Vom Aufstieg und Fall |
Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | kommentar |
Abstrakt: | |
Publiziert in: | Tiroler Tageszeitung 79 vom 3./4. April 2004. |
Datum: | 2004-04-05 |
1 | Verdammt modern geht es da zu. Und auch verdammt nahe am Lebensgefühl des heutigen Menschen. Beim Urlaub am Strand, in den Swingerclubs und den zahlreichen Events, die inzwischen unseren grau modischen Alltag strukturieren. So möchte man meinen. Doch der Werbeschein trügt. Moderner und lebensnäher als all diese heutigen Erlebniswelten und Erscheinungen bleiben für uns der mittelalterliche Kreuzweg und auch die altkirchliche Karwoche. "Ein guter Trick des getarnten Frömmlers!" - wird der Kirchenfresser nun kontern, und auch den Kirchgängern müsste bei diesem Vergleich der Mund eigentlich offen bleiben. |
2 | Modern ist die Karwoche aber, weil sie in einem Rausch sondergleichen beginnt. Der kometenhafte Aufstieg in den besten Lebensjahren. Auf dem Weg in die Hauptstadt. In das Herz der Welt. Palmsonntag als Starmania pur! Millionen von Zeitgenossen träumen doch ständig davon: von Geld und Einfluss, von der kraftstrotzenden Gesundheit und Potenz. Dass mir Menschen zu Füßen liegen. Mich bewundern. Oder aber mich beneiden. Diesen Rausch des Aufstiegs erlebt doch jeder - mindestens in seinen Träumen. Und keiner wagt da daran zu denken, dass im Aufstieg der Fall schon vorprogrammiert ist. Ganz schön verdrängend, so ganz nach dem Motto: Wenn auch Millionen schon gestrauchelt sind, mich wird es doch nicht treffen - ich bin doch unverwundbar. Und doch! |
3 | Modern ist die Karwoche, weil sie solche Hoffnungen und Illusionen zerstört. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wird da der Mensch auf brutalste Weise auf seinen "Kreuzweg" umdirigiert. "Wie schrecklich! Und lebensfeindlich!" - schreiben sich die Kirchenfresser ihre Finger wund. All jene, die sich an der christlichen Symbolik das Maul aufreißen, übersehen aber deren Lebensnähe. Nicht die Darstellung schafft hier nämlich das Leiden! Den Fall in den Abgrund gibt es doch auch ohne die Darstellung landauf-landab. Als Kehrseite der Starmania sozusagen. Gestern noch von allen bejubelt, heute schon am Boden. Mit einer Flasche in der Hand. Vor allem aber einsam. Einsam - genauso wie schon im Rausch des Aufstiegs. |
4 | Karwoche im heutigen Leben? Je moderner wir in unseren Träumen vom Erfolg werden, umso mehr nähern wir uns der Kreuzung, bei der der eigentliche "Kreuzweg" anfängt. |
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