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Reader Kirchengeschichte

Autor:Kriegbaum Bernhard
Veröffentlichung:
Kategorielehrbehelf
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-04-01

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Vorbemerkung: Das Folgende könnte ohne die Vorlesungen zu Mißverständnissen führen. Es dient ausschließlich als Gedächtnisstütze und zur Übersicht über den Stoff der Vorlesungen.

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Literatur:

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Pflichtlektüre:

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- August Franzen, Kleine Kirchengeschichte, Freiburg/Br. 41988 (von R. Fröhlich aktualisierte Neuausgabe 2000).

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 Zur Ergänzung empfohlen:

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- Josef Lenzenweger u.a. (Hgg.), Geschichte der Katholischen Kirche, Graz 11986; 31995 (im Buchhandel vergriffen).

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 - Patmos Leitfaden Theologie: Historische Theologie

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 - N. Brox, Kirchengeschichte des Altertums, Düsseldorf 31989.

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 - I.W. Frank: Kirchengeschichte des Mittelalters, Düsseldorf 31994.

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 - H. Smolinsky: Kirchengeschichte der Neuzeit I, Düsseldorf 11993.

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 - K. Schatz: Kirchengeschichte der Neuzeit II, Düsseldorf 21995.

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 Hilfreich:

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- Hubert Jedin (u.a.), Atlas zur Kirchengeschichte. Freiburg u.a. 11970. (vorhanden in der FB und im Lesesaal der Kirchengeschichte)

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1. Kapitel: Ein Gang durch die Jahrhunderte (16.-20. Jh.)

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Zwei große Entwicklungslinien:

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 - Reformation ÷ Glaubensspaltung und Konfessionalisierung

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 - Aufklärung ÷ Säkularisierung

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1.1 Die Kirche im Zeitalter der Reformation

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1.11 Die Personen

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Reformatorische Vorläufer: John Wiclif († 1384), Jan Hus (†1415), Girolamo Savonarola († 1498) u.a.

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Reformatoren: Martin Luther (†1546), Huldrych Zwingli († 1531), Jean Calvin († 1564), Heinrich VIII. († 1547) und sehr viele andere, z.B. Andreas Bodenstein gen. Karlstadt († 1541), Thomas Müntzer († 1525), Martin Bucer († 1551). - Reformation ist ein je und je regionales Ereignis, das nichtsdestoweniger zunächst Mitteleuropa, dann aber die meisten Teile West-, Nord- und selbst Südeuropas umfaßt.

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1.2 Das 16. Jahrhundert

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1.21 Die Reformation und die Antwort der Kirche

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- Schon vor 1517: Ansätze zu einer innerkirchlichen Reform: z.B.: Devotio moderna (Suche nach persönlicher Spiritualität), Armutsbewegungen (Bettelorden; oft überzogen bewertet: Waldenser, Spiritualen).

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 - Praktisch kein Beitrag zur Erneuerung der Kirche durch das 5. Laterankonzil (1512-1517).

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- 1517: Luthers Veröffentlichung von 95 Thesen stellen den Beginn einer Kirchenreform dar, der aus der Kirche herausführt (= Reformation).

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 - Positive Aufnahme der Reformation durch

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a) die Landesherren und freien Reichsstädte (Verfügungsrecht über die ‚eigene' Landeskirche - diese Entwicklung hat aber schon vor der Reformation eingesetzt!).

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b) Humanismus und Renaissance (Betonung des Individualgewissens: mein gnädiger Gott).

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 c) beim nach Heilsgewißheit strebenden Volk

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 - Reformation über den Wirkungskreis Luthers hinaus:

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- Zwingli und Calvin in der Schweiz (Ausstrahlungen nach Frankreich, in die Niederlande, nach Schottland, Polen Böhmen, Ungarn und in den deutschen SW).

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 - Heinrich VIII. in England

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- Annahme der lutherischen Reformation in den Ländern Skandinaviens (allmählich während der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts)

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- Innerkirchliche Reform: von der Basis her (z.B. Ordensreformen: Kapuziner, Ordensgründungen: z.B. Jesuiten). - Inspirierend: die beginnende Weltmission (trotz des mit ihr verbundenen Kolonialismus; ÷ Patronat).

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- Gegenreformation: von oben her (kirchlich: Tridentinisches Konzil (1545-1563), Inquisition (1542 bzw. 1587); weltlich: Anwendung des Prinzips Cuius regio eius religio durch den kath. Landesherren).

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- 1555: Der Augsburger Religionsfrieden stellt ein Stillhalteabkommen mit Besitzstandsgarantie nach dem status quo dar:

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 - weltliche Herrschaft: Cuius regio, eius religio.

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 - geistliche Herrschaft: Reservatum ecclesiasticum.

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 - In ihrer Geltung umstritten: Declaratio Ferdinandea.

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Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erhebt sich zwischen Jesuiten und Dominikanern der Gnadenstreit (Molinismus - Bañezianismus; 1582-1607). Er dreht sich um die Polarität zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit bei der Erlangung des Heils durch den Menschen, wobei L. Molina SJ mehr die menschlichen Möglichkeiten und D. Bañez O.P. eher die Gnadenwirksamkeit betonte.

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1.3 Das 17. Jahrhundert

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Das politische Hauptereignis dieses Jahrhunderts ist der 30jährige Krieg (1618-1648). An ihm wird deutlich, daß die religiöse Motivation ihre Bedeutung für politische Entscheidungen rapide verfällt. Der Westfälische Friede (1648) erwächst weniger aus Einsicht in die notwendige Toleranz unter den Konfessionen als vielmehr aus allgemeiner Erschöpfung.

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1.31 Die Kirche und der absolutistische Staat

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Zusammen mit dem folgenden ist das 17. Jahrhundert die Zeit des königlichen Absolutismus, was kirchlich zum sog. Staatskirchentum führte („dux Cliviae est papa in terris suis" - Folgen des Konziliarismus!). Die Kirche dient staatlicher Zwecksetzung. Der Rombezug der katholischen Kirche (z. B. Bischofsernennungen, Promulgation päpstlicher Erlasse) und damit die Kircheneinheit ist aufs Äußerste gefährdet (vgl. die Situation in den Ländern der Reformation).

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- Frühestes Beispiel: Spanien ÷ wirkliche Kirchenreform (Ende des 15. / Anfang des 16. Jahrhunderts im Zuge der Vollendung der Reconquista), aber auch negative Resultate, z.B. die spanische Inquisition.

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- In Frankreich ÷ Gallikanismus auf der Grundlage der Artikel der „Pragmatischen Sanktion" von Bourges (1438).

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 - In England (in der Folgezeit mit Schottland und Irland) ÷ anglikanisches Schisma (1534)

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- Spätformen: Maria-Theresianismus/Josephinismus in Österreich und der Febronianismus in Deutschland (2. Hälfte bzw. Ende des 18. Jahrhunderts).

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1.32 Die Kirche und die geistige Entwicklung ihrer Umwelt

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Der Rationalismus beginnt: R. Descartes (1596-1650), B Spinoza (1632-1677), G. Leibniz (1646-1716). Stärker noch als im Denken der Zeit der Renaissance und des Humanismus tritt die Vernunft an die Stelle der (kirchlichen) Autorität als Begründung und zugleich letzte Instanz menschlichen Wissens. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts wird hier vorbereitet. Die „anthropologische Wende" zeigt sich auch in der Vorstellung der Welt als eines heliozentrischen Systems seit N. Kopernikus († 1543), G. Bruno (verbrannt 1600) und G. Galilei († 1642).

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1.33 Kirche und Weltmission

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- Das Patronat: Der Kirche eröffnet die Weltmission zwar einen gewissen „Ersatz" für die verloren gegangenen Völker Europas; aber die Institution des Patronats, die womöglich noch erweiterte Übertragung des europäischen Staatskirchentums auf die Kirche in den spanischen bzw. portugiesischen Kolonien, zeigt mit zunehmendem religiösen Desinteresse der beiden Kronen die verhängnisvollen Implikationen dieser Rechtsfigur.

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- Akkomodation und Ritenstreit: Die Rivalität zwischen den großen Orden verlagert sich im 17. und 18. Jahrhundert von den theologischen Auseinandersetzungen um die Gnadenwirksamkeit auf das Feld der Weltmission: Zwischen den Dominikanern und den Franziskanern einerseits und den Jesuiten kommt es zu lang andauernden Streitigkeiten. Die Vertreter der sog. Akkomodation (in etwa entsprechend der heutigen Inkulturation), d.h. einige Jesuiten (z.B. R. De Nobili SJ) versuchten, stärker bei der Verkündigung des Evangeliums an die kulturellen Gegebenheiten in den Missionsgebieten (v.a. Indien, China, weniger in Lateinamerika und überhaupt nicht in Afrika) anzuknüpfen. Ihre Gegner aus dem Dominikaner- und Franziskanerorden sahen seit den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts darin einen unerlaubten Synkretismus (etwa im chinesischen Ahnenkult) und erreichten schließlich in Rom das endgültige Verbot der Akkomodation (1743). Insgesamt muß das Verbot als desaströs für die Weltmission betrachtet werden.

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- Die Mission der Indios Lateinamerikas: Die am meisten Erfolg versprechende Missionsmethode in Lateinamerika war das Modell der Reduktionen (seit 1540), zwar nicht erfunden von den Jesuiten, von diesen aber v.a. in Paraguay (zwischen 1609 und 1768) vervollkommnet und maßgeblich praktiziert. Die Reduktionen sind ständig gefährdet

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 - durch ausbeuterischen Kommerz,

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 - durch den Gegensatz zwischen Portugal und Spanien,

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 - durch die Rivalität zwischen Jesuiten und Ortsbischöfen,

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 - durch die steigende Gefährdung der Existenz des Jesuitenordens.

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Mit der Vertreibung der Jesuiten aus den lateinamerikanischen Kolonien wenige Jahre vor Aufhebung des Ordens bricht auch die Mission unter den Indios weitgehend zusammen.

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1.34 Der Jansenismus

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Posthum erscheint 1640 der „Augustinus" des Bischofs von Ypern C. Jansenius (zunächst Theologieprofessor in Löwen, † 1638). Hintergrund: Die tridentinische und nachtridentinische katholische Auseinandersetzung mit der reformatorischen Gnaden-theologie (÷ Luther; ÷ Calvin, ÷ Gnadenstreit). Auch nach einem römischen Diskussionsverbot der Gnadenfrage (1607) ging der Streit um die Gnadenwirksamkeit weiter. Allmählich ging es dann aber nicht mehr so sehr um die Verursachung des menschlichen Heiles durch die göttliche Gnade bzw. das menschliche Tun, sondern um die gelebte Moral: Die Jansenisten werfen den Jesuiten Laxismus vor. A. Arnauld wird zum wichtigsten Verfechter des Jansenismus.

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Nachdem Rom 5 Jansenius zugeschriebene Thesen verurteilt hat, übernehmen die Jansenisten zunehmend gallikanische Positionen, obwohl sie auch auf die Gegnerschaft Kardinal Richelieus und Ludwigs XIV. treffen. Im französischen Episkopat und im Parlament finden sie dagegen breiten Rückhalt. Während des ganzen 17. und 18. Jahrhunderts vertieft sich die Feindschaft zwischen den Jansenisten einerseits und dem Königtum und den Jesuiten auf der anderen Seite. Einer der bekanntesten Jesuitenfeinde: Blaise Pascal; seine antijesuitische Polemik, die „Lettres à un provincial" (1646/47), trägt zu einem gewaltigen Ansehensverlust des Ordens bei.

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Zwar versuchen Kirche und Königtum, den Jansenismus zu unterdrücken, doch bedeutet erst die Revolution von 1789 wirklich sein Ende. Ohne die Bedeutung des Jansenismus zu übertreiben, kann man ihn aber zu den wesentlichen Ursachen der Aufhebung der Gesellschaft Jesu und des Sturzes der französischen Monarchie zählen.

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1.35 Die Spiritualität

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Die Spiritualität dieser Zeit ist stark geprägt durch Frankreich und französische Kultur und Sprache: Bischöfe und Schriftsteller wie Bossuet (†1704) und Fénélon († 1715) sind prägend durch ihre Überwindung bloß rationaler Frömmigkeit.

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1.4 Die Kirche im Zeitalter der Aufklärung

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Die Aufklärung beginnt, grob gesprochen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts und reicht bis zur Französischen Revolution, in welcher sie zugleich Ziel und Umschlag findet. Diese Epoche ist nicht nur durch das Aufkommen der Aufklärung, sondern auch durch die Zuspitzung des fürstlichen Absolutismus charakterisiert. Geistesgeschichtlich stehen für das Zeitalter der Aufklärung (neben vielen anderen) wenigstens die beiden Namen von François-Marie Voltaire († 1778) und Immanuel Kant († 1804) genannt.

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Gerade der Aufklärung gegenüber hätte es einer differenzierten Reaktion der Kirche bedurft, welche die positiven Werte dieser Bewegung aufnehmen und sich zu eigen hätte machen können; diese war aber durch das Staatskirchentum einseitig gebunden und zeigte sich daher gerade den positiven und zukunftsträchtigen Aspekten der Aufklärung gegenüber verschlossen und feindselig.

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1.5 Das 18. Jahrhundert

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1.51 Der Jesuitenorden und die Kirche

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Im 18. Jahrhundert gerät der Jesuitenorden immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik; zu seinen Gegnern zählen:

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 - reformatorische Kreise (wegen der gegenreformatorischen Erfolge des Ordens);

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- Anhänger der Aufklärung (aus grundsätzlicher Feindschaft gegenüber der Kirche und wegen des Widerstandes der Jesuiten gegenüber den Prinzipien der Aufklärung);

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 - dem Staatskirchentum verhaftete Kreise (wegen der römischen Bindungen des Ordens);

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 - jansenistisch beeinflußte Kreise (Gallikanismus; Moraltheologie);

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- manche Bischöfe (aus jansenistischen, gallikanischen oder anderen Gründen wie etwa der Ablehnung der Exemtion der Orden überhaupt);

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- andere Orden, v.a. Dominikaner u. Franziskaner (beiderseitige theologische Differenzen und Rivalität v.a. im Bereich der Mission).

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 1773 wird der Jesuitenorden von Papst Clemens XIV. aufgehoben (1814 wiederhergestellt).

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Der Kampf gegen den Jesuitenorden ist teilweise auch Ausdruck der Feindschaft gegen die Kirche und v.a. das Papsttum, welches seit der Mitte des 18. Jahrhunderts einen großen Ansehensverlust erleidet (Folge der Aufklärung).

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1.52 Der Josephinismus in Österreich

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Seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts entsteht auch in Österreich der sog. Josephinismus (schon seit den Zeiten Maria Theresias; maßgeblich verantwortlich: Staatskanzler Graf Kaunitz). Unter Joseph II. (dt. Kaiser 1765/1780-1790) erreicht das Staatskirchentum in Österreich seinen Höhepunkt:

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- Beschränkung der Orden und Klöster auf solche von „gesellschaftlichem Nutzen" (über 800 Klöster wurden aufgehoben);

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- Unterstellung der Ordensleute unter die Jurisdiktion der Ortsbischöfe (= Lösung ihrer römischen Beziehungen!);

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- staatliche Kontrolle der Beziehungen der Bischöfe zum Papst und Treueid der Bischöfe auf den Herrscher;

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- Eingriffe bis ins Kleinste in die Liturgie (Friedrich II. v. Preußen über Kaiser Joseph II.: „des Hl. Römischen Reiches Erzsakristan"!);

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- Einrichtung von Generalseminarien zur besseren staatlichen Kontrolle der Priesterausbildung (im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus);

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 - Aufhebung der Bruderschaften;

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Segensreich wirkte sich nichtsdestoweniger die mit dem Josephinismus verbundene Reform der österreichischen Kirchenorganisation aus:

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- Gründung eines Religionsfonds (Mittel aus der Konfiskation der Klöster und des Besitzes der Bruderschaften) zur besseren Bezahlung des Seelsorgeklerus;

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 - Regulierung und Neuerrichtung von Bistümern;

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- Reorganisation des Pfarrsystems und Neugründung zahlreicher Pfarreien mit verbesserten Seelsorgsstrukturen.

