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Im Gedenken an em. o. Univ.-Prof. Dr. Otto Muck SJ
(Ansprache anlässlich seiner Beisetzung in der Innsbrucker Jesuitenkirche am 31. Mai 2024)

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2024-06-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Verehrte Trauergemeinde

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Um ehrlich zu sein, ich habe damit gerechnet, dass es in meiner Amtszeit als Dekan auf mich zukommen könnte, Prof. Otto Muck verbschieden zu müssen. Da es nun heute wirklich so ist, dass Otto hier in der Kirche nicht auf einem der Stühle gegenüber dem Herz-Jesu-Altar sitzt, sondern aufgebahrt wurde unter der Kuppel, ist diese Aufgabe für mich einerseits eine Ehre, andererseits aber doch eine traurige Pflicht, gab es die Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck seit ich sie kenne - das ist nun doch schon eine geraume Zeit lang -, für mich wie für so viele andere doch nie ohne Otto Muck.

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Wie erfüllt man nun eine solche Ehre und traurige Pflicht angesichts eines langen, produktiven in so vielen Bereich aktiven Lebens, auf das ich nur mit Staunen schauen kann. Ich vermag Otto Muck in wenigen Minuten nicht gerecht zu werden, möchte deshalb schlicht einige recht persönliche Eindrücke und Erinnerungen an ihn formulieren und diese zu dem hinzufügen, was jede und jeder von Ihnen als Bild im Kopf oder im Herzen trägt.

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Zunächst war Muck für mich der Professor, der uns jungen Studierenden Metaphysik beibrachte, oder das zumindest versuchte. Er tat das mit großer Geduld und wohl oft mit Verwunderung über unsere Begriffsstutzigkeit. Ich erinnere mich an eine Situation, in der er, sich von einem seiner komplexen Tafelbilder abwendend, eine Frage in den gut gefüllten Hörsaal stellte. Betretenes Schweigen. Dann die ernüchterte zweite Frage von Muck: Na Kinder, ist das wirklich so schwer? Für ihn, den studierten Chemiker, Mathematiker, Logiker, Transzendentalphilosophen und -theologen lag vieles völlig klar auf der Hand, was Anderen - mitunter auch über die bei ihm absolvierte Prüfung hinaus - ein absolutes Mysterium blieb.

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Später wurde er für mich dann zum Kollegen. Er hat mich recht bald geduzt, trotz des Altersunterschieds von über 40 Jahren und einer noch viel größeren Differenz in Wissen und Kompetenz. Aufgrund dieser Differenz ist es mir lange schwer gefallen ihn nicht mit Pater Muck anzureden, sondern mit Otto. An seinem Umgang mit mir als jungem Assistenten ist es nicht gelegen; der war stets wohlwollend und frei von jeder Überheblichkeit. In dieser Kollegialität mag auch die Tatsache zum Ausdruck gekommen sein, dass er 1958 der erste Universitätsassistent an unserer Fakultät überhaupt geworden war. Vor ihm hatte es keinen akademischen Mittelbau gegeben und so verkörperte er in seiner Person eine Weile lang eine ganze Kurie.

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In manchem Forschungsgespräch hat Otto Muck, ich muss es zugeben, mich mitunter ein Wenig genervt, mit seinem Hang zu peniblen Distinktionen. Wie oft hat er sich in heftig und nicht selten auch emotional geführten Diskussionen zu Wort gemeldet und seinen Beitrag dann begonnen mit: „Ja, da muss man unterscheiden …“. Dann folgten längere, kluge Ausführungen, die mir als akademischem Jungspund zu nüchtern und leidenschaftslos waren. Ich habe erst viel später erkannt, dass sich darin die Absicht Otto Mucks besonders deutlich zeigte: ging es ihm doch meist darum, der sachlichen Überlegung und der Vernunft gegenüber leidenschaftlichen Postulaten ja vielleicht sogar Vorurteilen zum Durchbruch zu verhelfen. Er wollte das Gespräch nicht abwürgen, sondern vielmehr erst als echten Dialog ermöglichen.

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1997 wurde Otto dann emeritiert. Unglaublicher Weise tatsächlich schon vor mehr als einem Viertel Jahrhundert. Das war für ihn allerdings wirklich eine Entpflichtung in dem Sinn, dass er nun nicht mehr musste, aber sehr wohl noch durfte. In Dissertantenseminaren des Instituts für Christliche Philosophie, bei Forschungsgesprächen, Tagungen und Kongressen war er weiterhin mit ganzer Kraft dabei. Mit unglaublicher Treue auch bis zuletzt bei universitären Veranstaltungen und akademischen Feiern. Ich vermute, er hatte für heute Vormittag die Feier der goldenen Doktorjubiläen an der Universität Innsbruck in seinem Kalender eingetragen. Ich erinnere mich, dass er vor zwei Jahren bei diesem Anlass natürlich unter den Festgästen war. Allerdings nicht einfach als Emeritus und Altrektor, sondern als Doktorvater gleich mehrerer Jubilare, die dort den 50. Jahrestag ihrer Promotion begingen. Eine keineswegs alltägliche Konstellation.

