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Das Opfer Christi und unsere Opfer
(Unterscheidungen und Zusammenhänge)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Entschluß 48 (1993), Heft 1, 8-13.
Datum:2001-10-10

Inhalt

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Die Krise des traditionellen Opferverständnisses:

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Früher haben Christen die Messe ohne Probleme als Opfer verstanden. Heute ist man skeptisch, wenn Menschen Opfer bringen wollen. Die Theologie weist zwar klärend darauf hin, daß die Eucharistie nur deshalb ein Opfer ist, weil sie auf Jesus Christus verweist, dessen Kreuzestod ein Opfer war. Aber auch damit tun wir uns schwer. Jesus wurde ausgeliefert und umgebracht, weil er den Interessen von einflußreichen Leuten im Wege stand. Daß er in diesem Sinn ein Opfer war, das können wir verstehen. Wir können auch damit etwas anfangen, daß sie Jesus ihren Interessen opferten, und daß er das Opfer ihres Machtstrebens wurde. Aber das ist nicht die Bedeutung, die die kirchliche Theologie im Sinne hat. Schon im Hebräerbrief heißt es, daß Jesus sich selbst als Opfergabe an den Vater dargebracht hat, zur Sühne für unsere Sünden. Auch wir bringen Opfer, um ein uns wichtiges Ziel zu erreichen. Aber, so fragen wir, welchen Zweck hatte denn dieses Opfer Christi? Die Beschwichtigung eines zornigen Gottvater? Damit können wir uns nicht zufriedengeben. Einerseits empfinden wir dies als untragbaren Widerspruch zur Vorstellung eines liebenden Gottes, wie ihn uns Jesus nahegebracht hat. Anderseits genügt uns der Hinweis auf einen Willensentscheid Gottes, der auch ganz anders hätte sein können, nicht. Wir wollen - in unserer Erfahrung aufweisbar - den Sinn dieses Opfers Jesu begreifen. Was veränderte es an unserer Heillosigkeit? - Die traditionelle Theologie antwortet auf diese Fragen, indem es auf die Sakramente hinweist. In ihnen können wir uns die "objektive" Erlösung, die Jesus bereits für uns gewirkt hat, aneignen. In der Messe wird das Opfer Jesu zu unserem Opfer und ermöglicht so unser Heil. Damit sind aber unsere Fragen nicht zufriedengestellt. Zwar ist die Fährte gewiesen, wo wir einen Zusammenhang zwischen Jesu Heilstat und unserem Heil auffinden könnten; aber der Zusammenhang selbst und mithin der Sinn des ganzen Opfergeschehens bleiben für uns im Dunkeln.

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Das heutige profane Opferverständnis

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Der Begriff Opfer hat seine Bedeutung nicht verloren, er ist eines der großen Worte unserer Zeit, - auch wenn sein Gebrauch oft als banal erscheint. "Die deutsche Einigung verlangt den Steuerzahlern große Opfer ab." - Hierbei ist mit Opfer eine Verzicht gemeint, den Menschen leisten (sollen), damit ein höheres Ziel erreicht werden kann. Wenn wir den Wert eines solchen Opfers einschätzen, sind für uns folgende Fragen bedeutsam: 1. Besteht ein einsichtiger Zusammenhang zwischen der Opferleistung und dem Zweck, der damit verfolgt wird? 2. Hat derjenige, der das Opfer bringen soll, sich frei dazu entschieden, oder wurde er von anderen dazu genötigt? 3. Identifiziert sich der Opfernde überhaupt mit dem vorgeblichen Zweck des Opfers, oder wird dieses ihm aufgenötigt von anderen, die ihn zur Durchsetzung ihrer Interessen mißbrauchen? - Je nachdem, wie diese Fragen zu beantworten sind, haben wir es mit verschiedenen "Qualitäten" von Opfer zu tun. Im besten Fall ist das Opfer der freie, selbstlose und reife Verzicht zugunsten eines Zieles, das für den einzelnen, für andere oder für uns alle wertvoll ist. Im ungünstigsten Fall ist es ein Akt der Herrschaftsausübung, in dem ich andere zu einem Verzicht ("Opfer") überrede oder nötige, um meine eigenen Interessen durchzusetzen: Ich mache andere zu Opfern. Zwischen dem menschenfreundlichen "Opfer bringen" und dem menschenfeindlichen "Opfer machen" fließen die Grenzen, und oft wird eine in Wahrheit egoistische Handlung als selbstlose Tat bemäntelt. Die wahren Verursacher und Interessenträger für eine Verzichtleistung werden dann verheimlicht. Geläufige Formulierungen verraten diese Tendenz zum Verschweigen: "Der EG-Beitritt verlangt Opfer von...", oder: "Er wurde das Opfer eines Verkehrsunfalles".

