- Leseraum
| Ein sozialethischer Gedanke zur FrauenpriesterweiheAutor: | Guggenberger Wilhelm |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | kommentar |
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Abstrakt: | In Ergänzung zur kirchenrechtlichen Klärung der Fragen rund um die "Priesterinnenweihe" vom vergangenen Juni wird eine Antwort auf die frage versucht, ob es sich bei diesem Akt nicht um eine Form prohetischen Ungehorsams handelt, der Recht bricht, um es zu reformieren. |
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Publiziert in: | # Originalbeitrag für den Leseraum |
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Datum: | 2002-08-12 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
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Der letzte Kommentar im Innsbrucker Theologischen Leseraum widmete sich aus kirchenrechtlicher Perspektive dem heißen Eisen der vergangenen Juni erfolgten katholischen "Priesterinnenweihe". Auch wenn die Rechtslage - wie von Konrad Breitsching überzeugend dargelegt - weitgehend eindeutig sein dürfte, könnte sich doch die Frage erheben: Ist denn Recht alles? Ist denn nicht gerade die Kirche eine Gemeinschaft, in der es das Gesetz immer wieder zu relativieren und in Frage zu stellen gilt - zumal, wenn es sich um kirchliche und nicht um göttliche Gebote handelt? Müsste nicht auch in der Kirche das gelten, was doch sogar auf dem Feld des säkularen Ordnung anerkannt wird, dass es das Recht, ja die Pflicht gibt, in Gewissenskonflikten der juridischen Norm die Gefolgschaft zu verweigern? Ist also der Akt der "Priesterinnenweihe" nicht ein Beispiel für Ungehorsam, der die Dinge häufig erst voranbringt und sogar die würde prophetischen Handelns besitzt?
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Diese Fragen, die in ähnlicher Weise ja tatsächlich gestellt werden, sind durchaus berechtigt und bedürfen einer ebenso eingehenden Klärung, wie die kirchenrechtlichen. Einen kleinen Beitrag dazu versuche ich hier zu leisten.
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Im Bereich der politischen Philosophie wird reformorientierter, gemeinschaftsdienlicher Wiederstand gegen bestehendes Recht als ziviler Ungehorsam bezeichnet. John Rawls definiert zivilen Ungehorsam für den säkularen Bereich als aktive Gesetzesverletzung in einer weitgehend gerechten Gesellschaft, in der allgemein anerkannte Gerechtigkeitsvorstellungen herrschen, diesen aber in Einzelbereichen nicht gefolgt wird. (1) Dieser ziviler Ungehorsam ist nicht als lästige Plage zu betrachten, auch nicht nur als notwendiges Übel, sondern als ein positives Korrektiv. Er entspringt dem Verantwortungsgefühl wacher Menschen für die Gemeinschaft, in der sie leben und stellt sich in den Dienst eben dieser Gemeinschaft, um sie zu verbessern oder vor Fehlentwicklungen zu bewahren.
