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Größer als wir denken. Gedanken zum 2. Fastensonntag

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2024-02-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesejahr B, 25.2.2024. Lesungen: Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18; (Röm 8,31b-34); Mk 9,2-10

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Liebe Gläubige,

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es gab Zeiten in verschiedenen Religionen dieser Welt, da war es ganz normal, dass man den Göttern ein Kind opferte. In der Umwelt das alten Israel war der Baals-Kult anzutreffen, bei dem Kinder als Opfer verbrannt wurden. Dem Abraham mag es also gar nicht so seltsam vorgekommen sein, dass auch sein Gott das Opfer seines Sohnes Isaak verlangte – noch dazu, wo ihm und Sara dieser Sohn ja von eben jenem Gott noch in hohem Alter geschenkt worden war. Wie konnte er also dieses Kind Gott vorenthalten? Gott hatte es doch zuerst gegeben?

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In uns mag sich alles sträuben gegen eine solche Logik: Was ist mit dem unveräußerlichen Recht auf Leben des Kindes?! Und was ist das für ein Gott, der zuerst ein Kind schenkt, nur um es dann auf grausame Weise wieder zurückzufordern?! Da wäre es doch gleich besser gewesen, diesen Sohn nicht zu haben – so mögen wir denken.

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Was aber, wenn wir in dieser biblischen Geschichte nicht einen Bericht darüber vor uns haben, was Gott von Abraham verlangt hat, sondern eine Erzählung darüber, was Menschen – hier verkörpert von Abraham – Gott immer wieder unterstellt haben, und wie dieser Gott sich als größer erwies, als sie es sich denken konnten. Wenn zutrifft, dass Kinderopfer in der Umwelt Israels normal waren, dann lässt sich gut nachvollziehen, dass Abraham vom Gott Israels nichts anderes erwartet. Ja, ist es nicht auch bei uns manchmal noch so, dass wir Gott das Schlimmste zutrauen? Wenn es uns schlecht geht, uns Schicksalsschläge treffen, ein nahestehender Mensch – gar ein Kind – stirbt: lauert dann nicht auch der Gedanke, das könnte eine Prüfung oder gar eine Strafe Gottes sein? Und leider ist es wieder hochaktuell geworden, dass die Söhne und Töchter eines Landes für Gott, Machthaber und Vaterland im Krieg geopfert werden. Wenn jemand den Gedanken einmal gefasst hat, dass dies Gottes Wille sei, ist es kaum möglich, diesen Menschen vom Gegenteil zu überzeugen. Ja, die Gegenrede erscheint dann geradezu als Angriff und Gotteslästerung. So geht auch Abraham, um Isaak zu opfern.

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Und doch – im letzten Moment – bewahrt ihn ein Engel des Herrn davor. Im letzten Augenblick bricht sich die Einsicht Bahn: Gott will das nicht. So betrachtet ist das Seltsame nicht, dass Abraham meinen konnte, Gott verlange das Opfer seines Sohnes. Das Seltsame, ja die geradezu an ein Wunder grenzende Überraschung ist, dass er noch rechtzeitig erkennt: Das kann nicht sein. Gott ist ein Gott des Lebens, er hat den Sohn nicht geschenkt, damit er geschlachtet werde, sondern damit er lebendig sei und zahlreichen Nachkommen Leben schenke. Die Deutung als Prüfung mag es ermöglicht haben, dieser Einsicht zu folgen ohne sich als Gotteslästerer zu empfinden.

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Es ist Gottes Offenbarung, die es vermag, das als selbstverständlich über Gott Angenommene zu transformieren und zu zeigen, dass Gott ganz anders ist. Um wieviel mehr gilt das, wenn wir an diesem zweiten Fastensonntag vorausschauen auf die bevorstehende Karwoche und den Karfreitag. Dort geschieht die Fortschreibung und weitere Steigerung dieser Transformation. Jesus wird als Gotteslästerer hingerichtet, weil er einen Gott der Barmherzigkeit und der Liebe verkündet, der bereit ist, den Menschen bedingungslos zu vergeben. Diese Bedingungslosigkeit der Vergebung Gottes ist wieder so etwas Unerhörtes und Unerwartetes. Das darf doch nicht sein! Gott verlangt doch wenigstens bestimmte Vorleistungen, damit er vergibt – so sind die Menschen zur Zeit Jesu überzeugt und auch heute noch viele. Was, wenn auch das eine menschliche Unterstellung ist und Gott ganz anders handelt? Wie kann man das den Menschen deutlich machen?