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Wir sind heute durchschnittlich sensibler gegenüber der Verschleierung menschenfeindlicher Opferpraktiken geworden als frühere Generationen. Dafür gibt es wohl mehrere Gründe: der Prozeß der Säkularisierung, in dem das Annehmen von Leid und Verzicht ("Opfer") als von Gott gesandt ersetzt wird durch die kritische Frage nach den Schuldigen; die Opferkritik von Psychologen und Philosophen der letzten hundert Jahre; unsere Erinnerung an die unausdenklichen Massenmorde, verübt und toleriert von sogenannten "zivilisierten Menschen" unserer Kultur, die sich durch eine Ideologie verführen ließen, die diese Opfer forderte. All das hat uns heute kritischer gemacht gegenüber Ideologien und Sachzwängen, die uns Opfer als unvermeidlich erscheinen lassen. Das Mitfühlen mit Opfern, der Einsatz für sie und das Aufdecken subtiler opfererzeugender Praktiken sind bedeutende Kennzeichen unserer Zeit.

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Modernes Opferverständnis und Christentum

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Auch für eine Reihe neu entstandener Theologien ist dieses neue, kritische Opferbewußtsein charakteristisch. Von der Theologie der Befreiung bis zur feministischen Theologie können wir in diesem Sinn von Opfertheologien sprechen. Sie zeigen uns Christus als Aufdecker und Überwinder der negativen Opferformen. Dazu muß aber noch eine weitere Einsicht kommen: Christus ist auch der Vollender des positiven Opfervollzuges. Für eine umfassende christliche Sicht des Opfers, welche sowohl das positive als auch das negative Vorverständnis berücksichtigt, möchte ich im folgenden einige Anregungen geben. Ich werde dafür zuerst einen religiösen Opferbegriff vorschlagen, der das aufgewiesene profane Opferverständnis weiterführt. Dann untersuche ich das Schicksal Jesu Christi als Opfergeschehen. Abschließend werde ich vier eng miteinander zusammenhängende Opferbegriffe darstellen, welche sowohl das traditionell-christliche als auch das heutige profane Opferverständnis berücksichtigen.

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Ein allgemeiner religiöser Opferbegriff

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Es gibt menschenfreundliche und menschenfeindliche Opfervollzüge. Für ein profanes Verständnis beider Formen ist es selbstverständlich, das Opfer als (geleistete oder geforderte) Verzichtleistung zugunsten eines einzelnen Zieles zu verstehen. Wenn dieses Ziel für den Opfernden eine absolute Bedeutung gewinnt, wird aus dem profanen Opfer ein religiöses. Das möchte ich nun für das menschenfeindliche und dann für das menschenfreundliche Opfer genauer ausführen.

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Eugen Drewermann hat gezeigt, wie die Angst Menschen neurotisch macht und dazu treibt, unsinnige Opfer zu bringen, nur um ihre Angst einzudämmen. René Girard legte dar, wie Menschen in einem kollektiven Prozeß, den sie selber nicht durchschauen, lernen, daß die Ausgrenzung von Opfern den gefährdeten Frieden wiederherstellt. Trotz großer Unterschiede ist beiden Erklärungsmodellen gemeinsam, daß Menschen angesichts einer als irrational und bedrohlich empfundenen Macht ihr Gleichgewicht zu wahren suchen, indem sie andere zu Opfern machen; weiters, daß sie ihr Verhalten dabei nicht durchschauen und nur sehr eingeschränkt frei bestimmen können. Man kann sie als Gefangene einer dämonischen Religiosität bezeichnen, die ihren Götzen immer mehr Opfer bringen, um überleben zu können. Diese Form des Opferns ist menschenfeindlich oder antipersonal.

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Im schärfsten Gegensatz dazu steht der personale Opfervollzug: Ich verstehe darunter einen freien und zeichenhaften Ausdruck des Dankes, der Würdigung und der (Neu-)Zuwendung gegenüber einer als lebensfreundlich erfahrenen, absoluten Macht. Die Bibel spricht in diesem Sinn von Lob- und Dankopfern. Dieses positive religiöse Opfer ist zugleich ein positives im profanen Sinn. Denn die Zuwendung zu einem lebensfreundlichen Gott muß selbst menschenfreundlich sein. Zwischen dem positiven Opfer im profanen und im religiösen Sinn gibt es eine bedeutenden Übergangsbereich: Wenn eine Mutter Opfer bringt, nicht um sich die Wertschätzung der Familie zu verdienen, sondern als selbstverständlicher und fragloser Ausdruck ihrer Liebe, dann ist das ein gutes Opfer im religiösen Sinn, auch wenn kein ausdrücklicher Gedanke an Gott dabei ist.

