St. Georgenberg (Stans in Tirol), 8. Dezember 2024

Lieber Abt Jeremias,
liebe Mönche von St. Georgenberg,
liebe Festversammlung,

wenn man Menschen, die sich ein wenig mit katholischen Orden auskennen, fragt, was das Motto der alten Mönchsorden, besonders der Benediktiner sei, dann fällt den meisten vermutlich ora et labora ein, bete und arbeite. Wer das schon ein wenig vertieft hat, kennt auch die Erweiterung ora et labora et lege, bete und arbeite und lies.

Aber wer die Benediktiner selber fragt, wird meist eine andere Antwort bekommen. Sie befindet sich ganz unscheinbar im 57. Kapitel der Benediktregel und geht auf den 1. Petrusbrief im Neuen Testament zurück: ut in omnibus glorificetur Deus, auf dass Gott in allem verherrlicht werde. In allem: Es geht um das Allgegenwärtige, man könnte auch sagen: es geht um Kultur, um einen Habitus, eine Haltung.

Liebe Mönche: Für die Menschen, die zu euch kommen, ist der Georgenberg etwas ganz Besonderes. Einmal im Jahr oder zweimal im Jahr oder regelmäßig zur Nachtwallfahrt den Berg hinaufzuwandern oder hinaufzupilgern, das ist ein Highlight, das ist ein besonderes Erlebnis, und es wäre geradezu gefährlich, es zu oft zu tun, denn dann wäre es nichts Besonderes mehr.

Aber für euch, die ihr an diesem Ort lebt, ist der Georgenberg kein Highlight, sondern Alltag, den ihr in einer bestimmten Haltung gestaltet, ut in omnibus glorificetur Deus. Ihr seid an diesem Ort in engem Kontakt zur Welt: durch uns – eure Gäste –, durch die Natur, durch all eure Geschäftigkeit. Zugleich entzieht ihr euch auf gewisse Weise der Welt: nicht nur, weil dieser Ort so abgelegen ist, sondern auch, weil ihr euren Rhythmus durch das Gebet strukturieren lasst, das sich nicht aus der Logik der Welt ergibt und für das es eine Entscheidung braucht, die einmal getroffen, aber dann auch zur Haltung werden muss.

Als Gast in eurer Gemeinschaft erlebt man nicht nur das nach außen Sichtbare, sondern man kann auch dabei sein, wenn ihr um 6 Uhr in der Früh zu singen und zu beten beginnt und wenn ihr um 20 Uhr den Tag mit Gebet und Gesang beendet. Das ist ein intensives Erleben von Dunkelheit und Licht, von Gerüchen und Geräuschen, der Welt entzogen, die von all dem nichts mitbekommt, und doch mit dieser Welt verbunden, als deren Repräsentanten ihr das tut, was nichts Sichtbares produziert und nichts Messbares erreicht, und das doch immer irgendjemand irgendwo auf irgendeinem Berg in irgendeinem Kloster tut, ut in omnibus glorificetur Deus.

Lieber Jeremias, die Benediktiner auf der ganzen Welt haben dich als ihren Sprecher auserkoren. Das ist ein großer Vertrauensbeweis und ich wünsche dir, dass du mit deiner Erfahrung, deinem Witz und deiner Kreativität, aber auch mit Gelassenheit und Vertrauen gute Wege findest, benediktinische Gemeinschaften auf aller Welt zu unterstützen und zu stärken. Und weil das ja jetzt auch noch mit einem runden Geburtstag verbunden ist, wünsche ich dir in guter lateinischer Tradition ad multos annos, auf viele Jahre, mit Gesundheit und Segen. Für die kleine Gemeinschaft am Georgenberg ist das zugleich ein Verlust, und mit mir hoffen wohl viele der heute Anwesenden, dass die Kongregation von St. Ottilien Wege findet, den Konvent auch weiterhin personell zu stützen.

Liebe Mönche von St. Georgenberg, wer euch kennt, weiß, dass ihr nicht nur interessante und wirklich liebenswerte Individuen seid, sondern dass ihr als benediktinische Gemeinschaft auch etwas in die Welt tragt und in der Welt seid, das unersetzlich ist und das auch andere, auf den ersten Blick vielleicht auffälligere Ordensgemeinschaften in Tirol nicht in gleicher Weise sind und nicht sein können und auch nicht sein müssen wie ihr.

In diesem Sinne: Lieber Jeremias, liebe Mönche von St. Georgenberg: Ad multos annos, ut in omnibus glorificetur Deus.