- Leseraum
| Von der Wut und dem Feuer. Predigt in der Eucharistiefeier der Katholisch-Theologischen Fakultät zur Semestereröffnung, 1. Oktober 2024.Autor: | Lumma Liborius |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | predigt |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2024-10-07 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
| Lesungen: Ijob 3,1–3.11–17.20–23; Ps 88(87),2–8; Lk 9,51–56 | 2
| Liebe Gemeinschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät, | 3
| Schwestern und Brüder, | 4
| kennen Sie das auch: diese Wut? Wenn man mal wieder von Menschen umgeben ist, die das Offensichtliche nicht wahrhaben wollen, die das Böse für gut halten und das Gute für böse, die sehenden Auges in den Abgrund stürzen und die anderen gleich mit hineinreißen? Wir müssen gar nicht in die große Politik schauen, es genügt schon der Wissenschaftsbetrieb: Ich habe mir etwas erarbeitet, habe etwas verstanden und durchdrungen, aber die anderen wollen es nicht hören, arbeiten gegen mich und schnüren mir den Atem ein. | 5
| Da kann man verzweifeln und schwermütig werden, und wenn es wie in der Lesung, die die Liturgie des heutigen Tages uns zumutet, unerträgliche Ausmaße annimmt, kann man sich wie Ijob den Tod wünschen, weil alles so sinnlos erscheint. Oder es kommt die Wut. | 6
| In der Evangelienlesung wird Jesus die Unterkunft verweigert. Er ist auf dem Weg nach Jerusalem. Das ist keine Lappalie, das ist eine heilige Prozession, hin zur Erfüllung aller Hoffnung. Doch ihm wird die Aufnahme verwehrt. Welch arrogante Dummheit in den Augen derer, die diesem Jesus nachfolgen und für die er doch ganz offensichtlich der Messias ist. Die Jünger werden wütend. „Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ | 7
| Das ist keine spontane schmutzige Fantasie, sondern die Jünger zeigen, wie gut sie ihre eigene Erzähltradition kennen: Es ist zwar nicht Ijob, den sie hier zitieren, wohl aber Elija, der am Beginn des zweiten Buchs der Könige im Alten Testament zweimal erfolgreich das Feuer vom Himmel anrufen konnte, um die Macht Gottes gegenüber falschen Göttern zu erweisen: Zweimal vernichtete das Feuer die Abgesandten eines Königs, der sich einem anderen Gott zugewandt hatte. Und wie es in unserem heutigen Evangelium die Samariter sind, die Jesus die Aufnahme verweigern, so war es in der alten Erzählung der König von Samaria, der sich einem anderen Gott zuwandte. Die Jünger wollen also eine prophetische Handlung setzen, ein Zeichen für die Wahrheit, das man nicht übersehen kann. | 8
| Doch der Evangelist erzählt: „Jesus wandte sich um und wies sie zurecht.“ Genaue Worte Jesu werden uns nicht überliefert. Aber wenn die Jünger die Heilige Schrift so gut kannten, werden sie auch ohne genaue Erläuterung begriffen haben, wie ihre Wut sie in die Irre geführt hat. Sich auf Elija zu berufen, das kann an sich kein Fehler sein, aber Elijas Geschichte im Alten Testament muss weitergelesen werden. Das Feuer hat dort nicht das letzte Wort, sondern es ist eine Vorstufe in einem Lernprozess: Zweimal demonstriert es die Macht Gottes, beim dritten Mal aber erteilt ein Engel Elija den Auftrag, sich auf den Weg zum König zu machen, und er gibt ihm dieselben Worte mit, die auch Jesus mehr als nur einmal sagen wird: „Fürchte dich nicht“. | 9
| Wut an sich ist nichts Schlechtes. Sie kann die eigenen Überzeugungen klären helfen, kann Enttäuschungen und Sehnsüchte offenlegen, kann wie ein Feuer reinigende Prozesse in Gang setzen. Aber Wut ist nie das Ziel. | 10
| Eigentlich ist Wut etwas für Anfänger. Es ist wirklich leicht, wütend zu sein. Die wahre Meisterschaft hingegen besteht in der Zuversicht und in der Freiheit vom Zwang, sich immer durchsetzen und immer behaupten zu müssen. Das ist wohl ein lebenslanger Prozess, und es ist gut zu wissen, dass Gott auch Anfänger wie Elija oder wie uns zu erreichen versteht. Wir dürfen lernen, wir dürfen scheitern, wir dürfen neu beginnen. Der Zuspruch Gottes ist nicht daran ablesbar, ob wir auf der Gewinner- oder auf der Verliererseite stehen. Rache ist nicht nötig. Die schützende Hand Gottes reicht weiter als der Zugriff des Bösen, nämlich über den Tod hinaus. Lass es dir gesagt sein, fürchte dich nicht. | 11
| Als Katholisch-Theologische Fakultät starten wir heute in neues wissenschaftliches Arbeitsjahr. Nun ist gute Wissenschaft nicht daran zu messen, dass die, die sie vortragen, Zuversicht und Hoffnung ausstrahlen. Auch in der Theologie gelten konkrete Qualitätskriterien: die Kenntnis des Forschungsstandes, das widerspruchsfreie Argument, der sprachliche Ausdruck. Es wird fachlichen Streit geben, und es muss ihn geben um der Erkenntnis willen. Aber im Sinne Jesu können wir uns auf den Weg machen, Meinungsunterschiede ohne Angst auszutragen, auf subtile oder offene Rachefeldzüge zu verzichten und auch denen mit Wertschätzung, ja mit Hochachtung zu begegnen, auf die wir wütend sind. |
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