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Ob personal oder antipersonal, in jedem Fall ist das Opfern der kraftvolle Ausdruck einer Hinbeziehung auf eine Macht, die als absolut erfahren oder gesetzt wurde. Und als solcher übt es einen faszinierenden Sog auf andere aus. Sowohl eine positive als auch eine destruktive Religiosität wirken ansteckend. Dramatisch ist das Aufeinandertreffen beider Formen: Wer ein freies und glückliches Gottesverhältnis lebt (= personales Opfer), beeinflußt auf eine widersprüchliche Weise die "antipersonalen Opferer": Einerseits weckt er in ihnen die Hoffnung auf eine neue Freiheit; er befähigt und verlockt sie zu einer Abkehr von ihrer antipersonalen Opferpraxis. Die so Angesprochenen erfahren dieses Angebot aber nicht nur als einladend, sondern zugleich als bedrohlich. Denn ihre antipersonale Opferpraxis, zu deren Aufgabe sie sich herausgefordert fühlen, hatte ja bisher eine angstreduzierende, den Frieden sichernde Funktion. So sind sie in eine Entscheidung zwischen beiden Opferformen gezwungen. Entweder sie nehmen das Angebot zu einer menschenfreundlichen Religiosität und Lebensweise an oder sie müssen ihren alten Götzen ein weiteres Opfer bringen, nämlich ihren Befreier. Dies war das Schicksal vieler Propheten des Alten Testaments und in besonderer Weise das Schicksal Jesu.

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Jesus und die Opfer

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Jesus faszinierte in unvergleichlicher Weise dank seines reinen Gottesverhältnisses, das ihn zugleich vor dem Einfluß antipersonaler Opfervollzüge vollkommen bewahrte. So konnte er wie kein anderer die Opfer seiner Zeit ansprechen, verdeckte antipersonale Opfermechanismen aufdecken und die darin Gefangenen zur Umkehr herausfordern. Er strahlte die Verheißung einer großen Freiheit und Liebe aus, der sich niemand entziehen konnte. Menschen ließen alles liegen, um ihm zu folgen. Kranke wurden durch sein Wort geheilt. Benachteiligte und Verachtete erfuhren seine Zuwendung. Jesus heilte auch Besessene. Die Evangelien berichten, wie diese Menschen durch Jesu Zuspruch in eine außerordentliche Unruhe gerieten, wie sie hin und hergerissen wurden zwischen der Macht Jesu und der Gewalt ihrer Dämonen, bis diese sie verlassen mußten. Dasselbe dramatische Geschehen ereignete sich auf eine weniger auffällige aber gefährlichere Weise zwischen Jesus und jenen "Besessenen", die als gesellschaftlich anerkannte Vertreter des wahren Glaubens zu antipersonalen Opfervollzügen neigten. Jesus deckte in ihnen eine unheilvolle Tendenz auf, ihre Religiosität auf Kosten anderer zu verwirklichen, auf diese Weise andere Menschen zu Opfern zu machen und den wahren Gott zu verfehlen (vgl. Mt 23). Jesus befreite und zwang sie zu einer fundamentalen Entscheidung: für den wahren Gott oder gegen ihn. Das heißt, sie standen vor der Wahl, entweder ihre Götzen aufzugeben, oder ihnen mit Jesus ein weiteres Opfer zu bringen (vgl. Joh 11,50). Dieses "Opfern" kann im einzelnen sehr unterschiedlich ausgesehen haben: offen betriebene Feindschaft; Unterstützung von Intrigen gegen Jesus; Schwächung der Bereitschaft, ihn gegen ungerechte Anklagen zu verteidigen; Angst, sich öffentlich zu ihm zu bekennen. Die Evangelien berichten, wie sich mit der Zeit immer mehr Menschen gegen Jesus entschieden. Das kollektive Zusammenwirken dieser Entscheidungen ermöglichte seinen Kreuzestod.