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Ziviler Ungehorsam als positiver - wenn auch von den Herrschenden und der Mehrheit selten geliebter - Impuls bleibt nach der obigen Definition aber an zwei wesentliche Kriterien gebunden, die ihn einerseits von revolutionären Umsturzbewegungen und andererseits von individueller Willkür unterscheiden. Zum einen müssen die Akteure des zivilen Ungehorsams selbst auf dem Boden der von der kritisierten Gemeinschaft geteilten Gerechtigkeitsvorstellung stehen. Das heißt, die Grundkonzepte und tragenden Fundamente, der zu verbessernden Gemeinschaft sollen gerade nicht in Frage gestellt werden, sondern dienen als Argument für den Widerstand gegen verfehlte Einzelregelungen. Zum anderen haben die Akteure des zivilen Ungehorsams die rechtlichen Folgen ihres bewusst und öffentlich praktizierten Rechtsbruches zu tragen. Die Bereitschaft dazu stellt gerade unter Beweis, dass die grundsätzliche Geltung der Rechtsordnung und der Wertvorstellungen anerkannt wird und das Ziel Reform, nicht aber Umsturz ist. Das Prinzip der Legalität soll so grundsätzlich geschützt werden. (2)
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Auch wenn die Kirche kein Gemeinwesen nach dem Muster des Staates ist, der sich auf eine konsensuell begründete Verfassung stützt, gibt es auch in ihr das Recht, ja sogar die Verpflichtung zum offenen Ansprechen von Missständen und Fehlentwicklungen. (3) Das wird für gewöhnlich im Rahmen der vorgesehenen Beratungs- und Entscheidungsprozesse geschehen. Dennoch kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass es notwendig sein mag, einer drohenden oder manifesten Fehlentwicklung durch einen punktuellen Akt des Ungehorsams entgegenzutreten. Das gilt nicht nur für den rein rechtlichen Bereich, sondern auch für jene Glaubensfragen, die noch zu keiner endgültigen Klärung gelangt sind. Um eine solche Frage handelt es sich m.E. auch beim Thema der Frauenordination. Denn der exakte Verbindlichkeitsstatus der Aussage von Johannes Paul II. in Ordinatio sacerdotalis, die Unmöglichkeit der Frauenweihe sei unfehlbare und nicht reformierbare Lehre der Kirche, steht nicht eindeutig fest. Das ändert freilich nichts an dem sehr hohen Verpflichtungsgrad der angesprochenen Lehre und noch weniger, daran, dass es eine bisher ungebrochene katholische (im Übrigen auch orthodoxe) Tradition einer nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe gibt. Die Fortführung der Diskussion und das Einbringen von Argumenten erscheint dennoch als legitim, gerade auch angesichts vieler fundierter theologischer Stimmen, die keine grundsätzliche Unmöglichkeit des Frauenpriestertums in den Fundamenten des christlichen Glaubens zu finden vermögen.
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Ob punktueller Ungehorsam in der Kirche als Form des zivilen Ungehorsams gesehen werden kann, mag umstritten sein, ist doch die Kirche eine Gemeinschaft eigener Natur und nicht mit säkularen Gesellschaften und staatlichen Gebilden auf eine Stufe zu stellen. Ich denke aber, dass es durchaus möglich ist eine Analogie zwischen säkularen Rechtsgemeinschaften und der Kirche als Rechtsgemeinschaft herzustellen. Im Sinne einer solchen Analogie kann dann auch gefragt werden, ob die vollzogene Weihe bzw. Weihesimulation von Frauen nicht ein legitimer Akt "zivilen" Ungehorsams in der Kirche sein könnte?
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Um diese Frage zu beantworten, bringe ich die oben genannten Kriterien für die Legitimität zivilen Ungehorsams in säkularen Gemeinschaften zur Anwendung.
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Wie sieht es mit dem ersten der beiden Kriterien aus? Dass die betroffenen Frauen sich auch weiterhin als katholisch bezeichnen und fühlen, haben sie selbst oft genug betont. Dass sie den traditionellen Peter und Pauls-Tag als Termin ihrer Weihe gewählt und darauf Wert gelegt haben, von einem in apostolischer Sukkzession stehenden Bischof geweiht zu werden, spricht ebenfalls dafür, dass sie sich in die katholische Gemeinschaft stellen wollen. Andererseits wird der kirchliche Grundkonsens durch den vollzogenen unerlaubten und ungültigen Weiheakt in derart vielen Punkten in Frage gestellt, dass es schwer fällt davon auszugehen, dass die Fundamente der kritisierten Gemeinschaft von den hier handelnden Personen tatsächlich anerkannt werden. Dies betrifft nicht nur die jurisdiktionelle Ebene, sondern etwa auch Fragen des Amts- und Sakramentenverständnisses. (4) Die Gefahr, die Weltkirchliche Gemeinschaft durch einen Akt wie den praktizierten als solche in Frage zu stellen, dürfte jedenfalls sehr groß sein. Oder um es mit M. Walzer (5) zu formulieren: Dieser Akt der Kritik gleicht möglicherweise eher der prophetischen Botschaft eines Jona, als der eines Amos, das heißt, sie legt ihren Finger auf ein tatsächliches Problem, ist mit der kritisierten Gemeinschaft aber in einer Weise unsolidarisch, dass ihr deren Untergang gleichgültig wäre, ja eventuell sogar eine heimliche Freude bereiten würde. Wodurch sich dann allerdings die Frage aufwirft, weshalb die Kritikerinnen gerade innerhalb dieser Gemeinschaft ein Amt bekleiden wollen.
