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Der offene Himmel
(Konturen eschatologischer Vorstellungskraft)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-09-16

Inhalt

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"Wer dem lieben Gott ins Fenster geschaut hat, langweilt sich nicht; er ist glücklich." (1)

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1. Der moderne Traum vom "offenen Himmel"

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Es ist eine archaische Geschichte. Und wie dies halt bei allen archaischen Geschichten der Fall ist, erzählt sie etwas, was sich irgendwann abgespielt hat, was aber sich immer und immer wieder ereignen kann. Vor uns erscheint ein pubertierender Durchschnittsjugendlicher unserer Zeit - und Jakob ist sein Name! Er hat gerade Krach mit seinem Vater und seinem älteren Bruder gehabt, fühlt sich zurückgesetzt und gedemütigt. Deswegen flieht er auch, und er flieht in sein Zimmer. Er schließt die Tür ab, dockt sich an seinen Heimcomputer ein und surft stundenlang im Internet. Dort hat er seine "virtual community", seine wahre Gemeinschaft - man könnte fast sagen, seine Kirche - gefunden: Menschen, die ihn anscheinend verstehen und ihm auch Geborgenheit schenken. Ganz im Gegenteil zu der "wirklichen Welt" seiner Familie, seiner Schule und seiner Freunde auf der "wirklichen" Straße. Stundenlang saugt er die faszinierenden Bilder auf; Bilder vom geglückten Leben: in dem alles, aber gar alles möglich sei, in dem die Raumgrenzen keine Relevanz haben und auch die Zeit anscheinend keine Rolle spielt, sei doch die Frage der "tota simul et perfecta possesio"(2) nur noch eine Angelegenheit der besseren Prozessoren. Schlußendlich übermannt ihn aber doch die Müdigkeit: eine jener angenehmen Grenzsituationen aus der alten, wirklichen und nicht virtuellen Welt. Er schläft ein ... und er fängt an zu träumen: Den Traum von "Havens Gate"! Auch der moderne Jakob träumt nämlich ab und zu seinen Traum vom "offenen Himmel".

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Wie sehen nun seine mysteria tremenda et fascinosa aus? Welche Götter bevölkern seinen Himmel? Und wie sehen die Treppen dorthin und auch die Engeln aus, die da hinauf- und hinabsteigen? Sind es noch die "Chicago bulls", die auf der himmlischen Leiter ihren Himmel den Pubertierenden anzeigen, einen Himmel, in dem es massenweise Geld, tolle Frauen, die unbezweifelbare Potenz und vor allem den weltweiten Ruhm gibt? Oder sind es bloß noch die zweitklassigen DJ´s, die zu ihrem Himmel der nie aufhörenden Ekstase einer Technoparty locken? Nährt sich seine Hoffnung aus der Erwartung des Erfolgs oder aber aus dem Entsetzen über seine Welt, über seinen Vater, seinen Bruder und seine Kollegen?

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2. Wissenschaftspolitischer Exkurs: der "aufgeklärte" Zugang zum Thema

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Unser Jakob lebt nicht nur im Kontext der technischen Entwicklung auf der Höhe der Zeit, auch die human- und sozialwissenschaftliche Diskussion ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. So weiß er beispielsweise, daß das Fenster des lieben Herrgotts, in das er in seinem Traum hineingeschaut hat, nichts anderes sei, als ein Spiegelbild seiner eigenen Ängste und Hoffnungen. Aufwachend nimmt er sich fest vor, diesem Spiegelbild seiner selbt, dem Himmelsentwurf, den sich seine Seele zusammengezimmert hat, auch 100% gerecht zu werden. Schließlich befindet er sich noch in der Pubertät und hat noch nicht zu resignieren gelernt. Ob es einen Gott und seinen Himmel gibt, die auf diese seine Ängste und Hoffnungen nicht reduzierbar wären, darüber macht sich der moderne Jakob zuerst keine Gedanken. Er hat auch keinen Grund dazu, eigene Hoffnungen und Pläne reichen ihm anscheinend vollständig aus.

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Von seinem biblischen Prototyp aus dem Buch Genesis unterscheidet er sich eben durch seinen aufgeklärten Zugang zu seinem Traum. Auch der biblische Jakob träumte seinen Himmelstraum. Er träumte und betete! Jakob hatte einen Traum: "Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der Herr stand oben und sprach: ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinem Nachkommen geben. Deine Nachkommen werden zahlreich sein wie der Staub auf der Erde. Du wirst dich unaufhaltsam ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen werden alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe , was ich dir versprochen habe. Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sagte: Wirklich, der Herr ist an diesem Ort... Er stand früh am Morgen auf, nahm den Stein, den er unter seinen Kopf gelegt hatte, stellte ihn als Steinmal auf und goß Öl darauf ... und er machte ein Gelübte: Wenn Gott mit mir ist und mich auf diesem Weg, den ich eingeschlagen habe, behütet, wenn er mir Brot zum Essen und Kleider zum Anziehen gibt, wenn ich wohlbehalten heimkehre in das Haus meines Vaters und der Herr sich mir als Gott erweist, dann soll der Stein, den ich als Steinmal aufgestellt habe, ein Gotteshaus werden ..." (Gen 28,12-22).

