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Zur Geschichte der Erlösungslehre

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Artikel 'Salut', in: Dictionnaire critique de théologie, Paris 1998, 1052-1060.
Datum:2001-10-09

Inhalt

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Weil die Menschen auf vielfältige Weise Unheil erfahren, sprechen die biblischen Schriften in vielfältigen Bildern vom Heil (Befreiung, Erlösung, Versöhnung, Auferweckung, Neuschöpfung etc). Auch die Theologie hat im Laufe der Jahrhunderte recht unterschiedliche Vorstellungen entworfen. Bei aller Vielfalt lebte das christliche Denken aber immer aus dem zentralen Bekenntnis: Das Heil kommt durch Christus. Die Theologie hat diese Wahrheit nicht nur äußerlich aus dem Neuen Testament übernommen; sie versuchte auch zu verstehen, weshalb Gott nicht direkt vom Himmel her durch seine Macht und Barmherzigkeit das Heil der Menschen wirkt. Die Antwort auf die Frage, weshalb es Mittlers bedarf, blieb bei allen kulturellen Änderungen im wesentlichen die gleiche, wie drei Zeugnisse von Autoren bestätigen, die die christliche Erlösungslehre stark geprägt haben und die jeweils mit einem Abstand von fast tausend Jahren voneinander gelebt haben.

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Auf griechischem Hintergrund und im Zusammenhang mit der Frage, wie der Teufel überwunden werden kann, lehrte Irenäus:

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"Car si ce n'était pas un homme qui avait vaincu l'ennemi de l'homme, l'ennemi n'aurait pas été vaincu en toute justice. D'autre part, si ce n'était pas Dieu qui nous avait octroyé le salut, nous ne l'aurions pas reçu d'une façon stable. Et si l'homme n'avait pas été uni à Dieu, il n'aurait pu recevoir en participation l'incorruptibilité. Car il fallait que le Médiateur de Dieu et des hommes, par sa parenté avec chacune des deux parties, les ramenât l'une et l'autre à l'amitié et à la concorde, en sorte que tout à la fois Dieu accueillît l'homme et que l'homme s'offrît à Dieu." (SC 211, 365s)

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Im germanischen Kontext und ausgehend von der Frage, wie der Mensch für seine Sünde Gott Genugtuung leisten kann, folgerte Anselm von Canterbury:

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"S'il est donc nécessaire... que la cité d'en haut soit menée à perfection avec des hommes, et si la chose n'est possible que si se fait la satisfaction susdite, que nul ne peut faire sinon Dieu, et nul ne doit sinon l'homme, il est nécessaire qu'(un) Dieu-homme la fasse." (Corbin 1988, 3/409)

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Auf dem Hintergrund eines modernen dramatischen Verständnisses der ganzen Geschichte und ihrer Konflikte urteilt H.U.v.Balthasar:

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"An dieser Stelle muß ein ganz anderes Pathos ins Drama eingreifen, dasjenige Gottes. Aber nicht so, daß er, seines erledigten Gegners spottend, die Bühne beträte, sondern in jener vom Menschen unvermutbaren Aktion, in der er auf die Seite des Gegners tritt und ihm von innen her zum Recht und zur Freiheit verhilft... Die Frage Cur Deus homo ist, solange die Welt dauert, immer gleich aktuell." (1973, 3/ 186 -ganz am Ende von Kapitel II.)

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Da die Menschen durch ihre Sünde und ihr Versagen das Unheil in die Welt gebracht haben, müssen sie das Böse auch selber überwinden, aber sie können es nicht. Gott rettet sie, indem er ihre Würde wahrt und im gottmenschlichen Mittler auf ihre Seite tritt, um das zu wirken, was sie aus eigener Kraft nicht vermögen. Im Mittler trifft sich das von Gott absteigende Wirken ganz mit dem vom Menschen aufsteigenden Tun, und beide führen zu einem Heil, das letztlich als Teilhabe am dreifaltigen Leben zu verstehen ist.

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Im Laufe der Geschichte hat das christliche Denken den Akzent bald auf die eine und bald auf die andere Wirklinie gelegt, im wesentlichen aber den Ausgleich bewahrt. So unterstrichen die Theologen des ersten Jahrtausends das von Gott her kommende Wirken, indem sie das Heil vor allem von der Inkarnation her verstanden und - auf platonischem Hintergrund - in der Menschheit Christi auf analoge Weise die ganze Menschheit eingeschlossen sahen. Im zweiten Jahrtausend wurde eher das von der menschlichen Natur zu Gott aufsteigende Tun in Christus betont (Verkündigung der Basileia-Botschaft und vor allem seine Hingabe am Kreuz). Beide Linien lassen sich aber nicht trennen, denn der transzendente Gott handelt nicht wie eine innerweltliche Ursache. Vor allem in Christus wird deutlich, daß er wirkt, indem er bewirkt, daß der Mensch ihm gegenüber handelt. Alles Reden vom Heilshandeln Gottes durch seinen Mittler Jesus Christus ist deshalb immer im Sinne beider Linien zu verstehen.

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Trotz der Ausrichtung auf Christus als den einen Mittler gab es im Laufe der christlichen Dogmen- und Theologiegeschichte recht unterschiedliche Vorstellungen, die durch kulturelle Voraussetzungen und vor allem durch die unterschiedlichen Vorstellungen vom Unheil bedingt waren. Wenn H.U.v.Balthasar bei Maximus Confessor feststellt, daß dieser seine Lehre vom Heil in Christus "mit fast geometrischer Strenge" in Entsprechung zu seiner "Anthropologie der Erbsünde" entfaltet hat (1961, 200), dann gilt dies auf analoge Weise für alle großen Autoren. Zu Thomas v.Aquin sagt B.Catâo: "Sa vision du salut est inséparable d'une part du péché dont nous avons besoin d'être délivrés, et d'autre part, de la mission du Fils de Dieu venu au monde précisément pour accomplir cette oeuvre" (1965, 195).

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1) Heilsökonomie und Heilsgeschichte

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Die Kirchenväter beschrieben oft mit drastischen Farben, wie Adam, der nach dem Bild des ewigen Logos geschaffen wurde, ungehorsam wurde und wie die Menschen in seiner Nachfolge einer sich steigernden Geschichte der Sünde und des Götzendienstes verfallen sind (vgl. Athanasius, SC 18, 111-169). Als Gegenbild zeichneten sie, wie Gott in einer umfassenden Heilsökonomie die Menschen durch eine lange Geschichte und vor allem durch den Bund mit Abraham und Mose und durch die Propheten auf das Kommen seines Sohnes vorbereitet hat. Nach Irenäus von Lyon, der als erster diese Sicht ausführlich entfaltet hat, ist Christus vor allem "der allein wahre Lehrer" (SC 294, 289; 211, 363) der die Menschen durch "Rat" und nicht durch "Gewalt" auf den rechten Weg zurückführen will (SC 153, 19ss) und der in seinem Leben die ganze vergangene Geschichte des Ungehorsams durch seinen Gehorsam positiv 'rekapituliert'(SC 211, 371.445) hat. So wurde er zum leuchtenden Vorbild für die sittliche Nachahmung. Als wahrer Lehrer und Vorbild war er zugleich das "Licht" des ewigen Vaters für die Menschen: "En la chair de notre Seigneur a fait irruption la lumière du Père, puis, en brillant à partir de sa chair, elle est venue en nous, et ainsi l'homme a accédé à l'incorruptibilité , enveloppé qu'il était par la lumière du Père" (SC 100, 631). Auf diese Weise konnten Irenäus und die meisten griechischen Väter die biblische Aussage, daß Christus der wahre Lehrer (Mt 11,27; 23,10; Mk 1,22) und das Licht der Welt ist (Luk 2,32; Joh 1,4f; 9,5; 12,46; Apg 13,47; Eph 5,14), mit dem zentralen Gedanken der Paideia (Erziehung) in der griechischen Philosophie und Kultur verbinden.

