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Die Freude am Tag des Herrn
(Gedanken zum 3. Sonntag im Jahreskreis ©)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Warum die Botschaft Gottes für uns Anlass zum Feiern sein kann
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-01-26

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Neh 8,2-4a.5-6.8-10; Lk 1,1-4; 4,14-21;

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 Liebe Gläubige,

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ist das nicht ein wenig seltsam, was uns die Lesung aus dem Buch Nehemia berichtet? Das Geschehen, das uns hier erzählt wird, ereignet sich, nachdem Israel aus der Babylonischen Gefangenschaft befreit wurde und zurückgekehrt ist nach Jerusalem, einen neuen Tempel gebaut hat und sich nun wieder bemüht, nach seinem Glauben zu leben.

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Das ist gar nicht so einfach. Waren doch die Israeliten fast 50 Jahre im Exil. Das sind fast 2 Generationen. 2 Generationen, in denen der Glaube nicht gelebt werden konnte, das Gesetz nicht gelesen, der Tempelkult nicht gefeiert. Den meisten jungen Leuten war das alles fremd geworden, sie waren nicht damit aufgewachsen und mussten erst wieder neu darin eingeführt werden. Aber zuerst ging es ans Praktische: Es wurde gebaut, Tempel und Stadt, und wieder vergingen Generationen bis ein normales jüdisches Leben möglich war. Die Neueinführung war anscheinend auch noch ca. 90 Jahre, also noch einmal drei Generationen nach dem Exil notwendig, Und dies versucht nun der Schriftgelehrte Esra. Er liest das Gesetz vor und erklärt es, damit die Leute es verstehen. Er bietet den Menschen sozusagen ein Einführung in ihren eigenen Glauben an, um sie wieder zu befähigen, diesen Glauben zu leben. Doch es geschieht etwas ganz Seltsames: Die Leute beginnen zu weinen. Scheinbar verstehen sie nun erst recht nicht, worum es geht. Es wird nicht gesagt, warum die Leute weinen. Aber es heißt, sie weinten, nachdem man ihnen das Gesetz Gottes vorgelesen hatte. Fühlten sie sich überfordert von diesem Gesetz? War es ihnen immer noch fremd? Fühlten sie sich gar bedroht von diesem Gott und bekamen Angst? Jedenfalls weinen sie.

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Ich habe den Eindruck, dass es uns heute oft ganz ähnlich geht. Ist es nicht oft so, dass wir in der Messe ein Evangelium, eine angebliche Frohe Botschaft hören und wir es ganz und gar nicht als frohe Botschaft empfinden, sondern als beängstigend und bedrohlich, als Botschaft, die uns etwas vorschreibt, die etwas von uns fordert, das wir nicht geben können oder wollen, und die uns einen Angst machenden Gott zeigt? Ja, ist unsere Zeit nicht für manche wie die Zeit nach dem Exil? Manchen, vor allem jungen, Menschen sind die kirchlichen Formen, die Heilige Schrift, die Gottesdienste und die Sprache des Glaubens fremd geworden, aber sie suchen nach Gott und suchen auch in der Kirche. Und es gibt auch in der Kirche Schriftgelehrte, die sich ihrer annehmen wollen, die ihnen alles vorlegen und erklären. Und was passiert? Die Leute fühlen sich bedroht, überfordert, verurteilt, bekommen Angst vor dem und Widerwillen gegen das, was ihnen da vorgelegt wird. Der Unterschied zur Zeit des Esra und Nehemia ist nur, dass die wenigsten der heute so Verschreckten hier bleiben und zu weinen beginnen - sie gehen einfach wieder und suchen woanders weiter.