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Das biblische mysterium tremendum et fascinosum, der offene Himmel dort und jener noch nicht klar erkennbarer Gott, dem der biblische Jakob sein Gelübte macht: All das kann der heutige Jakob problemlos erklären; schließlich lebt er in einem Zeitalter, das auf eine hundertjährige Tradition historischer Kritik in ihren vielfältigsten Formen zurückblicken kann. Gott ist ihm längst, ohne daß er dies begrifflich auch so ausdrücken kann, zur Chiffre geworden: zur Chiffre für physikalische, chemische und biologische Prozesse, für historische und kulturpolitische Zusammenhänge; zur Chiffre, auf die man auch notfalls verzichten kann. Der moderne Jakob kann also darauf hinweisen, daß es sich bei seinem biblischen Kollegen um bloße Bilder und Metaphern eines Zeitalters handelt, in dem die Menschen die Elektrizität nicht kannten und ihre Welt in mehrere Stockwerke aufteilten. Vor allem aber weiß er, daß die Menschen in den sprichwörtlichen Grenzsituationen von einem Himmel über den Wolken träumten. Als ein moderner und fortschrittlicher Mensch vertraut er emphatisch darauf, daß er in solche Grenzsituationen nicht gerät, oder aber, daß die Menschheit diese irgendwann doch 100 % in den Griff bekommt. Es wurde ihm aber schon in der Schule beigebracht, daß der liberale Zeitgenosse, der auf den Reichtum menschlicher Kulturen bedacht ist und diesen Reichtum auch schätzt, diese alten Mythologien nicht gleich zu verwerfen braucht: Entmythologisiert schenken sie immer noch brauchbare Impulse zur Gestaltung des Alltags. Wenn ihm also der Himmel nur noch ein Spiegelbild unserer Sehnsüchte sei, so lohnt es sich doch immer wieder ein Blick dorthin zu werfen, um die Langeweile des Alltags zu vertreiben: Gerade vor kurzem hat er den Roman von Umberto Eco "Der Name der Rose" gelesen und sich köstlich an den Seiten ergötzt, wo Eco ein altes Schriftstück: Coena Cypriani paraphrasiert und ein Bild des Himmels zeichnet, in dem sich die Menschen so bewegen und so miteinander kommunizieren, wie sie auf unseren alten Heiligenbildchen dargestellt sind.(3)

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Freilich weiß der moderne Jakob auch von den unermäßlichen Gefahren solcher Träume und solcher Himmelsbilder. Die hundertjährige Religionskritik feuerbachscher, marxscher und auch leninistischer Prägung hinterließ ihre Spuren auch in der popular culture. Wie lautet dort die Argumentationsfigur? Himmelsbilder sind instrumentalisierbar im Kontext der Opfer-Täter-Machtspiele. Vom Opfer selber als Trost ausgedacht oder von den Tätern den Opfern zum Trost vorgeworfen: Himmel als Opium des Volkes oder - was noch schlimmer sei - als Opium für das Volk - stabilisiert die ungerechten Herrschaftsverhältnisse und lähmt den Befreiungswillen. All das weiß unser moderner Jakob und all das läßt ihm im Grunde kalt.

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Auf eine Möglichkeit, die Rede vom Himmel zum Gesprächsthema zu machen, reagiert er allerdings überdurchschnittlich allergisch. Von seinen Eltern hat er erfahren, daß die Pfarrer früher kaum mit der Vision des offenen Himmels gearbeitet haben, wohl aber mit dem Bild der offenen Hölle. Immer wieder hat er gehört, daß man da den Menschen Ängste eingejagt hat, sie regelrecht neurotisiert hat ... v.a. in jenem Bereich, den er gerade in seiner Pubertät zu erforschen anfängt: im Bereich der Sexualität, nach dem Motto: ein Auge gibts, was alles sieht, auch was in finstrer Nacht geschieht, v.a. unter der Bettdecke. Er selber glaubt zwar, daß er sich doch glücklich schätzen darf. Er hat doch aufgeklärte Eltern, Eltern also, die die offene Hölle aus ihrer Vorstellungskraft verbannt haben, dorthin, wo sie auch hingehört: zu den verhärmten religiösen Fundamentalisten. Denn auch das bleibt ihm nicht verborgen. Daß es immer noch solche "Ewiggestrigen" gibt, die den Fortschritt nicht zur Kenntnis nehmen wollen und die in den Himmelsbildern und vor allem den Höllenvisionen mehr zu sehen bereit sind als beeindruckende Zeugnisse mittelalterlicher Kunst. Solche Menschen findet unser moderner Jakob auch besonders gefährlich. Deswegen läßt er sie bei seinen Reisen im Internet und Cyberspace sofort abstürzen, weil er doch noch trotz allem ein braver Junge ist, der bereit ist, seine Phantasie mindestens im religionspolitischem Kontext zügeln zu lassen. Da hört er mehr auf seine Eltern als im sexualpädagogischen Bereich. Obwohl: wenn er ehrlich sein sollte, ist er froh, daß es diese Fundis gibt. Denn: Solange es solche Menschen gibt, die die Hölle so direkt an die Wand malen, kann er doch getrost annehmen, daß er selber noch nicht so weit sei; daß die eigenen Ängste - ganz gleich wie bedrohlich sie auch sein mögen, ganz gleich, wieviel Alkohol, Ekstasy, Kokain oder nur Therapiestunden sie fordern, daß diese seine Ängste immer noch problemloser seien, verglichen mit den Ängsten der Fundis vor der Hölle.