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Da die göttliche Paideia in einer Welt der Verfolgung nicht jenes Heil schenken kann, wie es in den messianischen Verheißungen des Alten Testaments angekündigt wurde, erwarteten die meisten Theologen des 2.Jahrhunderts ein künftiges tausendjähriges Reich Christi auf Erden. Diese Erwartung wurde aber bald spiritualisiert (Origenes, Augustinus) und auf die Kirche hin gedeutet. Im Mittelalter entwarf Joachim von Fiore (1130-1202) eine neue heilsgeschichtliche Schau mit drei Zeitaltern (Epoche des Vaters bis zum Kommen Christi, Epoche Christi als Zeit der hierarchischen Kirche, Epoche des Hl.Geistes als kommende Zeit einer rein geistlichen Kirche). In säkularisierter Form hat diese dynamische Geschichtsschau entscheidend auf den modernen Fortschrittsglauben und auf revolutionäre Ideen eingewirkt (cf de Lubac, Joachim de Fiore).

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Die deutsche Aufklärung hat den Gedanken der Erziehung aufgegriffen und die jüdisch-christliche Offenbarung als eine göttliche Erziehung der Menschheit zu höherer Sittlichkeit gedeutet. G.E.Lessing beginnt seine Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" mit dem Satz: "Was die Erziehung bei den einzelnen Menschen ist, ist die Offenbarung bei dem ganzen Menschengeschlecht." I.Kant hat trotz seiner Lehre vom radikal Bösen die neutestamentliche Botschaft vom Reich Gottes ähnlich gedeutet, und unter seinem Einfluß verstand auch die liberale protestantische Theologie des 19.Jahrhunderts Jesus vor allem als Lehrer einer neuen Sittlichkeit. Die absteigende Linie des Wirkens Gottes wurde nicht mehr in der Inkarnation gesehen, sondern auf die allgemeine Vorsehung reduziert.

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In einem stark veränderten Kontext haben in den letzten Jahrzehnten die politische Theologie und die Befreiungstheologie den Gedanken des Heilshandelns Gottes in der Geschichte neu aufgegriffen. Sie sahen in Jesus aber nicht mehr den individuellen Erzieher, sondern vor allem den Propheten für neue gesellschaftliche Strukturen. Sein Heilshandeln zeigt sich gemäß dieser Sicht vor allem in seiner Botschaft von der nahen Gottesherrschaft und in seiner Solidarität mit den Armen, Entrechteten und Verfolgten, wodurch er selber zum Opfer (victime) der Mächtigen wurde.

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Da Kreuz und Auferweckung und die Teilhabe am göttlichen Leben in einer Theologie der Erziehung oder der sozialen Veränderung nicht voll zur Sprache kommen, hat sich die kirchliche Lehre nie mit dieser Sicht allein begnügt. In der Tradition war immer die Überzeugung lebendig, daß das Böse eine Macht ist, die durch Erziehung allein nicht überwunden werden kann.

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2) Christus als Sieger und Erlöser von bösen Mächten

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Die letzte Macht des Bösen sieht das Neue Testament im Teufel oder Satan (Mk 1,13; 4,15; Lk 10,18; Joh 8,44; 13,2; Apg 5,3; Röm 16,20; 2 Kor 2,11; 11,14; Offb 12,9; 20,2.7), den Christus durch seinen Tod entmachtet hat (Hebr 2,14). Zur Zeit der Kirchenväter spielte der Gedanke vom Kampf Christi gegen den Satan eine große Rolle (vgl. Aulen). Schon Irenäus sprach vom gerechten Sieg über den Widersacher (SC 211,365.447; 153,261-279). Von Origenes an kam die Idee dazu, der Teufel habe ein Recht über die Menschen gehabt, weil diese sich ihm freiwillig ausgeliefert hätten. Gemäß dieser Sicht war die Seele Christi der "Preis" (1 Kor 6,20; 7,23; 1 Kol 2,14) oder das "Lösegeld" (Mt 20,28; Mk 10,45; 1 Tim 2,6), das dem Teufel bezahlt wurde. Dabei wurde der Feind aber getäuscht, denn er konnte den 'Preis' nicht festhalten und verlor dabei auch die Menschen, die in seiner Herrschaft waren (GCS 40, 498f). Obwohl sich Gregor von Nazianz entschieden gegen solche Vorstellungen wandte (PG 36, 653), fand der Gedanke vom Recht des Teufels bei vielen Vätern Anklang (Basilius [PG 29,437]; Gregor von Nyssa; Chrysostomus [PG 59, 372f; 60,514]; Ambrosius [PL 16, 1115]; Leo der Große [PL 54,196.353]; Gregor der Große [PL 76,680]).

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Gregor von Nyssa hat die Idee vom Recht des Teufels sogar systematisch entfaltet, um damit die Menschwerdung des Logos und die Notwendigkeit des Kreuzes zu begründen. Wie Irenäus geht er zunächst davon aus, daß der Teufel nicht mit göttlicher Macht, sondern nur auf gerechte Weise besiegt werden durfte. Dabei bereitet ihm der Gedanke, daß der Betrug (des Teufels) durch einen Betrug (Christi) überwunden wird, keine Schwierigkeiten. Wie der Feind durch den Köder des Guten die Menschen an den Angelhaken des Bösen geheftet habe, so habe Christus unter dem täuschenden Köder seiner Menschheit den Angelhaken seiner Gottheit verborgen. Als der Teufel die Wundertaten dieses Menschen sah, sei er bereit gewesen, ihn als Lösegeld für alle übrigen Menschen anzunehmen. Beim Verschlingen dieses 'Preises' habe der verborgene Angelhaken der Gottheit ihn aber gefangen (PG 45, 47-63). Ähnliche Gedanken finden sich bei Augustinus (CChr.SL 50A, 399-408; 46,76).

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Die Theorie vom Recht des Teufels und seiner Besiegung durch einen listigen Betrug verfiel einem subtilen, aber entscheidenden Denkfehler. Selbst wenn man annimmt, die Menschen seinen wegen ihrer Sünden mit Recht unter die Macht Satans geraten, folgt daraus keineswegs, daß der Satan seinerseits ein Recht über die Menschen hatte. Anselm von Canterbury konnte deshalb diese Theorie am Anfang seines Werkes Cur deus homo (I,7) so kritisieren, daß sie seither aus der wissenschaftlichen Theologie verschwunden ist, selbst wenn der Teufel in ihr weiterhin eine Rolle spielt.