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Insgesamt ist gegen den Josephinismus zu sagen, daß er die österreichische Kirche in eine völlige Abhängigkeit vom Staat brachte. Dagegen bleibt aber positiv festzuhalten: Ihm ist auch eine Reform, welche die Kirche Österreichs aus eigener Kraft nicht durchzusetzen imstande war, zu verdanken. Radikale Einbrüche, wie sie die französische Kirche infolge der Revolution zu verzeichnen hatte, blieben der Kirche Österreichs gerade deshalb erspart (R. Zinnhobler).

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Weitere staatskirchliche Entwicklungen: im S und SW Deutschlands unter dem Einfluß des Josephinismus, im Westen wirkte sich der Gallikanismus aus (÷ Febronianismus).

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1.53 Die Herz-Jesu-Frömmigkeit

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Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts breitet sich zunächst in Frankreich, dann auch im übrigen Europa, die Herz-Jesu-Frömmigkeit aus: Herz Jesu als Symbol der in Jesus Christus inkarnierten Liebe Gottes zum Menschen. Aus Ansätzen einer privaten Frömmigkeit und Mystik, welche selbst noch hinter das Mittelalter zurückreichen, kommt es zu einer gesamtkirchlichen Bewegung, welche die Frömmigkeit bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein prägen sollte.

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1. 6 Die Kirche zwischen Französischer Revolution und II. Vaticanum

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Die Französische Revolution ist auch in der Kirchengeschichte ein Ereignis von fundamentaler Bedeutung. Prinzipiell wird hier erstmals seit den Tagen Kaiser Konstantins die enge Beziehung zwischen Staat und Kirche in Frage gestellt, schärfer noch: Die Gesellschaft wird als ganze nicht mehr als christlich betrachtet. Die Folge: Eine Distanzierung des Staates von der Kirche. Mit diesem radikalen Umbruch wird die Kirche bis zum 2. Vatikanischen Konzil nicht recht fertig.

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Demgegenüber ist dann die Auseinandersetzung der Kirche mit dem liberalen wie dem totalitären Staat des 19. und 20. Jahrhunderts sekundär.

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Die Französische Revolution, welche 1789 begann und mit dem Kaisertum Napoleons endete, war eine Revolution des (v.a. Pariser) Bürgertums. Wirtschaftlich zur Zeit des ancien régime erstarkt, forderte es eine angemessene Teilhabe auch an der politischen Macht. Dem widersetzten sich nicht nur Monarchie und Adel, sondern auch die Kirche, welche auf diese Weise ihre politische Macht und ihre Privilegien schwinden sah. Folge: Die Kirche verliert in der Folgezeit durch ihren Kampf gegen die Revolution und deren Prinzipien das Bürgertum, nachdem sie spätestens zur Zeit der Aufklärung bereits ihres Einflusses auf die Intellektuellen verlustig gegangen war.

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Religion und Religiosität verliert so den öffentlichen Charakter und wird immer mehr zur Privatsache. Der Staat abstrahiert von beidem (Indifferentismus), weshalb die Kirche ihre privilegierte Stellung in Staat und Gesellschaft verliert. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche kann aber ebenso von Feindseligkeit (romanische Länder Europas und Lateinamerikas) wie positiv (USA und Belgien) bestimmt sein.

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1.7 Das 19. Jahrhundert

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1.71 Die Neuordnung Europas durch Napoleon

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- Auf der Grundlage des Konkordates von 1802 kommt es zu einem problematischen Ausgleich zwischen der Kirche und dem napoleonischen Frankreich.

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- Die Säkularisation (1803): Reichsdeputationshauptschluß) der geistlichen Territorien beendet das bis ins 10./11. Jahrhundert zurückreichende ottonische Reichskirchensystem im Deutschen Reich und zugleich damit auch die Adelskirche. Die kirchliche Hierarchie verliert ihre Attraktivität für die Sekundogenituren des deutschen Adels. Insgesamt ist die Säkularisation aus heutiger kirchlicher Sicht positiv zu werten, auch wenn die deutsche Kirche zunächst mit einem Schlage verarmt.

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- Die napoleonische Neuordnung des sich nun auflösenden Deutschen Reiches bringt einen Rückgang der Bedeutung der Konfessionalisierung früherer Tage mit sich: So erhält das „katholische" Bayern große protestantische Landstriche in Franken und Schwaben; anderseits bekommen mit Preußen oder Württemberg zwei protestantische Territorien nun auch Zugewinn aus der säkularisierten Landmasse ehemalig katholischer Herrschaften.

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- 1809 annektiert Frankreich den Kirchenstaat, was aber 1815 (Wiener Kongreß) wieder rückgängig gemacht wird (im Gegensatz zu den Folgen der Säkularisation in Deutschland).

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1.72 Die Zeit der Restauration

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- 1815: Wiener Kongreß: Mit der Bildung der sog. „Hl. Allianz" (Rußland, Österreich, Preußen) scheint die Restauration in Europa die Oberhand zu gewinnen, doch zeigt sich an den europäischen Revolutionen zwischen 1830 und 1848, daß sich die Prinzipien der Französischen Revolution nicht mehr ausrotten lassen.

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- Von der europäischen Restauration scheint die Kirche zu profitieren: ÷ Konkordate mit Frankreich (1817), Rußland (1818) Preußen (1821) u.a.m.; Katholikenemanzipation in England (1829; positive Folgen v.a. in Irland). Auch eine Auseinandersetzung mit der preußischen Regierung endet dank des Zusammenhalts der Gläubigen mit ihrer Hierarchie mit einem Sieg der Kirche in der Frage der Mischehen (Kölner Kirchenstreit: 1825-1838).

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 - Seit 1831 spitzt sich die politische Lage im Kirchenstaat zu.

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Mehrere Aufstände unter der reaktionären (÷ Restauration) Regierung Gregors XVI. (1831-1846). Daher: Freudige Annahme der Wahl des für liberal gehaltenen Pius IX. (1846-1878) durch die Bevölkerung des Kirchenstaats und ganz Italiens. Der Papst verweigert sich jedoch ebenso dem Wunsch nach einer Konstitution wie demjenigen nach Förderung der nationalen Einheit Italiens. Trotz Nachgebens in der Verfassungsfrage kommt es 1849 zur Revolution; der Papst flieht nach Gaëta und kann erst wieder unter dem Schutz französischer Truppen nach Rom zurückkehren. Frankreich wird nunmehr zur Schutzmacht des ständig sich verkleinernden Kirchenstaates, bis es seine Truppen im deutsch-französischen Krieg heimruft. Das hat das definitive Ende des Kirchenstaates zur Folge (1870).

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- Auf Kants Philosophie ist katholischerseits noch keine Antwort gefunden. Der Versuch des Hermesianismus (÷ Georg Hermes), den deutschen Idealismus von seinen kantischen Grundlagen her für das kirchliche Glaubensverständnis fruchtbar zu machen, scheitert mit seiner Verurteilung durch Gregor XVI. (1835). Der aus Frankreich stammende Versuch, die von Kant behauptete Unerkennbarkeit Gottes durch die Behauptung einer Uroffenbarung und deren Weitergabe durch die Menschheitsgeschichte hindurch (÷ Traditionalismus) zu überwinden, wird gleichfalls verurteilt.

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1.73 Der Pontifikat Pius' IX.

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- Maßgebliches Motto des Pontifikats: Der Kampf gegen die Zeitirrtümer.

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- Weitgehend macht der Papst den Liberalismus in seiner umfassenden Form für die Zeitirrtümer verantwortlich. Unter Liberalismus ist hier nicht nur ein gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher, sondern auch ein katholisch-theologischer Liberalismus zu verstehen, der v.a. im nachnapoleonischen Frankreich beheimatet ist. Zu den bedeutendsten Vertretern des katholischen Liberalismus gehören Henri-Dominique Lacordaire O.P. († 1861), Hugo-Félicité-Robert de Lamennais († 1860) und Charles-René de Montalembert († 1870). Sie treten für die Ideale des Liberalismus in Staat, Gesellschaft und Kirche ein: Demokratie, Trennung von Staat und Kirche, Religions- und Gewissensfreiheit (durch Gregor XVI. verurteilt!). Gegen die Katholischen Liberalen formieren sich in der Kirche die sog. Intransigenten.

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 - Der Kampf des Papstes gegen die Zeitirrtümer findet einen dreifachen Ausdruck:

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- im Mariendogma (Mariä Unbefleckte Empfängnis) von 1854 (gg. ÷ Naturalismus und ÷ Rationalismus);

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- Im Syllabus (= Zusammenfassung möglichst aller Zeitirrtümer in ihren Spitzenaussagen; Anhang zur Enzyklika Quanta cura) von 1864; höchst problematische Darstellung des Zeitgeistes.

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- Im 1. Vaticanum (1869/70). Erst spät kommt im Schema (= vorbereitender Entwurf) De ecclesia das Problem der päpstlichen Unfehlbarkeit in den Blick, welches später den gesamten Konzilsverlauf dominieren sollte. Nur zwei Themen gelangen zur Schlußabstimmung:

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- Über den Glauben (Konstitution Dei Filius; wichtig: Erkennbarkeit der Existenz Gottes aufgrund menschlicher Vernunft);

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- Über die Kirche (Konstitution Pastor aeternus; wichtig: Bestätigung des Jurisdiktionsprimats und päpstliche Unfehlbarkeit ex sese , non autem ex consensu ecclesiae).

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Abbruch des Konzils und Vertagung sine die wegen des deutsch-französischen Krieges und der anschließenden Einverleibung Roms durch das Königreich Italien.

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 Folgen des Konzils u.a.:

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 - Das Altkatholische Schisma (1873);

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 - Aufkündigung des österreichischen Konkordats von 1855;

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 - in weiterem Sinne auch der sog. ÷ Kulturkampf.

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1.74 Die Kirche in Österreich im 19. Jahrhundert

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- In Österreich hatte die Französische Revolution zunächst keine unmittelbare Auswirkung auf die Kirche gehabt. Der josephinistische Anspruch des Staates, die Kirche seinen Zwecken dienstbar zu machen, besteht zwar fort, hat sich aber seit dem Tod Josephs II. erheblich gemildert.

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- Erst die Revolution von 1848 führt zur Änderung einer Lage, die sich bis dahin wenigstens grundsätzlich an den Vorstellungen des ancien régime orientiert hatte. Von der Presse- und Vereinsfreiheit profitiert auch die Kirche. Seit 1849 tritt die österreichische Bischofskonferenz zusammen (wegen der noch bestehenden josephinistischen Besonderheiten getrennt von der deutschen B.).

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- Trotz Widerständen aus dem liberalen Lager kommt es 1855 zum Abschluß eines Konkordats, das der nachrevolutionären Entwicklung Rechnung trägt und die josephinistischen Relikte im Verhältnis zwischen Staat und Kirche beseitigt. Die im Konkordat noch festgeschriebenen Privilegien der katholischen Kirche werden aber in den folgenden Jahren allmählich zu einer weitgehenden Gleichberechtigung des Protestantismus hin gemildert.

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- Die kleindeutsche Staatenbildung von 1866/70 drängt die Österreicher auch aus dem ÷ Deutschen Katholikentag heraus: Seit 1877 österreichische Katholikentage.

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- Im Gefolge des 1. Vaticanums kommt es 1870 zur österreichischen Aufkündigung des Konkordates. Zwar zeigt sich nun auch in Wien ein liberal geprägtes antikirchliches Klima, ohne daß es deshalb aber zu Auswüchsen wie dem Kulturkampf im Deutschen Reich kommt.

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1.75 Die Kirche in Preußen und im Deutschen Reich (nach 1870)

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- Das Revolutionsjahr 1848 läßt auch den deutschsprachigen Katholizismus nach neuen Organisationsformen suchen:

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 Der deutsche Katholikentag (seit 1868 ohne österr. Beteiligung).

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 Die deutsche Bischofskonferenz (1848 noch unter Salzburger Beteiligung)

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- Die Vergrößerung des Katholikenanteils an der Bevölkerung des nachnapoleonischen Preußen bringt keine entsprechende politische Mitsprache dieser gewachsenen Minderheit mit sich. Daher:

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 - 1852 Gründung der (katholischen) Zentrumspartei.

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- Die Verdrängung Österreichs aus dem Deutschen Bund (der Nachfolge-Organisation des 1806 erloschenen Deutschen Reiches) und die Gründung des 2. Deutschen Kaiserreiches (÷ Wilhelm I., Otto v. Bismarck) verschärfen den Gegensatz zwischen preußisch/ deutscher Regierung und den Katholiken.

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- Diesen Gegensatz nimmt Bismarck zum Anlaß der Entfesselung des Kulturkampfes in Preußen und dem Deutschen Reich (1871-1886/7):

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 - Kanzelparagraph gg. politischen Mißbrauch der Religion (1871),

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- Einführung von Zivilehe, staatlicher Schulaufsicht, staatliche Disziplinargewalt über den Klerus (anstelle des Papstes), finanzielle Eingriffe,

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 - Der Jesuitenparagraph (1917 wieder aufgehoben),

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- allgemein der Versuch des Staates, die katholische Kirche in den Griff zu bekommen und damit die seit 1850 in Preußen herrschende Kirchenfreiheit einseitig zu Lasten der Katholiken wieder rückgängig zu machen.

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Der Kulturkampf Bismarcks scheiterte an der Geschlossenheit zwischen Gläubigen und Hierarchie.

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1.76 Kirche und Staat in Frankreich (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts)

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- Zur Zeit von Restauration und Kaiserreich hatte die französische Kirche noch eine starke Position in Frankreich inne, die aber durch das Ansteigen des Liberalismus und die kirchliche Feindschaft dieser Zeitströmung gegenüber zunehmend auf tönernen Füßen stand. Immerhin reichte der katholische Einfluß hin, um Napoleon III. gegen die politischen Interessen Frankreichs zur militärischen Absicherung der staatlichen Herrschaft des Papstes in Mittelitalien zu nötigen.

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- Nach dem Zusammenbruch des 2. Kaiserreiches (1870) verschärfte sich die Lage. Der katholische Liberalismus war innerhalb der Kirche inzwischen ‚erfolgreich' unterdrückt, und so standen sich die Kirche und der politisch-wirtschaftliche Liberalismus immer feindseliger gegenüber. Wichtigste Konfliktfelder:

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 - Schule

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 - Ehescheidung

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 - Orden (besonders die Jesuiten)

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- Ergebnis: Eine Schule ohne Kirche, Erleichterung der Ehescheidung, Vertreibung der Jesuiten. Am Anfang des nächsten Jahrhunderts gelangt der Konflikt auf seinen Höhepunkt (1904/5):

154
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 - völlige und feindselige Trennung von Staat und Kirche

155
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- Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der französischen Republik.

