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Feierlicher Kirchenaustritt oder Lebenskultivierung aus dem Geist heraus?
(Eine Sehschule für die Firmbegleitung)

Autor:Scharer Matthias
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Die Firmbegleitung macht nicht selten in dramatischer Weise die Situation deutlich, in der die Sakramtenkatechese insgesamt steht: auf der einen Seite "spielen" Jugendliche und Erwachsene in der traditionellen Vorbereitung aus unterschiedlichsten Motiven noch mit, auf der anderen Seite werden die vielfltigen Brche deutlich erkennbar. Der Beitrag zeigt auf dem Hintergrund der Entwicklung des Firmsakramentes und eines theologischen Geistverstndnisses Akzente einer Lebenskultivierung aus der Geistbegabung heraus auf.
Publiziert in:cpb 117 (2004), 66-70
Datum:2004-08-25

Inhalt

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Es ist Aschermittwochabend. Als Gast feiere ich den Gottesdienst in einer kleineren steirischen Fremdenverkehrsgemeinde mit. In den ersten Reihen sitzen dicht gedrängt ungefähr dreißig Jugendliche, Burschen und Mädchen. Ihr Alter dürfte zwischen vierzehn und sechzehn Jahren liegen. So viele Jugendliche auf einmal habe ich in diesem Gotteshaus noch nie gesehen. Aber ich war auch immer nur als Gast und sporadisch in dieser Gemeinde. Unverkennbar gibt es einen Anlass dafür, dass so viele Jugendliche aus der Gemeinde den Aschermittwochsgottesdienstes besuchen. Bei der Einführung in den Gottesdienst erfahre ich den Grund: Die FirmkandidatInnen dieses Jahres sind zur Eucharistiefeier eingeladen. Sie sollen die Feste des Kirchenjahres in besonderer Weise mitfeiern und die Fastenzeit eigenständig gestalten. Dazu motiviert auch ein „Fastenkuvert“, das im Anschluss an die Predigt an die Firmgruppen verteilt wird: Die FirmkandidatInnen können in diesem Kuvert ihre Vorsätze für die Fastenzeit aufbewahren. Im Rahmen des Karfreitagsgottesdienstes sollen die Kuverts verbrannt werden: Was gelungen ist „gehört Gott“, was nicht gelungen ist, wird durch ihn vergeben.

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1. Kirchlich sozialisiert und/oder bereits ausgetreten?

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Im ersten Augenblick frage ich mich, wie es in einer Gemeinde gelingen kann, alle FirmkandidatInnen zum Aschermittwochsgottesdienst zu bringen. Leben diese Jugendlichen hier tatsächlich in einer anderen, kirchlich noch ungebrochenen Welt? Bei der Austeilung des Aschenkreuzes werde ich ernüchtert: Der Großteil der Jugendlichen kommt lachend oder Grimmassen schneidend in die Bänke zurück; in den Kirchenbänken beginnt ein großes Palaver mit Kichern und Lachen, das die Gemeinde nur deshalb nicht stört, weil sie mit dem Empfang des Aschenkreuzes beschäftigt ist. Ähnliches wie beim Aschenkreuz wiederholt sich beim Kommunionempfang. Es gibt aber auch einige Jugendliche in der Gruppe, denen man ansieht, wie ernst ihnen das Geschehen ist und wie authentisch sie daran teilhaben.

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Bis in ländliche Gemeindestrukturen hinein zeigt sich ein Bruch zwischen einer, im Kontext der Sakramentenkatechese immer noch angenommenen Kirchlichkeit und der inneren Emigration vieler Jugendlicher.

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2. „Firmerfolg“ zwischen Lust und Frust

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Trotz des inneren Ausstiegs vieler Jugendlicher aus der Kirche/Gemeinde melden sich – nicht nur in Landgemeinden – viel mehr Jugendliche zur Firmung an, als es Jugenduntersuchungen vermuten lassen. Die Motive dafür sind höchst unterschiedlich: Es kann der Wunsch der Großmutter sein, dass das „Enkerl“ gefirmt wird; ein fettes Firmgeschenk kann in Aussicht stehen; vielleicht geschieht die Anmeldung völlig unbedacht – sozusagen, weil es dazu gehört; selbstverständlich gibt es immer auch Jugendliche, die sich aus innerer Überzeugung firmen lassen wollen.