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Die heutige Theologie sieht die dämonischen Mächte, von denen die Menschen erlöst werden müssen, vor allem in den kollektiven Strukturen der Ungerechtigkeit, der täuschenden Idole und der Gewalt, durch die die positiven Bemühungen einzelner Menschen niedergehalten werden (vgl. Sobrino 1991, 235-250).

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Die Frage des 'Preises', den Christus durch sein Blut bezahlt hat, wurde nicht von allen Kirchenvätern mit der Theorie vom Teufel beantwortet. Einige entwickelten abweichende Vorstellungen, unter denen Athanasius zu erwähnten ist. Nach ihm ist das Böse, von dem der Mensch befreit werden muß, vor allem der 'Urteilsspruch' und der Fluch des Gesetzes, denn durch die Sünde hat der Tod ein 'Recht' und eine 'gesetzliche Macht' über die Menschen gewonnen. Gott konnte diesen Urteilsspruch, den er Adam gegenüber gesprochen hatte (Gen 2,16s), nicht aufheben, denn sonst wäre er nicht wahrhaftig gewesen. Damit die Menschen gerettet und der Urteilsspruch dennoch ausgeführt wurde, bedurfte es folglich der Inkarnation des ewigen Wortes, das sich einerseits in seinem Leib an unserer Stelle dem Todesurteil unterwerfen konnte und das anderseits kraft seiner Unsterblichkeit in der Auferweckung den Tod zu besiegen und uns unsterbliches Leben zu schenken vermochte (SC 199, 283-297). In eine ähnliche Richtung gingen die Überlegungen von Johannes Chrysostomus (PG 61,652f]) und Maximus Confessor. Der letztere betont aber deutlicher als Athanasius, daß das Recht des Todes kein freischwebendes Recht war, sondern durch die Sünde direkt als 'Leiden' und 'Straflast' in die menschliche Natur eingeschrieben wurde (vgl. Schwager 1986, 147-156).

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3) Versöhnung mit Gott in Christus

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Durch den einen Mittler erhalten die Menschen Anteil am Leben des dreifaltigen Gottes. Das fundamentalste Übel, das diesem Heil entgegensteht, ist die Trennung durch die Sünde. In diesem Kontext wird das Heilshandeln Christi vor allem als Versöhnungswerk (réconciliation) verstanden, durch das für die Sünde Buße (penitence), Sühne (expiation) und Genugtuung (satisfaction) geleistet, dem Menschen die Rechtfertigung geschenkt und Gott ein vollkommenes Opfer dargebracht wird. Die Worte Buße, Sühne und Genugtuung sind eng miteinander verwandt und werden oft ohne genauere Unterscheidung gebraucht. Sie entspringen Vorstellungen, die in traditionellen Gesellschaften sehr verbreitet waren, wonach ein Übeltäter für sein Tun 'büßen' mußte. Der zugefügte Schmerz verlangte nach einem Gegenschmerz (Sühne), und der Schaden mußte durch einen Gegenschaden oder eine Gegenleistung (Genugtuung) behoben werden (vgl. Verdier 1980).

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a) Sühne (expiation).

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Im Alten Testament können die Menschen wegen ihrer schweren Vergehen dem drohenden Gericht nur durch eine von Gott selber eingesetzte Sühneordnung (rituelle Opfer, Sündenbockritus, Versöhnungstag) entgehen (Lev 16-17). Da in dieser Ordnung das Blut ein zentrale Rolle spielt, kann das Neue Testament das Wort Sühne an einzelnen Stellen im metaphorischen Sinne zur Beschreibung des Todes Christi aufgreifen (hilastèrion [Röm 3,25]; hilaskestai [Hebr. 2,17]; hilasmos [1 Joh 2,2; 4,10]), ohne dabei eine klare und zusammenhängende Sühnelehre zu entwickeln.

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Ähnlich war der Sprachgebrauch zur Zeit der Kirchenväter. Oft schwingen Vorstellungen aus der menschlichen Gesellschaft mit, wenn sie, ohne die metaphorische Redeweise näher zu klären, vom Blut Christi als Sühne sprechen.

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Schon im Alten Testament spielte das fürbittende Gebet im Zusammenhang mit der Sühne eine wichtige Rolle (vgl. Num 14,13-19; Dtn 9,25-29). Vom Leidensknecht, der sein Leben als Sühnopfer (Jes 53,10) hingab, heißt es zugleich, daß er "für die Schuldigen eintrat" (Jes 53,12). Auf ähnliche Weise betont der Hebräerbrief, daß Christus unter Gebet und Tränen den Gehorsam gelernt hat und so "zum Urheber des ewigen Heiles" (Hebr 5,5-10) wurde. Er bewirkte als ewiger Hohepriester eine "ewige Erlösung", indem er mit seinem Blut "für uns vor Gottes Angesicht" (Hebr 9,11-28) als Fürbitter erschien (vgl. 1 Joh 2,1) (vgl. Lyonnet 1959). Diese Linie führten die Kirchenväter weiter, und sie sahen vor allem in der Eucharistiefeier eine Teilhabe am großen fürbittenden Gebet Christi, wodurch den Sündern Versöhnung geschenkt wird. Im Ritus mit den beiden Böcken am jüdischen Versöhnungstag sah Cyrill von Alexandrien ein Vorbild Christi, der einerseits für unsere Sünden ein Opfer dargebracht und anderseits unsere Sünden wie ein Sündenbock vor Gott getragen hat, um im Himmel für uns einzutreten (PG 69,588f).

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b) Genugtuung (satisfaction).

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Dieser Begriff ist über die kirchliche Bußordnung aus dem profanen Bereich in die Theologie eingedrungen. Anselm von Canterbury machte ihn zu einem Schlüsselbegriff seiner Erlösungslehre (Cur deus homo). Auf dem Hintergrund germanischer Rechtsvorstellungen argumentierte er, daß jedes Unrecht eine Strafe oder eine Genugtuung verlange. Die Genugtuung müsse der Größe des Schadens entsprechen, ja noch etwas größer sein, um auch den Schmerz des Geschädigten aufzuwiegen. Da die Sünde wegen der Beleidigung des unendlichen Gottes ein unendliches Übel ist, bedarf es einer Genugtuung von unendlichem Wert. Diese konnte kein Mensch leisten, da alle endlich und schuldig sind. Deshalb war die Tat Christi nötig, dessen Hingabe am Kreuz einen unendlichen Wert hatte, weil er zugleich Gott war. - Mittels dieser Vorstellungen hat Anselm die Theologie und die Frömmigkeit nach ihm sehr stark geprägt, und die Lehre von der unendlichen Genugtuung wurde zu einem zentralen Thema in der christlichen Theologie. Dabei wurde allerdings übersehen, daß Anselm seine aus der germanischen Welt aufgegriffenen Vorstellungen in einem äußerst dichten Denken schrittweise selber transformiert hat.

