanden, den Ortsbischöfen Mut dazu zu machen, in ihren Lokal- und Kontinentalkirchen in Pastoral und theologischer Reflexion im besten Sinn des Wortes "ihre eigenen Wege zu gehen". (8) Es wäre aber auch viel darüber zu sagen, welche Bedeutung die kontinentalen Bischofskonferenzen und deren regelmäßige Versammlungen für die Entstehung eines neuen kollegialen Bewusstseins unter den Bischöfen hatten und wie sich daraus auf den einzelnen

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  "Kirche mit aufrechtem Gang"

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Sonderversammlungen der Bischofssynode in den 90er Jahren vor der Jahrtausendwende (1994 für Afrika; 1997 für Amerika; 1998 je eine eigene Versammlung für Asien und Ozeanien) auch eine neue Bereitschaft und Entschlossenheit zu einer inkulturierten Form von Evangelisierung im jeweiligen Kontext entwickelte: Da gab es die Forderung nach einer sich vor kolonialer und postkolonialer Minderwertigkeit und Unterwürfigkeit distanzierenden afrikanischen "Kirche mit aufrechtem Gang", wie es ein Bischof vor der Afrikasynode formulierte (9); es gab den dringenden Wunsch nach einer "Kirche mit einem wahrhaft asiatischen Gesicht", den der Erzbischof von Jakarta, Kardinal Julius Darmaatmadja, in seinem Resümee zur Asiensynode zum Ausdruck brachte (10), und es gab die auf dieser Synode "überraschend selbstbewusst"(11) auftretenden Bischöfe sowie deren Kollegen auf der Ozeaniensynode, die "Klartext redeten" und sich entschieden gegen jede von außen aufgezwungene Konformität zur Wehr setzten (12): All das und vieles mehr sind kräftige Lebenszeichen der Kirchen des Südens, die in Einheit mit der Weltkirche ihren eigenen Weg gehen wollen und auf Maßnahmen und Maßregelungen aus Europa mit Recht allergisch reagieren.

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Inkulturation und pastorale Kreativität

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Im Anschluss an die Weltbischofssynode über die Evangelisierung 1975 schrieb Paul VI. in "Evangelii nuntiandi", dass die universale Kirche in den Teilkirchen konkrete Gestalt annehmen muss (vgl. EN 62) Er meinte damit vor allem eine tiefere Aneignung und Einwurzelung des Evangeliums und scheute sich nicht, von dessen Verschmelzung "mit den Menschen, mit deren Wünschen, Reichtümern und Grenzen, mit der Art zu leben, zu lieben, Leben und Welt zu betrachten" (EN 63), zu sprechen. Solches Eintauchen der Frohbotschaft in alle Bereiche der Gesellschaft und in die tiefsten menschlichen Lebenserfahrungen, ist Ziel der Inkulturation, die in jeder historischen Situation und in jedem kulturellen Kontext wieder neu gewagt werden muss.

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Das spannungsgeladene Ringen um ihre je eigene geschichtliche kulturelle Identität und Sozialgestalt, das sich seit einiger Zeit in den außereuropäischen Ortskirchen vollzieht, macht die Kirche nun erst im eigentlichen Sinn des Wortes zur "katholischen" und damit multikulturellen Weltkirche.(13) Katholizität, wie das 2. Vatikanische Konzil sie verstanden hat, bedeutet also multikulturelle Vielfalt und spannungsreiche Dynamik. Sie ist genau das Gegenteil dessen, was darunter landläufig und mit engem und ängstlich-bewahrendem Sinn oft verstanden wird. Mit dem Wort "katholisch" verbinden viele Zeitgenossen leider Vorstellungen von Unbeweglichkeit und gähnender Langeweile. Welches Verständnis hat man aber hierzulande in Theologie und kirchlichem Gemeindealltag von diesem "Geschenk der Weltweite", das bei näherem Hinsehen viel Sprengkraft in sich birgt und zu einer der größten Herausforderungen für die Kirche in der Welt von heute werden könnte?

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"Katholisches Weltkirchenbewußtsein"

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Das Bewusstsein, zur katholischen Weltkirche zu gehören, weckt im deutschsprachigen Raum (vielleicht stärker als anderswo) ambivalente Gefühle. Bei vielen wird nur die römische Kirchenleitung gemeint, wenn von Weltkirche die Rede ist. Die Berufung auf sie wird leider oft nur als Notbremse und Verhinderung legitimer und pastoral dringend notwendiger ortskirchlicher Reformprozesse eingesetzt.

