- Leseraum
| Voll Erwartung in Zeiten der Gnade mitten in Bedrängnis. Predigt zum Fest der Taufe des HerrnAutor: | Hofmann Stefan, SJ Stefan |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | predigt |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2025-01-14 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
| Predigt in der Jesuitenkirche am 12. Jänner 2025. | 2
| „In jener Zeit war das Volk voll Erwartung…“ So schreibt der Autor des Lukasevangeliums in der Passage, die wir gehört haben (Lk 3,15): „In jener Zeit war das Volk voll Erwartung …“ Es gehört zum Menschsein, dass wir in die Zukunft blicken und Gutes oder Schlechtes erwarten. Was bei Lukas überraschen kann, ist allerdings der Hinweis, dass das Volk „voll“ Erwartung war. Das klingt sehnsuchtsvoll, hoffnungsvoll. Wenn die Information historisch stimmt, dann waren die Juden damals nicht primär voll Sorge. Sie erwarteten etwas Gutes: den Messias. So heißt es auch: „sie überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias“ sei. | 3
| Dass Menschen „voll Erwartung“ positiv in die Zukunft blicken, ist nicht selbstverständlich. Das zeigt sich auch, wenn wir bedenken, wie so manche Menschen heute in die Zukunft blicken. Vermutlich gibt es große Unterschiede: je nach Alter und Möglichkeiten. Junge Menschen blicken auch heute oft „voll Erwartung“ in die Zukunft: zum Beispiel auf einen spannenden Beruf oder auf eine sich entwickelnde Beziehung o.ä. Insgesamt gilt jedoch, so vermute ich: Viele blicken eher „voll Sorge“ in die Zukunft. Nicht „voll Erwartung“. Gescheiterte Koalitionsverhandlungen, Regierungskrisen, Kriege – Gründe für Sorge gibt es viele. | 4
| Haben die gläubigen Juden und Christen vor uns anders gelebt? Falls es stimmt, dass sie Hoffnung hatten: Woher nahmen sie diese Hoffnung? Israel war zur Zeit Jesu von den Römern besetzt. Grund zur Sorge gab es allemal. Mussten die Familien nicht oft Übergriffe und Ungerechtigkeiten von römischen Soldaten, von Zöllner und Pharisäern fürchten? Liebe Schwestern und Brüder, ich muss gestehen, dass mich diese Fragen sehr beschäftigen: Wieso konnten die Menschen damals „voll Erwartung“ sein? Wieso sind wir (manchmal) trotz Glauben nicht „voll Erwartung“? | 5
| Meine vorläufige Antwort lautet: Die Zeit vor und nach Jesu Geburt war eine Zeit der Gnade. Der Geist Gottes muss den Menschen eine besondere Sehnsucht geschenkt haben. Natürlich gab es auch Erwartungen, die sich nicht erfüllen sollten: Viele erwarteten einen politischen Messias, einen Messias, der die Römer aus dem Land werfen würde. Die Menschen verstanden die Verheißungen des Judentums auch anders, als sie sich erfüllen sollten. Trotzdem scheint mir klar: Ihre Hoffnung und die guten Erwartungen waren nicht nur das Werk von Menschen. Hoffnung ist eine Tugend und eine Gabe Gottes. Der Mensch muss sich für solche Gaben öffnen. Machen können wir solche Gaben nicht. | 6
| Der Autor des Titusbriefes schreibt: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns …“ Meine Frage wäre: Gilt das auch heute noch? Kann es sein, dass Gottes Gnade uns auch heute anziehen und erziehen will? Dass Gottes Geist auch in uns Wege zu neuer Hoffnung bahnt? | 7