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In Auseinandersetzung mit dem Zeugnis der Hl.Schrift von der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes ging es Anselm darum, zu einer solchen Barmherzigkeit vorzustoßen, die auch die Gerechtigkeit voll in sich integriert und sich dadurch - jenseits aller menschlichen Wunschvorstellungen - als wahrhaft göttlich erweist. Dazu hebt Anselm zunächst hervor, daß Gott als unendliches Gut in sich selber gar nicht beleidigt werden kann. Die Forderung der Genugtuung entspringt nur der äußeren Ehre Gottes oder der geschöpflichen Ordnung, und diese trifft sich letztlich mit der Würde und Freiheit des Menschen. Zu dieser gehört, daß der Mensch aus sich heraus handelt und deshalb auch das Übel der Sünde, das von ihm ausgegangen ist, aus sich heraus überwinden muß. Der Mensch ist dabei von seinem tiefsten Wesen her auf jenen Gott ausgerichtet, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, und der nur dann wahrhaft als Gott geehrt und nicht heimlich zum Götzen gemacht wird, wenn er um seiner selbst willen geliebt wird. Da die Sünde aber den ganzen Menschen verdorben hat, kann er Gott gar nicht mehr um Gottes willen lieben. Christus aber, in dem sich die alles Maß übersteigende Liebe Gottes dem Menschen zuneigt, hat sich am Kreuz aus reiner Liebe dem himmlischen Vater für die Sünder hingegeben und damit eine Hingabegestalt (Genugtuung) geschaffen, die alle Menschen (durch die Eucharistie) in sich aufnehmen können. In ihr werden sie fähig, Gott wieder aus sich heraus und um seiner selbst willen zu lieben. Die Genugtuung war folglich nicht nötig, um Gott eine rein sachliche und dem Sünder fremde unendliche Ersatzleistung anzubieten. Entscheidend war, daß durch die Tat Christi die menschliche Freiheit von ihrer innersten Wurzel her wieder auf den sich schenkenden Gott ausgerichtet wurde (vgl. Corbin 1988, 11-163).

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Die Tradition nach Anselm hat übersehen, wie intensiv der Bischof von Canterbury eine zeitbedingte Sprache selber transformiert und 'bekehrt' hat. Für Thomas von Aquin, der keine systematische Erlösungslehre entfaltete, war die Genugtuung wieder eher eine äußere Leistung, die den Menschen auf dem Weg der Verdienste zugeeignet wird. Er betonte allerdings, daß die eigentliche Wirkkraft des Leidens Christi in seiner Liebe lag, die als Liebe des Gott-Menschen einen überreichen Wert hat (vgl. Catâo 1965). Durch das Konzil von Trient fand der Begriff Genugtuung (satisfaction) Eingang in die dogmatische Sprache der katholischen Kirche, ohne dabei eine nähere Klärung zu erfahren. Zur "cause méritoire" der Rechtfertigung sagt das Konzil - an Thomas von Aquin erinnernd: "Cause méritoire, le Fils unique bien aimé de Dieu, notre Seigneur Jésus-Christ qui, 'alors que nous étions ennemis' (Rom. 5,10), à cause de l'extrême amour dont il nous a aimés (cf. Éph. 2,4), a mérité notre justification par sa très sainte Passion sur le bois de la croix et a satisfait pour nous à Dieu le Père" (Denz.-S. 1529). Von dieser Aussage her wurde es möglich, daß Theologen eine im Vergleich mit Anselm vereinfachte Sühnelehre als die katholische Lehre ausgeben konnten. Auf zurückhaltende Weise geschah dies bei J.Rivière, nach dem das Dogma eindeutig lehrt, daß Christus durch sein Leiden und seinen Tod für die Sünden der Menschen und vor allem für die entscheidende Sünde Adams Genugtuung geleistet hat. Rivière hielt aber gleichzeitig fest: "Mais la théologie catholique ne fut jamais assez étroite et superficielle pour s'arrêter uniquement à cette considération. Si le Christ n'avait point souffert, il ne nous aurait pas moins rachetés par la perfection de son amour, qui offrait à Dieu l'hommage parfait auquel il a droit et qui seul peut lui être agréable." (Rivière 1931, 554). Andere deuteten aber auf fast brutale Weise mittels des kriminologischen Gedankens, daß für ein Vergehen ein Sühnepreis zu zahlen ist, den Tod Christi.

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"Le criminel, redevable tout d'abord envers l'offensé, est soumis aussi au bourreau qui inflige la punition. L'offensé ici, c'est Dieu; le bourreau, c'est le démon, auquel Dieu a permis que l'homme se livrât par le péché en se séparant de son véritable maître... A qui doit être versé le prix du rachat? A celui-là, évidemment, qui est le maître de l'esclave et qui a été offensé... S'il y avait une rançon à payer, c'était à Dieu seul, non point à Satan. Aussi bien disons nous que Jésus-Christ a offert son sang comme prix de notre rédemption, non point au démon, mais à Dieu son Père." (Hugon 1922, 10-12)

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Auch mit der Herz-Jesu-Verehrung konnten sich solche Vorstellungen verbinden. Diese betonte zwar die Liebe des menschlichen Herzens Jesu, sie förderte aber auch - meist ohne nähere Erklärung - den Gedanken der Sühne und benützte das Bild vom vergossenen Blut. So konnte leicht die Vorstellung geweckt werden, Gott bedürfe des Blutes, um sich versöhnen zu lassen, und gegen solche Vorstellungen reagierte das moderne Denken (vgl. Leitens 1982). Die Mißverständnisse rührten daher, daß menschliche Vorstellungen ohne Kritik auf das Erlösungsgeschehen übertragen und der metaphorische Charakter zentraler biblischer Aussagen übersehen wurde. Da der transzendente Gott nicht wie eine innerweltliche Person unmittelbar spricht und handelt, sondern durch seine Geschöpfe wirkt, sind seine Worte immer auch Worte von Menschen und als solche durch die Bedingungen dieser Welt und ihrer Sünde mitgeprägt. Sie bedürfen deshalb, wie der Weg vom Alten zum Neuen Testament deutlich zeigt, einer tiefen 'Bekehrung', um in Wahrheit Gott und sein Wirken aussagen zu können. Dank dieser Transformation werden sie zu metaphorischen Worten. Wird dieser Charakter übersehen und werden die Worte, die von der Erlösung sprechen, auf der Ebene unmittelbarer menschlicher Vorstellungen verstanden, kommt es notwendigerweise zu Mißverständnissen, ja zu einer eigentlichen 'déconversion' (cf. Sesboüé 1988, 1/59-67). Diese Gefahr ist dann besonders groß, wenn beim Drama des Kreuzes nur das Tun Christi und des himmlischen Vaters gesehen und die Rolle des 'dritten Partners', nämlich der sündigen und mordenden Menschen, übersehen wird. Dieses Ausblenden führt notwendigerweise zu einer tiefen Perversion, qui "consiste alors à fait passer d'un pole à l'autre la violence et à présenter comme un bien ce qui est d'abord le fait du mal et des hommes pécheurs, l'exécution sanglante du Christ en croix. Elle oublie tout simplement que le meutre en tant que tel n'a rien de salutaire, que la mort en tant que mort ne peut nuellement être l'objet d'un dessein de Dieu." (Sesboüé 1988, 1/63) Die Gefahr einer déconversion ist auch beim Thema des Zornes Gottes, wie sich gleich zeigen wird, groß.