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Eine solche Sicht von Weltkirche ist nicht nur theologisch einseitig. Sie wird weder der weltweiten Ausstrahlung der letzten Päpste noch all jenen von Rom ausgehenden Initiativen gerecht, von denen - etwa für den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit - zahlreiche Impulse ausgegangen sind. Der Blick auf die Weltkirche muss ohne Zweifel auch ein (kritischer) Blick nach Rom bleiben. Aber er ist nicht nur ein enger "Blickkontakt" mit Papst und Kurie, sondern vor allem auch ein Ausblick und Weitblick auf die anderen Ortskirchen, aus denen uns in vielerlei Hinsicht ein neuer und frischer Wind aus dem Süden entgegenweht, der unseren in letzter Zeit oft schwer atmenden Kirchenlungen gut tun wird.

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Wer jedoch mit einem solchen "Fernblick" nur dem Weltwunder einer neuen und "besseren" Kirche begegnen möchte, wird und muss enttäuscht werden. Die Kirchen in den Ländern des Südens kämpfen meist nicht nur mit denselben Problemen, die auch bei uns den Kirchenalltag bestimmen. Die Konflikte sind dort oft viel tiefgreifender, die materiellen Mittel auf jeden Fall viel knapper (und ganz wie bei uns ist das oft Anlass zu Streit und Zwietracht). Blühende Basisgemeinden und prophetische Bischofsgestalten sind auch anderswo ganz und gar nicht der Normalfall. Der viel gerühmte Boom der geistlichen Berufe ist zwar verheißungsvoll, bedarf aber einer klaren Unterscheidung der Geister und einer Prüfung der wahren Motive derer, die scharenweise in den Priester- und Ordensberuf drängen.

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Die Blauäugigkeit, mit der manche mitteleuropäische "Dritte-Welt-Touristen" in den letzten Jahrzehnten in den Süden aufgebrochen sind (ich habe vor meinem langjährigen

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  "Blauäugigkeit mancher Dritte-Welt-Touristen"

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Einsatz in Brasilien auch zu ihnen gehört), hat bei denen, die sich dann vor Ort wirklich die Augen für die harte und spannungsgeladene Wirklichkeit von Gesellschaft und Kirche öffnen ließen, sehr rasch dazu geführt, die rosarote Brille subjektiv ehrlicher, aber realitätsferner Kirchenträume abzulegen.

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Wer in der Begegnung mit der Glaubens- und Gemeindewirklichkeit anderer Ortskirchen tiefer zu blicken und schärfer hinzuschauen beginnt, vermag in den krisen- und konfliktreichen Entwicklungen jedoch so etwas wie einen Prozess der "Neuwerdung" von Kirche zu entdecken. Die Rede von der pluriethnischen und multikulturellen Weltkirche ist kein theologisches Konstrukt oder Hirngespinst und auch kein "Weltkirchentraum", sondern greifbare pastorale Wirklichkeit, die sich oft auf ganz verschiedene und ungewohnte Art und Weise ereignet.

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Ortskirchliches Selbstbewusstsein

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Der Schritt von der Westkirche zur Weltkirche ist zwar mancherorts nach wie vor "im Sprung gehemmt" (Helmut Krätzl), aber historisch unaufhaltsam. Dabei ist es letztlich zweitrangig und nebensächlich, ob die Kirche im Abendland einsehen wird, dass sie längst nicht mehr "die Welt ist" und nicht den Anspruch erheben kann, für Kirchen anderer Kontinente in Theologie und Pastoral "das Maß aller Dinge" zu sein. Die in Gang gekommenen und oft unter schmerzlichen Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen, kulturellen und kirchlichen Gruppen vor sich gehenden Suchprozesse in den Ortskirchen des Südens werden unabhängig davon weitergehen, ob sie in Europa Zustimmung finden oder nicht.