156
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1.78 Die Kirche und die Soziale Frage

157
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- Seit den Anfängen der Industrialisierung in England um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich zunächst dort, dann auch in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien ein städtisches Proletariat herausgebildet, welches infolge des herrschenden liberalistischen Kapitalismus („Manchesterkapitalismus") unter zunehmender Ausbeutung und Verarmung litt (÷ K. Marx, F. Engels u.a.). Der Streit drehte sich im wesentlichen um die folgenden Punkte:

158
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 - Vereinigungsfreiheit

159
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 - Gerechter Lohn

160
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 - Angemessene Arbeitsverhältnisse.

161
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 Demgegenüber fand die Kirche lange nicht zu einer geschlossenen, systematischen Antwort.

162
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- Erste Versuche zu einer Behebung des Problems begannen mit Privatinitiativen katholischer Unternehmer (Paternalismus), welchen jedoch - da nur vereinzelt realisiert - keine umfassende Geschichtsmächtigkeit zuteil werden sollte.

163
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- Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte man die Wirkungslosigkeit paternalistischer Vorstellungen und versuchte, durch Rückgang auf das Beispiel des Zusammenwirkens von ‚Arbeitgebern' und ‚Arbeitnehmern' in den mittelalterlichen Zünften (ital.: corporazioni) ein entsprechendes Modell für die entstandene Industriegesellschaft zu finden (Korporativismus; Frhr. v. Vogelsang).

164
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- Auf dem 1. Vaticanum war die Soziale Frage als ein Problem, das auf eine gültige kirchliche Antwort wartete, noch nicht einmal im Horizont der Konzilsväter aufgetaucht!

165
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- Die Mitwirkung von Katholiken bei den Gewerkschaften hatte man kirchlicherseits wegen deren Betonung des Klassenkampfes als wesentlichen Prinzips der Menschheitsgeschichte (÷ F. Engels) und ihres atheistisch-sozialistischen Charakters stets abgelehnt. Immerhin gelangte Leo XIII. in seiner Enzyklika Rerum novarum (1891) zur Anerkennung katholischer bzw. christlicher Gewerkschaften, wo sich korporativistische Vorstellungen nicht verwirklichen ließen (Syndikalismus).

166
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1.8 Das 20. Jahrhundert

167
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War das 19. Jahrhundert bestimmt durch den Aufstieg des Liberalismus, so ist das folgende zunächst bestimmt als die Zeit von Nationalismus und Totalitarismus rechter wie linker Prägung. Zwischen beiden die richtige Mitte zu bewahren, fiel der Kirche keineswegs leicht, da viele Bischöfe, einfache Kleriker und Gläubige noch immer nicht zu einer wirklichen Aussöhnung mit der Demokratie gefunden hatten.

168
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- Der 1. Weltkrieg (1914-1918) stellt dabei den Höhepunkt der imperialistischen Konflikte dar und endet mit dem Zusammenbruch der Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn.

169
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- Der im Verlauf des 19. Jahrhunderts in ganz Europa angeschwollene, in den Verliererstaaten nun aber besonders frustrierte Nationalismus führt zum politischen Umsturz und letztlich zum antisemitischen Nationalsozialismus, in Rußland zum Sturz der Monarchie und zur Ausrufung der bolschewistischen Sowjetunion (÷ Lenin, ÷ Stalin). Die so entstandene Neuordnung Europas ist jedoch nur vorläufig.

170
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- Ein erneuter Weltkrieg ist die Folge eines Gemischs aus nationalistischer Enttäuschung und sozialem Elend. An seinem Ende steht der politische Niedergang Europas, der sich bereits 1919 abgezeichnet hatte.

171
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- Zugleich geht auch der politische Kolonialismus zu Ende; in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg werden die meisten der jungen Völker Asiens und Afrikas selbständig. Eine wirtschaftliche Unabhängigkeit dieser Staaten ist damit freilich noch nicht erreicht.

172
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Am Ende des Jahrhunderts bricht mit dem Kommunismus in der Sowjetunion auch der Totalitarismus linker Prägung zusammen. Auch Rotchina versucht, sich allmählich den Neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Hoffnung auf die Verwirklichung der Ziele der Französischen Revolution, übertragen auf die Völker- und Staatengemeinschaft, ist jedoch fragwürdig.

173
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1.9 Die Kirche im 20. Jahrhundert

174
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- Hatte der Pontifikat Leos XIII. (1878-1903) trotz der nach wie vor offenen ‚römischen Frage' der Kirche wieder zu einigem Ansehen auf internationalem Parkett verholfen, so zeigte sich anläßlich der beiden Weltkriege und der wiederholten Aufrufe zum Frieden, daß die so gewonnene Autorität des Hl. Stuhles eine bloß moralische mit geringer politischer Durchsetzungsfähigkeit war. Dieser Zustand dauert bis heute an.

175
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- Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter der ‚Entkolonialisierung' auch in der Kirche. Die Missionsländer werden zunehmend von der personellen Unterstützung durch die europäische Kirche unabhängig. Nicht nur rekrutieren sich Klerus und Hierarchie nunmehr aus eigenen personellen Ressourcen; auch die römische Kurie wird seit Pius XI. immer mehr internationalisiert.

176
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1.91 Die Päpste des 20. Jahrhunderts

177
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- Pius X. (1903-1914) zeichnet sich einerseits aus als Reformer: - Vorarbeiten am 1917 publizierten CIC;

178
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- Betonung des Laienapostolats in der modernen Gesellschaft „unter der Leitung der Hierarchie" (Reaktion auf die gesellschaftliche Marginalisierung der Kirche infolge der Trennung von Kirche und Staat) ÷ 1922: Katholische Aktion;

179
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- 1905/10: Der Papst wünscht den häufigen Kommunionempfang der Erwachsenen bzw. die Kinderkommunion;

180
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 - Kurienreform;

181
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 - Gründung des Bibelinstituts.

182
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- Anderseits verurteilt der Papst 1907nicht nur den Modernismus (÷ A. Loisy), sondern leitet eine „Verketzerungskampagne" (O. Weiß) ein, die in eine unwürdige Überwachung verdächtiger Theologen mündete (÷ Antimodernisteneid von 1910 bis 1967). Wesentliche Anliegen des Modernismus:

183
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 - kritische Erfassung der Glaubensquellen insbesondere n ihrer geschichtlichen Dimension;

184
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- stärkere Einbeziehung des einzelnen Gläubigen und seiner religiösen Erfahrung in die theologische Reflexion;

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- Darstellung der Kirche als mystische Glaubensgemeinschaft, an welche die Hierarchie rückzubinden ist

186
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werden seit der Jahrhundertmitte auch kirchenamtlich rezipiert (Pius XII., Johannes XXIII ÷ aggiornamento).

187
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- 1905 kommt es zur völligen und feindseligen Trennung zwischen Kirche und Staat in Frankreich. Negative Folgen: Fortschreitende Säkularisierung der Bevölkerung (Konfiskation des Kirchenvermögens, Religionsunterricht nicht mehr in den Schulen, keine Studienhäuser der Orden in Frankreich); positive Folgen: größere innerkirchliche Freiheit und Erneuerung (kirchliche Bischofsernennungen, stärkeres Engagement der Katholiken in Staat und Gesellschaft).

188
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- Der Pontifikat Benedikts XV. (1914-1922) ist überschattet vom 1. Weltkrieg und seinen Folgen. Positive Ansätze seines Vorgängers werden aufgenommen und weitergeführt, die Antimodernistenkampagne wird eingestellt. 1917: Muttergotteserscheinung in Fatima.

189
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- Unter Pius XI. (1922-1939) wird die Katholische Aktion gegründet (1922), Konkordate mit Polen, Italien (1929 ÷ Lateranverträge, 1947 von der republik. Verfassung übernommen) und einzelnen deutschen Staaten (1924: Bayern; 1929: Preußen; 1932: Baden) sowie mit dem Deutschen Reich (1933) und Österreich (1933/4). Trotzdem kommt es zu heftigen Spannungen mit den totalitären Systemen in Italien und Deutschland (1937 ÷ Mit brennender Sorge); Verurteilung des Kommunismus (1937 ÷ Divini Redemptoris). - Dem wachsenden Nationalismus stemmt sich die Kirche mit der Einführung des Christkönigsfestes entgegen (1925).

190
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- Der beginnenden ökumenischen Bewegung (seit 1925 Weltkirchenkonferenzen) steht die Kirche distanziert gegenüber (bis 1961).

191
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- 1928: Gründung des Opus Dei auf dem Hintergrund verstärkter kirchlicher Aktivität in Staat und Gesellschaft (vor allem auf sozialem Gebiet).

192
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- Der Pontifikat Pius' XII. (1939-1958) ist gekennzeichnet durch den 2. Weltkrieg, den Zusammenbruch von Faschismus und Nationalsozialismus und den Aufbau der Nachkriegsweltordnung.

193
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- 1947: Mit der Anerkennung der Säkularinstitute durch das kirchliche Recht erweitern sich die Möglichkeiten des gottgeweihten Lebens um eine neue Lebensform inmitten der Welt.

194
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- 1950: erste Dogmatisierung aufgrund der ex-cathedra-Entscheidung des 1. Vaticanums: Aufnahme Mariens in den Himmel

195
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 - 1955: Konkordat mit Franco-Spanien

196
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 - Der Pontifikat Johannes' XXIII (1958-1963) steht im Zeichen der kirchlichen Erneuerung:

197
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- 1959: Ankündigung eines Ökumenischen Konzils (erstmals auch in ökumenischem Geist)

198
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- 1961: Mit der Enzyklika Mater et magistra (1961) nimmt die Kirche Stellung zu Problemen innerhalb der Sozialen Frage, deren Lösung weitgehend durch den einzelnen Staat bzw. die im Staatsgefüge organisierten Arbeitgeber und -nehmer erfolgen kann.

199
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- 1963: In der Enzyklika Pacem in terris (1963) wendet sich der Papst über den Rahmen der kath. Kirche hinaus an „alle Menschen guten Willens" und fordert die Verwirklichung der Menschenrechte als Garanten des Friedens unter den Völkern.

200
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 - 1962-1965: 2. Vaticanum. Die Kirche soll den Erfordernissen ihrer Zeit entsprechen:

201
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 - Liturgie in Volkssprache;

202
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- Die kath. Kirche erkennt weitere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften an und sucht den Dialog mit ihnen;

203
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 - Die Werte nichtchristlicher Glaubensgemeinschaft werden anerkannt und geachtet;

204
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 - Religions- und Gewissensfreiheit werden anerkannt.

205
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- Andere Fragepunkte bleiben auch nach dem Konzil teilweise offen, so z.B. das Verhältnis zwischen Papst und Bischöfen.

206
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 A N H A N G :

207
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 Weitere Päpste:

208
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 - Paul VI. (1963-1978)

209
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 - Johannes Paul I. (1978)

210
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Johannes Paul II. (1978 - feliciter regnans).







211
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2. Kapitel: Die Reformation Luthers (1517-1555)

212
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Literatur:

213
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- D. L. Edwards: Das Christentum. Die Geschichte seiner ersten zwei Jahrtausende, Würzburg 2001, 346-362.

214
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- G. Filoramo - D. Menozzi (Hgg.): Storia del cristianesimo, Bd. 3, L'età moderna, Roma-Bari 1997, 10-31.

215
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- H. Gutschera u.a.: Kirchengeschichte - ökumenisch, Bd. 2, Mainz-Stuttgart 1995, 13-35.

216
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- H. Klueting: Das Konfessionelle Zeitalter 1325-1648, Stuttgart 1989 [für den gesamten, sonst meist zu wenig behandelten Zeitraum zwischen 1555 und 1648].

217
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- F. Martín Hernández: La iglesia en la historia, Bd. 2, Madrid 21992, 99-114.

218
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- Ders.: Historia de la iglesia, Bd. 2, La iglesia en la época moderna, Madrid 2000, 111-141.

219
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- G. Zaggheni: Corso di storia della Chiesa, Bd. 3, L'età moderna, Milano 1995, 58-127.

220
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2.1 Der allgemeine Ruf nach Reform im ausgehenden Mittelalter

221
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Alltagserfahrung von Mißbräuchen in der Kirche:

222
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 - auf der Ebene von Pfarrei und Diözese:

223
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- das Benefizienwesen (lat.: beneficium = die kirchliche Pfründe: ein kirchl. Amt, welches mit Einkünften verbunden ist)

224
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- die Ämterhäufung (Ämterkumulation) und die aus ihr folgende se seelsorgerische Vernachlässigung durch Abwesenheit des Seelsorgers;

225
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 - Klerikerkonkubinat und illegitime Kinder;

226
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 - Fehlende pastorale Berufung der Kleriker.

227
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 - hinsichtlich des Papsttums und der römischen Kurie:

228
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- Historisches Gedächtnis: Niedergang der päpstlichen Autorität seit den Tagen Innozenz' III († 1316): Bonifaz VIII. - Avignoneser Papsttum - Abendländisches Schisma - Konziliarismus;

229
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- Aktuelle Erfahrung: Ekklesiologische Unklarheit bezüglich der päpstlichen Autorität - Kurialer Fiskalismus - moralische Anstößigkeit des Renaissancepapsttums;

230
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 - hinsichtlich der gesamtkirchlichen Lage:

231
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 - unerfüllte Sehnsucht nach Heilsgewißheit;

232
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 - Veräußerlichung der Religiosität und Aberglaube;

233
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- Niedergang der scholastischen Theologie und theol. Unsicherheit in wichtigen Punkten (Ekklesiologie; Buße und Ablaßwesen, allgemeines u. Amtspriestertum).

234
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Daher also der Wunsch nach einem allgemeinen Konzil, erstmals geäußert von Heinrich v. Langenstein (1381: epistola concilii pacis). In diesen Zusammenhang gehören auch die seit der Mitte des 15. Jhs. auf den Reichstagen ständig vorgetragenen sog. gravamina nationis germanicae gegen das kuriale Fiskal- und Prozeßwesen seit der Mitte des 15. Jhs.).

235
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2.2 Martin Luther

236
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2.21 Kurzbiographie in Zahlen (bis zum Beginn der Reformation):

237
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- *1483 in Eisleben, ebd. † 1546.

238
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 - Studium der Philosophie (Nominalismus!) In Erfurt

239
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 - 1505 Eintritt bei den Augustiner-Eremiten

240
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 - 1507 Priesterweihe

241
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- ab 1508 Vorlesungen in Wittenberg, ab 1512 in der theol. Fakultät (zuerst Dogmatik, dann Exegese).

242
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 - 1510 Romfahrt

243
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 - 1515-1517 Krisenjahre

244
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- Problematisierung ockhamistischer Positionen (z.B. das arbiträre Urteil Gottes vs. ethischer Optimismus des Nominalismus)

245
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 - Fehlerhaftes Verständnis der Konkupiszenz

246
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 - Persönliche Faktoren: Depressivität und Überarbeitung.

247
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 - Luthers Deutung von Röm 1,17 (sog. „Turmerlebnis) als Lösung seiner theol. Probleme

248
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- 1517 Veröffentlichung seiner 95 Thesen im Zusammenhang mit der Ablaßpredigt Johann Tetzels (das einkommende Geld sollte teils dem Weiterbau am Petersdom in Rom, teils der Deckung jener Schulden dienen, welche Albrecht von Brandenburg für seine Wahl zum Erzbischof von Mainz auf sich genommen hatte).

249
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- Allgemeine Kritik an der Ablaßpredigt: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt."

250
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- Berechtigte Kritik Luthers an der Ablaßpredigt, weil Tetzel die Notwendigkeit des Gnadenstandes bei der Zuwendung des Ablasses an Verstorbene geleugnet hatte;

251
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- Unberechtigte Kritik: Tetzel habe auch für zukünftige Sünden Ablaß angeboten. - Der Ablaß betreffe allenfalls die im Bußsakrament auferlegte Genugtuung, nicht aber die ewigen Sündenstrafen.