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c) Zorn Gottes und Rechtfertigung duch Christus

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Luther entwarf gegenüber der ganzen bisherigen Tradition eine neue Sicht vom Leiden Christi. Der Gekreuzigte hat nach ihm nicht nur durch die niederen Seelenkräfte gelitten, wie die große Tradition annahm (vgl. Thomas v. Aquin, s.th. III, 46, 7c), sondern seine Seele wurde bis in ihre innerste Tiefe hinein vom Zorn Gottes getroffen. Christus konnte sich am Kreuz nicht mehr in Liebe dem Vater darbringen, denn er fühlte sich in die Hölle gestoßen. Daß gerade diese Verwerfung ein Heilsereignis ist, sagt uns nur das Wort des Evangeliums, auf das sich der Glaube stützt. Das Kreuz offenbart so, wie Gott in einer seltsamen Einheit von Zorn und rettender Liebe handelt. Er verbirgt seine Güte ganz unter dem Gericht, wodurch auch der Gläubige dazu geführt wird, sich selber zugleich als gerecht und sündig zu verstehen. Luther spricht von einem wunderbaren Tausch. Unsere Sünde liegt ganz auf Christus, und seine Gerechtigkeit wird uns im Glauben als fremde zuteil. Luther kennt zwar auch eine zweite Gerechtigkeit, die aus den eigenen guten Werken entspringt (Heiligung). Aber diese unterscheidet er klar von der Gerechtigkeit Christi, die allein uns vor Gott gerecht macht und die wir, auch wenn sie im Glauben die unsere wird, nie in uns selber entdecken können. Weil der Glaube an das rechtfertigende Wirken Christi entscheidend ist, wird die Heilszuversicht auch nicht durch mögliche Sünden in Frage gestellt (Heilsgewißheit).

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Hinter dieser Sicht der Rechtfertigung steht ein neues Verständnis des Bösen. Luther hat vor allem mit Gott gerungen und ihn oft als zornig erfahren. Er hat die menschliche Wahlfreiheit in Heilsfragen geleugnet, ihr selbst bei Adam - im Unterschied zu Augustinus - keine theologische Bedeutung zugemessen und so eine strengere Prädestinationslehre als der Bischof von Hippo vertreten. Er wurde deshalb dazu geführt, in Gott selber zwischen dem deus absconditus (prädestinierender Gott) und dem deus revelatus (gepredigter Gott) zu unterscheiden. Der verborgene Gott ist ein völlig unbegreifliches und furchterregendes Wesen, das für die Menschen auch böse sein kann und vor dem wir zu fliehen haben, um uns ganz dem im Kreuz geoffenbarten Gott anzuvertrauen. Die Dialektik des Kreuzes von Gerechtigkeit und Zorn ergibt sich so letztlich nicht bloß aus der Spannung zwischen menschlicher Sünde und Gottes Heiligkeit, sondern aus Gott selber. Der Reformator hat aber diese Hintergründe seiner Theologie - glücklicherweise - nicht systematisiert (vgl. Schwager 1986, 192-231).

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Im Gegenschlag zu Luther gab es in der reformatorischen Theologie bald Strömungen, die stark die Freiheit und Sittlichkeit des Menschen betonten. Die ganze Geschichte der protestantischen Erlösungslehre im deutschsprachigen Raum wurde sogar durch die Problematik eines Subjekts, das "im Rückgang auf das selbstbewußte Ich den letzten wahrheitstheoretischen Grund" findet, bestimmt (Wenz 1984, 1/36). Für das neue Denken, das von der Autonomie des Subjekts (Freiheit, Sittlichkeit, selbstbewußtes Ich) fasziniert war, wurde der Gedanke der Rechtfertigung durch einen anderen unhaltbar (Sozinianer, Kant). Selbst jene, die ganz die traditionelle Lehre verteidigen wollten, waren vom neuen Denken beeinflußt, wie etwa die Lehre vom Strafleiden Christi (satisfactio passiva) zeigt. Danach hat Christus durch seinen Tod zwar für uns die Sündenstrafen stellvertretend erduldet und uns davon erlöst. In seinem aktiven Gehorsam sei er aber nur Vorbild für uns gewesen, denn auf dieser Ebene sei eine Stellvertretung mit der Autonomie der Tugend unvereinbar (Töllner, Storr).

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Gegen diese ganze theologische Tradition, die direkt oder indirekt im Bann des autonomen Ichs stand, hat K.Barth mit großer Schärfe reagiert. Er lehnte jede Anknüpfung bei der eigenen Subjektivität mit Entschiedenheit ab und konfrontierte den in sich verschlossenen Sünder abrupt mit dem von außen kommenden Wort Gottes. Er wollte aber auch keine Rückkehr zu einem autoritären Objektivismus und versuchte deshalb Gott ganz als Subjektivität und als Selbstmitteilung zu denken, durch die echte menschliche Subjektivität erst möglich wird. Um jede Selbstbehauptung der sündigen Menschen unmöglich zu machen, geht Barth in seiner Theologie von der ewigen Gnadenwahl Gottes (Prädestination) aus, wie sie im Kreuz und in der Auferweckung Christi erkennbar wird, und stellt diese sogar vor die Lehre von der Schöpfung und der Vorsehung. In einem "göttlichen Ur- und Grundakt" (Barth 1932-67, 2/2, 25.82) entscheidet Gott über sich selber, weil er, "indem er den Menschen wählt, nicht nur über diesen, sondern in ursprünglicher Weise über sich selbst bestimmt" ([zitiert aus der einleitenden These zu § 32] 2/2, 1; vgl. 96.89; 4/2, 92). Am Kreuz liest Barth ab, daß die ewige Wahl einen doppelten Inhalt hat. Gott bestimmt sich selber zum Leiden und zur Verwerfung, damit der Mensch gewinnt. Da Gott in Christus den Zorn und das verdammende Nein, unter dem alle Menschen stehen, ganz auf sich nimmt, sind auch alle Menschen - und nicht nur eine auserwählte Zahl - zum Heil berufen ("prädestiniert"?). Bei dieser Sicht droht die Menschheit Christi zu einer passiven Größe zu werden, und es stellt sich die Frage, woher der Zorn kommt, wenn das Kreuz von Gott schon (logisch) vorgängig zur Schöpfung und zum Fall des Menschen gewollt wurde. Hier führt Barth seine schwierige Lehre vom "Nichtigen" ein, das eine dritte Seinsweise neben dem geschöpflichen Sein und dem Nichts ist und das in der Sünde des Menschen zwar seine konkrete Gestalt findet, aber weit mehr ist. Das Nichtige entspringt - gleichsam als Gegenprodukt - bei der ewigen Wahl in Gott selber: "Eben weil und indem Gottes Handeln auf Erwählung begründet ist, ist es immer ein eifriges, ein zürnendes, ein richtendes Handeln. Gott ist immer auch heilig, d.h. aber, sein Sein und Tun geschieht immer auch in einem bestimmten Gegensatz, immer auch in realer Negation, Defensive und Aggression. Das Andere, von dem sich Gott trennt, demgegenüber er sich selbst behauptet und seinen positiven Willen durchsetzt, ist das Nichtige." (ibid 3/3, 405 [zitiert aus §50, 4.4 am Anfang]).

