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Echo göttlicher Selbstoffenbarung: Der Ruf zur Feindesliebe |
Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | predigt |
Abstrakt: | |
Publiziert in: | |
Datum: | 2025-02-24 |
1![]() | Predigt zu Lk 6,27-38 in der Jesuitenkirche am 23. Feburar 2025. |
2![]() | Was soll man zu diesem Evangelium sagen? In einer Zeit, in der so vieles durcheinander gerät? In einer Zeit, in der unzählige Menschen ihre Lebensenergie nur aus dem Hass gegen ihre Feinde schöpfen? Die wirklichen Feinde und die Feinde, die durch den Ungeist unserer Öffentlichkeit erschaffen werden. In einer Zeit, in der Menschen im Namen von Religion Terroranschläge verüben, wahllos ihre Mitmenschen morden und glauben dadurch Gott einen Dienst zu erweisen? In einer Zeit, die einem Rüstungswahn zu verfallen droht und zum wiederholten Male von der archaischen Täuschung: der Krieg sei der Vater aller Dinge, verblendet wird? Was soll man da sagen zu einem Text, der allem Anschein nach an diesem unserem Alltag vollkommen vorbeiredet? Weil er uns auffordert, die Feinde zu lieben, für die Missbrauchstäter zu beten, über die Menschen nicht zu richten und gütig zu sein gegen die Undankbaren und Bösen. Was soll man dazu sagen? |
3![]() | Den besten Kommentar zum heutigen Evangelium liefert Jesus selber: „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“. Er ist sich demnach dessen durchaus bewusst, was er da mit seinen Worten anrichtet. Unverständnis, Kopfschütteln, Distanzierung! Oder aber einen Schub an Auslegungsbemühungen, die auf ein Ziel hin ausgerichtet bleiben: der Text soll nicht allzu wörtlich genommen werden. Nur umgedeutet und radikal abgeschwächt, ist er bekömmlich. Nur so klingt er plausibel für die liberal eingestellte Ohren. Nur so reißt er auch keinen vom Hocker. Hermeneutisch geglättet, sagt er eben nichts anderes als das, was alle anderen „großen Texte“ sagen und was die öffentlichen Medien tagtäglich verkünden: „Man soll halt tolerant zueinander sein“. Eine derartige Einstellung gibt auch keinen Grund, warum man an Jesus Anstoß nehmen könnte. |
4![]() | Die Worte Jesu, die denjenigen seligpreisen, der keinen Anstoß an ihm nimmt, zielen jedoch nicht auf eine derart liberale Haltung. Sie bezeugen vielmehr, dass Jesus sich des enormen Konfliktpotenzials seiner Rede bewusst ist. Dass er mit seinen Weisungen, mit seinen Gleichnissen, ja mit seinen skandalös anmutenden Gesten – denken sie an seine Begegnung mit der Sünderin, oder aber an die Verhinderung der Steinigung der Ehebrecherin: (Jesus ist sich dessen bewusst, dass er mit all dem) auf den denkbar radikalen Kontrast hinzielt. Auf den Kontrast zu dem wie auch immer geordneten und genormten Alltag! Und warum? Warum redet er so? Will er nicht das, was jeder moderne Politiker will? Menschen um sich scharen, Menschen, die ihm ihre Stimme geben, ihm auch auf diese Weise nachfolgen? Weil er ihnen zugesichert hat nichts anders als ihre eigenen Anliegen zu vertreten. Er ruft ja Menschen in seine Nachfolge. Steht er sich dann mit seinen Weisungen nicht selber im Wege? Das Urteil der in den Medien omnipräsenten Meinungsforscher und Spezialisten zum Thema: „Trends an der Basis“ (dieses Urteil) über Jesus würde desaströs ausfallen. |
5![]() | Liebe Schwestern und Brüder, Vielleicht redet Jesus so, weil er nicht anders kann. Weil seine Worte nur seine eigene Erfahrung zur Sprache bringen. Die Erfahrung mit Gott, die Erfahrung mit dem, den er „Abba“, Papa, zu nennen wagt. Nähert man sich dem Evangelium im gläubigen Vertrauen – und genau das will auch der von uns allen gerade zelebrierte liturgische Zugang – (hört man die Botschaft im Vertrauen), dass da einer zu uns redet, der das wahre Antlitz Gottes wahrgenommen und Gott selber zuinnerst erfahren hat, so wird man diese Weisungen zuerst als Echo jener Worte hören, die Gott selber über sich selbst und seine Beziehung zu mir spricht. Es ist dies ein Echo, eine Widerspiegelung göttlicher Selbstoffenbarung, denn: Gott kann doch unmöglich etwas von mir erwarten, was er selber nicht denkt, nicht will und auch nicht tut. Hört man also diese Weisungen als Echo göttlicher Selbstoffenbarung, so wird vieles, wenn nicht gar alles von dem, was Menschen in Sachen „Gott“ denken, auf den Kopf gestellt: und zwar durch den, an dem man auch Anstoß nehmen kann und den man deswegen als Gotteslästerer verurteilt hat. |