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Muck war nicht nur Vorstand des Instituts für Christliche Philosophie und Dekan unserer Fakultät, er war in den Jahren 1975-1977 auch Rektor der Universität Innsbruck. In seiner Amtszeit galt es das UOG 1975 zu implementieren, das einige Umbrüche, oder vielleicht besser Neuaufbrüche mit sich brachte. Zweifellos war auch in diesem Amt die ausgleichende und besonnene Art Mucks von großem Vorteil. Noch mehr war sie aber wohl in den Konflikten gefordert, die er als Rektor des Jesuitenkollegs und des Canisianums Anfang der 1970-er Jahre zu bestehen hatte. Damals brachen die Kontroversen um den Dogmatiker Franz Schupp und jene um den Leiter des Jugendzentrums MK im Kennedyhaus, Siegmund Kripp los. Wie sehr Otto diese Spannungen um seine Ordensbrüder, durch die er selbst gleichsam zwischen alle Fronten geriet, belasteten, und wie sehr sie in seinem späteren Leben und Arbeiten nachwirkten, vermag ich nur zu vermuten.

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Nicht ganz unbegründet scheint mir jedenfalls die Vermutung, dass derlei Konflikterfahrungen Otto Muck bis ins hohe Alter dazu motiviert haben, mit großer Energie und Disziplin wissenschaftlich zu klären, worin die Voraussetzungen bestehen, einander trotz aller unterschiedlichen Interessen und weltanschaulichen Differenzen verstehen, ja im besten Fall sich miteinander verständigen zu können. Was sich in der Lehr- und Forschungsarbeit Mucks mitunter als hochabstrakte Sprachtheorie und Erkenntnisphilosophie präsentierte, war letztlich von einem höchst lebenspraktischen Grundanliegen getragen. Ja ich möchte sagen, von einem zutiefst spirituellen Grundanliegen. Der Seelsorger und Jesuit folgte hier auf philosophische Art und Weise der Spur seines Ordensgründers. Die peniblen begrifflichen Distinktionen dienten als Grundlage einer Unterscheidung der Geister. Das subtile Unterscheiden zwischen Aussagegehalten und Ausdrucksweisen, zwischen gemeinter Wirklichkeit und Modellbildungen, die diese Wirklichkeit zu fassen versuchen, war nie selbstzweckhafte Begriffsklauberei. Sie diente der Bereitung eines gemeinsamen Bodens, auf dem GesprächspartnerInnen einander konstruktiv begegnen können. Das war seine Art die Argumente der anderen so weit wie möglich zu retten, stark und für das eigene Denken anschlussfähig zu machen. Insofern war es kein Zufall, dass sich Otto Muck über viele Jahre hinweg auch an den von Raymund Schwager initiierten Forschungsgesprächen rund um die Thematik von Religion, Gewalt, Kommunikation und Weltordnung beteiligte. Verständigung jenseits und trotz Konflikt, das ist mir immer mehr als das große Thema im Leben und im Forschen Mucks deutlich geworden.

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Und heute habe ich nun also die Ehre und traurige Pflicht, diesen verdienstvollen Forscher zu verabschieden, der wohl vielen von uns ein Vorbild war und ist, in seiner intellektuellen Redlichkeit, in seinem Fleiß und seiner außerordentlichen Selbstdisziplin, in seinem weltoffenen Interesse, in seiner Freundlichkeit und seinem Wohlwollen und auch in einem tiefen Gottvertrauen, das er gerade in den letzten Jahren auch immer wieder einmal recht un-akademisch in die einfachen Worte des bodenständigen Glaubens fasste, der ihm bei allen geistigen Höhenflügen nicht fremd war.

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Mit solch einfachen Worten aus seinem eigenen Mund, die ich mir bei einem Gespräch vor ziemlich genau einem Jahr mitnotiert habe, möchte ich nun enden. In Rahmen einer Diskussion über unterschiedliche anthropologische Konzepte hat er damals gesagt: „Manchmal denkt man sich, dies oder jenes hätte ich doch gar nicht angefangen, wenn es nur auf mich ankäme. Warum soll man sich dann nicht dankbar sagen, das, was mich ins Dasein gehoben hat und darin erhält, hat das gemacht. Ein anderer würde einfach sagen: Ich hab einen guten Schutzengel gehabt.“

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Lieber Otto, möge auch dieser Schutzengel Dich ins Paradies geleiten.

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