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H.U.v.Balthasar hat wesentliche Elemente von Barth übernommen und ebenso entschieden die Vorstellung eines selbstgewissen Ichs abgelehnt. Von der Christologie her unterscheidet er zwischen Person und geistiger Natur ('Geistsubjekt'), und er versteht den Menschen, insofern er Geschöpf ist, nur als 'Geistsubjekt', das in seinem Innersten auf eine weitere Determination ausgerichtet ist. Diese Bestimmung kommt von Christus her, dessen Sendung identisch ist mit seinem Personsein und der alle Menschen in seine Sendung einbezieht. Gegen die ganze Tradition des aufklärerischen Denkens, das für den innersten Kern des moralischen Subjekts keine Stellvertretung zuläßt, begründet Balthasar das stellvertretende Handeln Christi aus dessen Sendung (= Person), die auch alle anderen Menschen zu Personen macht. Den Höhepunkt dieser Stellvertretung sieht Balthasar - mit Luther und Barth - im Kreuzesgeschen, wo Christus an unserer Stelle den ganzen Zorn Gottes und eine Gottverlassenheit - wie die der Verdammten - erfährt, um so die ganze Weltsünde zu 'unterwandern'. Im Unterschied zu Barth führt Balthasar aber das moralisch Böse wieder eindeutig auf die sich verfehlende geschöpfliche Freiheit zurück. Er nimmt eine universale Heilshoffnung an, betont aber zugleich das letzte Geheimnis in der Begegnung zwischen der Gnade Gottes und der menschlichen Freiheit.

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d) Das Opfer.

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Da die Liturgie oft vom Opfer Christi am Kreuz spricht, ist dieser Begriff für die katholische Theologie besonders wichtig. Der Katechismus der katholischen Kirche (1993) deutet das Leben und den Tod Christi fast ausschließlich mittels dieses Begriffs. Opfer spielen aber auch in der Welt der Religionen eine zentrale Rolle. Bezüglich ihrer Deutung gehen die Meinungen stark auseinander. Auch das Alte Testament kannte viele Opfer, und eine wesentliche Aufgabe der Priester war das Töten der Opfertiere.

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Im Neuen Testament wird der Begriff 'Opfer' - trotz zahlreicher bildhafter Anspielungen - selten für den Tod Christi gebraucht. Nur der Hebräerbrief entfaltet eine Theologie vom hohenpriesterlichen Amt und vom "Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat" (Hebr 9,14). Dabei betont dieser Brief die großen Unterschiede zur alttestamentlichen Ordnung. Das entscheidend Neue, das dem Opferbegriff einen völlig neuen Sinn gibt, besteht darin, daß bei den kultischen Opfern die Tötenden die Opfernden sind, während beim Kreuz Christi die Tötenden Mörder waren. Wegen dieser Umkehrung war der Opferbegriff der frühen christlichen Schriftsteller mehrdeutig. Im Blick auf die Darbringung der Gaben bei der Eucharistie sprachen sie - im Anschluß an Mal 1,11 - von einem reinen Spieseopfer, das überall dargebracht wird (Daly 1978, 312s.317). Bezüglich des Tuns Christi wurde der Begriff 'Opfer' stark spiritualisiert. In dieser Linie sagt Augustinus: "Le vrai sacrifice est donc toute oeuvre bonne qui contribue à nous unir à Dieu dans une société sainte, à savoir toute oeuvre rapportée à ce bien suprême grâce auquel nous pouvons véritablement être heureux (1959, 445 [La Cité de Dieu X,6]). Thomas greift diese Definition auf, wenn er vom Leiden Christi als einem Opfer spricht (s.th. III,48,3c). Bei diesem ethischen Verständnis wird allerdings nicht mehr deutlich, weshalb zum Opfer Christi sein blutiger und gewaltsamer Tod gehörte und weshalb seine Liebe zu Gott nicht genügte. Um diesen Mangel zu beheben, haben Augustinus und die Kirchenväter ihre Lehre vom Opfer durch das Thema von der Besiegung des Teufels und die scholastischen Theologen durch die Sühnelehre ergänzt. Diese künstlichen Ergänzungen zeigen, daß etwas Wichtiges, nämlich das Unterbewußte in den Opfervorstellungen (le subconscient dans les représentations sacrificielles), das sich in der Materialität des Ritus ausdrückt, übersehen wurde.

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Da im Wort Opfer - trotz der spirituellen Deutungen - die Nähe zum Blut immer mitklingt und da auch beim Tod Christi Blut vergossen wurde, entstand schon bei den Kirchenvätern aus der Rede vom Opfer Christi die Tendenz, doch wieder nach einem Akt des Tötens oder Vernichtens zu suchen. So lag es nahe, in den Menschen, die Jesus getötet haben, ausführende Organe sei es des ewigen Logos (Eusebius, Athanasius, Gregor von Nyssa) oder des himmlischen Vaters (Barth) zu sehen. Das Opfer drohte damit zu einer indirekten Selbsttötung Christi oder zu einer Hinrichtung durch den himmlischen Vater zu werden. Nach Gregor von Nyssa ist Christus nicht gemäß den Gesetzen der Natur gestorben, sondern der Logos hat aus eigener Vollmacht die Seele und den Leib seiner Menschheit getrennt (direkte Selbsttötung), um so das Opfer darzubringen (Jäger II, 132,7-14; Jäger III/I, 152,30 - 154,14; Jäger IX, 286,23 - 288,8). Athanasius verband die Vorstellung, der Logos habe seine Menschheit geopfert, mit dem Tauschgedanken: "Das Wort selbst hat das Unsere angenommen, es als Opfer dargebracht und ausgelöscht, um uns mit dem Seinen zu bekleiden" (PG 26,1061 - epist. ad Epict.).

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Solche Vorstellungen mußten zu jener "déconversion" der Begriffe führen, von der weiter oben gesprochen wurde. Die eigenständige Rolle der mordenden Menschen fiel aus, und deshalb tendierte der Opferbegriff - trotz aller Spiritualisierung - immer wieder zu archaischen Vorstellungen zurück. An diesem Punkt setzt heute die Kritik von R.Girard an, und sein Opferverständnis, das bei den rituellen und blutigen Kulten klar die Opfervorstellungen (Mythen) vom Opferakt (Ritus) unterscheidet, kann für die Theologie hilfreich sein. Während Girard bezüglich der Opfervorstellungen eine Entwicklung und Spiritualisierung im Laufe der Religionsgeschichte annimmt, deutet er den blutigen Opferakt in seiner rituellen Materialität immer als eine Entladung der kollektiven Aggression auf ein 'victime'. Aus dieser Perspektive lehnte er es zunächst entschieden ab, den Tod Christi als ein Opfer zu verstehen. Was in der Religionsgeschichte der blutige Opferakt war, enthüllt sich in den Evangelien als Sünde, als kollektive Tat mordender Menschen. Dafür gewinnt die Rolle des 'victime' eine ganz neue Bedeutung, denn die Hingabe an die Gottheit, wie sie sich in den Opfervorstellungen ausdrück, wird nun nicht mehr von den Tötenden / Opfernden, sondern von ihm gelebt.