| Unser modernes Leben unterscheidet sich von jenem damals. Naturwissenschaft und Technik, sie sagen uns: Nimm Dein Leben in die Hand. Organisiere Dich. Plane! Die Medizin kann heute vieles richten. In vielerlei Hinsicht hängt unsere Zukunft von unserer Sorge und unserem Vorsorgen ab. „An Dir selbst liegt es!“ sagen manche. Das ist natürlich richtig. Dennoch ist zu fragen, ob diese Betonung unserer eigenen Verantwortung wirklich die ganze Wahrheit unsres Lebens ist. Ist es wirklich denkbar, dass die Gnade Gottes heute weniger wirksam ist als damals? Sollte Gott heute weniger Interesse am Menschen haben als vor 2000 Jahren? Welcher Gott wäre das, der seine Liebe und Zuwendung so erkalten lassen könnte? | 8
| Zusammen mit dem ganzen Volk ließ sich damals auch Jesus taufen. Die Liturgie des heutigen Festes zieht große Parallelen zwischen Jesus und den Gläubigen, die ihm folgen: Jesus wurde im Jordan getauft – wir wurden im Namen des dreieinigen Gottes getauft. Auf Jesus kam der Geist herab – in Taufe und Firmung kam der Geist auch auf uns herab. Jesu Handeln dient dementsprechend als Vorbild auch für uns. Deshalb lohnt es sich, die Erzählung von der Taufe Jesu genau zu lesen und zu meditieren. Erstaunlicherweise heißt es in der Erzählung nicht einfach: „Jesus ließ sich taufen. Der Geist stieg auf ihn herab.“ Bei Lukas heißt es. „Und während er betete, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist kam … auf ihn herab.“ (Lk 3,21) Kann es sein, dass sich auch für uns dann der Himmel öffnet, dass auch wir neue Perspektiven der Hoffnung finden, wenn wir beten? Jesus betet, „und während er betet“, öffnet sich der Himmel. Vielleicht ist das für rationale Akademiker und Akademikerinnen etwas unbequem: Es ist nicht ein denkender Jesus, nicht ein klug vorsorgender Jesus. Es ist der betende Jesus, den uns die Schrift präsentiert. Während er betet, wird Jesus als „geliebter Sohn“ geoffenbart. | 9
| Es ist bedarf nicht vieler Worte: Beten, ist oft auch mühsam. Manchmal erfahren wir das Gebet tröstend und beflügelnd. Nicht selten bleibt es trocken. Das ist bei Ordensleuten oft nicht anders als bei jedem sonst. Beim Gebet gibt es nicht die Profis, bei denen der Trost und die Gnade nur so „flutschen“ würden. Alle Christinnen und Christen sitzen im selben Boot. In uns allen wirkt Gottes Geist. Manchmal spürbar, manchmal sehr verborgen. Vermutlich wird unser Gebet den Ukraine-Krieg nicht sofort beenden. Vermessen wäre es jedoch, zu meinen: Jesus musste beten. Jesus fand Klarheit und Hoffnung, „während er betete.“ Wir aber finden alle Klarheit und Hoffnung, die es braucht, ohne die Mühe des Gebets. „Wer bittet, der empfängt,“ wird Jesus später predigen (Lk 11,10). Ich bin überzeugt: Das gilt auch für die Frage nach der Hoffnung. | 10
| „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns …“ so heißt es im Titusbrief (Tit 2,11). Die Vernunft hilft uns zu planen. Das ist unverzichtbar. Das Gebet und die Gnade, sie wandeln unsren Geist. Sie helfen, dass sich der Himmel immer wieder „öffnet“, dass wir neu „voll Erwartung“ und voll Hoffnung leben kennen. Ist es die Regelmäßigkeit des Betens, welche die gläubigen Juden und Christen der Antike von uns unterscheidet? | 11
| In seiner Taufe ist Jesus in die Fluten des Jordans hineingesteigen. Die Kirchenväter deuteten diese Taufe so, dass Jesus im Jordan in den alltäglichen Schlammassel unserer Leben ganz hineingetaucht ist. Wir sind mit unseren Übeln und in der Mühe des Gebets also nicht allen. Der Herr kann er in allem Übel Heil und neue Hoffnung und Leben schenken. Diese Verheißung, dass Er uns retten und unsere Erwartungen verwandeln kann, diese Verheißung gilt heute nicht weniger als damals. So können wir dankbar feiern. | 12
| Amen. |
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