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Denn: auch das bleibt ihm nicht verborgen - schließlich ist er ein ganz aufgeweckter Junge -, daß die Depotenzierung der jenseitigen Hölle nur einen zweifelhaften Fortschritt mit sich gebracht hat: nämlich die Fixierung auf die irdischen Höllen. Ein ganz freibeuterischer Gedanke kommt ihm in den Sinn: Sollte da etwa die These stimmen, daß die Tabuisierung der Transzendenz nicht die Erhöhung der Lebensqualität mit sich bringt, sondern eine kontinuierliche Minderung derselben bedeutet? Weil eine solche Tabuisierung die Problematik der Hölle keineswegs löst. Sie läßt nur die Menschen mit ihren selbstgemachten Höllen allein zurück und läßt diese nur in sich selber oder - was meistens zutrifft - in den anderen suchen und auch finden - denn: die Hölle, das sind die Anderen (J.P. Sartre) - , während der Himmel auf der Strecke bleibt? Unser pubertierender Jakob hätte das Zeug für einen Theologiestudenten!

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3. Exkurs zur Methode

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Ich hoffe, die Leserinnen und Leser verzeihen mit den essayhaften Stil, der im deutschprachigen Raum den Schein der fehlenden wissenschaftlichen Seriosität erweckt und Mißtrauen, wenn nicht gar Hohn provozieren kann. Mag der wissenschaftliche Alltag von der Bemühung um die Präzision des Begriffes und um die Argumentationslogik gekennzeichnet sein (4), so darf sich doch eine Antrittsvorlesung(5) mit den Konturen begnügen. Die Konturen sind schwammig und Assoziationen zulassend. Mehr noch: die programmatische Antrittsvorlesung darf Konturen einer Vorstellungskraft, einer Phantasie zeichnen. Sie soll doch weniger das trockene Werkzeug präsentieren, vielmehr Visionen anbieten und dies sowohl für die universitäre als auch außeruniversitäre Öffentlichkeit. Dies ist - und daß ist auch mein fester Glaube - gerade in der Eschatologie legitim, in jenem dogmatischen Traktat, in dem professionell über menschliche Ängste und Hoffnungen zum Thema: Leben durch den Tod hindurch (früher hätte man gesagt: Leben nach dem Tod) reflektiert wird. Denn: bis zu welchem Ausmaß beeinflußt die Alltagseinstellung, die popular culture die akademische Forschung und Lehre in diesem Kontext? Unser Jakob, dessen Gestalt ich hier mit ihnen zusammen nachzeichne, ist mir der Inbegriff unserer typischen Alltagseinstellung zum Thema. Wenn die heutigen Religionssoziologen sagen, daß bis zu 30 % der gut religiös sozialisierten Mitbürger weder den Himmel noch die Hölle für ihre Weltanschauung brauchen, so gibt diese statistisch richtige Information nur sehr bedingt Auskunft über die eschatologische Vorstellungskraft unserer Mitmenschen. Die direkte Auskunft über den Himmel und die Hölle gibt sehr wenig her, um etwas über den Modus der Präsenz eschatologischer Hoffnungen in unserer Kultur zu erfahren.

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4. Der "unaufgeklärte" Zugang zum Thema

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Was den modernen Jakob von seinem biblischen Prototyp unterscheidet, ist auf den ersten Blick sein aufgeklärter Zugang zu seinem Traum. Auf diesen Unterschied ist der Großteil unserer akademischen Forschung und Lehre fixiert; sie reißt zwischen beiden Gestalten auch immer größere Gräben. Was haben sie aber gemeinsam? Können sie etwas voneinander lernen?