252
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- 1518 Leo X. sieht sich genötigt, den Prozeß gegen Luther zu eröffnen. Politische Rücksichtnahme des Papstes auf Luthers Landesherrn Friedrich den Weisen von Sachsen.

253
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 - 1519 Leipziger Disputation mit Johannes Eck.

254
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 - 1520

255
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 - Luthers Verurteilung durch die Bulle Exsurge Domine

256
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 - Veröffentlichung von vier Schriften Luthers:

257
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 - An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung

258
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 - De captivitate babylonica ecclesiae praeludium

259
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 - Von der Freiheit eines Christenmenschen

260
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 - Adversus execrabilem Antichristi bullam

261
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 - 1521

262
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 - Exkommunikation Luthers

263
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 - Verhängung der Reichsacht auf dem Wormser Reichstag durch Karl V.

264
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Angesichts des Schutzes durch den sächsischen Kurfürsten bleibt beides faktisch wirkungslos (Luther auf der Wartburg). Das liegt auch daran, daß der außenpolitische Konflikt mit Frankreich und dem osmanischen Reich (1526: Schlacht von Mohàcs und Verlust Ungarns; 1529: Türken vor Wien) dem Kaiser im Reich die Hände bindet. Auch das Papsttum steht meist aus politischen Gründen gegen den Kaiser (1527: sacco di Roma). Dies erklärt die schwankende Haltung des Kaisers in der Folgezeit.

265
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2.22 Luthers reformatorische Theologie

266
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- Zentral: die Rechtfertigungslehre, welche jegliche menschliche Mitwirkung am Heilserwerb ausschließt. Rechtfertigung geschieht

267
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- von Gott her gesehen: sola gratia (d.h. ohne vermittelndes Dazwischentreten der Kirche und ‚ihrer' Sakramente ÷ Sakramente sind göttliche Heilsmittel).

268
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- vom Menschen her gesehen: sola fide (d.h. unter Ausschluß der Heilswirksamkeit der guten Werke ÷ Werkgerechtigkeit); es bleibt offen, ob die bloße imputatio bei der Rechtfertigung auf Luther zurückgeht oder auf Melanchthon.

269
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- Die Rechtfertigung ist prozeßhaft zu verstehen (als Auszeitigung im Leben), nicht als Geschenk, das der Mensch dann einfach ‚besitzt'; deshalb ist er nie einfachhin ‚gerecht' ist, sondern immer iustus simul ac peccator.

270
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- Auch wenn der Glaube allein zur Rechtfertigung durch Gott führt, die Werke also keine den Menschen für das Heil disponierende Kraft besitzen, so tut der Gerechtfertigte diese Werke aufgrund der von Gott geschenkten Gnade.

271
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- Dabei bestreitet Luther den argumentativen Wert von Tradition und Lehramt und erkennt allein die Hl. Schrift als Quelle theologischer Erkenntnis an ( sola scriptura ÷ scriptura interpres sui). Auch die menschliche Vernunft wird als Mittel der Gotteserkenntnis stark relativiert.

272
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 - Konsequenzen lutherischer Theologie (außer den schon genannten):

273
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 - Die hl. Messe verliert ihren Charakter als Opfer;

274
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 - Leugnung des Amtspriestertums (÷ allgemeines Priestertum der Gläubigen);

275
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- Reduktion der Sakramente auf Taufe und Eucharistie, welche freilich Wort Gottes im Zeichen sind, wobei Gott im gläubigen Hören sein Heil dem einzelnen schenkt (keine kirchliche Heilsvermittlung).

276
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 - De facto: Abschaffung der Beichte.

277
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2.23 Politische, soziale und religiöse Gründe für das weitere Vordringen der Reformation im Reich:

278
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- die Krise des Rittertums;

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 - der Aufstieg der freien Reichsstädte und des Bürgertums;

280
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 - das Angebot der Herrschaft über die eigene Landeskirche an die Fürsten;

281
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 - die Bewegung der Schwärmer;

282
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 - die Bewegung der Wiedertäufer;

283
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 - Der Bauernaufstand von 1524/25 und Luthers Schwenk zu den siegreichen Fürsten;

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2.24 Weiterer Verlauf der Reformation

285
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- 1521-1525: Zeit sozialer Unruhen

286
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 - 1525-1542: Phase der Verhandlungen

287
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- 1526: Der Reichstag von Speyer stellt den Vollzug der Wormser Beschlüsse ins Gutdünken der Fürsten (Krieg gegen Franzosen und Türken!) ÷ faktische Toleranz der Konfessionsverschiedenheit

288
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- 1529: Der neuerliche Reichstag von Speyer verbietet jede religiöse Neuerung im Reich bis zum Zusammentritt eines allgemeinen Konzils (wegen des Protestes gegen diesen Beschluß ÷ ‚Protestanten')

289
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- 1530: Der Reichstag von Augsburg: Melanchthon legt die relativ gemäßigte Confessio Augustana vor („ tota dissensio est de paucis quibusdam abusibus"). Dennoch bleiben u.a. folgende Punkte kontrovers:

290
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 Dogmatisch:

291
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 - die Rechtfertigung sola fide;

292
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 - der institutionelle Charakter der Kirche;

293
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 - allgemeines Priestertum vs. Amtspriestertum;

294
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 - Transsubstantiation oder Konsubstantiation;

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 - Bußpraxis;

296
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 - Heiligenverehrung.

297
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 Disziplinär:

298
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 - Kommunionempfang unter einer Gestalt;

299
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 - Amtszölibat;

300
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 - Die Ordensgelübde;

301
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 - Kirchliche Vorschriften zu Fasten und Abstinenz;

302
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 - Die Reduktion der bischöflichen Gewalt auf disziplinäre Vollmacht.

303
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Ablehnung der Confessio Augustana durch Kaiser Karl V. (Augsburger Abschied): Erneuerung der Acht gegen Luther und Forderung nach Rückerstattung der eingezogenen Kirchengüter.

304
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1531 (-1547): Schmalkaldener Bund: Vereinigung der meisten lutheranischen Fürsten und Reichstädte. Trotz militärischer Niederlage des Bundes bei Mühlberg (1547) und anschließenden Auseinanderbrechens des Bundes hat dieser doch für die Anfangszeit die Reformation Luthers im Reich geschützt und politisch ermöglicht.

305
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- 1542-1555: Kriegerische Auseinandersetzungen, die Karl V. aber trotz militärischen Erfolges politisch nicht nutzen kann. Daher:

306
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 - 1555: Augsburger Religionsfriede (÷ Kap. 1).

307
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Dieses Status-quo-Abkommen beendete einerseits die militärischen Auseinandersetzungen aus Glaubensgründen, vertiefte und verewigte anderseits aber die konfessionellen Gräben zwischen den deutschen Staaten.

308
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Das Vordringen der Gegenreformation (Jesuiten, Kapuziner, Tridentiner Reformen) in katholisch beherrschten Gebieten weckt protestantischerseits Befürchtungen um den Fortbestand der Reformation im Reich.

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Dabei verbinden sich konfessionell begründetes gegenseitiges Mißtrauen (Abschluß militärischer Bündnisverträge: protestantische ‚Union' und katholische ‚Liga') immer stärker mit politischer Motivation. Dies macht der

310
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1618-1648 Dreißigjährige Krieg deutlich: Der Konflikt zwischen böhmischem Freiheitswillen und Habsburger Zentralismus findet zunächst noch seine religiöse Spiegelung im Gegensatz zwischen dem hussitisch beeinflußtem, reformierten Christentum der meisten böhmischen Adligen zum römischen Katholizismus der habsburgischen Krone. Doch im Verlauf des Krieges tritt von beiden Elementen die Machtpolitik immer stärker in den Vordergrund: zunächst durch die Einflußnahme außerdeutscher Mächte, dann durch Bündnisse über die Konfessionsgrenzen hinweg (Frankreichs Auftreten im Bündnis mit Schweden und den deutschen Protestanten, aber auch die Allianz zwischen Kaiser Ferdinand III. und bestimmten protestantischen Fürsten im Reich).

311
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1648: Der Doppelfriede von Münster und Osnabrück endet infolge allgemeiner Erschöpfung der militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen. Wesentliche Änderungen über den Augsburger Friedensschluß von 1555 hinaus sind für das Verhältnis der Konfessionen im Reich kaum zu konstatieren, wenn man davon absieht, daß die Reformierten neben Katholiken und Lutheranern als eigenständige Konfession anerkannt werden. Das nicht reichsunmittelbare Kirchengut sollte festgeschrieben werden auf dem Zustand vom Jahr 1624.

312
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In den kommenden Jahrhunderten sollte das deutsche Reich in zwei Teile gespalten bleiben, die nur sehr schematisch folgendermaßen gekennzeichnet werden können:

313
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- Im Süden herrscht der Katholizismus vor (österreichische Erblande, Bayern, aber auch der größte Teil des heutigen deutschen Südwestens: reichsunmittelbare Klöster und Städte);

314
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- Im Norden Deutschlands findet sich katholische Herrschaft fast ausschließlich im Gebiet der großen Bistümer, die nicht der Reformation anheimfallen (Köln, Trier, Münster, Paderborn).

315
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- Auch in der Mitte Deutschlands bleiben im wesentlichen nur die Bistümer Würzburg und Bamberg sowie die Reichsabtei Fulda katholisch.

316
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 - Vgl. H. Jedin: Atlas zur Kirchengeschichte, Freiburg/Br. 1970, S. 92 a und b.

317
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- Im gesamteuropäischen Rahmen läßt sich eine Dreiteilung feststellen: Der Osten und Südosten Europas gehört zur orthodoxen Kirche (sofern er nicht islamisch ist): der Süden ist katholisch (italienische Staaten, Spanien, Portugal, Frankreich, die spanischen Niederlande [etwa das heutige Belgien] und der größere Teil Irlands (im Süden der Insel); England ist anglikanisch, Schottland, die Niederlande und große Teile der Schweiz sind reformiert, während sich der skandinavische Norden zum Lutheranertum bekennt.

318
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 - Vgl. H. Jedin: Atlas zur Kirchengeschichte, Freiburg/Br. 1970, S. 93.

319
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Der Toleranzgedanke hatte zwar nicht an der Wiege des Westfälischen Friedens Pate gestanden, in der Folgezeit wußte man aber, daß es ein Zurück hinter die Reformation nicht mehr geben würde. Politik und Krieg hatten gezeigt, daß sie nicht in der Lage waren, die Kircheneinheit wiederherzustellen. Man mußte also lernen, miteinander auszukommen, und es sollte sich zeigen, daß dies ein schwieriger Lernprozeß sein würde.

320
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3. Kapitel: Die Erneuerung der Kirche im 16. Jahrhundert

321
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Literatur:

322
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- W. Becker u.a. (Hgg.): Die Kirche in der deutschen Geschichte, Stuttgart 1996, 299-355.

323
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 - G. Bedouelle: Die Geschichte der Kirche, Paderborn 2000, 125-131.

324
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- D. L. Edwards: Das Christentum. Die Geschichte seiner ersten zwei Jahrtausende, Würzburg 2001, 385-403.

325
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- G. Filoramo - D. Menozzi (Hgg.): Storia del cristianesimo, Bd. 3, L'età moderna, Roma-Bari 1997, 153-188.

326
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- H. Gutschera u.a.: Kirchengeschichte - ökumenisch, Bd. 2, Mainz-Stuttgart 1995, 36-47

327
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- F. Martín Hernández: La iglesia en la historia, Bd. 2, Madrid 21992, 83-98.133-169.

328
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- Ders.: Historia de la iglesia, Bd. 2, La iglesia en la época moderna, Madrid 2000, 55-109.165-217.

329
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- G. Zagheni: Corso di storia della Chiesa, Bd. 3, L'età moderna, Milano 1995, 34-57.176-209.

330
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Die zentrale Frage lautet: Brauchte die Kirche zu ihrer eigenen Erneuerung erst den Druck seitens der Reformation oder hätte sie auch aus eigener Kraft zu einer Selbstreinigung gefunden?

331
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3.1 Von der Reformation unabhängige Erneuerungsbewegungen

332
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3.11 Die Kirche in Spanien

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In der spanischen Kirche gab es eine umfassende Erneuerung, welche sich dem strikten Zusammenwirken von Königtum (" los reyes católicos") und Kirche verdankte. Wegbereiter der kirchlichen Erneuerung in Spanien waren vor allem die Kardinäle Mendoza und Ximenes de Cisneros. Erneuerungsansätze, die von der Basis her kamen, wurden von der Krone aufgenommen und gebündelt:

334
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 - Reform der Orden während des 15. und 16. Jahrhunderts;

335
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- Teilweise Vorwegnahme der Tridentiner Diözesanseminare in den spanischen Universitätskollegien; damit zusammenhängend:

336
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 - Hebung der Bildung des Klerus bei gleichzeitiger religiöser Formung;

337
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- Gelungener Ausgleich zwischen mittelalterlicher Scholastik und dem aufkommenden Humanismus (÷ das 16. Jahrhundert wird so zum siglo de oro für Spaniens Kultur; der christliche Humanismus findet in Spanien seinen stärksten Rückhalt);

338
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- Reform der Theologie (÷ der Kanonist F. de Vitoria O.P. und der Dogmatiker Melchior Cano O.P. - Nicht zufälligerweise werden viele der maßgeblichen Tridentiner Theologen Spanier sein);

339
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- Anwendung des humanistischen Prinzips Ad fontes auf die Theologie (÷ Lektüre der Hl. Schrift, der Konzilien und Väter in den Originalsprachen);

340
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- Förderung einer spirituellen Literatur in der Volkssprache durch die Krone und die Bischöfe;

341
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 - Durchsetzung der Residenzpflicht der Bischöfe;

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 - Beschneidung der ausgeuferten Exemtionen der Religiosen.

343
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 Negativ bleibt im Zusammenhang mit der innerkirchlichen Erneuerung in Spanien zu vermerken:

344
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- Bedeutsames, wenngleich für spätere Zeiten nicht unbedenkliches Element der Kirchenreform war das königliche Präsentationsrecht im Falle einer bischöflichen Sedisvakanz;

345
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- Wirklich problematisch ist aber die Errichtung der spanischen Inquisition (1492): An die Stelle der praktisch bedeutungslosen mittelalterlichen Bischofsinquisition tritt jetzt eine zentral gelenkte Bürokratie, welche zunächst auf Juden und muselmanische Mauren abzielt, später aber auch im Falle des innerkirchlichen Häresieverdachtes tätig wird. Durch das königliche Ernennungsrecht des Großinquisitors wird die ÷ spanische Inquisition vor allem zu einem politischen Instrument der Krone bei der Einigung Spaniens auf der Grundlage der Glaubenseinheit. Auch wenn zum Verständnis dieser Institution sicher zu sagen ist, daß die Zeitgenossen in nur scheinbaren oder oberflächlichen Konversionen eine fundamentale Gefahr sowohl für Glauben und Kirche als auch für die Einheit und den Bestand des Staates sahen, können Tortur und Todesstrafe (auch wenn beides auch im üblichen damaligen Prozeßrecht die Regel war) im Namen der christlichen Religion nie gerechtfertigt werden.

346
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Insgesamt muß für die Kirche Spaniens aber doch festgestellt werden: Wären überall in Europa ähnliche Ansätze in gleicher Weise durch die Spitzen der Hierarchie und in Zusammenarbeit mit den Regierenden aufgenommen und gefördert worden wie in Spanien, so hätte sich eine Reformation nirgends durchsetzen können und überall erübrigt.