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Die Geschichte vom Fall im Paradies zeigt weiter, daß die Menschen, sobald sie schuldig werden, sofort beginnen, die Verantwortung für ihr Tun auf andere abzuschieben, Adam auf Eva und Eva auf die Schlange (Gen 3,12f; vgl. Gen 4,9). Kain, der mit seinem aufsteigenden Neid nicht fertig wird, will sich Erleichterung schaffen, indem er seinen Bruder tötet und die Schuld zunächst ebenfalls von sich abschiebt (Gen 4,3-9). Das Geschick der Propheten und die Klagepsalmen zeigen ferner, wie sich die vielen Frevler immer wieder lügnerisch zusammenrotten, um den Beter und den Gerechten gewalttätig zu verfolgen (Jer 26,7-9; Mich 4,11; Sach 12,3; Ps 2,2f; 22,13-17; 31,14; 38,13.20; 41,8; 69,5; 118,10-13). So wird verständlich, weshalb sich auch gegen Jesus sowohl verschiedene Gruppen in Israel und als auch Juden und Heiden zusammengetan haben (vgl. Apg 4,27f).

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Nach Anselm von Canterbury ist eine Barmherzigkeit, die das Übel nur zudecken, aber die gefangene Freiheit nicht von innnen her neu aufrichtet, Gottes und der Menschen unwürdig. Dieser Gedanke ist wichtig, er genügt aber für sich allein nicht. Wenn es zur Sünde gehört, daß das Böse abgeschoben und andere zu Opfern (victimes) gemacht werden, dann bedarf es zur vollen Überwindung des Bösen, daß auch den Opfern (victimes) geholfen wird. Tatsächlich erweist sich Gott im Fortschreiten der Offenbarung vom Alten zum Neuen Testament immer eindeutiger als ein Gott, der für die Opfer (victimes) eintritt. So wird auch verständlich, weshalb Jesus sich im Gehorsam zum Opfer (victime) machen ließ. Weil er - wie der gute Hirt - den Sündern bis ins letzte nachging, mußte er erfahren, daß sie ihre Schuld, sobald er ihnen nahe kam, auf ihn abluden. Er wurde von ihnen zum 'Sündenbock' gemacht, allerdings nicht im rituellen Sinn, wie einige Theologen gemeint haben (Estius, Conelius a Lapide; H.Lesêtre; E.B.Allo - vgl. Sabourin 1961), wonach Gott oder der Logos - wie der Hohepriester beim Sündenbockritus - die Sünden bewußt auf seine Menschheit übertragen hätten, sondern im Sinne der Psalmen, der auch dem modernen sozialpsychologischen Sinn entspricht. In einer durch die Sünde bewirkten Verblendung haben die Menschen ihr Schulde instinktiv auf den Schuldlosen abgeschoben und ihn so zum Träger der Sünde (1 Petr 2,24) oder zum Sündenbock gemacht. Gott hat den Tod seines Sohnes nicht direkt gewollt, wohl aber seine Ganzhingabe für die Menschen, die angesichts ihrer Hartherzigkeit dazu führen mußte, daß er im Namen des Gesetzes zur Sünde (2 Kor 5,21) und zum Fluch (Gal 3,13) gemacht wurde. Als Opfer (victime) der Sünde hat Christus auf Gewalt und Lüge nicht mit Gegengewalt reagiert, sondern das Böse in gewaltfreier Liebe - bildlich gesprochen als 'Lamm Gottes' - getragen. So konnte er durch eine "alchemie mystérieuse" (Sesboüé 1988, 1/321) das Böse ins Gute verwandeln. Da er sich gleichzeitig mit allen Opfern (victimes) identifiziert hat (vgl. 2 Kor 5,15), konnte er vom Ort der Verlorenheit her im Namen dieser Opfer zu Gott flehen und um die rettende Macht der Auferweckung durch das Kommen des Geistes bitten (vgl. Schwager 1990, 109-202). Die moderne Theologie betont, daß die Sendung des Geistes als eigenständige göttliche Heilsmitteilung - und nicht bloß eine Appropriation - zu verstehen ist (vgl. Mühlen 1963, Congar 1979/80, Coffey 1979).

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e) Transzententale Versöhnung.

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Das zentrale Thema der Versöhnung bringt K.Rahner auf neue Weise zur Sprache. Ausgangspunkt seiner Theologie ist der universale Heilswille Gottes, und er versteht die Offenbarung als eine Selbstmitteilung Gottes, die die ganze Geschichte durchwirkt (transzendentale Offenbarung). Christus ist aber auch nach Rahner der absolute Heilbringer, weil in ihm jenes göttliche Handeln, das auf verborgene Weise überall wirkt (übernatürliches Existential, anonyme Christen), geschichtlich greifbar geworden ist. Die Frage des Todes reflektiert Rahner unter dem Thema der Freiheit und der Entscheidung. Der gewaltsame Tod Jesu erhält bei ihm aber keinen eigenen Stellenwert. Deshalb bleibt auch das Thema des Bösen und der Sünde in der transzendentalen Versöhnungslehre ohne scharfe Konturen (vgl. Rahner 1983).

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4) Von der Auferstehung Jesu zur neuen Schöpfung in Christus

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Gemäß dem ersten Schöpfungsbericht urteilte Gott bei jedem Akt der Schöpfung, daß sein Werk gut, ja letztlich sehr gut war (Gen 1,4.10.18.21.25.31). Vor der Sintflut aber heißt es: "Die Erde war in Gottes Augen verdorben, sie war voller Gewalt" (Gen 6,11).Mit der Feststellung Gottes, daß "das Trachten des Menschen von Jugend an böse ist" (Gen 9,21), beginnt die Geschichte nach der Sintflut, und durch das ganze Alte Testament hindurch finden sich immer wieder ähnliche Klagen. Alle sittlichen und prophetischen Mahnungen scheiterten am "Trieb des bösen Herzens" (Jer 3,17; 9,13; 11,8; 13,10; 16,12; 18,12; 23,17). Die Verkündigung Jesu stieß auf den gleichen Widerstand. Nach Paulus muß deshalb der "alte Mensch" mit Christus sterben, um durch die Teilhabe an seiner Auferweckung zu einem "neuen Menschen" und einer "neuen Schöpfung" zu werden (Röm 6,1-11; 8,1-17; 2 Kor 5,17; Gal 6,15). Der Tod Christi war nur deshalb heilvoll, weil er zur Auferweckung und zur Neuschöpfung führte (vgl. Durrwell 1978).