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Beiden ist zuerst die Fähigkeit zur Faszination eigen; beiden ist auch die Bereitschaft eigen, sich ihre Vorstellungskraft von dem, was sie fesselt, prägen zu lassen und aufzugreifen, sich nicht zufriedenzugeben mit der Welt, die sie vorfinden. Beide haben ihre "profundior et universalior appetitio" - wie dies Vaticanum II sagen würde -(6), eine Lust nach dem Leben, und zwar hier und jetzt! So ganz nach dem Motto: "Selig, die gelebt, bevor sie starben!"(7) oder: Es gibt ein Leben vor dem Tod und dieses darf mit einer Selbstverständlichkeit gelebt werden.

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Bei beiden stehen auch ihre Visionen des offenen Himmels ganz im Dienste dieser Lebensbejahung, ja der Lust. Denn auch der Gott des biblischen Jakobs erscheint nicht im der dogmatischen Klarheit des Nizäno-Konstantinopolitanums; es ist ein Gott, der auch zum Verwechseln ähnlich ist mit seinen eigenen Wünschen und Ängsten, ein Gott, dessen Präsenz, die vorhandenen Rivalitäten keineswegs beseitigt, sondern verstärkt (8) .

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Es ist ein aber ein Glaube, ein bedürfnisorientierter Glaube, der sogar ständig einen regelrechten Kuhhandel mit Gott macht: weil ihm viel an der Qualität dieses Lebens liegt.

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Wie ist dann aber der Mehrwert der Anwesenheit Gottes zu beschreiben? Angeregt durch seine Vision des offenen Himmels erbittet Jakob etliches von seinem Gott, aber er bleibt deswegen nicht untätig. All das, was er erbittet, scheint er aber selber auch zu leisten. Gott und Mensch scheinen einander zu ersetzen, Theologie und Anthropologie bleiben hier spiegelbildlich einander ähnlich, aber sie sind doch nicht identisch! (9) Denn: der biblische Jakob kommt nicht auf die Idee, auf seinen Gott zu verzichten. Würde dieser Jakob heute leben, so würde er seinen Glauben vermutlich mit der klaren (vielleicht auch dogmatischen Formel) zum Ausdruck bringen; er würde vom grenzenlosen Vertrauen auf die Kraft eines Gottes sprechen, der - wenn auch meistens unaufdringlich und anonym - seinen Alltag begleitet und das bloße Dasein: den Inbegriff der biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse, aber auch der kulturell-politischen Zusammenhänge, der dieses bloße Dasein zum Leben verwandelt.

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Auch die Vision des offenen Cyberspacehimmels steht im Dienste der Lebenslust des modernen Jakobs. Auch sein Glaube ist bedürfnisorientiert, auch seine appetitio kennt keine Grenzen. Als aufgeklärter Mensch glaubt er aber, sich mit dem Spiegelbild seiner Seele zufrieden geben zu müssen, auf Illusionen und Hoffnungen verzichten zu können und selber sich seinen Himmelstraum zu verwirklichen, ohne die unaufdringliche Anwesenheit eines lebenspendenden Gottes. Als verantwortlicher Täter will er niemandem mit billigen Himmelsbildern trösten, als Opfer glaubt er, darauf verzichten zu können (mindestens solange er jung und potent ist). Hin und wieder erschrickt er vielleicht über die Zeugnisse seiner Engel, die auf der Leiter zu seinem Himmel stehen, wenn sie die Grenzen ihrer Vorstelllungskraft allzudeutlich anzeigen; der amerikanische Basketballstar von den Chicago bulls Dennis Rodmann hat vor kurzem das fascinosum, aber auch das tremendum seines Himmels in einer geradezu pornographischer Deutlichkeit beschrieben: Seitenlange schildert er seine Erfolge, seine Beziehungen zu den anderen Stars, seine orgiastischen Erlebnisse mit Madonna, seine Spiellust usw. Die Zuspitzung seines Bekenntnisses kommt bei der Frage nach den Erwartungen, wenn all dies nicht mehr möglich sein sollte: "Wenn es für mich nichts mehr zu leisten gibt, wenn ich keine Ziele oder Träume mehr habe, weiß ich, daß mein Leben vollendet ist. Wenn ich älter werde und es soweit ist, werde ich mich wahrscheinlich irgendwo zurückziehen - in die Wälder oder ins Gebirge - und dort in mich gehen. Ich werde mein Leben noch einmal Revue passieren lassen und eine Zeitlang darüber nachdenken. Dann werde ich eine Knarre nehmen und mich in den Kopf schiessen. So wird es enden, kurz und schmerzlos."(10) Die ihr eigene Rationalität dieses Himmels, die stahlharten Dogmen der dorthin führenden Treppe lassen letztendlich nur eine Erwartung zu: die Erwartung der Leistung und die Hoffnung, daß, wenn die Leistung nicht möglich ist, daß dann das Ende kurz und schmerzlos sei. Ob eine solche Vorstellungskraft der profundior et universalior appetitio unseres pubertierenden modernen Jakobs wirklich gerecht wird? Kann sie ihn ein Leben lang tragen?