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Die immer inhomogener zusammengesetzte Gruppe der FirmkandidatInnen einer Gemeinde bietet eine große Herausforderung für die Begleitung. Die Frage, wer FirmkandidatInnen begleiten kann und will, wird in vielen Gemeinden immer dringlicher. Sie hängt unter anderem mit der Einschätzung des „Erfolges“ einer Firmbegleitung zusammen. Was für die einen wie eine Begleitung zum tatsächlichen oder innerlich vollzogenen Kirchenaustritt bald nach der Firmung aussieht, ist für andere eine wichtige Chance, mit den jugendlichen FirmkandidatInnen in Kontakt zu kommen. Für die einen ist das mangelnde Glaubenswissen und die geringe Bereitschaft von FirmkandidatInnen am liturgischen Leben der Gemeinde teilzunehmen, ein klarer Misserfolg. Andere wiederum werten dieselben Phänomene als „Passagen“, als Durchgänge, deren Folgen man noch keineswegs voraussehen kann2. So kann jemand mit der Arbeit in einer Firmgruppe vollauf zufrieden sein, wenn dort in einer authentischen und kommunikativen Weise Fragen der Lebenskultivierung der jugendlichen FirmkandidatInnen zu zentralen Themen werden, während für andere damit die letzte Chance zur unmittelbaren Glaubensvermittlung in der Firmvorbereitung vertan ist. Ob die Firmbegleitung mit Lust oder Frust gemacht wird, hängt nicht nur von der religiös-kirchlichen Situation und vom Verhalten der FirmkandidatInnen ab, sondern ist stark durch die Brille gefärbt, durch die jemand die Firmbegleitung und das Firmsakrament sehen kann.

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3. Firmdilemmata der katholischen Kirche

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Das bunte und zum Teil widersprüchliche Bild, das die Firmbegleitung heute bietet, und die unterschiedlichen Einschätzungen dieses Geschehens finden ein Äquivalent in den Firmdilemmata, in denen das Firmsakrament von Anfang an steht. Einige kirchlich produzierte Widersprüchlichkeiten seien genannt.

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3.1. Wozu ist die Firmung gut?

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In breiten Kreisen der Bevölkerung wird der Empfang des Firmsakramentes damit begründet, dass man ohne dieses nicht kirchlich heiraten könne. Wenn dem so wäre, dann ist die Firmung zur Erfüllung einer kirchenrechtlichen Vorschrift gut. Dieses Beispiel zeigt, wie lange Zeit von der Kirche selber einer oberflächlichen Funktionalisierung des Sakramentes das Wort geredet wurde. Man darf sich nicht wundern, dass in einer Gesellschaft, in der die Wozu-Frage zur dominierenden Fragegestalt geworden ist, auch im Zusammenhang mit dem Empfang des Firmsakramentes die Frage aufbricht, wozu die Firmung nun wirklich gut sei. Selbstverständlich fallen TheologInnen alle möglichen sakramententheologischen Argumente zur Begründung des Firmsakramentes ein: >̊ Die Firmung steht in innerem Zusammenhang „mit der gesamten christlichen Initiation“ (Liturgiekonstitution, Nr. 71).

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>̊ Durch die Firmung werden die Menschen „vollkommener der Kirche verbunden und mit der besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet“ (Kirchenkonstitution, Nr. 11).

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>̊ Die Firmung ist im Zusammenhang mit der Taufe das wirksame Zeichen der Geistverleihung. Mit der Taufe ist sie das „Hineintauchen“ in die Gemeinschaft der Kirche.

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>̊ Die Firmung ist Salbung zum Zeugnis für die Wahrheit, sie ist Absage an den Bösen Geist und Salbung zur Stärkung.