347
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3.12 Erneuerungsbestrebungen im Laientum

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Örtlich bilden sich im 15. Jahrhundert verschiedentlich Laiengemeinschaften, welche sozial-caritatives Engagement mit eucharistischer Frömmigkeit zu verbinden versuchten. Vor allem in den zahlreichen italienischen Städten blühten die sog. compagnie, deren Mitglieder nach außen unbekannt blieben, um nicht mit ihrer Frömmigkeit zu prunken, und die regelmäßige Beichte, Kommunion und sonstiges geistliches Leben mit persönlichem Einsatz für Arme und Kranke verbanden. Gerade aus diesen compagnie kamen dann auch weitere Erneuerungsinitiativen, die freilich zumeist nicht den örtlichen, allenfalls regionalen Rahmen überschritten.

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3.13 Vereinzelte bischöfliche Initiativen

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Zweifelsohne gabe es auch vereinzelt Bischöfe, denen an einer tiefgreifenden Erneuerung des kirchlichen Lebens gelegen war. Hier nur wenige Beispiele, die für zahlreiche andere stehen mögen:

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- Nikolaus von Kues (1401-1464): Als Bischof von Brixen wie als päpstlicher Legat in Mitteleuropa setzt er sich ein für die Hebung des kirchlichen Lebens; er veranlaßt und besucht Synoden, visitiert Klöster, setzt sich für die Einheit der Kirche ein und bemüht sich gerade im Zusammenhang mit dem Jubeljahr 1450 um die Kirchenreform in denjenigen Ländern, die er im Auftrag Papst Nikolaus' V. bereist.

352
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- Gian Matteo Giberti (1495-1543) kam aus dem römischen Oratorium und hatte zunächst unter drei Päpsten an der römischen Kurie gedient, bevor er als Bischof von Verona sich um die kirchliche Erneuerung in seinem Bistum sorgte. Dabei ließ er sich nicht - wie vielfach üblich - durch Vikare vertreten. Insbesondere die Ausbildung und geistliche Formation seines Klerus lag ihm am Herzen; die Veroneser Priesterbildung liegt dem Tridentiner Seminarwesen modellhaft zugrunde.

353
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- Francisco Ximénes de Cisneros (1436-1517) sorgte für die Erneuerung des Ordenslebens und die Hebung von Bildung und geistlicher Formation des Diözesanklerus in seiner Diözese Toledo und in ganz Spanien (÷ 3.11).

354
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Am Beispiel des letzeren wird deutlich, woran es dem lateinischen Christentum zu Ausgang des Spätmittelalters insbesondere fehlte: Obwohl es durchaus vereinzelte Initiativen zur Erneuerung der Kirche gab, blieben reformorientierte Bischöfe in der Minderheit, und dort, wo es sie gab, fehlte es an Interesse seitens des Papsttums und der Regierenden, diese Initiativen aufzunehmen und sich zu eigen zu machen.

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3.14 Erneuerung verschiedener Ordensgemeinschaften

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Hier sind zu unterscheiden

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- die älteren, in autonomen Klostergemeinschaften lebenden Orden (Benediktiner, Augustiner-Chorherren): Hier hing jegliche Reform von der einzelnen Gemeinschaft und deren jeweiligen Oberen ab. Auf Erneuerung bedachte Gemeinschaften fanden sich auf der Grundlage des Bemühens um genauere Observanz zu Kongregationen (im deutschen Sprachraum: die Bursfelder Kongregation) zusammen.

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- die späteren, stärker zentralisierten Orden (Franziskaner, Augustiner-Eremiten und Karmeliten) wurden dagegen durch das Nebeneinander von reformbereiten und -unwilligen Elementen fast zerrissen; dies gilt insbesondere für die franziskanische Ordensgemeinschaft: 1517 führte dies zur Trennung in Konventualen und Observanten; von letzteren sollten sich dann 1619 noch die Kapuziner abspalten, welche die Treue zum ursprünglichen Charisma des Ordens noch einmal verschärften. Lediglich den Dominikanern gelang eine Erneuerung ohne Spaltung (das Verdienst des ÷ Tommaso de Vio, gen. Kajetan).

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Wenngleich also keine Rede davon sein kann, daß zur Zeit Luthers das Ordensleben sich auf einem Tiefpunkt befunden habe (Luther selbst war in einen reformierten Konvent der sächsischen Ordensprovinz der Augustiner-Eremiten eingetreten!), so ist es doch auch wahr, daß das Bestreben um eine von innen kommende Erneuerung des Ordenslebens auch auf massive Widerstände traf.

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3.15 Die Gründung neuer Ordensgemeinschaften

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Das 16. Jahrhundert ist ein Zeitalter der Ordensneugründungen, welche zumeist nicht im Zusammenhang mit der im Deutschen Reich stattfindenden Reformation, wohl aber mit dem Ziel einer Erneuerung des Ordenslebens gesehen werden müssen. Waren schon die Mendikanten, besonders der Dominikanerorden, nicht nur auf das Ziel der Selbstheiligung hin gegründet worden, wie dies charakteristisch ist für das antike Mönchtum und das Klosterleben der Spätantike und des Frühmittelalters, so gilt für die Ordensgemeinschaften der frühen Neuzeit in besonderem Maße die apostolische Zielsetzung, welche mit der Selbstheiligung nun Hand in Hand einhergeht, ja geradezu im Apostolat selbst zu finden ist (Regularkleriker).

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Typischer Vertreter dieser Neuerung ist der Jesuitenorden des Ignatius v. Loyola (Bestätigung durch Paul III. im Jahr 1540):

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- Verzicht auf jegliche Form des monastischen Lebens im Dienst des Apostolats (kein Chorgebet und kein Habit);

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- Zentralisierung der Ordensleitung (Generalkongregation und Ordensgeneral) als Gegengewicht gegen die gewachsene Flexibilität;

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- Ordenstypisch: das (4.) Gelübde des Papstgehorsams und die fehlende Spezialisierung auf bestimmte Apostolatsfelder.

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Andere Männerorden aus dieser Zeit: Teatiner, Oratorianer, Barnabiten, Somasker und Kamillianer, alles Gründungen des 16. Jahrhunderts, denen zwar die Bedeutung des Jesuitenordens für die Kirchengeschichte versagt blieb, die aber nichtsdestoweniger den Geist der innerkirchlichen Erneuerung deutlich zum Ausdruck bringen.

367
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Als Frauenorden entstehen in dieser Epoche die Ursulinen der hl. Angela Merici, die Vinzentinerinnen ( Filles de la charité), eine Gründung des hl. Vinzenz v. Paul, die Englischen Fräulein der Mary Ward oder die Salesianerinnen (Schwestern von der Heimsuchung Mariä) des hl. Franz Sales und der hl. Johanna Franziska Chantal. Die Frauenorden tun sich aber noch schwerer als die Männer, die neue Form des gottgeweihten Lebens im Apostolat zu verwirklichen. Lange Zeit scheitert der Versuch, Ordensgemeinschaft zu sein und zugleich ein Leben ohne Klausur zu führen.

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3.16 Humanismus und devotio moderna

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Wennschon die Rückkehr zur Kultur der heidnischen Antike das zentrale Anliegen des Humanismus darstellt, schließt diese doch nicht bei allen Anhängern auch eine Bejahung der heidnischen Wertvorstellungen mit ein. Zahlreiche Humanisten wollen auch zurückkehren zur Welt der christianisierten Spätantike, zur Lektüre der Hl. Schrift in ihrem originalen Wortlaut (Hebräisch eingeschlossen) und zu den Kirchenvätern, deren Werke jetzt zusammen mit denen heidnischer Autoren erste wissenschaftliche Editionen erfahren (÷ Buchdruck). Hierhin gehören Namen wie diejenigen des Desiderius Erasmus von Rotterdam (1469?-1536), Jacques Le Fèvre d'Étaples (Stapulensis; ca. 1455-1536), Guillaume Briçonnet (Bischof von Meaux, 1470-1534), und Thomas More (Morus, 1477-1535).

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Vielfach verbindet sich dieser christliche Humanismus mit einer noch aus dem 14. Jahrhundert stammenden Frömmigkeitsbewegung, der devotio moderna. Diese hatte sich abseits der Schultheologie und in bewußter Abkehr von dieser entwickelt und zielte auf die persönliche religiöse Erfahrung, welche sich gründete in Schriftlesung und Askese. Ihr Anliegen tritt am deutlichsten in der Imitatio Christi (Verfasser unsicher) hervor.

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Abschließend bleibt zu sagen: Vor Luthers Reformation und unabhängig von dieser gab es zahlreiche Ansätze zu einer innerkirchlichen Erneuerung. Das 5. Laterankonzil (1512-1517), auf welchem tatsächlich grundlegende Reformprogramme vorgelegt wurden, hätte die letzte Chance geboten, die Kirche unter Bewahrung ihrer inneren Einheit zu reformieren (÷ Ägidius v. Viterbo, Paolo Giustiniani, Pietro Querini). In erster Linie war es Schuld der damals regierenden Päpste Julius' II. und Leos X., dann aber auch der gesamten römischen Kurie und des Großteils der kirchlichen Hierarchie sowie der damals Regierenden, wenn das Konzil in den guten Ansätzen stecken blieb.

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3.2 Das Papsttum zwischen Renaissance und Kirchenreform

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Das Papsttum der Renaissancezeit war äußerst reformunwillig. Wenn Julius II. das 5. Laterankonzil einberufen hatte (1512), so geschah dies nicht in der Absicht, eine innerkirchliche Erneuerung in die Wege zu leiten, sondern um dem französischen König und der von ihm installierten antipäpstlichen Synode zu Pisa (1509) den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wenngleich die Päpste der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Sittenlosigkeit Alexanders VI. Borgia (1492-1503) nicht nachahmten, waren sie doch alles andere als von der geistlichen Sorge um das Heil der Gläubigen umgetriebene Seelenhirten:

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- Alexander VI. Borgia (1492-1503) übertraf an Sittenlosigkeit alles bisher Dagewesene und stach im übrigen auch durch seinen Nepotismus hervor (mit letzterem stand er aber keineswegs allein in der Reihe der Päpste).

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- Julius II. (1503-1513), ein gewalttätiger Charakter, war vor allem Politiker und Feldherr und kannte nur zwei große Ziele: die Verschönerung Roms und die Wiederherstellung der päpstlichen Autorität im Kirchenstaat. Er hätte die notwendige Energie zur Kirchenreform wohl besessen, wenn er diese nicht für die Verwirklichung anderer Interessen gebraucht hätte.

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- Leo X. (1513-1521) war ein völlig verweltlichter, kunstliebender Mäzen, zugleich blind für die Tragweite der kirchlichen Ereignisse im Deutschen Reich.

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- Hadrian VI. (1521-1523) regierte zu kurz, um die von ihm gewollte Reform der Kirche, beginnend beim Haupte, durchsetzen zu können.

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- Clemens VII. (1523-1534): ein Zauderer und ein Feind des Kaisers ohne Fortüne (÷ 1527 Sacco di Roma). Das Mißtrauen gegenüber Karl V. war ihm hinreichendes Motiv dafür, nichts zu unternehmen, das dem Kaiser im Reich Entlastung verschafft hätte.

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- Paul III. (1534-1549): Er erkannte die Notwendigkeit der kirchlichen Erneuerung und setzte, wenn auch manchmal nur zögernd, die ersten Schritte zu deren Verwirklichung. Mit ihm beginnt eine Neuorientierung der Kurie durch eine reformerische Tendenz bei der Erhebung neuer Kardinäle, Förderung der Ordensreform (÷ 1540: Bestätigung der Gesellschaft Jesu), Gründung der ÷ römischen Inquisition (1542) und durch Einberufung und Eröffnung des Trienter Konzils (1545), ohne daß der Papst in seinem persönlichen Lebensstil entsprechende Konsequenzen gezogen hätte. Er war und blieb durch und durch ein Renaissancefürst, behaftet vor allem mit dem typisch päpstlichen Übel des ÷ Nepotismus.

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Das Papsttum war während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts viel zu sehr verweltlicht, als daß ihm das geistliche Wohl der Kirche am Herzen gelegen hätte. Ein Umschwung läßt sich erst mit Paul III. feststellen und vollzieht sich auch dann, was die Spitze der Hierarchie angeht, erst langsam. "Wir wollen unsere ganze Kraft daran setzen, daß ganz zu allererst sich diese (d.h. die päpstliche) Kurie reformiert, von der sich wahrscheinlich dieses Übel herleitet, damit ebenso, wie sich von ihr die Verderbnis auf alle Untertanen ausgebreitet hat, sich auch von ihr das Heil und die Reform aller ausbreite", so lautete die Instruktion, welche Hadrian VI. seinem Nuntius für Deutschland übermittelte. Klarer waren die Ursachen für das rasche Umsichgreifen der Reformation nicht zu beschreiben, und erst auf dem Hintergrund einer solchen Einsicht wurde es möglich, daß charismatische Ansätze zur innerkirchlichen Erneuerung nicht mehr regional beschränkte Ereignisse blieben, sondern von oben her institutionell gefördert und gesichert wurden.

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3.3 Das Trienter Konzil (1545-1563)

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Zwischen dem ersten reformatorischen Auftreten Luthers, dessen Wirkungen sich schon in den allernächsten Jahren im ganzen Deutschen Reich zeigten, und der kirchlichen Antwort durch das Tridentinum verging kostbare Zeit. Warum?

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- Etwa die Hälfte der Zeit herrschte in verschiedenen Phasen Krieg zwischen dem Kaiser und dem französischen König, wodurch ein Zusammentreten des Konzils unmöglich gemacht wurde.

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- Die Päpste und die römische Kurie zögerten teils aus Sorge vor einem Wiedererstarken des ÷ Konziliarismus, teils aus Furcht vor dem Verlust bestehender Privilegien und aus Reformunwilligkeit.

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- Dem französischen König (und teilweise auch dem Papst) war nicht an einer Entlastung des Kaisers, wie sie eine Einigung mit den Protestestanten im Reich gewesen wäre, aus politischen Gründen gelegen.

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Paul III. hatte bereits zweimal das Konzil einberufen; beide Male war es wegen eines inzwischen ausgebrochenen Krieges dann doch nicht zustande gekommen. Auch als es 1545 schließlich auf dem Boden des Deutschen Reiches, zu dem Trient damals noch gehörte, zusammentrat, war es nur schwach beschickt. Hinter dem Konzil stand ein doppeltes Interesse:

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- Der Kaiser hatte wenig Hoffnung auf Lösungen dogmatischer Streitfragen, versprach sich aber viel von einer disziplinären Reform;

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- Dem Papst war an der Gewinnung dogmatischer Klarheit gelegen, weniger an einer Reform der Sitten von Hierarchie und Klerus.

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Man einigte sich daher schließlich auf ein Zug-um-Zug-Verfahren: es sollten jeweils ein doktrinärer und ein disziplinärer Streitpunkt erledigt werden. Das Konzil vollzog sich in drei Phasen:

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- 1545-1547: Das Konzil trat unter dem Vorsitz päpstlicher Legaten zusammen. Nur ganz spärlich beschickt - es fehlten insbesondere Vertreter der deutschen Protestanten - mußte es sich zunächst eine Verfahrens- und Tagesordnung geben.