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Der angehende moderne Theologiestudent Jakob würde gut tun, nach der religionskritischen Schulung, die ihm durch die gegenwärtige Kultur widerfährt, sich nun in die Schule seines biblischen Prototyps zu begeben und sich von ihm in die Kunst der zweiten Naivität zu lernen, um wirklich ein Vollbluttheologe zu werden.(11) Worum geht es dabei? Eben um die Einübung der (nun explizit zu thematisierenden) eschatologischen Vorstellungskraft.

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Die Ausbildung der expliziten eschatologischen Vorstellungskraft hat Jahrhunderte gedauert. Ganze Generationen von Menschen bürgen mit ihren Erfahrungen, mit ihren Hoffnungen, aber auch mit ihren Tränen für deren Konturen und Jakob steht nun stellvertretend für das ganze Volk Israel und seine Geschichte. Seine einfache Vision des Himmels, die ihm zum Erfolg animierte, brach in dieser Geschichte des öfteren zusammen. Gott und Erfolg fielen auseinander. Und doch verzichtete weder er noch das Volk Israel auf Gott - ganz im Unterschied zum heutigen aufgeklärten Menschen. Deswegen fand dieses Volk auch zu jenen Konturen seiner Vorstellungskraft, die sich radikal von denen eines Denis Rodmans von den Chicago bulls unterscheiden.

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Die einfache Vision des Himmels schien immer dann zusammenzubrechen, wenn schon einzelne Menschen einen Zusammenbruch in ihrem Leben hinnehmen mußten, die Verminderung ihrer Lebensqualität am eigenen Leib erfahren haben und den Verlust ihres Lebens befürchtete; wenn nicht Ruhm, Geld tolle Beziehungen, sondern radikale Einsamkeit, Armut und Tod einem zuteil wurden. Solange aber der Einzelne in der Gemeinschaft aufgehoben war, wurde der Zusammenbruch nicht zu einem fundamentalen theologischen Problem. Radikal brach die Vision des Himmels erst beim Exil im Jahre 587 v. Chr. zusammen. Dieser Zusammenbruch mußte gemäß dem nüchternen Urteil eines Historikers ein radikales Ende der Träume vom offenen Himmel bringen, weil solche Träume identisch zu sein scheinen mit dem Traum vom Erfolg. Der Zusammenbruch brachte aber nicht das Ende des Traums, sondern dessen vielfältige Korrekturen. Und sie sind nur deswegen möglich geworden, weil die Vorstellungskraft dieser Menschen ähnlich strukturiert war, wie die des biblischen Jakobs: sie war geradezu besessen von der Vision eines Gottes, der niemals bloß nur eine Chiffre für die biologischen, chemischen, physikalischen Prozesse sei und auch nicht für die historischen und kulturtheoretischen Zusammenhänge. Deswegen suchte sie im Kontext der Enttäuschungen nach radikal neuen Spuren. Mühsam ringt die Phantasie der erniedrigten Menschen um die Konturen neuer Hoffnungen: Man versucht die Katastrophe zu erklären (wie die Deuteronomisten es tun), analog zum Krebskranken, der, konfrontiert mit dem Unfaßbaren, sich mit der Erklärung des Zigarettenrauchens hinwegzutrösten vermag. Man sucht die Katastrophe zu verdrängen (wie die Chronisten), man klagt und weint und buhlt um Sympathie ("Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist, wie mein Schmerz, den man mir angetan" Klgl 1,12) und man hofft auf eine neue, andere Welt, die zuerst doch genauso sein wird, wie die jetzige (vgl. die strukturkonservative Prophetie, aus der in der Gegenwart viele Sekten und Konventikel ihre Hoffnung schöpfen (12)). Nur die Rollen werden hier vertauscht. Die Erniedrigten werden herrschen und sich rächen an ihren Henkern.

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Wenn es auch in diesem Kontext nicht möglich ist zu sagen, ob die Konturen dieser eschatologischer Vorstellungskraft vom Menschen oder vom Gott diktiert sind; wenn auch hier Anthropologie und Theologie oft spiegelbildlich gleich bleiben, so verzichtet das Volk trotzdem niemals auf die Vorstellung eines Gottes, der diese Prozesse begleitet. Nur deswegen konnten schußendlich die kühnen Hoffnungen thematisiert werden, die das erfahrene Leid, die Ohnmacht und den mir entgegenschlagenden Tod primär nicht als Infragestellung der Lebensbejahung und der Lebenslust begriffen haben, sondern als Zeilen, auf denen Gott, der Liebhaber des Lebens, gerade schreiben kann: Der Tod, nicht als Ende, sondern als Anfang des neuen Lebens: das ist nicht der Anfang des Glaubens, sondern die letzte konsequente Folge einer Lebenseinstellung, die die Lebensbejahung zur Norm erhebt, deswegen auch ihre Hoffnung nicht aus sich selber gewinnt, sondern aus dem lebendigen Gott.