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Das zweite Kriterium für die Legitimität zivilen Ungehorsams dürfte noch weniger erfüllt sein. Die Bereitschaft rechtliche Folgen eines bewussten Rechtsbruches in Kauf zu nehmen müsste bedeuten, sich den kirchenrechtlichen Urteilen von Bischöfen und Papst zu unterwerfen. Da vorhersehbar war, dass diese Urteile selbst die Exkommunikation enthalten können, war damit wohl von Anfang an die Angemessenheit des gewählten Mittels zur Erreichung des angestrebten Zieles fragwürdig. Man muss also wohl zumindest von einer unklugen Vorgehensweise sprechen. Da der Akt nun einmal gesetzt wurde weist die nunmehr erfolgte völlige Ignoranz gegenüber der römischen Reaktion und dem päpstlichen Ultimatum aber darauf hin, dass die Achtung der realen Verfasstheit der römisch-katholischen Kirchengemeinschaft bei den "geweihten" Frauen äußerst gering ist. Die Aussage etwa, man Brauche sich nicht vor den Worten von Männern fürchten, wenn man eine Berufung von Gott habe, negiert im Grunde die Realität von Kirche als solcher. Nicht nur, dass ihre rechtliche Gestalt als irrelevant abgetan wird, fehlt hier jegliche Anerkennung der Glaubensgemeinschaft als Trägerin der Tradition und als Korrektiv der individuellen Position. Die private Spiritualität wird zum Maß aller Dinge erhoben.
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Ein abschließendes Urteil über Erfüllung bzw. Nichterfüllung der genannten Kriterien kann aus der Distanz und ohne intensive persönliche Auseinandersetzung mit den handelnden Personen freilich nicht gefällt werden. Dennoch spricht einiges dafür, dass der Akt einer "Frauenpriesterweihe" unter den derzeitigen Bedingungen kaum als Praxis "zivilen" Ungehorsams in der Rechtsgemeinschaft Kirche bezeichnet werden kann, die diese auf der Basis ihrer grundlegenden Strukturen und ihres Selbstverständnisses zu mehr Ursprungstreue und Vollkommenheit zu führen vermöchte. Bei allem Verständnis für eine zu Ende gehende Geduld von Frauen in Fragen der Ordination, kann diese "Weihe" daher wohl kaum als ein positiver, prophetischer Beitrag gesehen werden, auch und gerade nicht im Hinblick auf die Diskussion um das Amt in der Kirche.
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Anmerkungen:
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1. J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M. 1975, 401.
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2. Rawls spricht vom "Ungehorsam gegenüber dem Gesetz innerhalb der Grenzen der Gesetzestreue". Ebd. 403.
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3. Nach Lumen gentium 37 haben die Laien "Entsprechend dem Wissen, der Zuständigkeit und hervorragenden Stellung, die sie einnehmen, ... die Möglichkeit, bisweilen auch die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, zu erklären. Gegebenenfalls soll das durch die dazu von der Kirche festgesetzten Einrichtungen geschehen, immer in Wahrhaftigkeit, Mut und Klugheit, mit Ehrfurcht und Liebe gegenüber denen, die aufgrund ihres geweihten Amtes die Stelle Christi vertreten."
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4. So stellt sich die Frage, was mit dem Begriff "katholisch" überhaupt noch gemeint sein kann, wenn ein isolierter von dieser Kirche abgefallener Bischof zu einem Amt zu ordinieren versucht, von dem in keiner Weise klar ist, ob es im Sinne des Konzils als Teil des im Dienst am Gottesvolk stehenden Hirtenamt verstanden wird.
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5. Vgl. M. Walzer, Kritik und Gemeinsinn. Drei Wege der Gesellschaftskritik. Berlin 1990, 91f.
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