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Bekehrung zum leidenden Messias
(Gedanken zum 3. Ostersonntag (LJ B))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Die Propheten sagten voraus, dass der Messias leiden müsse - so predigte Petrus in Jerusalem. Bei den Propheten im AT sucht man so eine Prophezeiung aber vergeblich, und Petrus selbst hat es lange abgelehnt, an einen leidenden Messias zu glauben. Wie kam er dazu, seine Überzeugung zu ändern?
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-05-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Apg 3,12a.13-15.17-19; (1 Joh 2,1-5a); Lk 24,35-48

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 Liebe Gläubige,

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an diesen Sonntagen nach Ostern geht es immer wieder um die Erscheinungen des Auferstandenen und die großen Taten der bekehrten und später vom Heiligen Geist gestärkten Jünger und Jüngerinnen. Sie haben ihre Erfahrungen mit dem Auferstandenen aufgeschrieben, damit auch wir glauben - so heißt es immer wieder.

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Doch das ist nicht alles, worum es dabei geht. Es geht auch darum, unser ganzes Verständnis von Gott und vom mitmenschlichen Umgang zu bekehren und an die Auferstehungserfahrung anzupassen. Was das heißen soll, zeigen uns auch die heutigen Lesungstexte.

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In beiden ist die Rede davon, dass Leiden, Tod und Auferstehung des Messias in den Schriften des Alten Bundes prophetisch vorhergesagt wurden und Jesus diese Prophezeiungen erfüllt hat. Das war - gelinde gesagt - eine ziemliche Überraschung für die Jünger und für alle frommen Juden. Ist doch im Alten Testament und im Judentum allgemein (und zwar bis heute) die Vorstellung von einem leidenden Messias völlig unbekannt, ja geradezu widersinnig. Sie können gerne einmal selber im AT nach Stellen suchen, die von einem leidenden Messias reden - Sie werden sie nicht finden.(1)

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Erinnern wir uns zurück (vgl. Mt 16,13-27): Als Petrus zum ersten Mal bekannte, dass er Jesus für den Messias halte, pries ihn Jesus, dass nur Gott ihm das geoffenbart haben konnte. Und dann fuhr Jesus fort, dass er, der Messias, in Jerusalem leiden müsse, und sofort widersprach Petrus, was ihm von Jesus den harschen Anruf „Weg mit dir, Satan … !" (Mt 16,23) einbrachte. Petrus verstand unter dem Wort Messias nur, was alle gläubigen Juden darunter verstanden: einen neuen König, einen großen Herrscher, einen Befreier, aber ganz sicher niemanden, der jämmerlich am Kreuz stirbt, hingerichtet als Verbrecher, Aufwiegler und Gotteslästerer.

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Und bis zum Ende konnte Petrus es ja nicht wahr haben, dass der Messias leiden müsse. Da zog er lieber das Schwert. Wenn schon Jesus ein so seltsamer Messias war, dass er sich nicht selbst verteidigte, dann wollte das wenigstens Petrus tun. Und wieder: Jesus verbietet es ihm. Da ist es gar nicht so verwunderlich, dass Petrus zu der Magd sagt: „Ich kenne diesen Menschen nicht" (Mt 26,72). Er hätte auch sagen können: Ich habe mich getäuscht, der kann nicht der Messias sein. Der Messias leidet nicht und stirbt nicht am Kreuz!

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Und in der heutigen Lesung, da predigt Petrus genau das: dass die Propheten vorhersagten, der Messias werde leiden. Was ist mit ihm passiert? Was hat ihn so verändert? Nun, er muss wohl zu guter Letzt - durch die Erfahrung des Hahnenschreis am Gründonnerstag und die Erscheinungen des Auferstandenen am Ostersonntag und danach - doch noch verstanden haben, was ihm Jesus sagen wollte: dass nicht die Stellen des AT, die von einem glorreichen irdischen König reden, vom Messias sprechen, sondern die, in denen von einem Gerechten erzählt wird, der leiden muss, weil ihn Menschen zu Tode bringen, der aber wieder lebt, weil Gott an ihm Gefallen findet und ihm neues Leben schenkt (vgl. Jes 52,13-53,12). Dort steht nicht das Wort „Messias", es ist nur vom Knecht Gottes die Rede. Dass Petrus und mit ihm die ganze christliche Kirche zur Überzeugung kam, dass dieser leidende Knecht Gottes niemand anderer ist als der Messias, das ist nur möglich, weil es durch Jesus selbst angedeutet wurde: durch den, der sein ganzes Leben lang versucht hat, dem Petrus klarzumachen, dass Messias etwas anderes bedeutet, als er bisher gedacht hatte.

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Und sofort hatte das auch Auswirkungen auf den Umgang des Petrus mit anderen Menschen. Schauen wir noch einmal hin: Er sagt da den Leuten auf den Kopf zu, dass sie den Urheber des Lebens getötet haben. Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf. Und genauso, wie man erwarten würde, dass der Messias ein strahlender König ist, so würde man auch erwarten, dass Petrus diesen Mördern das Gericht Gottes und die ewige Verdammung für ihre Untat androht.

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Doch, oh Wunder, Petrus fährt fort, indem er diese Mörder als Brüder anredet und ihnen zugesteht, dass sie aus Unwissenheit gehandelt haben. Sie waren so unwissend wie er es war: sie dachten, Jesus sei ein falscher Prophet; er dachte, Jesus sei ein falscher Messias. Sie waren sich damals so ähnlich. Sie sollen einander auch jetzt wieder ähnlich werden: in der wahren Erkenntnis Gottes, seines Messias und der daraus entspringenden Reue und Umkehr.

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Wir sehen also: ein neues Verständnis des Messias bedeutet auch sofort einen neuen Umgang miteinander. Es geht hier nicht nur um eine akademische Frage für Fachtheologen und -theologinnen, es geht darum, wie Gott sich in der Welt zeigt und wie sich deshalb die verhalten sollen, die Kinder Gottes genannt werden. Der Evangelist Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm." (1 Joh2,4) Umgekehrt gilt: Wer ihn erkannt hat, wer erspürt hat, dass Gottes Messias in einer Welt, in der Menschen ständig andere anklagen und aburteilen, nur ein leidender Messias sein kann, der wird seine Gebote halten können: z. B. andere nicht zu richten, weil er selbst ein sündiger Mensch ist; anderen 77-mal zu vergeben, weil er selbst Vergebung nötig hat, usw.

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So gelten die ersten Worte des Auferstandenen an seine so unverständigen und versagenden Jünger auch für uns: „Friede sei mit euch!". Beten wir, dass wir - wie sie - zur Umkehr kommen und diesen Frieden weitertragen.

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Anmerkungen:  

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 1. In der Tat findet man - in der Einheitsübersetzung - „Messias" überhaupt nicht im AT. Im hebräischen Text findet sich das Wort schon, aber nie im Zusammenhang mit Leiden. Vgl.: Vonach, A.: „Musste nicht der Messias leiden?" Alt- und zwischentestamentliche Annäherungen zur Frage der Leidensnotwendigkeit des Messias. In: Niewiadomski, J. / Wandinger, N. (Hg.): Dramatische Theologie im Gespräch. Symposion / Gastmahl zum 65. Geburtstag Raymund Schwagers (BMT 14). Münster - Thaur 2003, 169-191.

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