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Der biblische Jakob könnte seinem modernen Kollegen zu der fundamentalen These verhelfen und ihm stückweise seine platte religionskritische Einstellung korrigieren. Es ist die These, daß ein Lebensentwurf, dem die Lebensbejahung die letzte normative Latte bleibt, notwendigerweise eschatologische Bilder, eschatologische Metaphern und eschatologische Aussagen impliziert. Sie werden nicht erst am Ende des menschlichen Lebens relevant, vielmehr bilden sie den Fokus, durch den die biologischen Tatsachen, aber auch die chemischen und physikalischen Prozesse, kulturelle und politische Zusammenhänge betrachtet werden können. Sie normieren unsere Phantasie unentwegt: Was hat das zu bedeuten? Lassen sie mich das zuerst ganz einfach ausdrücken! Es geht dabei schlicht und einfach um die Frage, mit welchen Augen ich meinen Alltag, meine Lebensgeschichte, unsere Alltagskultur, ja unsere menschliche Geschichte betrachte. - Sind es die Augen, die immer und immer wieder nur die Banalität der Macht der Tatsachen sehen? Selbst wenn es die Tatsachen sind, die ich selber vollbringen kann. - Oder sind es die Augen eines gnadenlosen Zensors, der all das, was irgendwie nach einem Mehr von Phantasie aussieht, zensiert und mich immer wieder neu mit der Nase auf den Inbegriff der physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse aufmerksam macht und mich ständig desillusioniert? - Oder sind es wirklich die Augen, die der profundior et universalior appetitio gerecht zu werden versuchen und deswegen immer wieder den Blick erweitern, anstatt diesen einzuengen?

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 Bei diesen simplen Fragen entscheidet sich unser aller Glaube oder Unglaube.

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5. Vom Traum zum Programm

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Kann die dramatische Narration begrifflich strukturiert und ein praktischer Ertrag daraus gewonnen werden? Nimmt man die christliche Überzeugung, daß in Jesus Christus eine Verdichtung des gesamten Potentials von alttestamentlichen Ängsten und Hoffnungen stattfindet, so wird man den nun einsetzenden explizit christologischen Fokus nicht als eine beliebige Ergänzung anschauen, sondern als eine konsequente Folge. Meines Wissens nimmt nur eine einzige Stelle der biblischen Botschaft einen direkten Bezug auf den Traum unseres Jakobs: es ist die Stelle, in der von der Berufung Natanaels, des wahren Israeliten, des neuen Jakobs, erzählt wird (Joh 1,45-51). Ist sie für die eschatologische Vorstellungskraft relevant? Jesus sieht Natanael und lädt ihn ein mitzugehen. Wenn Du mit mir kommst, wenn du dich auf mich einläßt, wirst du die eschatologische Vorstellungskraft lernen! Du wirst lernen dem lieben Gott ins Fenster zu schauen. Deine Phantasie wird zunehmend beherrscht durch das Bild, das Jakob damals gesehen hat: mit einem Unterschied. Die Treppe ist nun nicht beliebig. Man findet weder eine goldene Leiter, die eine beliebige Projektionsfläche anbietet, die Chicago bulls und auch nicht die zweitklassigen DJ´s. Es ist der Menschensohn, über den die Engeln auf- und niedersteigen. Auf eine solche Botschaft könnte auch unser moderner surfender Jakob gestoßen sein: irgendwo im Cyberspace. Schaut er schon mit dieser Begegnung automatisch dem lieben Gott ins Fenster? Nein! Die eschatologische Vorstellungskraft wird er nur lernen können, wenn er sich auf den Menschensohn und seine Logik einläßt! Und dies passiert nur dort, wo er erfährt, was es zu bedeuten hat, daß er letztendes aufgrund einer bedingungslosen Zuwendung eines anderen (und nicht kraft seines Durchsetzungsvermögens) lebt. Erst dann hat er dem lieben Gott ins Fenster geschaut; erst dann wird er glücklich und er wird nie der Versuchung verfallen dieses Vertrauen auf die bedingungslose Zuwendung eines anderen unter der Hand doch nur zum Spiegelbild seiner eigenen Ängste und Hoffnungen zu degradieren.