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Von daher ergeben sich verschiedene Bedeutungen des Todes Jesu. Er war die Konsequenz seines riskanten Befreiungsangebotes für die antipersonal Opfernden. Er war die Folge seines Einsatzes für die Opfer seiner Zeit, aber auch für die Opfer der ganzen Weltgeschichte. Jesus hat sich mit ihnen identifiziert bis zum Tod. Was solche Identifizierung bedeutet, hören wir eindrucksvoll in seiner Weltgerichtsrede (Mt 25,31-46). Der Tod Jesu birgt überdies den Keim zur vollendeten Aufdeckung jeder antipersonalen Opfertendenz: Für die nachchristliche Welt bleibt er eines der großen Mahnmale für das Verhängnis kollektiver destruktiver Tendenzen. Dem Christen aber ist die Begegnung mit dem Auferstandenen zugleich die Begegnung mit dem Gekreuzigten, der sich mit allen Opfern identifiziert hat. Deshalb ist der Christ dabei zugleich mit jenen Menschen konfrontiert, die er selbst zu Opfern gemacht hat. So ist die Begegnung mit Christus für ihn untrennbar beides: Ermutigung und Beschämung, Trost und Herausforderung, Heil und Gericht. Damit geht es dem Christen, der heute die Gegenwart des lebendigen Christus erfährt, gar nicht so anders wie jenen Menschen, die vor 2000 Jahren dem irdischen Jesus begegneten.

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Vier christliche Opferbedeutungen

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Bis jetzt war von den Grundformen des personalen und antipersonalen Opferns die Rede. Ich habe das Schicksal Jesu als Konfrontation zwischen diesen beiden Opferformen gedeutet. Es zeigte sich uns so als ein dramatisches Geschehen, das sich zwischen Jesus und den von ihm aufgerufenen Menschen abspielte. In diesem Konflikt ging es um die Beziehung zum wahren Gott. Die zur Umkehr aufgerufenen Menschen, Jesus und der Vater, - das sind die drei "Akteure", zwischen denen sich das Drama des Opfertodes Christi ereignete und noch ereignet. Das eine Opfergeschehen erscheint in einem unterschiedlichen Licht, je nachdem, welche Akteure ich dabei besonders beachte. Ich kann das Opfer verstehen als Tat der Sünder an Jesus (unser antipersonales Opfer); oder als Hingabeakt von Jesus selbst gegenüber dem Vater für das Heil der Menschen (Jesu personales Opfer); oder als unsere Tat in Anerkennung der Selbsthingabe Jesu und in Annahme seines Versöhnungsangebotes (unser personales Opfer); oder als Willen des Vaters gegenüber dem Sohn zur Versöhnung der Welt: (das im Vater gründende heilschaffende Opfer). Dies ergibt vier Opferbegriffe, zu verstehen als vier unterschiedliche Sichtweisen des einen erlösenden Opfergeschehens. Diese Vierfalt erhellt den Zusammenhang zwischen biblischen, kirchlichen und modernen Opferverständnissen. Sie läßt sich ansatzweise im Neuen Testament finden, und zwar am eindrucksvollsten mit dem Begriff "paradidonai" (d.h. überliefern, übergeben, ausliefern), der in den vier genannten Bedeutungen vorkommt. Abschließend möchte ich diese vier Opferbegriffe in ihrem Zusammenhang erläutern.

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1. Jesus wurde von den ihn zurückweisenden Menschen "geopfert"

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In diesem Sinn ist Opfern die Tat der Sünder an Jesus, und das heißt auch: unsere Tat. Denn auch wir machen andere zu Opfern, mit denen sich Jesus identifiziert. Das ist die antipersonale Opferbedeutung, welche dem heutigen Verständnis am meisten entgegenkommt. Der Evangelist Markus spricht in diesem Sinn von Judas, der Jesus verraten hat (paradidonai; z.B. Mk 3,19).

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2. Jesus opferte sich selbst.

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Sein Tod war ja nicht bloß ein Schicksal, das ihm von außen aufgezwungen wurde. Indem er seinen Feinden bis zuletzt die Möglichkeit der befreienden Bekehrung offenhielt, wandelte er das ihm zugedachte Schicksal in einen Akt der Verherrlichung Gottes. Das ist ein "personales Opfer" in unüberbietbarer Weise. Deshalb kann man sagen, er hat sich selbst zum Opfer gebracht, womit dann auch das angesprochen ist, was traditionell als "stellvertretendes Sühnopfer Christi" bezeichnet wird. Der Epheserbrief stellt uns den sich opfernden Christus als Vorbild hin: "Liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben (paradidonai) hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt"(Eph 5,2).