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Verabschiedet wurde das Dekret über Schrift und Tradition: Gegen das lutherische Prinzip sola scriptura wurde das Gewicht der kirchlichen Lehre (Tradition und Lehramt) betont, wobei deren Verhältnis zur Schrift eher unklar blieb (÷ Gefahr zweier voneinander getrennter Offenbarungsquellen). Der Umfang des Kanons der Hl. Schrift wurde angesichts der Einstufung mancher biblischer Schriften durch Luther als ‚apokryph' authentisch festgelegt und die lateinische Übersetzung der sog. Vulgata als authentischer Text anerkannt. Des weiteren wurden mit den Dekreten über die Erbsünde, die Rechtfertigung und die Sakramente zu zentralen Punkten lutherischer Theologie die katholische Stellung verdeutlicht.

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In disziplinärer Hinsicht wurden Schriftauslegung und Predigttätigkeit in den Diözesen neu geregelt und die Residenzpflicht sowie das Verbot der Benefizienkumulation eingeschärft.

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Wegen Ausbruchs der Pest wurde das Konzil 1547 nach Bologna verlegt. Obwohl die Theologen dort bereits ihre Arbeit aufgenommen hatten, scheiterte eine fruchtbare Fortführung der Konzilsarbeit aber am kaiserlichen Protest. Schließlich kam es 1549 zur Suspension des Konzils. Der Tod des Papstes rief eine weitere Verzögerung hervor, und erst zu Ende des Jahres 1550 wurde das Konzil erneut nach Trient einberufen.

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- 1551-1552: Obwohl die Kurienreform unter Julius III. kaum Fortschritte machte, wurde die Konzilsarbeit tatsächlich wieder aufgenommen. Dekrete über die noch verbliebenen Sakramente machten im Wesentlichen die dogmatische Arbeit aus, wohingegen man sich bezüglich der kirchlichen Disziplin über die Autorität der Bischöfe und über die Sitten des Klerus einigte.

395
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- Die Ankunft von Vertretern einiger protestantischer Reichsstände weckte zunächst Hoffnungen auf eine mögliche kirchliche Einigung, die sich aber angesichts ihrer Forderungen bald zerschlugen. Der Krieg im Reich und das zeitweise Vordringen der Protestanten in den Süden des Reiches führten zur erneuten Suspension des Konzils.

396
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- 1561-1563: Erst nach dem Tod Pauls IV. (1559) ergab sich eine Chance auf Wiederaufnahme der Konzilstätigkeit, da dieser das Konzil als geeignete Maßnahme zur Erneuerung der Kirche verworfen hatte. Erst der Nachfolger Pius IV. setzte sich unter dem Einfluß seines Neffen Carlo Borromeo für den Fortgang des Konzils ein. Dabei blieb zunächst unklar, ob es sich um eine Wiederaufnahme handelte, wofür sich der spanische König aussprach, oder um die Einberufung eines neuen Konzils, was neben dem Kaiser auch der französische König befürwortete. Die Einberufungsbulle blieb dementsprechend vage.

397
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Zunächst wurden die beiden Dekrete über die Kommunion (nicht unter beiderlei Gestalten notwendig) und über die hl. Messe (Latein, aber volkssprachlicher Zugang zum Meßgeschehen). Offen blieb die Frage nach dem ius divinum der Verpflichtung der Bischöfe zur Residenz innerhalb ihres Amtsbereiches und der bischöflichen Jurisdiktion. Auch das Amtspriestertum und dessen sakramentaler Charakter wurden vom Konzil entgegen der reformatorischen Lehre definiert. Es folgten die Vorschrift zur Errichtung der Diözesanseminarien, eine Verschärfung der Residenzpflicht, eine Dekret über die Auswahl der Priesteramtskandidaten sowie Bestimmungen zur regelmäßigen Abhaltung von Diözesan- und Provinzialsynoden, zur Bistumsvisitation, zur Reform der Kapitel, zur Auswahl der Pfarrer und nochmals das Verbot der Benefizienkumulation.

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Nicht behandelt wurde die Reform der römischen Kurie; diese hatte sich der Papst selbst vorbehalten.

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Die Klandestinehen wurden verboten; die juridische Form einer öffentlichen Eheschließung wurde für konstitutiv für das Zustandekommen des Ehesakramentes erklärt. Bevor das Konzil schloß, kamen auch noch weitere in der Reformation strittige Punkte zu ihrer authentischen Klärung: Fegefeuer und Ablaßwesen, Heiligenverehrung und Ordensleben.

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Nach achtzehn Jahren war damit das Konzil an sein ordnungsgemäßes Ende gelangt. Sein ursprüngliches Ziel, die Kircheneinheit im Deutschen Reich wiederherzustellen, hatte sich nicht verwirklichen lassen, denn dafür waren die religiösen Gräben bereits zu tief aufgerissen, und politische Erwägungen hatten sie bereits verfestigt, bevor das Konzil zu seiner ersten Sitzung zusammentrat. Nur hinsichtlich der Erneuerung in jenem Teil der Kirche, der mit dem Papst verbunden blieb, konnte das Tridentinum daher wirksam werden. Auch diese Implementierung geschah nicht auf einen Schlag, sondern wurde - je nach Territorium - zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichem Ausmaß verwirklicht.

401
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Die Bedeutung des Konzils erklärt sich aus seiner Leistung auf dem Gebiet der Klärung des Dogmas und der Widerherstellung der kirchlichen Disziplin. Dadurch wurde die Fähigkeit der Kirche bewiesen, eine ungeheure Herausforderung anzunehmen und zu bewältigen; sowohl unter theologischer wie unter disziplinärer Rücksicht ging sie - trotz des Verlustes großer Gebiete Europas - gestärkt aus der Krise der Reformation hervor. So beginnt mit dem Tridentinum eine Epoche, welche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil reicht.

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3.4 Innerkirchliche Erneuerung und Gegenreformation

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Hat die Kirche in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine wirkliche innere Erneuerung erfahren? Oder blieb es nicht bei Retuschen an der Oberfläche? Die Beantwortung dieser Frage ist festzumachen an H. Jedins Unterscheidung von innerkirchlicher Reform und Gegenreformation. Während die erste einen eher charismatischen Aufbruch von unten her bezeichnet, ist unter dem Begriff der ‚Gegenreformation' die oftmals recht juridisch wirksame Reaktion der - kirchlichen wie katholisch-staatlichen - Leitungsgewalten zu verstehen. Die Eingangsfrage wäre zu verneinen, wenn das gegenreformatorische Element sich an die Stelle einer charismatischen Erneuerung gesetzt hätte. Das Ergebnis wäre dann eine institutionell gesicherte Veräußerlichung des Katholizismus gewesen, die lediglich im Aufblühen barocker Kultur ihren Ausdruck gefunden hätte.

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Wir hatten bereits gesehen, daß die innerkirchliche Erneuerung zwar schon vor Luther erste Ansätze gezeigt hatte. Nichtsdestoweniger bleibt festzuhalten, daß zunächst keiner von ihnen über den Charakter eines örtlich und/oder zeitlich befristeten Ereignisses hinauskam, da ihm von oben her keinerlei Reformwille entsprach, der diesem Anfangsstadium zukunftweisende Dauer hätte verleihen können (÷ 3.1 am Ende).

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Dies ändert sich erst seit der Zeit Pauls III. und des Tridentinums. Der Reformwille erfaßte allmählich die Kirche auch von ihrem Haupte her und gestaltete sie wirklich um, entsprechend den Erfordernissen ihrer Zeit. Kernfragen reformatorischer Theologie hatten nunmehr ein gültige Antwort erhalten: Kirche und Sakramente, Meßfeier und Bußwesen, sakramentales Priestertum und Schriftverständnis waren auf ein vertieftes theologisches Fundament gestellt worden. Die Kirchenzucht wurde nunmehr Schritt für Schritt erneuert, und es wäre zu kurz gegriffen, wollte man diese Reformen nur in den Bereich der Sozialdisziplinierung verweisen. Hierhin gehören sicherlich die Zwangsmaßnahmen gegen religiöse Dissidenten seitens des ‚katholischen Staates' ebenso wie kirchliche Zensur und ÷ Inquisition und wie das nun einsetzende barocke Gepränge, das nicht nur die Kirche und Liturgie, sondern das ganze Leben der Gläubigen durchzog (Feste, Wallfahrten, Heiligen- und Reliquienverehrung u.a.m.).

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Und doch erschöpft sich damit die Erneuerung nicht. Selbst da, wo die Staatsgewalt die Rekatholisierung erzwingt, geschieht sie nicht einfach durch Dekret, was wohl wenig genützt hätte. Da ein entsprechender Klerus in protestantisch gewordenen Landstrichen wie etwa in großen Teilen der habsburgischen Erblande oder in Teilen Bayerns nicht sofort zur Verfügung stand, wandten sich die Herrschenden an die Orden, vor allem an Jesuiten und Kapuziner. Deren Einsatz erneuerte das Vertrauen in die Kirche und in die Hierarchie und gewann dieser die Herzen der Abtrünnigen zurück, während in den Seminarien allmählich ein Klerus herangebildet wurde, welcher der neuen pastoralen Situation gewachsen war. Und mit dem nun einsetzenden - sicherlich auch äußerlichen - Gepränge des Barock vollzieht sich auch ein Mentalitätswandel unter den Gläubigen, welche ihres Glaubens wieder froh werden und bei liturgischen Anlässen nicht weniger als in Volksmissionen, in Bruderschaften ebenso wie in den überall entstehenden Marianischen Kongregationen, in Predigt und Gebet ihre christliche Berufung erfahren und vertiefen.



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4. Kapitel: Die Inquisition

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Literatur:

409
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- A. Del Col - G. Paolin (Hgg.): L'Inquisizione romana in Italia nell'età moderna, Roma 1991.

410
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 - J.B. Given: Inquisition and Medieval Society, Ithaca/N.Y 1997.

411
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 - J. Guiraud: Histoire de l'Inquisition au Moyen Âge, 2 Bde., Paris 1933-1938.

412
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 - H. Kamen: Art. ‚Inquisition', in: TRE 16, Berlin-New York 1987, 189-196.

413
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 - Ders.: Die spanische Inquisition, München 1967.

414
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- M. Hroch - A. Skybova: Die Inquisition im Zeitalter der Gegenreformation, Stuttgart 1985.

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4.1 Die mittelalterliche päpstliche Inquisition

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Ursprünglich liegt die Aufgabe, für die Unverfälschtheit des Glaubens zu sorgen, bei den Bischöfen. Dort, wo die Häresie die Grenzen eines Bistums überschritt und zu einer breiteren Gefahr heranwuchs, war dies ein Fall, der nach einer synodalen Lösung verlangte: Es hatten sich zunächst Provinzialsynoden, ökumenische, d.h. prinzipiell die gesamte Christenheit umfassende Konzilien bzw. Konzilien der einzelnen germanischen Reiche des Problems anzunehmen, u.z. sowohl zum Schutz der Kirche wie der Reichseinheit!

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Dies beginnt noch im spätantiken christianisierten Römerreich und zieht sich durch die Jahrhunderte sowohl in Byzanz im Osten wie in den germanischen Königreichen Westeuropas nach deren Hinwendung zum Christentum bzw. zum Katholizismus hindurch. Ursprünglich liegt also die Initiative zur Verfolgung der Häresie nicht beim Papsttum; seit der Zeit Kaiser Konstantins bleibt die kirchliche Verurteilung nicht ohne zivile Folgen für den Verurteilten, wenngleich sie im allgemeinen nicht in ein Todesurteil mündet (Einzige - indirekte - Ausnahme: Priszillian).

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Seit dem Hochmittelalter, genauer seit dem 12. Jahrhundert, ändert sich das Bild. Ohne daß den Bischöfen formell Recht und Pflicht der Ketzerbekämpfung in ihrem Jurisdiktionsbereich bestritten worden wäre, erweisen diese sich seit dem Auftreten der ÷ Katharer/Albigenser und der ÷ Waldenser dem Problem nicht mehr gewachsen. Diese Häresien organisieren sich nämlich länderübergreifend im Sinne einer Gegenkirche. Auch infolge des Anwachsens der päpstlichen Macht im 12. Jahrhundert fällt somit die Aufgabe der effektiven Häretikerbekämpfung dem Papsttum zu.

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Papst Lucius III. veröffentlichte in seiner Bulle Ad abolendam von 1184 einen Ketzerkatalog; über alle Häretiker sowie über deren Gönner und Beschützer wurde der Kirchenbann verhängt und die Bischöfe zu einem verstärkten Vorgehen gegen die Dissidenten aufgefordert. Kaiser Friedrich I. Barbarossa schloß sich dem päpstlichen Vorgehen an und verfügte über alle vom Kirchenbann Getroffenen die Verhängung der Reichsacht. Im 13. Jh. folgten weitere Ketzergesetze seitens Kaiser Friedrichs II. und der französischen Könige; vor allem letztere waren ja in die Bekämpfung der Albigenser involviert.

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Frage: Weshalb wurde der Staat in einer kirchlichen Angelegenheit aktiv? Die enge Verflechtung zwischen Kirche und Gesellschaft, die für das Mittelalter mehr als für jede andere Epoche der Kirchengeschichte so kennzeichnend ist, führte dazu, den Ketzer auch für einen sozialen Schädling und Störenfried zu betrachten. War daher das kirchliche Urteil erst einmal gefällt und die Häresie festgestellt, lag es im Interesse des Staates, diese Störung der öffentlichen Ordnung und den Bruch des gesellschaftlichen Friedens zu bekämpfen.

421
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Unter Innozenz III. (1198-1216) und Gregor IX. (1227-1241) und durch das 4. Laterankonzil (1215) wurde die Ketzergesetzgebung ausgebaut. 1231 wurde von Papst Gregor IX. mit der Konstitution Excommunicamus der Versuch unternommen, die bisherigen Maßnahmen gegen die Häresie zu bündeln, da die Bekämpfung der Albigenser bis dahin nicht allzu erfolgreich gewesen war.

422
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Demzufolge wurden vom Papst örtliche Inquisitoren bestellt, die sowohl mit der päpstlichen Autorität ausgestattet waren als auch von den weltlichen Autoritäten vor Ort gestützt werden sollten. Insbesondere in seiner Konstitution Ad exstirpandam (1252) bezog Innozenz IV. ausdrücklich auch die staatlichen Behörden in sein Programm zur Ketzerbekämpfung ein (Anwendung der Folter!). Im Deutschen Reich war der wohl bekannteste (und verhaßteste) päpstliche Inquisitor Konrad von Marburg, der 1233 nach sechsjährigem Wirken erschlagen wurde. Um diese Zeit war bereits in ganz Europa mit Ausnahme Skandinaviens, Englands und Kastiliens die päpstliche Inquisition am Werk.

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 Kennzeichnend für diese Art der Inquisition sind folgende gemeinsame Grundzüge:

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- Ein Ad-hoc-Unternehmen: Ziel der Inquisition war die Unterdrückung bestimmter, in einem Territorium massiert auftretender Fälle von Häresie (z. B. Katharer/Albigenser, Waldenser);

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 - Keine gemeinsamen juridischen oder institutionellen Grundlagen der Einzelunternehmungen;

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- Leitung der einzelnen Fälle von Inquisition durch päpstliche Gesandte, zumeist Dominikaner (aber nicht ausschließlich), mit besonderen, auf den Einzelfall zugeschnittenen Vollmachten, wobei stets die unterschiedliche staatliche Gesetzgebung zu berücksichtigen war;

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- Damit war die örtliche Bekämpfung der Häresie den Bischöfen teilweise entzogen, was nicht selten zu einer Konkurrenzsituation führte, auch wenn prinzipiell der päpstliche Beauftragte mit dem zuständigen Ortsbischof kooperieren sollte.