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Das wachsende Selbstbewusstsein kirchlicher Führungspersönlichkeiten und Gemeinden in Asien, Ozeanien, Afrika und Lateinamerika verbindet sich aber durchwegs mit einer großen Loyalität zum Papst und dem unbedingten Willen, in Einheit mit der Universalkirche zu bleiben. Ethnozentrisch-nationalistische Tendenzen sind da und dort nicht zu leugnen, schismatische Strömungen aber sind nicht zu erkennen. Im Wachsen ist aber auch die Bereitschaft zum Widerspruch, wenn es um zentrale Lebensfragen der jeweiligen Ortskirchen geht. Was der Kirche in vielen Ländern in den zahlreichen sozialen und kulturellen Konflikten besondere Glaubwürdigkeit und Lebenskraft verliehen hat, ist zweifellos das unerschrockene (Blut)Zeugnis vieler Christinnen und Christen, unter denen auch nicht wenige Bischöfe, Priester und Ordensleute waren, die ihr Leben hingegeben haben.

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Trotz vieler Partnerschaften von Gruppen und Gemeinden mit Menschen aus den Ortskirchen des Südens und einiger guter Ansätze für eine stärker interkulturelle Ausrichtung der Theologie, mangelt es im deutschsprachigen Raum auf breiter Ebene aber doch an weltkirchlichem Weitblick. Die Einbildung, dass am deutschen Wesen die Welt genesen müsse, ist schwächer geworden, bleibt aber auch in der Kirche noch wirksam. Weltkirche

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  "in dynamischer Katholizität"

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lässt sich aber weder exportieren noch importieren. Sie ereignet sich überall dort, wo der Bruch zwischen Evangelium und Kultur (vgl. EN 20) überwunden und das Wagnis der Inkulturation eingegangen wird. Inkulturationserfahrungen sind nicht übertragbar, wohl aber in dynamischer Katholizität kommunizierbar. Manche Ortskirchen des Südens sind unter gewaltigen Spannungen auf dem besten Weg, eine wage-mutige, hoffnungsvolle und inkulturationsfähige Kirche zu werden. Von ihnen könnten wir als "alte" und in mancher Hinsicht unbeweglich gewordene Kirche des Abendlandes wahrscheinlich einiges an Bewegungsfreiheit und pastoraler Kreativität lernen.

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Der Blick auf die Weltkirche bleibt spannend. Er führt aus der resignativ und depressiv machenden Enge unserer oft wenig konstruktiven Kirchenkritik und unseres Kirchengejammers in die Weite einer ebenfalls spannungs- und problemgeladenen Kirchenvielfalt. Es ist ein Blick, der nach manchem Frust wieder Lust darauf macht, es doch immer wieder neu in unserer Kirche zu versuchen, um in ihr auf Glaubensfreude und Lebensqualität zu stoßen.

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Anmerkungen:

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1. W. Kasper, Art. "Kirche", in: LThK3 Bd. 5, 1473.

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2. Ders., Das Verhältnis von Universalkirche und Ortskirche. Freundschaftliche Auseinandersetzung mit der Kritik von Joseph Kardinal Ratzinger, in: StZ 125 (2000) 795-803.

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3. Ebd. 796.

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4. Vgl. M. Kehl, Wohin geht die Kirche? Eine Zeitdiagnose, Freiburg 1996, 16.

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5. K. Rahner, Theologische Grundinterpretation des II. Vatikanischen Konzils, in: Schriften zur Theologie XIV, 288f.

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6. Vgl. dazu M. Ott, Lerngemeinschaft Weltkirche. Zum Programm und zur Praxis globalen Christseins, in: StZ 126 (2001) 541-556.

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7. Die Vergebungsbitten von Papst Johannes Paul II. vom 23. März 2000, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Arbeitshilfen 162, Bonn 2002, 30-37.

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8. Vgl. dazu F. Weber, "Da fehlt es an einer richtigen Inkulturation". Wie lernfähig und inkulturationsbereit ist der "Missionskontinent" Europa?, in: Lebendiges Zeugnis 56 (2001) 182.

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9. Vgl. R. Sarah, Den aufrechten Gang finden, in: HerKorr 48 (1994) 245-251.

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10. Zitiert nach: Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, in: Weltkirche 4/1998, 121.

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11. Vgl. dazu G. Evers, Überraschend selbstbewusst. Die asiatischen Bischöfe auf ihrer Synode, in: HerKorr 52 (1999) 356-361.

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12. Ozeaniensynode: Die Bischöfe der Inseln reden Klartext, in: HerKorr 53 (1999) 65-66.

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13. Vgl. G. Collet, Art. "Inkulturation": Begriff und Problemstellung, in: LThK3, Bd. 5, 505.

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