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Der manipulierte und der hingegebene Leib
(Predigt zu Fronleichnam)

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Der Leib steht im Zentrum der modernen Zivilisation (Werbung, Forschung). In ganz anderer Weise ist er für den christlichen Glauben zentral.
Publiziert in:
Datum:2001-10-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Wir feiern das Fest des Leibes und Blutes Christi, das Fest seiner leiblichen Gegenwart in der Gestalt von Brot und Wein. Der Leib Christi steht heute im Zentrum der Feier. Der Leib steht auch im Zentrum der heutigen Zivilisation. Es ist allerdings ein anderer Leib, nämlich der jugendliche, fitte und kosmetisch zubereitete, der Leib der unmittelbaren Begierden mit allen sexuellen Varianten. Dieser Leib wird eingesetzt für die Assoziationen mit Produkten, für die Werbung und für den Verkauf von Produkten. Er dient als Schmieröl für die Konsumgesellschaft. Es gibt noch einen anderen Leib der für die heutige Zivilisation zentral ist, der physische Leib als Gegenstand technischer Manipulation. In den letzten Wochen und Monaten gab es eine breite öffentliche Diskussion um das Klonen von Menschen und um den Einsatz von Embryonen, d.h von befruchteten menschlichen Eizellen für die Forschung und für medizinische Zwecke. Der menschliche Leib in seiner Phase der Entstehung wird so zum Gegenstand menschlicher Manipulation, und er wird eingesetzt, um ausgebeutet zu werden. Man rechtfertigt dies mit dem medizinischen Fortschritt und mit neuen Möglichkeiten zur Heilung von Krankheiten. Das mag in gewissen Fällen möglich sein. Darf man aber das eine menschliche Leben ausbeuten, um anderen zu helfen? War das nicht die Grundmentalität der Sklavengesellschaft, wo die einen ganz für die anderen ausgebeutet wurde. Wird diese Gesellschaft heute nicht zu recht verurteilt? Darf man die einen erniedrigen, um den andern zu helfen. - Bei der Forschung mit Embryonen geht es noch um mehr. Menschliches Leben wird nicht nur ausgebeutet, sondern getötet, es wird zum Ersatzteillager, um anderen zu helfen. Das steht noch unter einer Sklavengesellschaft, die Menschen zwar ausgebeutet hat, sie aber normalerweise überleben ließ.

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Man mag einwenden, Embryonen seien noch kein volles menschliches Leben. Aber die Embryonen sind ja gerade deshalb interessant, weil sie die Fähigkeit haben sich zu entwickeln. Sie können wachsen, sich differenzieren. sie beginnen unterschiedliche Zellen, wie Gehirn-, Muskel-, Knochen- und andere Zellen zu entwickeln. Die Embryonen sind für die Forschung und Medizin gerade deshalb so interessant, weil man mit ihnen all die vielen menschlichen Zellen in ihrem jungendlichen Stadium herstellen kann. Wenn man einem Wesen, das diese Entwicklungskraft besitzt und zum hochdifferenzierten menschlichen Leib tendiert, das menschliche Leben abspricht, wo will man dann eine Grenze setzen. Jeder andere Ansatz für den Beginn des menschlichen Lebens ist völlig willkürlich.

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Im deutschen Magazin "Der Spiegel" von dieser Woche (11.6.2001) findet sich ein Artikel zur Thematik des Klonens von einem Professor, der zugleich ein wichtiger Politiker und viele Jahre Bundesgeschäftsführer einer der Parteien war. Darin schreibt der Autor: "In sich konsequent ist die Position der katholischen Kirche, die das Leben mit der Vereinigung von Samen und Eizelle beginnen läßt und es von diesem Moment an kompromisslos schützen will. Meine Rechtfertigung war und ist: Diese Haltung ist konsequent, aber undurchsetzbar und fern der sozialen Realität." - Welche Haltung steht hinter dieser Äußerung? Soll man sein Urteil dort überall anpassen, wo etwas nicht durchsetzbar ist? Es ist nicht durchsetzbar, dass es keine Diebstähle gibt. Jedes Jahr gibt es Hunderttausende von Kriminalfällen. In diesem Punkt habe ich aber noch niemanden gehört, der gesagt hat, man soll den Diebstahl für legal erklären, weil sein Verbot nicht überall durchsetzbar ist. Beim Diebstahl kann jeder persönlich betroffen werden, deshalb sind alle dafür, dass es verboten bleibt. Aber das beginnende Leben: es ist noch nicht stark. Es kann sich nicht wehren. Deshalb geht man leicht über es hinweg. Es wird geopfert - schlimmer als Sklaven - für die Bedürfnisse anderer.

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Jesus zeigt einen anderen Weg. Er hat nicht gefragt, was Anklang findet und durchsetzbar ist. Er hat Gott gedient und er ist seiner Botschaft treu geblieben, auch wenn er keinen Anklang gefunden hat, ja sogar als er brutal abgelehnt wurde. Er hat lieber seinen Leib hingegeben, als mit der Welle mitzuschwimmen oder als sich gewaltsam zu verteidigen. Wenn wir heute Fronleichnam feiern, dann feiern wir jenen, der sich gegen die öffentliche Meinung gestellt und seinen Leib geopfert hat. Wir feiern nicht den Leib der Mächtigen und Herrschenden, jener, die sich machtvoll durchsetzen, wir feiern auch nicht den kosmetisch aufpolierten und sexuell aufgereizten Leib, sondern den geschundenen und gequälten Leib. Den Leib, jenes guten Hirten, der sich für die Armen, Verlassenen, für die Hilflosen und Geschundenen, hingegeben hat. Wir feiern jenen, der sich als gefangener und geschlagener mit all jenen schwachen und hilflosen Leiber identifiziert hat, die zum Nutzen und Vorteil der Erfolgreicheren geopfert werden.

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Im Zeichen von Brot und Wein kann der Leib Christi beliebig manipuliert werden. Er kann in Ehrfurcht genossen oder verächtlich weggeworfen werden. Dies ist ein Zeichen, wie sich Christus in die Hände der Menschen gegeben hat. Er teilt diesbezüglich das Geschick des werdenden menschlichen Lebens, das auch der Willkür der Menschen ausgeliefert wird. Jesus wollte sich in der Welt nicht machtvoll durchsetzen. Er wollte nicht mit Gewalt siegen. Deswegen ist das Böse immer wieder stärker. Das heißt aber nicht, dass das Böse deshalb gut wird.

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