Auf ganz "normalen" Wegen. Das Leben der Familie aus Nazaret |
Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | predigt |
Abstrakt: | |
Publiziert in: | |
Datum: | 2025-01-01 |
1 | Evangelium: Lk 2,41-52 |
2 | Dramatisch! Hochdramatisch und auch aktuell ist der Text des heutigen Evangeliums. Und warum dies? Der Zwölfjährige setzt sich von seiner Familie ab. Klar, dass die Eltern zuerst in Panik geraten. Drei Tage lang sollten sie ihn gesucht haben. Endlich finden sie ihn. Der Halbwüchsige freut sich aber keineswegs darüber; er reagiert recht kaltschnäuzig auf den Vorwurf der Mutter, was er denn ihnen angetan habe. „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht...“ Das klingt doch so vertraut in den Ohren der Eltern, die von ihren Kindern immer wieder bloß den Vorwurf zu hören bekommen: „Ihr versteht doch gar nichts!“ Beflügelt von der Logik der modernen Aufstiegsideologie schlüpft der Prediger kurz in die Rolle des Pubertierenden und legt noch nach: „Seht ihr nicht, dass ich da von den größten Autoritäten des Landes umgeben bin. Dass ich, mit ihnen diskutiere. Und verblüffe sie alle mit meiner Schlagfertigkeit?“ Nun scheinen diese Eltern gegen solch moderne Träume immun zu sein. Anstatt sich über den unerwarteten Karrieresprung ihres Pubertierenden zu freuen, ihn gar zu weiteren Sprüngen auf der Karriereleiter zu ermutigen, sich vor allem im Schein der unerwarteten Berühmtheit ihres Kindes zu sonnen, machen sie ihm Vorwürfe. „Warum hast Du uns das angetan?“ Und dann? Dann zerren sie ihn nach Hause. In das kleine Provinznest. Wo die Aufstiegschancen auf Null gestellt sind. „Unverantwortlich“, werden die modernen, vom Geist des Aufstiegs beflügelten Eltern sagen. Jene Menschen, die bloß die Karriere ihrer Kinder im Kopf haben und sich selber durch diese Kinder verwirklichen wollen. Genau das Gegenteil geschieht in der biblischen Szene. Das kleine Genie in Sachen Theologie, Gott und die Welt wird von den Eltern an die Kandare genommen und der Routine des ganz normalen, ja banalen Alltags unterworfen. Er muss Haushaltspflichten übernehmen, mit seinesgleichen spielen, Beziehungen zu Verwandten pflegen. Und das Ergebnis? Ein ganz normaler Mensch! Ein Mensch mit einem Gespür für Ängste, mit dem Gespür für Freud und Leid seiner Mitmenschen. Auf jeden Fall: kein narzisstischer Menschenverächter. Vielmehr einer, der „Gefallen fand bei Gott und bei den Menschen“. |
3 | Liebe Schwestern und Brüder, das Fest der Heiligen Familie legt den Nachdruck auf diese eine Wahrheit, eine Wahrheit, die – gerade für fromme Menschen – alles andere als selbstverständlich ist: die Menschwerdung Gottes findet auf ganz „normalen“ Wegen statt. Sie zeigt, dass unser Gott ein bodenständiger, ein menschenfreundlicher Gott ist, kein „Wunderwuzzi made in Hollywood“. Die Bodenständigkeit Gottes hat nichts, aber schon gar nicht mit dem süßen Kitsch zu tun. Das Leben der hl. Familie war ganz menschlich. Es war voll von Auseinandersetzungen und Konflikten, gar von Brüchen und Versöhnungen. Und dies schon von Anfang an. |
4 | Denken sie an Josef: einen Menschen voller Pläne und Elan. In seinem Leben läuft es anders, als er sich dies vorgestellt hat. Er stürzt gar ab. Misstrauen und Kränkung bemächtigen sie seiner. Angesichts dessen, dass Maria schwanger wird. Schwanger, aber nicht von ihm! Und doch macht sich Josef nicht Hals über Kopf aus dem Staub. Er hört auf Andere. Auf engelsgleiche Stimmen, die nicht bloß bestätigen, was ihn selber wurmt, sondern ihn auch korrigieren. Dieser Mann findet sich damit ab, dass er die zweite Geige spielen wird. Fragt auch nicht, ob er genug Wertschätzung erfährt. Im Schatten Marias lebend, wird er selber zum Schatten des himmlischen Vaters. Folgt dem Kleinen auf Schritt und Tritt. Beschützt ihn. Und wie ein Schatten verbirgt er die göttliche Allmacht, damit Jesus als normaler Mensch aufwachsen und reifen kann. |