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Das Thema der Auferweckung und der neuen Schöpfung wurde von den Kirchenvätern in mehrfacher Weise aufgegriffen. In der Eucharistie sahen sie ein "Heilmittel der Unsterblichkeit" (Ignatius von Antiochien, Brief an die Epheser 20,2). Vor allem aber betonten sie durch das Thema der Vergöttlichung des Menschen, daß der Sünder bis in seine geschöpfliche Natur hinein erneuert werden muß. Nach Athanasius hat sich der Mensch durch den Fall im Paradies ein doppeltes Übel zugezogen: den Urteilsspruch wegen seiner Schuld und den Rückfall in den unheilvollen Zustand des bloßen Geschaffenseins (SC 199, 275-279). Weil der Mensch aus dem Nichts geschaffen wurde, ist er einer natürlichen Zerstörungsmacht ausgesetzt, die durch die Schuld erst recht virulent wird. Um das doppelte Übel zu beheben und die extreme Wankelmütigkeit der Freiheit zu überwinden, muß der Mensch durch die Menschwerdung des Logos auf naturhafte Weise mit Gott verbunden werden: "Car il s'est lui-même fait homme, pour que nous soyons faits Dieu" (SC 199, 459). Am Kreuz zeigt sich die Tiefe der Erniedrigung des Logos, und in der Auferweckung die Erhöhung und Neuschaffung des Menschen. Dieser Tauschgedanke spielte in der Theologie (vgl. Thomas v. A., opusc. 57 in Festo Corp. Chr.1) und in der Liturgie eine große Rolle.

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Bei einigen Kirchenvätern (Origenes, Gregor von Nyssa, Maximus Confessor) findet sich anstelle der Idee vom doppelten Übel, die Lehre von der doppelten Schöpfung. An Philo von Alexandrien anknüpfend unterscheiden sie eine Schöpfung vor dem Sündenfall und eine im Blick auf den Fall. Zur ursprünglichen Schöpfung gehörte die Leidlosigkeit, ein engelgleicher Zustand und ein Leben für die Ewigkeit, zur zweiten Schöpfung das Leiden, der Tod und die sexuelle Fortpflanzung mit böser Begierlichkeit (Gregor von Nyssa 1944, 151-172; Maximus CChr.SG 10,138f). Gemäß dieser Sicht hat der Mensch, der von Gott in einem idealen, engelgleichen Zustand gewollt war, im ersten Augenblick seines Daseins, ja gleichsam schon im Akt des göttlichen Wirkens gesündigt, so daß bereits seine Erschaffung in einem leidvollen Zustand endete. Da folglich die Sünde mit all ihren Konsequenzen in die konkrete Schöpfung selber eingeschrieben ist, kann sie auch nur durch eine radikale Transformation, durch das Sterben und die Auferweckung überwunden werden.

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Die Lehre von der doppelten Schöpfung wurde in der westlichen Kirche nicht übernommen. Dafür wurde hier - ähnlich wie bei Athanasius - betont, daß die Schöpfung als solche sehr hinfällig war und daß Adam nur durch die präternaturalen Gaben für eine kurze Zeit einen idealen Zustand kannte. Beide Deutungsmodelle laufen darauf hinaus, daß das moralisch Böse sich in einem Kontext weiterer Übel findet. Wegen dieser tiefen Verwurzelung in der Schöpfung kann es durch ethisches oder politisches Handeln allein nie im eigentlichen Sinn überwunden werden. Zum Heil bedarf es einer Transformation der 'alten' Schöpfung. Deshalb hat die ganze christliche Tradition stark die Leiblichkeit der Auferstehung betont, und in dieser nicht eine Rückkehr zum hinfälligen Leben, sondern eine Neuschöpfung für das ewige Leben gesehen. Stärkere Gegenströmungen gab es nur in der Gnosis des 2.Jahrhunderts (vgl. Orbe 1976) und in der modernen Theologie. Während die Gnosis die materielle Welt oft einem niederen Gott zuordnete und das Heil in einem Aufstieg aus dieser Welt sah, gibt es in der modernen Theologie Tendenzen, die Auferstehung auf einen Bekehrungsvorgang in den Jüngern selber zu reduzieren (Bultmann, Marxen). Dadurch droht das wichtige Thema der Neuschöpfung auszufallen.

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Teilhard de Chardin hat den Gedanken von der Hinfälligkeit der Schöpfung von der Evolutionslehre her für ein heutiges Empfinden verständlich zu machen versucht. In einigen Texten beschreibt er die 'Erbsünde' als ein Phänomen, das koextensiv zur ganzen Evolution ist. "Die Erbsünde ist die wesentliche Reaktion des Endlichen auf den Schöpferakt" (Sündenfall, Erlösung, Geozentrik [französischer Text wahrscheinlich in: Comment je crois (Bd 10 der Werke von Teilhard]). In Entsprechung dazu rechnet er mit einer Transformation der Schöpfung, die über den Menschen hinaus auf den Punkt Omega, auf die volle Offenbarung Christi zielt. Diese Sicht der Erbsünde hat ihm den Vorwurf eingebracht, er würde die Frage der moralischen Schuld nicht genügend beachten. Auch wenn die spezifische Rolle der menschlichen Freiheit klar herauszuheben ist, so dürfte das Anliegen Teilhard de Chardin's, die schon von den Kirchenvätern gelehrte Hinfälligkeit der Schöpfung in einem evolutiven Kontext zu sehen, heute voll berechtigt sein. In diesem Zusammenhang legt sich der Gedanke nahe, daß die Auferweckung Christi nicht nur ein Zeichen der Hoffnung für alle Menschen, sondern auch ein Anzeichen für eine kommende Transformation der ganzen außermenschlichen Schöpfung ist.

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5) Schlussfolgerung

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In den messianischen Texten im Alten Testament findet sich die Hoffnung auf ein volles Heil hier auf Erden (Jes 11,1-16; 65,16-25; Am 9,11-15; Mi 4,1-5). Auch Jesus hat die Gottesherrschaft als eine teils schon gegenwärtige Wirklichkeit verkündet. Gerade der Anbruch der neuen Welt weckte aber auch den vollen Widerstand der Kräfte der Alten Welt. Seine Treue zur Gottesherrschaft führte ihn deshalb durch den gewaltsamen Tod und die Auferweckung hindurch in die Welt der neuen Schöpfung und des wahren Heils. In der 'memoria' seines Weges dank des Beistandes des Hl.Geistes und im Versuch der Nachfolge verkündet die Kirche einerseits den Beginn des Heiles in dieser Welt; anderseits weiß sie darum, daß die Zeit der Übel, Leiden und Verfolgungen weitergeht. Sie versteht sich deshalb als Zeichen und Werkzeug einer innersten Umgestaltung der Menschen zur Einheit mit Gott und untereinander (Lumen gentium 1). Da es in ihr selber aber auch Sünde, Unrecht und Leid gibt, finden sich eindeutige Zeichen des erhofften Heiles nur in der symbolischen Struktur ihres sakramentellen Lebens. Während alle weltlichen Gesellschaften sich gegen Fremde und Feinde abheben und immer irgendwelche Sündenböcke für ihre Einheit brauchen, kommt in der eucharistischen Feier eine Gemeinschaft ganz anderer Art zur Darstellung. Diese gründet in der Bekehrung aller Beteiligten, und die feiernde Gemeinde bekennt, daß Gott gerade jenen, den die Menschen ausgestoßen und verworfen haben, zum "Urheber des ewigen Heiles" (Hebr 5,9), zum "Eckstein" einer neuen Gemeinschaft (Apg 4,11) und zur "Speise für das ewige Leben" (Joh 6,27) gemacht hat. Die eucharistische Feier auf Erden wird so zum Zeichen für das erhoffte volle Heil im ewigen Leben mit dem dreieinigen Gott.

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Literatur:

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