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Ich könnte die Liste theologischer Begründungen fortsetzen.

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3.2. Ein Sakrament für den Bischof?

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Gleichzeitig zeigt sich in der Geschichte dieses Sakramentes eine gewisse Verlegenheit in seiner Begründung. In der frühen Kirche war ja bekanntlich die Initiation in die Kirche ein einziges Sakrament. Die eigentliche Feier der Geistsendung war die Taufe, wie ja bis heute der Ritus der Salbung zum Abschluss der Taufe andeutet. Erst mit der Zunahme der Kindertaufe wurde die Vollendung der Initiation für den Bischof reserviert. Der Taufabschluss sollte in den Kathedralkirchen durch den Bischof geschehen. Ein weiterer Schritt zur Verselbständigung des Firmsakramentes vollzog sich im 11./12. Jahrhundert durch die beginnenden Firmreisen der Bischöfe. Die Salbung erfolgte jetzt nicht mehr in der Kathedralkirche, sondern der Bischof kam sozusagen „aufs Land“, um die getauften Kinder zu salben. Die Firmung der Neugetauften sollte beim nächsten Bischofsbesuch erfolgen. Dabei gab es etwa in England im 13. Jahrhundert eine Bestimmung, dass die Firmung bis spätestens zum fünften Lebensjahr des Kindes geschehen sollte.

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3.3. Die falsche Reihenfolge in der Initiation?

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Die enge Bindung des Firmsakramentes an die Taufe und der frühe Empfang im Rahmen der Initiation machen uns auf die falsche Reihenfolge in der Spendung des Initiationssakramentes aufmerksam, die wir heute praktizieren. Wenn das Initiationssakrament, das bei der Erwachsenentaufe bis heute als eines gespendet wird, schon aufgeteilt ist, dann gehört das Firmsakrament in die unmittelbare Nähe der Taufe. Sowohl die Erstkommunion als Erstzulassung zur Eucharistie als noch mehr das Bußsakrament vor der Erstkommunion „stören“ die Theologik der Initiation erheblich. Dieses Dilemma wird im heutigen Gesellschaftskontext umso prekärer, als sich bei der Zulassung zum ersten Eucharistieempfang immer häufiger die Frage nach der nicht erfolgten Taufe erhebt. Es ist theologisch wesentlich plausibler, die Taufforderung mit der Firmung zu verbinden als mit der Zulassung zur Eucharistie.

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3.4. Das falsche Alter ist an allem schuld

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Damit verliert aber auch das Argument, dass die Firmung als Sakrament des Mündigwerdens erst im Jugendalter gespendet werden soll, an theologischer Gültigkeit. Aus der theologischen Bestimmung des Firmsakramentes und aus der kirchlichen Entwicklung heraus ergibt sich kein Plädoyer für ein höheres Firmalter. Solange man die Kindertaufe praktiziert, würde sich sogar eine Verschiebung hin zum Taufalter als richtig erweisen. Das Argument der Mündigkeit für den Empfang des Firmsakramentes legt erst eine Aufklärungslogik nahe, die in der Autonomie der mündigen Subjekte das Ziel religiöser Erziehung und kirchlicher Begleitung sieht.

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4. Was für die Firmbegleitung „gut“ ist

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Angesichts der aktuellen und geschichtlich bedingten Dilemmata um das Firmsakrament ist es nicht einfach, eine Orientierung für die Begleitung der Jugendlichen auf das Firmsakrament hin zu finden. Viele fragen sich, ob nicht die Hinführung und Feier der Firmung gleichzeitig die Feier des faktischen Austrittes aus der Kirchengemeinschaft darstellt. Der faktische Austritt wird nicht selten bei der ersten Einhebung des Kirchenbeitrages auch formal vollzogen.

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4.1. Zur traditionellen Katechese zurückkehren?