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3. Das Opfer Jesu ist unser Opfer:

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Bei dieser Bedeutung geht es wie bei der ersten um unser Opfer, diesmal aber nicht im antipersonalen, sondern im personalen Sinn. Zwischen beiden so gegensätzlichen Opferweisen besteht ein tiefer Zusammenhang, nämlich die Verwandlung unserer antipersonalen Opferpraxis in eine personale. Sie geschieht dank der opfernden Selbsthingabe Jesu (2. Opferbedeutung), wenn wir sie annehmen und so in eine enge Beziehung zu Christus treten. Die Verwandlung unserer antipersonalen Opfertendenzen ist ein wichtiger Sinngehalt nicht nur des Sakraments der Buße sondern auch der Eucharistie. Als Gemeinschaft und stellvertretend für die ganze Menscheit stehen wir dort mit unserer antipersonalen Schuldgeschichte vor Christus, - und lassen uns von Ihm die Versöhnung und den Frieden zusagen. Dieses Geschehen ermöglicht uns ebenso ein Verständnis von der Messe als unserem Opfer, wie die Berücksichtigung des modernen Opferanliegens in der Meßfeier. Deshalb lohnt es, darauf ein wenig ausführlicher zu sprechen zu kommen.

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Bibel und Kirche schreiben dem stellvertretenden Sühnopfer Christi eine erlösende Kraft zu. Die bisherigen Überlegungen vermitteln eine Ahnung davon, wie das geschieht: Jesu Selbstopfer betrifft jeden Menschen, sofern er Opfer und sofern er Täter ist. Mit den Opfern hat sich Jesus durch die Annahme seines Kreuzestodes bis ins Letzte identifiziert; und den Tätern hat er damit bis zuletzt die Möglichkeit zur Umkehr offengehalten. Vor dem auferstandenen Gekreuzigten sind so Opfer und Täter zusammengeführt und zur Versöhnung herausgefordert: Durch Kreuz und Auferstehung hat Jesus seine Liebe zum Vater und zu den Nächsten, ob Täter oder Opfer, vollendet; solche Liebe verlockt zur Nachahmung. Wer sich in Betrachtung, Gebet und Tat darauf einläßt, erhält auch die Kraft zur Umkehr und Nachfolge.Für die Menschen als Opfer heißt das: Einstimmen in die Vergebung, die Jesus stellvertretend ihren Tätern angeboten hat. Dadurch werden sie hineingenommen in das erlösende Opfer Jesu; es ist nun auch ihr Opfer. - Für die Menschen als Täter bedeutet die Annahme von Christi Erlösungsangebot: bekennen, daß sie andere zu Opfern gemacht haben; einsehen, daß sie damit auch ihn trafen; anerkennen, daß er sich von ihnen zum Opfer machen ließ und dies in eine Tat der Verherrlichung Gottes umwandelte; die Vergebung annehmen, die Jesus ihnen im Namen ihrer Opfer zusagt; bereit sein, diese Versöhnung im Alltag zu realiseren, sogar dann, wenn sie dadurch selbst zu Opfern gemacht würden. So ist auch die Annahme des erlösenden Opfers Christi ein Opfer, und zwar für jeden Menschen, der sich darauf einläßt, ob er nun Opfer ist oder Täter. Indem wir Christi Opfer annehmen, wird es unser Opfer, - Opferfür uns und Opfer von uns. Dem entspricht die dritte biblische Bedeutung von "paradidonai": Überlieferung, Weitergabe. Paulus leitet sein Zeugnis von der Auferstehung mit den Worten ein: "Denn vor allem habe ich euch überliefert (paradidonai), was auch ich empfangen habe..."(1 Kor 15,3). Solche Überlieferung oder Tradition ist nie unbeteiligt. Das Heilsgeschehen Christi kann nur überliefern, wer sich selbst davon ergreifen und verwandeln läßt, wie Paulus. Das wichtigste Ereignis unserer Christusüberlieferung ist die Eucharistiefeier: Überlieferung als erinnernde Vergegenwärtigung und befreiendes Sicheinlassen auf den auferstandenen Gekreuzigten, die Feier der Verwandlung unserer antipersonalen in personale Opfervollzüge.

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4. Das Kreuzesopfer ist Tat des Vaters:

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Jesus hat sich nicht selbstherrlich für seinen Tod entschieden. Im steten Ringen um den Willen des Vaters erfuhr er sich auf diesen Weg gewiesen, - als einzigen verbleibenden Weg, um das Heil auch für die Menschen offenzuhalten, die nicht die Kraft oder den Willen zur Umkehr gefunden hatten. Leben, Tod und Auferstehung hat sich Jesus vom Vater zuschicken lassen. Das ganze erlösende Opfergeschehen, wie wir es in den ersten drei Bedeutungen umschrieben haben, wurzelt im Willen des liebenden Vaters. Wenn wir es so verstehen, können wir dankbar mit Paulus ausrufen: "Gott hat seinen Sohn für uns alle hingegeben (paradidonai) - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?"(Röm 8,32).

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