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Wahrhaft auferstanden
(Der Ostergruß als erfahrbare Wirklichkeit)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2024-04-02

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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In den letzten Jahren haben viele christliche Gemeinden einen uralten Ostergruß übernommen. Für Außenstehende hat er vielleicht etwas von einem Geheimcode. „Christus ist auferstanden“ ist ein ungewohnter Gruß. Was soll man darauf sagen? Nur wer ihn kennt, gibt die richtige Antwort: „Er ist wahrhaft auferstanden“. Christen als verschworene Gemeinschaft, mit der Geheimbotschaft, dass Christus auferstanden ist? Im Gegenteil! Es ist ein Glaubensbekenntnis, das das Leben auf den Kopf stellt, weil es den Tod auf den Kopf stellt. Der Auferstandene nimmt dem Tod seine Erpressermacht, weil er uns die Angst vor dem Tod nimmt.

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Dies ist die selige Nacht,
in der Christus die Ketten des Todes zerbrach
und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.
Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren,
hätte uns nicht der Erlöser gerettet.

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So hören wir im Exsultet, dem großen liturgischen Lobpreis der Osternacht. Deshalb behalten Christen diese Botschaft nicht für sich, sondern geben sie freudig weiter.

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Aber auch wenn es keine Geheimbotschaft ist, so ist es doch ein Glaubensgeheimnis. Dass der Jesus, der brutal gekreuzigt wurde, am dritten Tag von den Toten auferstanden ist, lässt sich nicht aus unserer Erfahrung ableiten. Ja, es scheint unserer Lebenserfahrung direkt zu widersprechen: Von den Toten ist noch keiner zurückgekehrt. Und wenn doch, dann war er oder sie eben nicht tot.

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Aber das meint der Auferstehungsglaube auch gar nicht. Wäre Jesus einfach nur in diese Welt zurückgekehrt, dann wäre er später wieder gestorben. Und für unser Leben würde ein solcher Wiederbelebungsglaube nicht viel ändern.

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Der Glaube, „dass Christus wahrhaft auferstanden ist“, meint etwas Grundsätzlicheres, das unserem Leben ein unerschütterliches Fundament geben kann. Dieser Glaube lässt sich zwar nicht aus unserem Erfahrungswissen ableiten, aber er ist auch nicht irrational. Und er widerspricht auch nicht all unserer Lebenserfahrung. Denn wir alle, nicht nur Christen und ausdrücklich religiöse Menschen, machen immer wieder Erfahrungen, die unsere gewohnte Erfahrung aufsprengen. Das geschieht nicht nur in seltenen, außerordentlichen Momenten. Mitten im Alltag sehen wir einen blühenden Baum, schmecken einen Schluck Wasser oder begegnen einem Menschen, so dass wir sagen können: „Das ist gut“. Und zwar ohne Wenn und Aber. Wenn wir solches sagen und jemand antwortete uns: „Ja, besser als letzte Woche“, dann würden wir uns vollständig missverstanden fühlen. „Besser als“ ist hier entschieden zu wenig. Immer wieder durchbricht ein unvergleichliches „Es ist gut“ unseren Alltag. Es ist ein „Gut“ oder „Schön“ oder auch „Wahr“ – etwas, das mir als fraglos richtig aufleuchtet, so dass ich mich bedingungslos dafür einsetzen muss – das durch das viele „nicht Gute“, „nicht Schöne“ und „nicht Wahre“ nicht verdunkelt wird, sondern umgekehrt all dieses Unvollkommene und Unerlöste in ein gutes Licht taucht.

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Gewiss: Man kann für solche Ereignisse mehr oder weniger blind werden. Aber man kann nicht sagen, dass es sie überhaupt nicht gibt. Menschen haben sie an den trostlosesten Orten unserer Weltgeschichte erfahren und bezeugt, und zwar nicht nur Dichter und Träumer. Ein unrealistischer Träumer ist nur, wer meint, man könne solche Orte vorwegnehmender Vollendung dauerhaft bewohnen und für sich und andere jederzeit verfügbar machen, um all das Dunkel der Welt hinter sich zu lassen und der Welt alle Kälte zu nehmen.

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Von einer solchen Utopie ist der christliche Auferstehungsglaube weit entfernt. Sonst hätten die Christen und die Kirchen das Kreuz und die Karwoche und die Fastenzeit längst abgeschafft und würden ausschließlich die Highlights von Ostern feiern. Im christlichen Auferstehungsglauben kristallisiert sich die durch zahllose Erfahrungen von Leid und Scheitern hindurch errungene biblische Einsicht, dass Gott nicht nur vor dem Tod, sondern durch den Tod hindurch rettet: durch Krankheit und Scheitern, Zerstörung und Vertreibung hindurch. Glaube an den auferstandenen Christus gibt den aufblitzenden Alltagserfahrungen eines „Es ist gut – ohne Wenn und Aber“ einen durchgängigen Sinn und ein beständiges Fundament. Christen können sie als „Samenkörner des durchbrechenden Himmelreichs“ begreifen, so wie die Wunder, die der irdische Jesus gewirkt hat, um den Menschen mitten in dieser unerlösten Welt ein Stück weit den Himmel aufgehen zu lassen: nicht nur ums sie zu trösten, sondern um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, in der sie sich versöhnen und die Welt zum Besseren wandeln können. In den kleinen und kleinsten Erfahrungenen eines „Es ist gut“ begegnet uns Christus als der Auferstandene. Denn er ist selber als „das Samenkorn Gottes“ in diese Welt hineingesät worden, so klein und verletztlich, dass er missachtet oder verworfen werden konnte und doch mit einer Heilsmacht Gottes, der sich letztlich kein Mensch entziehen kann – nicht nur zum Gericht, sondern auch zur Errettung. In dieser gewalttätigen Welt ist Christus so „zu Grunde gegangen“, dass er als „Herz der Welt“ auferstanden und zum Mittler aller Schöpfung geworden ist, wie das Neue Testament bezeugt.

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„Gott in allen Dingen finden“ wird so für ganz gewöhnliche Christen zur Erfahrungswirklichkeit, auch wenn wir keine Mystiker sind. Dabei erleben wir nicht etwas anderes als andere Menschen, aber möglicherweise das Gleiche auf andere Weise. Es bekommt ein anderes Gewicht und kann uns so zu einer nachhaltigen Veränderung unseres Lebens und der Welt bewegen. Es wird zum Durchscheinen der neuen Schöpfung mitten in der alten und des ewigen Lebens mitten in einer sterbenden Welt.

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„Christus ist auferstanden“ – „Ja, er ist wahrhaft auferstanden.“ Das wurde erfahrbar in der Feier der Osternacht: voller Symbole von Licht und Klang und Duft und Begegnung, die uns mit allen Sinnen in das Geheimnis des Osterglaubens einführten, so dass wir ihm, dem Auferstandenen, mitten im Alltag mit neuer Wachheit begegnen können: im blühenden Baum, in einem guten Schluck Wasser, den ich empfange oder gebe, oder in der Begegnung mit Bedürftigen, an denen ich nicht vorbeigehe.

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