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Sollte man nicht angesichts der Tatsache, dass die meisten FirmkandidatInnen kaum über ihren Glauben Bescheid wissen, zumindest in der Firmvorbereitung zur traditionellen Katechese zurückkehren? Dann ginge es in der Firmbegleitung darum, die zentralen Inhalte der katholischen Glaubenstradition möglichst attraktiv an die jugendlichen FirmkandidatInnen heran zu bringen. Vielleicht kämen dann nur mehr wenige Jugendliche zur Firmung, aber für diese hätte die Firmbegleitung einen Sinn, indem sie auf die weltanschaulichen Auseinandersetzungen in der pluralen Gesellschaft argumentativ vorbereitet würden. Und sollte ein solches katechetisches Intensivprogramm nicht in der regelmäßige Mitfeier des Kirchenjahres seinen Ausdruck finden? Wer ein solches Konzept vertritt, sieht den Sinn der Firmbegleitung vor allem in der Vermittlung der katholischen Glaubenslehre und in der Einführung in die kirchliche Praxis.

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4.2. Leben und Glauben versöhnen

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Es gibt Verantwortliche für die Firmbegleitung, die den traditionellen katechetischen Weg für überholt ansehen. Nach ihrer Meinung ist die Firmbegleitung vor allem dazu da, jenen „garstigen Graben“, der zwischen der Glaubenstradition und dem realen Leben heutiger Jugendlicher besteht, zu überbrücken3. Die Erfahrungen der Jugendlichen werden dazu „missbraucht“, um die FirmkandidatInnen für die Glaubenswahrheiten und für die kirchliche Praxis „bereit“ zu machen. Authentische Erfahrungen der Jugendlichen heute und Erfahrungen von „damals“, also jene Erfahrungen, die in Schrift und Tradition verborgen sind, werden in ein Wechselverhältnis gebracht, ohne das eine für das andere zu verzwecken. Glaube und Leben sollen über die Brücke der Erfahrung miteinander versöhnt werden.

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4.3. An Grenzen leben lernen4

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Wer die disparate Gruppe Jugendlicher beim Aschermittwochsgottesdienst realistisch in den Blick nimmt, wird den versöhnenden Blick zwischen Glaube und Leben für großteils illusorisch halten5. Längst gehen die FirmkandidatInnen als „autonome Subjekte“ ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Weg, und der führt meist an der kirchlichen Praxis und dem kirchlichen Glaubensbekenntnis vorbei. Jugendliche im Alter der FirmkandidatInnen empfinden, wie sehr sie sich selbst fremd sind und wie wenig sie wissen, wem sie gerade zugehören; wohin das Leben geht und was sie eigentlich wollen. Das Verhältnis zwischen den Mädchen und Burschen, die sich auf die Firmung vorbereiten, ist oft ein Abtasten der Grenzen: Voneinander-Angezogen-Sein, Erotik, Liebe, Freundschaft wechseln mit Eifersucht, Gleichgültigkeit, Einsamkeit und Hass auf Gott und die Welt. Jugendliche FirmkandidatInnen leben und erleben sich selbst anderen gegenüber nicht selten als GrenzengängerInnen.

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Noch ungeklärter, als sich das Verhältnis zu sich selber und den anderen darstellt, ist die Gottesbeziehung der jugendlichen FirmkandidatInnen. Der Durchgang vieler Jugendlicher durch einen Deismus6, der durch die Gleichgültigkeit der Existenz Gottes gegenüber gekennzeichnet ist, erleichtert eine „Bricolage-Religiosität“, in der alles Mögliche gilt und „die Religion“ wie ein Fleckerlteppich zusammengesetzt ist.

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5. Lebenskultivierung aus dem Geist als Leben an Grenzen

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In der Glaubens- und Kirchensituation, in der die meisten FirmkandidatInnen heute stehen, stellen weder die ableitende Glaubensvermittlung noch die Versöhnung von Glaube und Leben einen Ausweg aus dem firmkatechetischen Dilemma dar. Vielmehr ist zu fragen, ob nicht im Leben an den Grenzen, das für nicht wenige Jugendliche charakteristisch ist, eine implizite Lebenskultur aus dem Geist heraus erkannt werden kann. Um das zu verstehen, muss nach dem Wesen des Geistes gefragt werden, der im prophetischen Bewusstsein der Kirchen ständig deren eigene Grenzen sprengt und zu einem Leben an Grenzen herausfordert.