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Was hat das konkret zu bedeuten? Konkret wird diese eschatologiche Vorstellkungskraft sichtbar, wenn wir auf die Lebensweise Jesu schauen: Auch er lebte nicht primär aufgrund seines eigenen Durchsetzungsvermögens, sondern aufgrund seines sich Getragenwissens. Die Beziehung zu seinem himmlischen Vater, die seine Existenz geradezu konstituiert, ermöglicht ihm, dieses Stück des Himmels Wirklichkeit werden zu lassen. Er läßt uns dem lieben Gott ins Fenster schauen, wenn er davon spricht, daß Gott seine Sonne über Gute und Böse aufgehen und seinen Regen über Gerechte und Ungerechte regnen läßt. Eschatologische Vorstellungskraft hat sehr viel mit Toleranz zu tun (der Himmel geht dort über Menschen auf, wo sie tolerant sein können). Er läßt uns dem lieben Gott ins Fenster schauen, wenn er sich bedingungslos den Sündern zuwendet und damit mehr als bloß Toleranz zeigt: Wenn er die Ausgeschlossenen in die Mitte der Gesellschaft zurückführt, ganz gleich, wer sie sind: Schwache, Kranke, Sünder, Außenseiter. Eschatologische Vorstellungskraft vertieft sich in einer qualifizierten Toleranz, einer Toleranz, die nicht mit demselben Maßstab über alle hinweggeht, sondern einer, die dem konkreten Menschen in seiner gebrochenen Situation gerecht wird. Nur eine solche bedingslose Zuwendung eines anderen kann den in sein Zimmer geflüchteten und damit isolierten Jakob himmelsfähig machen.

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Jesus läßt uns aber auch dem lieben Gott ins Fenster schauen, wenn er abgelehnt und verurteilt wird, seine Unschuld beteuert, das Geschick erleidet. Eschatologische Vorstellungskraft vertieft die Toleranz angesichts der Ablehnung, in sie selber die Ablehnung erleidet und damit stückweise die Alltagshöllen unseres Lebens tranformiert. Jesus läßt uns dem lieben Gott ins Fenster schauen, wenn er gottverlassen stirbt. Eschatologische Vorstellungskraft wagt Gott in den letzten Abgründen der menschenlichen Existenz zu denken: im Kontext der Gottverlassenheit. Weil Gott, der Liebhaber des Lebens, sich mit dem Toten identifiziert, weil er sich bedingungslos den Gottverlassenen zuwendet, kann er nicht nur den Tod, er kann sogar die Hölle transformieren. Ja: wer dem lieben Gott ins Fenster geschaut hat, der langweilt sich nicht! Er ist glücklich!

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Dies bedeutet nicht, daß die eschatologische Vorstellungskraft uns vor Konflikten bewahrt. Im Gegenteil. Anhand der Apostelgeschichte und des Martyriums des Stephanus, der im Sterben den offenen Himmel sah ( Apg. 7,54-60), können wir lernen, daß die eschatologische Vorstellungskraft die Grenzsituationen nicht tabuisiert. Die eschatologische Vorstellungskraft, die sich am Menschensohn und seiner Botschaft orientiert, wird in Konflikte stürzen, bei denen es um die Konturen eines menschwürdigen Lebens geht. Es können gar tödliche Konflikte sein, aber die eschatologische Phantasie kann sich der Sackgasse bewähren.

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Die letzte neutestamentliche Stelle, die die Vision des offenen Himmels bietet ist Offb 21,1-2; 22.23. Es ist die Vision der neuen Stadt, einer neuen Gemeinschaft. Sie steht hier als Kontrastbild zu einer "virtual community" des elektronischen Zeitalters(13)

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Das sich Einlassen auf den Weg des Menschensohnes, die Bewährung dieses Weges in der Sackgasse sind aber letztendlich nur in einer Gemeinschaft möglich. In der Offenbarung des Johannes haben wir das letzte - all die Stränge bündelnde Bild - des offenen Himmels: Dort ist die neue Stadt, die neue Gemeinschaft sichtbar. Eine Gemeinschaft, die sich zusammensetzt aus jenen, denen der einfache Traum vom offenen Himmel radikal zerbrach: sie wurden verfolgt, sie erfuhren, was Leid, Ablehnung, Isolation, ja sogar der Tod bedeutet. Diese Erfahrungen haben sie aber nicht mit dem Prinzip der Stärke und der Selbstdurchsetzung zunichte gemacht; nein: ihr Sozialisationsprinzip ist das Lamm: das Lamm als der Inbegriff für den jesuanischen Weg und sein Geschick. Sie feiern die Hochzeit des Lammes. Mitten in der Situation des bürgerlichen Durchschnitts oder aber mitten in der Verfolgung, mitten im Trübsal dieser Welt, ja mitten in der alltäglichen Hölle feiert die neue Gemeinschaft immer wieder die Hochzeit: ein leib-seelisches Ereignis: sie nimmt den Inbegriff des Himmels - die fruitio der communio sanctorum und die fruitio dei - den Genuß Gottes und den Genuß der Gemeinschaft aller Heiligen vorweg.

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Die letzte Vision des offenen Himmels legt die Latte sehr hoch, weil sie die leibliche, ja die materielle Wirklichkeit integriert; deswegen kann sie geradezu als ein Gegenbild der virtual community gelten, die die Gemeinschaft nur vortäuscht, faktisch aber die Isolation verstärkt.