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Jesus tut es, indem er, sogar als die Menschen ihn anklagen, foltern und töten, nicht nach der Vergeltung oder der Rache Gottes schreit, sondern auch da noch um Vergebung für die Menschen bittet. Welche Vergebung kann bedingungsloser sein als jene, die einem schon angeboten wird in dem Moment, in dem man die Untat begeht?

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Jesus zeigt also: Nicht nur, dass Gott nicht will, dass Menschen ihre Kinder opfern. Nein, Gott ist eher bereit seinen eigenen Sohn zu opfern, als dass er mit Gewalt die Menschen prüfen, strafen oder manipulieren würde. Jesus muss nicht sterben, weil Gott das will; Jesus muss sterben, weil Menschen ihn, der die Verkörperung der Liebe Gottes ist, beseitigen wollen, und weil Gott eher das zulässt als mit Gewalt einzugreifen.

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Paulus fasst das sehr prägnant zusammen: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm 8,31b-32) Wieder erweist sich Gott größer als Menschen es sich denken können. Gott schenkt uns nicht etwas, um es uns wieder zu nehmen. Er ist befreit, sich das Liebste nehmen zu lassen, wenn es uns dazu führt, seine Liebe zu anzunehmen.

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Gott setzt dafür allerdings eine Fähigkeit ein, die nur er besitzt und die nur er einsetzen kann: Er kann sogar dem Getöteten das Leben wieder schenken. Im Evangelium haben wir gehört, wie Petrus, Jakobus und Johannes von einer Erfahrung mit Jesus völlig überwältigt sind: Jesus erstrahlt in himmlischem Glanz und spricht mit Mose und Elija, großen Gestalten des Bundes Gottes mit dem Volk Israel. Jesus selbst aber wird „geliebter Sohn“ genannt, auf den die Jünger hören sollen. In diesem Jesus residiert die ganze Macht und Herrlichkeit Gottes und diese werden durch den grausamen Tod, den ihm Menschen bereitet haben, nicht vernichtet, sondern sie ermöglichen es ihm, von den Toten aufzuerstehen.

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Dieses Wort beschäftigte die Jünger, erzählt das Evangelium. Sie wussten nicht, was das sein sollte – von den Toten auferstehen. Nun, so richtig wissen auch wir das nicht. Es bedeutet, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, dass der Gott des Lebens jenem, den Menschen zu Tode brachten, neues Leben gab. Aber dieses neue Leben ist nicht einfach die Fortsetzung des alten, sondern wieder etwas Transformiertes, für das uns die Vorstellung fehlt, das größer ist als wir es uns denken können. Was die drei Jünger mit Jesus erlebt haben – seine Verklärung – sollte sie darauf vorbereiten, was „von den Toten auferstehen“ bedeutet; das konnten sie aber erst erkennen, nachdem ihnen später der Auferstandene erschienen war. Es bedeutet, das Leben zwar verwandelt und für den normalen Alltag unsichtbar, aber doch in Fülle und Herrlichkeit zu haben. Und das gilt nicht nur Jesus, es gilt für alle, für die er eintritt und denen er die Vergebung zusagt.

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Ich denke, diese Texte wollen jede Form von Misstrauen, dass Gott für uns etwas Schlechtes wollen könnte, heilen und verwandeln. Gott gibt nicht um wieder zu nehmen; er will uns letztlich alles geben. Die Geschehnisse in der Welt sind so, dass sie uns immer wieder etwas nehmen – sei es durch menschliche Verbohrtheit und Bosheit, sei es durch Unfälle oder Krankheit, sei es durch Naturgewalten oder den natürlichen Abbau des Lebens. Nicht Gott schickt uns dies, um uns zu prüfen oder gar zu strafen; Gott schickte uns seinen Sohn, um uns zu zeigen, dass er in alledem bei uns ist und uns ebenso wenig wie ihn im Tod belässt.

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Was ist das genau – von den Toten auferstehen? – Lassen wir uns von Gott überraschen. Es wird größer sein als alles, was wir von Gott erwarten.

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