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5.1. Sprachregelungen zum Hl. Geist

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Um zu wissen was mit „Geist“ gemeint ist kann es hilfreich sein, die Alltagsbedeutung des Wortes „Geist“ mit seiner theologischen Bedeutung in Verbindung zu bringen. Zunächst werden wir mit dem Wort „Geist“ auf Unverständnis stoßen oder auf die Verbindung mit Geistern oder Gespenstern oder so etwas. Die Missverständnisse mit dem Wort „Geist“ können bis zu „Geist ist Verstand, Intelligenz, vielleicht Superhirn“ reichen.

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Im Unterschied zum Lateinischen haben wir im Deutschen nur ein Wort für Geist. Das Lateinische kennt dagegen einen differenzierteren Sprachgebrauch: spiritus, mens, intellectus, animus, ratio. In Fremdwörtern gebrauchen wir solche Begriffe auch im Deutschen: Wir sprechen von spiritistisch, von Spirituosen, von mentalen Einstellungen, von Intelligenzquotienten, von intellektuell, von animieren, von Rationalität usw. Wenn wir als ChristInnen vom (Heiligen) Geist sprechen, müssen wir uns der Vielfalt und Widersprüchlichkeit unserer Begriffe im postmodernen Kontext bewusst sein. Die Frage ist, woran wir mit unserer Glaubenssprache anschließen können.

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5.2. Der Geist, ein Superhirn?

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Für unsere abendländische Kultur ist eine abwertende Trennung des Körpers als Materie von der Seele als Geist charakteristisch. Im modernen Zusammenhang kann Geist auch schnell mit Intelligenz assoziiert werden. Der höhere Intelligenzquotient würde dann über Geist oder Ungeist entscheiden. Ein solches (Miss-)verständnis könnte Jugendliche im Schulsystem von der Geistbegabung abkoppeln, wenn sie im modernen Bildungssystem nicht bestehen können. Es gibt zwar eine gewisse Trendwende zur emotionalen oder spirituellen Intelligenz; doch auch diese kann nicht einfach mit Geistbegabung gleichgesetzt werden.

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5.3. Geist als Dynamik des Lebens

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Das Wort „Geist“ zeigt sich in vielen Sprachen als geradezu undefinierbares Urwort. An seiner Wurzel ist indes eine religiöse Urbedeutung auszumachen: Geist bezeichnet eine urtümliche Macht, eine übermenschliche, also göttliche Kraft, die sich in körperlichen Phänomenen, besonders in der Ekstase aber auch in der Besessenheit zeigen kann. Religionsgeschichtlich gesehen besteht daher eher ein Zusammenhang zwischen Geist und Geistern als zwischen Intellekt und Geist. Das Geheimnisvolle, das Herumgeistern, das unberechenbar Überwältigende, das sind charakterisierende Merkmale an der Wurzel des Urwortes „Geist“. Durchaus in Korrespondenz zu dieser Wurzel nennt die christliche Tradition den Heiligen Geist auch den Geist der Weisheit, der Einsicht, des Verstandes. Sie greift dabei auf eine Aufzählung der Gaben des Geistes im Buch des Propheten Jesaja zurück. Dort werden die Charismen, die Geistbegabungen des zukünftigen Retters und gerechten Herrschers aufgeführt: Verstand und Einsicht sind wie starke Zweige an dem Stamm, der aus der Wurzel Geist hervor treibt. Die Wurzel aber ist Dynamik, unverfügbares Leben.