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 Vorgehensweise:

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Auch ohne eine wirklich für sämtliche Fälle gleichermaßen gültige Inquisitionsordnung - es gab sie nicht - läßt sich folgende Vorgehensweise darstellen:

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- Bei Ankunft der päpstlichen Beauftragten (in der Regel Mendikanten) Bekanntmachung der beginnenden Inquisition von allen Kanzeln, Verkündigung eines Ablasses, Aufforderung an alle Gläubigen, Verdachtsfälle den Inquisitoren mitzuteilen. Allfälligen Häretikern wurde üblicherweise eine Frist von 30 Tagen zuerkannt, während derer sie sich selbst (und möglichst auch ihre Komplizen!) zur Anzeige bringen konnten, wofür ihnen dann eine gnädige Behandlung in Aussicht gestellt wurde.

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- Dann nahm das Gericht seine Arbeit auf. Dem Inquisitor standen Assistenten zur Seite. Die Verhöre wurden schriftlich aufgenommen und erforderten die Gegenwart zweier Zeugen, die aber eidlich zur Geheimhaltung verpflichtet waren, wie das gesamte Inquisitionsverfahren in seiner Objektivität unter dem Zwang zur Geheimhaltung litt, unter dessen Schutz sich mancher Mißbrauch ins Verfahren einschleichen konnte.

432
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- Das ganze System hing von der Mithilfe der Bevölkerung vor Ort ab, von denen zahlreiche Gläubige auch in einem festen Verhältnis zum Inquisitionsapparat standen (÷ familiares). Daneben konnten die Inquisitoren für das gesamte Gebiet ihrer Zuständigkeit je Pfarrei neben einem Pfarrer auch zwei Laien zu ständigen Informanten und Inquisitionsgehilfen ernennen. Insgesamt ergab dies ein regional recht dicht geknüpftes Netz an Überwachung, wenn die Inquisitionsgerichte erst einmal zu arbeiten begonnen hatten.

433
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- Beendet wurde die Inquisitionstätigkeit mit einem sog. sermo generalis des Inquisitors, einem öffentlichen Akt in Anwesenheit von Vertretern der weltlichen Gewalt, bei welcher die Urteile hinsichtlich der Rechtgläubigkeit der Beklagten sowie das Maß der kirchlichen Strafen verkündet wurden. Da der Kirche keine Möglichkeit zur Vollstreckung von Todesurteilen zukam, wurden einschlägig Verurteilte tags darauf der weltlichen Gewalt überstellt, welche das Urteil dann vollstreckte.

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 Problematik:

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- Die Folter wurde erstmals mit der Konstitution Ad exstirpandas zur Beweiserhebung zugelassen und gelangte zunächst in Italien, ab dem Ende des 13. Jahrhunderts auch darüber hinaus zur Anwendung. Eigentlich nur einmalig erlaubt, wurde diese Einschränkung aber dadurch umgangen, daß man das Verhör lediglich suspendierte und anderntags einfach fortsetzte.

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- Die Geheimhaltungspraxis machte es dem Angeklagten unmöglich, Einsicht in das gegen ihn vorliegende Beweismaterial zu nehmen (beim Bischofsgericht war dies anders). Namen von Zeugen blieben dem Beschuldigten unbekannt, was die Verteidigung erheblich erschwerte, wenn nicht gar verunmög-lichte.

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- Die Verurteilungsrate war - was bei diesen Voraussetzungen kaum überrascht - äußerst hoch, auch wenn ‚nur' ein Bruchteil in Todesurteile mündete. Häufiger waren Kerkerstrafen sowie die Verurteilung zu besonderer Bußkleidung (÷ Büßerhemd) für festgesetzte Zeiten. Mit alldem ging zumeist die Konfiskation des Besitzes der Verurteilten einher.

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Das 14. Jahrhundert markiert Niedergang und Ende dieser Form der Inquisition. Die ab dem Ende des 15. Jahrhunderts beginnenden ÷ Hexenprozesse geraten recht schnell in die Zuständigkeit staatlicher Justizorgane (÷ die sog. Carolina und ihre Bestimmungen zur Hexenverfolgung) und bringen keineswegs ein Wiederaufleben der Inquisition mit sich. Die Begründung liegt offensichtlich im Sinken der päpstlichen Autorität gegenüber der zunehmenden Unabhängigkeit staatlicher Selbstbehauptung.

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4.2 Die spanische Inquisition

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Sie unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von der früheren päpstlichen Inquisition:

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 - Durch eine ganz enge Abhängigkeit von der spanischen Krone.

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 - Durch eine umfassende, kontinuierliche und landesweite Organisation.

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Ihr Schöpfer und erster Großinquisitor war Fray Tomás de Torquemada O.P. (1420-1498), der in sämtlichen wichtigen Städten Spaniens Niederlassungen dieser Institution gründete und ihr ein schriftliches Statut gab. Doch ihre Anfänge reichen weiter zurück bis ins späte 14. Jahrhundert, als im Zuge der reconquista der iberischen Halbinsel die Politik der Duldung religiöser Minderheiten aufgegeben wurde zugunsten einer erzwungenen Einheit im Glauben. Viele Scheinkonversionen unter den sog. Conversos bzw. Moriscos (d.h. ehemaligen Juden bzw. Muselmanen) machten seither eine Überwachung insbesondere der Neubekehrten auf die Authentizität ihrer Bekehrung hin erforderlich.

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Die spanische Inquisition beruhte auf den Prinzipien und der Gesetzgebung der damaligen Ketzerbekämpfung. Tauchten an irgendeinem Ort Zweifel an der Rechtgläubigkeit eines Teiles der Bevölkerung auf, so wurden dort zuerst Glaubensdekrete ( edictos de fe) veröffentlicht, welche die einzelnen Punkte des Glaubens, an deren Beachtung durch die Bevölkerung des Ortes Zweifel bestanden, besonders in den Blick nahmen. Zugleich wurde die Bevölkerung zur Denunziation solcher Personen aufgefordert, an deren Rechtgläubigkeit unter der angegebenen Rücksicht Zweifel bestanden. Dabei gab es landesweit im Dienst der Inquisition stehende Personen ( familiales), welche Spitzeldienste leisteten.

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Prinzipiell ging man davon aus, daß Häretiker stets in Gemeinschaften ihrem Irrtum anhingen (Erfahrung aus der Zeit der ÷ Albigenser); deshalb wurde alles daran gesetzt, von den ersten Angeklagten weitere Genossen ihrer Häresie genannt zu erhalten. Aus Furcht oder um die Richter sich gnädig zu stimmen, wurden dabei tatsächlich immer wieder neue Personen benannt.

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Üblicherweise ging das Inquisitionsgericht allerdings höchst vorsichtig voran; insbesondere wurden keine anonymen Anzeigen entgegengenommen. Gemessen am sonst üblichen Gefängniswesen jener Zeit war der Aufenthalt in einem Inquisitionsgefängnis während des Prozesses eher mild.

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Äußerst problematisch ist dagegen, daß die Ankläger dem Angeklagten unbekannt blieben. Anderseits hatte die Erfahrung gelehrt, daß ohne diese Art von Zeugenschutz sich kaum ein Ankläger meldete (allerdings stand es dem Angeklagten frei, Zeugen zu seiner Entlastung zu benennen). Hinzu kam, daß die Beschuldigten keine freie Wahl eines Verteidigers hatten, auch wenn die Prozeßakten häufig beweisen, wie sehr sich viele vom Gericht gestellte abogados oder letrados - großenteils recht erfolgreich - für ihre Schutzbefohlenen eingesetzt haben.

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Einen ganz wichtigen Einwand gegen die spanische Inquisition wie gegen die Inquisition überhaupt stellt die Anwendung der Folter dar, auch wenn diese der zeitgenössischen Beweiserhebung im Prozeßrecht entspricht. Immerhin hatte Papst Nikolaus I. bereits im 9. Jahrhundert ihre Sinnhaftigkeit bereits verneint und sich gegen ihre Anwendung ausgesprochen. Das mittelalterliche Recht kannte aber keine Verurteilung bloß aufgrund von Indizien, weshalb die Überführung des Beschuldigten entweder durch Zeugen oder durch eigenes Eingeständnis notwendig war.

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Bezüglich der vom Inquisitionsgericht verhängten Strafen ist zu sagen, daß diese sich im Rahmen des damals Üblichen bewegten. Häresie wurde als Fundamentalangriff nicht nur auf Glauben und Kirche, sondern zugleich auch auf den Staat und die Gesellschaft betrachtet und entsprechend geahndet. In diesem Zusammenhang muß dann auch die allfällige Vollstreckung des Todesurteils ( auto da fe) gesehen werden: Dieser ‚Glaubensakt' diente nicht nur dem Schutz religiöser Werte, sondern insbesondere auch der Wiederherstellung des gefährdeten sozialen Friedens.

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Freilich ist es dabei immer wieder auch zu Übergriffen seitens der Richter gekommen, welche ihre Amtsgewalt mißbrauchten. Dies läßt sich aber für das gesamte Prozeßwesen jener Zeit (und manch anderer Jahrhunderte) feststellen. Nichtsdestoweniger ist ein doppelter fundamentaler Einwand gegen die Inquisition zu beachten:

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 - Die Instrumentalisierung von Glauben und Religion zu politischen Zwecksetzungen und

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- Die Durchsetzung (auch) religiöser Ziele mit teilweise blutiger Gewalt (dies gilt auch dann, wenn frühere Historiographen die Zahl der Opfer der spanischen Inquisition in unrealistische Höhen getrieben haben).

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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird die spanische Inquisition aufgehoben. Nur wenige Jahre später folgt die portugiesische Inquisition, welche sich im wesentlichen an ihrem spanischen Vorbild orientiert hatte.

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Die spanische Inquisition läßt sich wohl nur verstehen (nicht etwa rechtfertigen!) auf dem Hintergrund einer erhitzten Religiosität im Verbund mit den nationalen Emotionen, welche die erfolgreiche reconquista nach mehreren Jahrhunderten erbitterten Kampfes zur Folge hatte.

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4.3 Die römische Inquisition

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Die römische Inquisition ist zwar bereits drei Jahre vor dem ersten Zusammentreten des Trienter Konzils von Paul III. gegründet worden, muß aber im Zusammenhang mit der Tridentiner Gegenreformation gesehen werden.

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Im Jahr 1542 richtete der Papst zunächst eine aus sechs Kardinälen bestehende Kommission ein, welche wenig später den Namen Sacra Congregatio Sancti Officii erhielt. Sie handelte in päpstlicher Autorität und war damit bischöflichen Gerichten gegenüber überlegen. Damit war ein zentral arbeitendes Organ zur Überwachung der Glaubensreinheit geschaffen, welche prinzipiell die gesamte Weltkirche im Blick haben sollte. Zu einer Italien überschreitenden Tätigkeit ist es dabei nicht gekommen, und ihre um die Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffenen, in den italienischen Staaten wirkenden Behörden wurden ein gutes Jahrhundert später dort auch wieder abgeschafft. Allein im Kirchenstaat erhielt sich die päpstliche Inquisition noch bis zu dessen Untergang im Jahr 1870, auch wenn die Kongregation - nunmehr ohne weltliche Zwangsmittel - bis 1965 fortbestand; diese wurde dann von Paul VI. in Congregatio pro Doctrina Fidei umbenannt.

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5. Kapitel: Die Kirche angesichts der Sozialen Frage

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Literatur:

460
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- V. Cárcel: Historia de la Iglesia, Bd. 3: La Iglesia en la época contemporánea, Madrid 1999, 233-253.

461
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- P. Droulers: Il cattolicesimo e la questione sociale contemporanea, in: ders.: Cattolicesimo sociale nei secoli XIX e XX, Rom 1982, 405-432.

462
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- J. Höffner: Die deutschen Katholiken und die soziale Frage im 19. Jahrhundert, Paderborn 1954.

463
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- G. Martina: Storia della Chiesa, Bd. 4: Da Lutero ai nostri giorni, Brescia 1995, 29-80.

464
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- P. Misner: Social Catholicism in Europe from the Onset of Industrialization to the First World War, New York 1991.

465
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- J.N. Moody: Church and Society. Catholic Social and Political Thought and Movements 1789-1950, New York, 1953.

466
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- J. Schasching: Die soziale Botschaft der Kirche von Leo XIII. bis Johannes XXIII. , Innsbruck 21963

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5.1 Das Entstehen der Sozialen Frage

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Im Gefolge der Erfindung der Dampfmaschine und ihrer Anwendung auf den verschiedensten Gebieten der Produktion ( industrielle Revolution der Neuzeit) kommt es zur Landflucht und zur Zusammenballung eines Industrieproletariats in den Großstädten der modernen Industriestaaten. Arbeitskraft wird zur Ware, welche aufgrund des ungezügelten Gesetzes von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt an Wert verliert. Die Folge davon ist der steigende Pauperismus der Massen.

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Die neu entstehende Wissenschaft der Nationalökonomie gründet sich auf die Prinzipien des uneingeschränkten Wirtschaftsliberalismus ('Manchesterkapitalismus'). Wenngleich sich dieser noch nicht in seiner ganzen Schärfe bei den frühesten bedeutenden Vertreter dieser Wissenschaft, Adam Smith und David Ricardo zeigt, wird in der Folgezeit die ungezügelte unternehmerische Gewinnmaximierung zu Lasten der Arbeiterschaft ihr oberstes Ziel. Ihre Hauptthesen bilden die Grundpfeiler des Wirtschaftsliberalismus:

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 -ökonomischer Amoralismus;

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 -freier Wettbewerb;

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 -staatliche Abstinenz auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik;

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 -liberalistischer Individualismus.

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5.2Laikale Lösungsversuche

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-Der abstrakt-utopische Sozialismus

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Ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten hängt diese frühe Spielart des Sozialismus (1. Hälfte des 19. Jhs.) an der dogmatisch als Ziel behaupteten Produktionsgemeinschaft. Als Quelle der sozialen Misere gilt das Privateigentum (Pierre-Joseph Proudhon: „Eigentum ist Diebstahl"). Unterschiede gibt es v.a. bei der Art der Vergesellschaftung der Produktionsmittel.

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 -Die Gewerkschaftsbewegung

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Näher zur Wirklichkeit und deren Erfordernissen steht die Gewerkschaftsbewegung (seit Anfang des 19. Jhs.). Diese verbreitet sich in den europäischen Industrienationen phasenverschoben entsprechend deren Industrialisierungsgrad. Infolge der dem Liberalismus teuren Vorstellung vom wirtschaftlichen Individualismus stößt sie lange Zeit auf staatlichen Widerstand, bis sie zunächst toleriert, dann staatlicherseits anerkannt wird. Damit ist sie dann in die Lage versetzt, Arbeits- und Tarifverträge auszuhandeln und ihre Ziele durch das Mittel des Streiks durchzusetzen. Letztendlich gelingt es derGewerkschaftsbewegung durch Bildung sozialistischer bzw. sozialdemokratischer Parteien, den Staat zur Intervention auf wirtschaftlichem wie sozialem Gebiet zu bewegen.

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 -Der ‚wissenschaftliche Sozialismus'

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Während die Gewerkschaftsbewegung aus der Praxis des Arbeitsalltags heraus entstanden ist, entwickelten Karl Marx und Friedrich Engels den sog. ‚wissenschaftlichen Sozialismus' auf der politischen Ebene. Auch sie sehen in der Sozialisierung der Produktionsmittel einen entscheidenden Hebel zur Behebung der sozialen Misere.