6![]() | Was darf ich also gläubig für mich aus diesem Echo heraushören? Der Gott Jesu ist ein Gott, der mich liebt, selbst dann, wenn ich sein Feind bin. Er beschenkt mich mit Gutem, selbst dann, wenn ich ihn hasse. Er schenkt mir sogar das, worum ich ihn nicht gebeten habe und verlangt das nicht zurück, was ich ihm geraubt habe. Er segnet mich, selbst dann, wenn ich ihn verfluche. Er bietet mir nicht nur „die andere Wange“ an, wenn ich ihn zu „schlagen“ versuche und ihn auch „missbrauche“ und „misshandle“, sondern tritt für mich ein. Gerade dann, wenn ich mich selber hasse und mir selber so zum Feind werde. So tritt er in mein Leben ein: als mein Anwalt, der mich gegen jenen Feind verteidigt, der in meinem Herzen wohnt. Mehr noch: Um mich zu retten, um mich zu erlösen, ist er bereit alles zu erleiden. |
7![]() | Und er hat es erlitten. Mehr noch: Er erleidet es auch weiterhin: in all den Menschen, die ich erniedrige, verspotte, hasse, unter Umständen auch morde. Derjenige, der als Einziger Gott als seinen Abba, seinen Papa, verinnerlicht hat, deswegen auch so und nicht anders geredet und gehandelt hat, ist auch der Einzige gewesen, der die Radikalität seiner Botschaft gelebt, praktiziert, durchgelitten hat und sie so auch Wirklichkeit werden ließ. |
8![]() | Liebe Schwestern und Brüder, als Echo, oder Widerspiegelung wahrgenommen, zeigt also das heutige Evangelium zuerst das wahre Antlitz Gottes. Es zeigt dann auch welchen Wert ich für diesen Gott habe. Ich: der ich durchaus zu einem möglichen Feind Gottes werden kann (nur am Rande sei vermerkt, dass die Tradition diesen Sachverhalt mit dem Begriff „Sünder“ abgedeckt hat). Als derjenige, der sich von Gott distanziert, ihn verleugnet und verflucht, ihn bekämpft, oder aber verachtend ignoriert, werde ich von Gott nicht ignoriert, werde auch nicht nach der Regel der Gegenseitigkeit behandelt, also nicht gemäß der Logik „wie du mir, so ich dir“. Einer Logik, die den Teufelskreis von Aggression und Gewalt nicht nur nicht durchbricht, sondern diesen eskalieren lässt. Vielmehr werde ich unablässig mit Liebe und Barmherzigkeit beschenkt. Und warum? Damit ich mich ändere! Ändere in meinem Denken und Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich. Damit ich dort zumindest stückweise die bittere Wahrheit des antiken Sprichwortes: homo homini lupus – ein Wolf sei der Mensch für den Menschen – (damit ich diese Wahrheit) in Frage stellen kann. Zumindest stückweise! |
9![]() | Und was bedeuten diese Überlegungen für die Frage nach dem Verständnis der Weisungen Jesu, werden Sie fragen? Erst nachdem man zumindest etwas vom wahren Antlitz Gottes verinnerlich hat und dann auch zumindest ansatzweise begriffen hat welche Beziehung dieser Gott zu mir hat – mir, der ich halt so bin, wie ich geworden bin – erst im dritten Schritt können die Weisungen als Weisungen internalisiert werden. Zumindest stückweise verinnerlicht! Wenn die zwei ersten Schritte ignoriert werden und die Weisungen zu einem „Parteiprogramm“ umgedeutet werden, bleiben sie kraftlos, oder brandgefährlich. Und noch etwas darf in der Predigt nicht fehlen: Natürlich werden diese Weisungen gedruckt, gelesen, wissenschaftlich seziert, gedeutet und umgedeutet. Als Evangelium – als Frohbotschaft – werden sie nur im liturgischen Geschehen verkündet. Denn: Die Eucharistiefeier vergegenwärtigt nicht nur die Worte und Sätze, nicht nur die Botschaft, sondern auch das Geschick dessen, der Gott als Abba, als Papa, erfahren hat, der mit seiner Botschaft und seinem Leben radikale Ablehnung erfuhr, diese aber am Kreuz im Geiste seiner Weisungen, im Geiste der Feindesliebe durchgelitten hat, damit auch diese göttliche Radikalität mitten in unserem Alltag Wirklichkeit werden ließ. Die Eucharistiefeier vergegenwärtigt nämlich nicht nur das damalige Geschehen, sie nimmt uns mit in dieses Geschehen hinein. Uns, die wir in unserem Alltag alles andere leben und erleben, als das, was der Abba Jesu in seiner Beziehung zu den Menschen will und auch tut. In der Eucharistiefeier werden wir ja auf eine kaum zu übertreffende Weise in die Haltung dessen mithineingenommen, der in seinem Sterben für seine Feinde gebetet hat. Dies geschieht, wenn wir Ihn selber unter den Gestalten von Brot und Wein empfangen und durch Verzehren verinnerlichen. Selig ist, der an IHM und seiner Logik keinen Anstoß nimmt! |
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