5 | Die Tradition will es wissen, dass Josef sehr früh gestorben ist. Maria und Jesus hätten dann allein wirtschaften müssen. Was hat das zu bedeuten? Vor allem einen Alltag voll von Arbeit und Mühe um das sprichwörtliche tägliche Brot. Und dann kam noch die Zeit, als der Sohn glaubte, in die Welt ziehen zu müssen. Nicht, um Karriere zu machen und eine bessere Position zu gewinnen! Nicht, um seiner alten Mutter das Sich-Bücken im Alter zu ersparen! Nein! Er ging hinaus, um sich gegen die geheiligten Autoritäten der religiösen, aber auch der politischen Ordnung zu wenden. Was bedeutete das für die älter werdende Mutter? Zuerst einen Schock und eine menschliche Enttäuschung! Der einzige Sohn, für den sie geschuftet hat, der Sohn, dessen Leben sie geschützt hat, dieser Sohn verlässt sie nun. Und es war nicht nur eine menschliche, sondern vor allem eine religiöse Enttäuschung! Denn dieser, ihr Sohn, wendet sich in seinen Reden gegen all das, was für sie so heilig war: gegen das Gesetz! – Trug sie ihn nicht zum Tempel, als er noch klein war, wie das Gesetz es vorschreibt? – Opferte sie ihn nicht Gott und hoffte sie nicht, dass er ein anständiger Mensch sein wird? – Pilgerte sie nicht mit ihm jedes Jahr nach Jerusalem, wie das Gesetz es will? Und was tut er nun? Er verkehrt mit den Sündern! Er verkehrt mit den Heiden! Er missachtet die religiösen Vorschriften! Schon bekommt Maria von den Nachbarinnen in Nazareth zu hören, was für einen Sohn sie in die Welt gesetzt hat: „einen Revoluzzer!“ Und die gut gesonnenen Nachbarn: sie machen Maria darauf aufmerksam, welcher Gefahr ihr Sohn ausgesetzt ist. Wenn er so weitermacht, werden sie ihn umbringen! Und so macht sich die Mutter auf den Weg. Sie sucht ihren Sohn. Sie möchte ihn heimholen: „Komm! Sei vernünftig! Es lohnt sich nicht. Wie viele haben sich da schon die Zähne ausgebissen?” Als sie zu dem Ort kommt, wo er sich gerade aufhält, kann sie unmöglich durch die Menge hindurchkommen. So lässt sie ihm ausrichten, dass sie draußen auf ihn wartet. Und seine Antwort? „Meine Mutter? Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln”. Eine größere Ohrfeige kann man sich kaum vorstellen. Verbittert kehrt Maria nach Hause zurück. Sie wird nie mehr versuchen, ihrem Sohn über den Weg zu laufen. Auch er wird sie nie besuchen. Bis er als Verbrecher verurteilt wird. |
6 | Da kann die Mutter nicht anders, als zu ihm zu gehen. Ja! Sie ist die Mutter eines Ausgestoßenen geworden. Das bekommt sie von allen Verwandten und den Bekannten zu spüren. Und trotzdem geht sie hin. Und erst am Kreuz, in seiner letzten Stunde bemerkt der Sohn seine Mutter. Erst im Tod hat die Mutter ihren Sohn wiedergefunden, aber eben als einen, der von der ganzen Welt als Gotteslästerer abgeurteilt wurde. Schweren Herzens steht sie ihm in seiner Todesstunde bei; jetzt als es nur noch um Leben und Tod geht, hält sie zu ihm. Obwohl sie ihn nie verstanden hat, zeigt sie ihm ihre Solidarität. |
7 | Und erst als alles aus war, als man ihn begraben hat und ihr Leben bis ins Tiefste vernichtet wurde, erst dann ist ihr der Sinn des Ganzen offenbar geworden. Erst mit der Auferstehung ist ihr die Einsicht gegeben worden in das, was geschehen ist. Aber diese Einsicht konnte unmöglich die vielen Enttäuschungen und die vielen Leiden hinwegnehmen! Was sie durchlitten hat, das hat sie durchlitten! Übrigens: die alte Frömmigkeit versuchte dies mit einem Bild zum Ausdruck zu bringen, als sie von den „sieben Schmerzen Mariens“ sprach. |
8 | Liebe Schwestern und Brüder. Die Geschichten aus unseren Familien: Geschichten der Konflikte und der Enttäuschungen, Geschichten der Verbitterung und der Brüche familiärer Beziehungen, so schmerzhaft sie auch sein mögen, sie bleiben in die Geschichte Gottes mit seiner Welt eingebunden, sind sie doch ein Stück der Geschichte der Heiligen Familie selber. Auch diese Geschichte war voll von Auseinandersetzungen und Konflikten, gar von Brüchen und Versöhnungen geprägt. Sie war aber auch getragen von jenem Vertrauen, dass man im Leben und Sterben letztendlich doch in die Hand eines liebenden Gottes fällt. Diese Einsicht möge unsere Gelassenheit, Vertrauen und Hoffnung stärken. Und wohl auch die Freude in dieser weihnachtlichen Zeit. |
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