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Swarovski-Konzern - eine alternative Kirche?

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:Wirtschaft, Religion, Kapitalismus, Sakral, Wallfahrt, Werbung
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-02-02

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Dass der Kapitalismus - äußerlich gesehen - eine gewisse Nähe zu religiösen Formen hat, ist Walter Benjamin schon 1921 aufgefallen (Kapitalismus als Religion. In: Gesammelte Schriften VI, 100-103). Inzwischen sticht vor allem hervor, dass die Werbung für Produkte des Alltags im wachsenden Masse religiöse Elemente benützt, wie eindrückliche Beispiele zeigen (http:\\www.glauben-und-kaufen.de). Wolfgang Palaver hat auf diesem Hintergrund die kleine Studie von Benjamin aktualisiert (vgl. Kapitalismus als Religion). Was Markus Swarovski, der jüngste Spross des Tiroler Familienkonzerns in der Firmenleitung, vor Weihnachten 2003 in einem Interview verraten hat, geht aber über diese 'Sakralisierung' deutlich hinaus (Format 49 /2003, 16-18). Ein Konzern habe nicht bloß Waren zu verkaufen, er müsse auch eine Botschaft vermitteln: "Produktionsbetriebe werden tendenziell zu 'Broadcast Stations'. Und so wird Swarovski zum Erzähler unvergleichlicher Kristallgeschichten... Die energetisch aufgeladene Marke strahlt auf unser Kerngeschäft zurück." Erzählungen wollen aber gehört werden, und sie wirken nur, wenn sie immer wieder gehört werden. Der Kristallkonzern versucht deshalb, Massenprodukte zugleich als etwas Einmaliges verkaufen; er möchte seine Kunden persönlich ansprechen und dabei Gemeinschaft schaffen: "Wir schaffen millionenfach Unikate. Das Zauberwort heißt heute CRM: Consumer Relation Management. Anders gesagt: Man schafft Communitys." Die 430'000 Swarovski-Sammler auf der ganzen Welt erhalten deshalb viermal jährlich ein Magazin (in neun Sprachen) und dazu eine Gabe, die jährlich speziell für sie und nur für sie kreiert wird. Beziehungen über Erzählungen, Zeitschriften und Gaben drohen dennoch abstrakt zu bleiben, wenn nicht die räumliche Begegnung hinzukommt. Swarovski weiß auch darum. Er veranstaltet deshalb regelmäßig in allen Erdteilen 'events', und er hat schon vor Jahren im heimischen Tirol einen Wallfahrtsort geschaffen, den 'Riesen im Berg', der bisher bereits von mehr als fünf Millionen 'Pilgern' besucht wurde. Diese 'sakrale Stätte', die einem unterirdischen Mysterienort gleicht, ist nun weiter ausgebaut worden. Man beginnt die 'Einweihung' beim Geheimnis des fließenden Wassers, und wandert dann durch kristallene, sakrale Welten, in denen Themen und Symbole aus allen großen religiösen Traditionen auftauchen und die dem pilgernden Ich immer wieder ein Spiegelbild zurückwerfen. Wie der Gang durch die katholische Liturgie schließlich mit der Kommunion endet, so führt der labyrinthische Weg durch den 'Riesen im Berg' in eine geheimnisvolle Verkaufslandschaft, wo jeder das Objekt seines Begehrens - im Tausch für etwas aus seinem eigenen Leben - empfangen kann. Wem der Weg zu dieser Pilgerstätte zu weit ist, der kann ihm wenigstens virtuell ein wenig folgen (http://www.swarovski.com/krista llwelten/main.htm). All dies wird vom Konzern durch einen großen Glauben an die Zukunft und durch einen Willen zur ständigen 'Bekehrung' getragen: "Die Verbesserung der Effizienz und Unternehmenskultur ist bei uns eine ständige Agenda."

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Markus Swarovski weiß selbstverständlich, dass sein Konzern keine Kirche ist. Woher kommen dennoch die seltsamen Annäherungen? Greifen Konzerne religiöse und kirchliche Elemente auf, um die Menschen möglichst umfassenden zu beeinflussen und so schrittweise die Kirchen zu ersetzen? Oder entsprechen die Kirchen so sehr einer anthropologischen Tiefenstruktur, dass auch Konzerne auf Dauer nicht daran vorbei kommen, sich ihnen anzunähern, wenn sie erfolgreich sein wollen? Vielleicht trifft beides ein Stückweit zu. Entscheidend ist aber letztlich, woran man glaubt. Markus Swarovski erweckt den Eindruck, er traue seinen Kristallgeschichten fast mehr als manche kirchlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den biblischen Erzählungen, obwohl die letzteren doch ganz anders in die Tiefe des Menschlichen und Göttlichen hineinreichen und sich während zweitausend Jahren auf ganz andere Weise bewährt haben.

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