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6. Hochzeit des Lammes und ein Fest für alle Völker

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Ich glaube, es ist höchste Zeit, den in seinem Zimmer eingesperrten modernen Jakob herauszuholen zu der Hochzeit des Lammes oder aber zum Mahl der Völker. Denn das ist der letzte normative Impuls der eschatologischen Vorstellungskraft. Sie wird primär durch eine neue Praxis und nicht durch die Reflexion korrigiert. "Der Herr wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen" (Jes 25,6).

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Es ist das letzte Bild, mit dem ich Sie konfrontiere: Auch dieses Bild kann als Bild des offenen Himmels gesehen werden; denn: auch in diesem Bild geht es um die Hoffnung auf einen Anderen, nicht auf uns selber und unsere Kräfte. Es ist die Hoffnung auf den lebendigen Gott, eine Hoffnung aber, die alles andere als steril und frömmlerisch ist.

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Dieses Bild gehört für mich zu den wichtigsten Kurzformeln des Glaubens und der Hoffnung: Hoffnung auf menschliches Leben in einer Gemeinschaft, die der Menschen würdig ist. Es ist ein Bild, das ich ganz gerne zur Überblendung anderer Bilder verwende: Bilder, mit denen wir unsere Gegenwart beschreiben, aber auch Bilder von der Kirche, ja sogar Bilder von Gott. Die Vision eines Festmahls, das zu einem Gelage wird, diese Hoffnung auf eine geradezu orgiastische Lust und Freude, die dazu noch allen Völkern der Erde zukommen soll - wenn der Herr, auf den wir unsere Hoffnung setzen, sich als Gott erweisen wird. Diese Vision soll nun sakramental - bruchstückhaft Wirklichkeit werden: im Arkadenhof (14). Sie wird Wirklichkeit, weil viele mitgeholfen haben: der Freundeskreis, die Fachschaft und die Studierenden. Sie wird Wirklichkeit, weil viele kommen werden: Kommen Sie also alle, damit diejenigen, die kommen, nicht in den Weinfluten ertrinken müssen. Angesagt ist open end für eine Fakultätsparty als Vorwegnahme des himmlischen Festmahls.

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Anmerkungen:  

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 1. M. Kundera, Die Langsamkeit München 1995, 7.

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2. Mit dieser Formel beschrieb die mittelalterliche Theologie die Ewigkeit des Himmels.

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3. U. Eco, Der Name der Rose. München 1982, 541-554.

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4. Vgl. J.Niewiadomski, Hoffnung im Gericht. Soteriologische Impulse für eine dogmatische Eschatologie. In: ZKTh 114 (1992) 113-126.

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5. Der vorliegende Text geht auf die Antrittsvorlesung des Verfassers an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck am 14.Mai 1997 zurück. Für die Publikation wurde sie nur geringfügig überarbeitet; der mündlich-narrative Stil ist bewußt beibehalten worden. Die Narration als Methode des wissenschaftlichen Denkens erlaubt engere Verbindung zwischen Theologie und Spiritualität. Zur wissenschaftstheoretischen Reflexion vgl. R. Schwager, J.Niewiadomski u.a. Dramatische Zheologie als Forschungsprogramm. In: ZKTh 118 (1968) 317-344.

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6. Gaudium et spes 9.

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7. Dieser Spruch steht auf dem Grabstein von M.L. Kaschnitz in Bölschweiler.

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8. Man denke nur an den Konflikt mit Esau.

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9. Vgl. dazu: J. Niewiadomski, Inkarnation als Inkulturation. Ein theologisches Triptychon. In: Evangelium und Inkulturation (1492-1992). Salzburger Hochschulwochen 1992. Hg. von P. Gordan. Graz 1993, 27-49.

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10. D. Rodmann mit T. Keown, Der Abräumer. Bad as I wanna be. dtv. premium. München 1996, 276.

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11. Zu den methodischen Fragen vgl. J. Niewiadomski, Aufklärung durch Theologie. In : Erkenntniswege in der Theologie. Hg. von H. Bogensberger, F. Ferschl, R. Kögerler und W. Zauner. Graz 1998, 89-106.

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12. Vgl. dazu: J. Niewiadomski, Faszination des Untergangs. Herausforderungen fundamentalistischer Religiosität. In: Gottesgeschichten. Beiträge zu einer systematischen Theologie. FS Gottfried Bachl. Hg. von W. Achleitner und U. Winkler. Freiburg i. Br. 1992, 392-400.

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13. Kritisch zur virtual community vgl. J. Niewiadomski, extra media nulla salus? Zum Anspruch der Medienkultur. In: ThPQ 143 (1995) 227-233.

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14. Das im Anschluß an die Antrittsvorlesung im Arkadenhof der Fakultät stattgefundene Fest verstand sich als ein integraler Teil der Vorlesung selbst.

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