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Was kann man da tun? Vielleicht sollte man ja das versuchen, was Esra getan hat, und sagen: „Geht, haltet ein festliches Mahl, und trinkt süßen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke." (Neh 8,10) Und gleich anschließend an die heutige Lesung heißt es, dass auch die Priester das sagten (vgl. Neh 8,11) und die gemeinsamen Bemühungen von Esra und den Priestern Erfolg hatten: „Da gingen alle Leute nach Hause, um zu essen und zu trinken und auch andern davon zu geben und um ein großes Freudenfest zu begehen; denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen verkündet hatte." (Neh 8,12)

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Jetzt, wo die Leute feiern, sagt uns die Bibel, jetzt haben sie die Worte verstanden, die man ihnen verkündet hatte, jetzt ist die Frohe Botschaft angekommen. Wenn man Gottes Wort und auch Gottes Gesetz richtig verstanden hat, dann fängt man nicht zu weinen an, dann fängt man zu feiern an, und zwar so - wie wir hören - dass alle mitfeiern können und keiner ausgeschlossen bleibt. Und das gilt auch heute. Alle jungen (und älteren) Leute, die meinen, Gott sei ein Spaßkiller und Spielverderber, die haben sein Gesetz nicht wirklich verstanden, bei denen ist seine Frohe Botschaft nicht richtig angekommen.

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Aber, so werden Sie jetzt vielleicht sagen: Ist nicht heute die größere Gefahr, dass wir uns zu Tode amüsieren und den Ernst des Lebens verleugnen? Das Leben ist nun mal kein ständiges Fest, es ist ernst und oft schwer. Wer das nicht sieht, ist ein Fantast. Wo bleibt das alles in dieser frohen Botschaft? Werden da die Leute nicht belogen - über das Leben ebenso wie über Gott? Denn Gott will doch, dass wir uns einsetzen für das Gute und nicht nur das süße Leben genießen. Wie soll denn das zusammengehen?

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Diejenigen von Ihnen, die so denken, haben Recht - und, gestatten Sie mir das, Sie haben doch auch wieder nicht Recht. Sie haben Recht, weil das Leben nicht nur aus Feiern besteht, weil gerade christliches Leben oft Leiden und Zurückstehen bedeutet, und weil Gott tatsächlich einen Einsatz von uns wünscht, der bis ans Letzte gehen kann. Und dass die heutige Spaßkultur dies nur zu gern verleugnet und verdrängt und durch billige Amüsements zudeckt, das ist auch wahr. Aber, all dies ist nicht so, weil Gott es so eingerichtet hätte, sondern weil wir in einer Welt sind, die in vielem nicht dem Willen Gottes entspricht. Das Leiden, die oft berechtigten Ängste, sie sind nicht das, was Gott für uns vorgesehen hat und für uns will, es ist das, was uns in einer von der Sünde geprägten Welt immer wieder zustößt wegen dieser Sünde. Das Feiern, das fröhlich Sein, das gute Leben, das niemanden ausschließt, das ist es, was Gott für uns vorgesehen hat. Wenn wir das verstanden haben, wenn wir begriffen haben, dass Gott für uns und alle nur das Gute will, und das Unangenehme und Harte nicht Gottes Ziel für uns ist, sondern die Folge dessen, dass wir Menschen uns seinem Willen so oft verweigern, dann haben wir begriffen, dass nicht Gott uns bedroht und Angst macht, sondern wir uns selbst und einander, und Gott derjenige ist, der uns daraus befreien will.

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Darum ist es am Tag des Herrn angebracht, zu feiern, nicht zu weinen, sondern sich zu freuen. Wenn wir Realisten sind, wissen wir, dass wieder ein Tag der Menschen kommen wird, an dem das Weinen, das Trauern und das Angst haben nicht unangebracht ist. Aber als Gläubige wissen wir auch, dass nicht Gott der ist, der Angst und Leid verursacht, sondern die Freude an ihm unsere Stärke ist, in der wir auch diese Tage der Menschen durchstehen werden. Und ein solches Feiern in Gott ist dann auch nicht ein billiges Amüsement, das den Ernst des Lebens nur verdeckt und verleugnet. Es gibt uns vielmehr die Kraft, diesen Ernst und seine Herausforderung anzunehmen.

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Immer wieder bietet uns Jesus diese Gnade an, immer wieder ruft er einen Tag der Gnade aus, wie in der Synagoge von Nazaret. Feiern wir heute den Tag des Herrn und tragen wir die Freude, dass unser Gott ein Gott des Lebens und des Feierns ist, hinaus in die Welt und in die Tage der Menschen, damit für immer mehr Menschen sein Wort nicht Anlass zur Trauer und Angst, sondern zum Feiern, für Freude und Hoffnung, wird.

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