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In den 60er und 70er Jahren des 19. Jhs. kommt es in Deutschland und - nur wenige Jahre später - auch in Österreich zur Gründung sozialistischer Gewerkschaften und Parteien. Wichtig für die Kirchengeschichte: Diemarxistische Inspiration von Gewerkschaftsbewegung und Sozialismus führte beide in einen Dauerkonflikt nicht nur mit dem liberalen Staat des 19. Jhs., sondern auch mit der Kirche. Klassenkampf als Motor der Weltgeschichte - und lange Zeit damit auch der Streik als Waffe zur Durchsetzung von Klasseninteressen - waren für die Kirche unannehmbare Axiome im Kampf um soziale Gerechtigkeit. Freilich blieb infolgedessen auch der Unterschied zwischen finsterstem Manchesterkapitalismus und der kirchlichen Stellungnahme in der Sozialen Frage von außen her betrachtet kaum erkennbar. Von der Arbeiterschaft wurde die Kirche daher leicht als Instrument der besitzenden Klasse betrachtet.

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5.3Das Entstehen der katholischen Soziallehre im 19. Jh.

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Die Langsamkeit, mit der die katholische Kirche das Problem der Sozialen Frage erkannte und darauf reagierte, erklärt sich durch

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-die Spannungen zwischen Kirche und Staat im 19. Jh.; katholischerseits glaubte man, sich vom liberalen Staat kaum Schritte in eine Richtung erwarten bzw. fordern zu können, welche kirchlicher Zielsetzung entsprachen;

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-die Furcht vor einer Wiederholung der Revolutionen von 1789 bzw. 1848 und dem Gespenst des Sozialismus.

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So hat man bei der Entwicklung einer katholischen Soziallehre im 19. Jh. drei Phasen voneinander zu unterscheiden:

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 -Die konservative Linie des Paternalismus

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Die Kirche hat bis ans Ende des 19. Jhs. zwar keine letztverbindliche lehramtliche Stellung zur Sozialen Frage bezogen - auf dem Ersten Vaticanum kam das Problem allenfalls ansatzweise zur Diskussion -, wohl aber richtete sie Erwartungen an Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Erwartungen lagen ausschließlich auf der individuellen Ebene des Gewissens; einziges und insgesamt wenig erfolgreiches Mittel, vor allem die Arbeitgeber zur Erfüllung dieser Erwartungen zu bewegen, war daher der Appell an das christliche Gewissen.

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Der Paternalismus beruht auf der Vorstellung der Über-tragbarkeit des Modells der Familie auf die Beziehungen, durch welche die Arbeitswelt geregelt wird. Demzufolge hatte der Arbeitgeber die moralische Verpflichtung, für den lohnabhängigen Arbeitnehmer wie ein Vater für seine Kinder zu sorgen; diese antworteten ihm mit Liebe und Gehorsam. Staatlicher Interventionismus als Schutz des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist bei solcher Vorstellung selbstredend ausgeschlossen, weshalb es keinerlei Arbeits- und Sozialgesetzgebung gibt.

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Unangefochten bleibt der Paternalismus die maßgebliche Position im katholischen Lager bis in die 60er Jahre des 19. Jhs. In seinem Geiste entstehen zwar aus authentisch christlichem Geist gegründete Institutionen wie die Gesellenvereine A. Kolpings, die Vinzenz-Konferenzen des sel. Frédéric Ozanam oder die Turiner sozialen Initiativen Don Boscos, doch erwächst aus ihnen keine umfassende katholische Soziallehre, da die Einsicht in die theoretischen Zusammenhänge fehlt, welche Voraussetzungen für universell wirksame Initiativen gewesen wären.

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 - Die gescheiterte Idee des Korporativismus

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Unter dem doppelten Druck, sich einerseits nicht zufriedengeben zu dürfen mit dem nicht zielführenden Paternalismus, anderseits aber wegen deren meist marxistisch gefärbten Gedankenguts sich auch nicht der Gewerkschaftsbewegung anschließen zu können, kam es auf den Rückgriff auf das mittelalterliche Vorbild der Zünfte (ital.: corporazioni), welche einen Zusammenschluß von Meistern/Unternehmern und der von diesen lohnabhängigen Gesellen dargestellt hatten und nach innen wie nach außen gemeinschaftlich ihre Ziele verfolgt hatten. An diesem Modell orientierte sich das sozialromantisch-konservative System des Korporativismus.

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 Erste katholische Sozialtheoretiker im deutschen Sprachraum:

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 - Wilhelm Emmanuel v. Ketteler, Bischof von Mainz;

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- Karl Frhr. v. Vogelsang, der als Sozialwissenschaftler und Journalist weit über Österreich hinaus von Bedeutung wurde.

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 Beide sind korporativistischen Vorstellungen stark verhaftet.

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- Darüber hinaus finden sich erste Ansätze zu einer Soziallehre aus katholischer Inspiration in der französisch-sprachigen Schweiz und in Frankreich, später auch in Italien. Während überall sonst in Europa die Einsicht katholischer Sozialwissenschaftler in die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in die Sozialpolitik wuchs, wehrte man sich allein in Belgien gegen den staatlichen Interventionismus (Hintergrund: die engen Bindungen des dortigen Katholizismus mit den Liberalen aus der Zeit des Unabhängigkeitskampfes).

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Generell läßt sich sagen, daß auf sozialpolitischem Gebiet die katholischen Liberalen (eben infolge ihrer liberalen Grundpositionen) eher konservativ agierten (d.h. an wirtschaftsliberalen Positionen festhielten), während die Ultramontanen, d.h. die im kirchlichen Bereich eher Konservativen, infolge ihrer Abneigung gegenüber liberalen Thesen sich eher auf sozialem Gebiet fortschrittlichen Gedanken öffneten.

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 Das Problem stellte sich also in dreifacher Hinsicht:

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- eine kirchlich akzeptable Konzeption der Zusammenschlüsse der Arbeiter: Gewerkschaften widersprachen der paternalistischen Tradition, die aber nicht mehr zu halten war; eine korporative Lösung des Problems hätte aber die katholischen Arbeiter von der Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft getrennt. Immerhin war mit der kirchlichen Anerkennung des Korporativismus aber die Berechtigung von Berufsvereinigungen grundsätzlich bestätigt. Auch hatte die Wirklichkeit die Theorie bereits überholt; erste katholische Arbeitnehmervereinigungen gab es in den USA seit 1869, in Belgien seit 1886 und in Frankreich seit 1887.

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- die Rechtfertigung des staatlichen Interventionismus: während das Eingreifen des Staates durch eine eigene Sozialgesetzgebung von manchen als Sozialismus denunziert wurde, gab es im letzten Drittel des Jahrhunderts zunehmend Stimmen im katholischen Lager, welche die Unumgänglichkeit dieser Maßnahmen anerkannte. Ein Kompromiß zwischen beiden Flügeln erlaubte die Festsetzung der Arbeitszeit durch den Staat, nicht aber die Bestimmung des Lohnes (1890).

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- die Bestimmung dessen, was als 'gerechter Lohn' zu betrachten sei: bemißt sich dieser an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer oder an dem von ihnen produzierten Wert, der sich entsprechend dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt? Die Frage blieb offen.

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 - Das grundsätzliche Ja der Kirche zum Syndikalismus

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Die Veröffentlichung der Enzyklika Rerum novarum durch Papst Leo XIII. (1891) markiert eine entscheidende Zäsur in der Entwicklung der katholischen Soziallehre. Seit 1888 hatte der Papst an der Vorbereitung der Enzyklika gearbeitet. Der Papst unterschied sich von seinem Vorgänger Pius IX. vor allem dadurch, daß er unter weitgehendem Verzicht auf Verurteilungen die positive Lehre der Kirche darlegte. Die Enzyklika versucht, vier Gegensatzpaare im sozialpolitischen Denken miteinander zum Ausgleich zu bringen:

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 - das Naturrecht auf Eigentum und dessen Sozialpflichtigkeit;

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- Aufforderung an den Staat zur gesetzgeberischen Tätigkeit im Sinne der öffentlichen wie der privaten Wohlfahrt und zugleich Beschränkung dieses Interventionismus durch das Subsidiaritätsprinzip;

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- Aus der Gegenüberstellung vom Recht auf ein menschenwürdiges Leben der Arbeitnehmer und deren Pflichten entscheidet sich die Frage nach dem gerechten Lohn;

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- Der Verurteilung des Prinzips des Klassenkampfes steht die Anerkennung des Rechtes der Arbeitnehmer auf Koalitionsfreiheit gegenüber (bei bleibender Favorisierung des korporativen Modells).

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Wenngleich Positionen des Wirtschaftsliberalismus im katholischen Lager auch weiterhin noch vorgetragen wurden, so waren sie doch seit dem Erscheinen der Enzyklika obsolet geworden. Fortschrittliche Positionen konnten nunmehr auch nicht einfachhin als 'sozialistisch' diffamiert werden. Insbesondere die vom Papst eigenhändig und in letzter Minute noch hinzugefügte szial-realistische Anerkennung der Gewerkschaften machten dies unmöglich.

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5.4 Die weitere Entwicklung im 20. Jahrhundert

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Der Kampf zwischen 'Konservativen' und 'Fortschrittlichen' in der Kirche hatte sich damit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von der Philosophie (Aufarbeitung Kants und des Deutschen Idealismus) und der Politik (Liberalismus und Demokratie) auf das soziale Feld verschoben.

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Der Syndikalismus war für den Papst gegenüber dem Korporativismus aber nur eine Notlösung. Es brauchte lange Zeit, um die Gewerkschaftsbewegung in der Kirche heimisch zu machen. In Frankreich führten sie ein Schattendasein, in Belgien und teilweise auch in Deutschland gelangten sie dagegen zu einigem Einfluß. Dabei wurde das Prinzip der Überkonfessionalität zu einem bedeutsamen Hemmnis. In seiner Enzyklika Graves de communi (1901) wurde Rerum novarum zwar nicht formell widerrufen, aber doch erheblich eingeschränkt. Insbesondere wurden die päpstlichen Vorbehalten gegenüber den überkonfessionellen, christlichen Gewerkschaften deutlich. Konkrete Auswirkungen hatte die Enzyklika freilich nur in Italien.

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Als sich wenige Jahre später unter Pius X. die Frage der Gewerkschaften verflocht mit der Debatte um den Modernismus, gab der Papst in der Enzyklika Singulari quadam caritate (1912) seiner Sorge angesichts derchristlichen Gewerkschaften und seiner Favorisierung paternalistischer Lösungen Ausdruck (ohne christliche Gewerkschaften generell zu verbieten). Für Deutschland hatte dies insofern Konsequenzen, als es dort zwischen den sog. 'Kölnern', welche für überkonfessionelle Gewerkschaften eintraten und die bei weitem überwiegende Mehrheit der organisierten katholischen Arbeiterschaft repräsentierten, und ihren 'Berliner' Gegnern, die an katholischen Gewerkschaften festhalten wollten, infolge der päpstlichen Meinungsäußerung erst 1921 zu einer Vereinigung kam.

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Generell läßt sich sagen, daß der Vatikan an katholischen Gewerkschaften überall dort festhielt, wo Katholiken die Mehrheit der Bevölkerung bildeten (dies insbesondere deshalb, weil sie eine Alternative zu den in den romanischen Ländern besonders kirchenfeindlichen sozialistischen Gewerkschaften darstellten). Die Versuche, die Gewerkschaftsbewegung als solche zu diffamieren, endeten mit dem Beginn des Pontifikat Benedikts XV. (1914).

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Sein Nachfolger Pius XI. griff die Soziale Frage erneut in seiner Enzyklika Quadragesimo anno auf (1931). Korporativistische und gewerkschaftsfreundliche Elemente stehen in ihr weithin unverbunden nebeneinander; darin kommt wohl zum Ausdruck, daß einerseits der Klassenkampf als letztes historisches Prinzip für die Kirche unannehmbar blieb und man an einer klassenübergreifenden Kooperation aller im Wirtschaftsleben festhielt. Der Fortschritt gegenüber Rerum novarum zeigt sich in folgenden Punkten:

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 - Bekräftigung des Rechtes nicht nur auf Individual-, sondern auch auf Familienlohn;

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 - Möglichkeit der Überwindung des Lohnvertrages durch Mitbestimmung;

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 - Warnung vor Monopolbildungen;

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 - Gemeinwohl, nicht absolut freie Konkurrenz als letztes Ziel der Wirtschaft;

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 - Aufzeigen der Grenzen des staatlichen Interventionismus.

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Zu einem gewissen Abschluß kam die Entwicklung der christlichen Soziallehre, soweit sie die binnenstaatliche Lösung der Sozialen Frage betrifft, mit der Enzyklika Johannes' XXIII. Mater et magistra (1961), in welcher der Papst den Staat aufrief, "orientierend, stimulierend, koordinierend, ergänzend und integrierend" in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Weitere Päpstliche Verlautbarungen auf sozialem Gebiet beziehen sich in der Folgezeit auf die gravierenden Unterschiede zwischen der sog. Ersten und der Dritten Welt (z.B. Populorum progressio von 1967).

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5.5 Bewertung

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Drei Fragen:

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 - Weshalb hinkte die Kirche hinter ihrer Zeit hinterher?

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 - Was war leitendes kirchliches Interesse bei der Entfaltung ihrer Soziallehre?

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 - Welche Bedeutung hatte diese Entwicklungsgeschichte für das Leben der Völker?

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- Ein Vergleich zwischen dem Erscheinungsjahr des Kommunistischen Manifests (1848) und Rerum novarum wäre insofern ungerecht, als die Enzyklika einen (vorläufigen) Endpunkt einer längeren klärenden Entfaltung des sozialen Gedankens in der Kirche darstellte. Darüber hinaus hat es bei einzelnen, Laien wie Mitgliedern der Hierarchie, durchaus eine größere soziale Sensibilität gegeben, als damals allgemein üblich war. Nichtsdestoweniger hat die Kirche zu viel Zeit gebraucht, um die Bedeutung der Sozialen Frage zu erkennen und wirksam an ihrer Lösung mitzuarbeiten ( Verlust der Arbeiterschaft). Gründe hierfür waren

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 - ein in der damaligen Kirche vorherrschender Konservatismus;

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- die kirchen- und religionsfeindliche Grundstimmung in der weitgehend marxistisch beeinflußten Arbeiterbewegung.

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So kam es zu dem Paradox, daß eine ansonsten weitgehend antiliberale Kirche viele Jahre lang zur Verteidigerin wirtschaftsliberaler Grundsätze wurde. Der kairos wurde somit verpaßt, den eine rechtzeitige Erkenntnis des Eigenwerts der Gewerkschaftsbewegung für das kirchliche Leben hätte bedeuten können.

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Dafür, daß sich die katholische Soziallehre dennoch entfaltete, war weitgehend die Furcht vor der Ausbreitung des Sozialismus maßgeblich. Wenn auch ein wahrhaft christliches Grundinteresse am Wohl des Nächsten in der Kirche des 19. Jahrhunderts nicht fehlte, blieb es doch unvermittelt zur Umsetzung in die politische und soziale Alltagswelt.

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So nimmt es nicht wunder, daß die katholische Soziallehre - abgesehen von Belgien, Deutschland und vielleicht auch Österreich - ohne Durchschlagskraft im Leben der übrigen Völker blieb. Die Arbeiterschaft fand, aufs Ganze gesehen, ihre Interessen besser bei den Gewerkschaften und den sozialistischen Parteien als bei der Kirche aufgehoben. Zu einem guten Teil erklärt sich die Entfremdung zwischen der katholischen Kirche und der modernen Welt von hier her.

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