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Die Dynamik des Lebens, die im Wort „Geist“ liegt, kann man in den drei für die christliche Tradition wichtigen Sprachen, nämlich Hebräisch, Griechisch und Lateinisch noch hören: Das griechische Wort „pneuma“ und das lateinische Wort „spiritus“ zeigen schon in ihrem Anlaut den Zusammenhang mit hauchen, das hebräische „ruach“ bezeichnet sowohl den Atem wie den Wind, und zwar das kräftige Atmen und den stürmischen Wind. Beides hängt mit der Dynamik des Lebens zusammen.

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Geist und Leben gehören untrennbar zusammen, was für oder gegen das Leben ist, ist für oder gegen den Geist oder umgekehrt. Sofern das Wort „Geist“ in seiner Wurzelbedeutung religiös eingefärbt ist, bewahrt es die Erfahrung, dass Geben und Nehmen von Leben letztlich etwas ist, das die Macht des Menschen übersteigt. Geist äußert sich spontan, ist unberechenbar, wird geschenkt nicht erarbeitet.

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5.4. Vom Geist ergriffen

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Bei den Phänomenen, die wir mit Geist in Verbindung bringen, sind zunächst einzelne Menschen im Blick. Vom Geist ergriffen oder auch besessen, zum Charismatiker, zur Charismatikerin begabt oder zur Prophetin/zum Propheten berufen werden einzelne Menschen. Häufig sind es Persönlichkeiten, die den Geist einer Gruppe oder Institution prägen. Andererseits sind Geistbegabung wie Geistbesessenheit ein soziales Phänomen, eine Gabe oder eine Belastung für die Gemeinschaft. Es wird geradezu ein Kriterium zur Unterscheidung der Geister, das das Charisma in den Dienst an der Gemeinschaft stellt. Im Unterschied zu den falschen Propheten mit ihren individualistischen Orakeln verkünden die wahren ProphetInnen, was Gott für sein Volk will.

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6. Die Provokation der Geistbegabung wahrnehmen

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Kehren wir abschließend zu den jugendlichen FirmkandidatInnen zurück, die sich zum Aschermittwochsgottesdienst getroffen haben und die ihre Schwierigkeiten mit dem Glauben und dem kirchlichen Leben im demonstrativen Desinteresse daran ausdrücken. Man kann sie abschreiben, man kann sie katechetisieren, man kann sich um eine Versöhnung von Glaube und Leben mühen; alle diese Sehweisen sind pastoral-katechetisch verstehbar. Doch werden sie dem Blick auf das Geistwirken Gottes im Menschen und zwischen den Menschen wirklich gerecht?

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Erst das Wahrnehmen und Annehmen der Differenz, des Fragmentarischen, das in den Jugendlichen selber und zwischen ihnen und den erwachsenen BegleiterInnen da ist, noch mehr aber der bleibende Unterschied zwischen uns und dem nahen und gleichzeitig fernen und geheimnisvollen Gott, dessen Geist weht wo er will, bewahren vor der totalitären Versuchungen, in der Firmbegleitung das letzte kirchliche Aufgebot vor dem möglichen Kirchenaustritt in Bewegung zu setzen. Wer jugendliche FirmkandidatInnen begleitet, begibt sich auf einen Grenzgang, aus dem sie/er und die Gemeinde der ChristInnen nicht „unbelehrt“ herausgehen können. Wer die Kommunikation an den vielfältigen Grenzen, die immer heiß und voll der Dynamik des Lebens sein wird, zulassen kann, wird die Versuchung der Belehrung und der künstlichen Versöhnung von Glaube und Leben zurücknehmen und sich auf jenen spannenden Prozess einlassen können, der sich in den Spuren einer Lebenskultur an der Grenze geschenkhaft zeigen kann. Eine solche Kultur ist so vielfältig wie das Leben selbst und kann weder in Firmbehelfen noch in firmkatechetischen Methoden „gezähmt“ werden. Sie bedarf vielmehr der Fähigkeit, jene Themen zur Sprache zu bringen, welche die Grenzen benennen; dass eine solche Kompetenz nicht selten kirchlichen „GrenzgängerInnen“ eher eigen ist als den Eingesessenen in der Gemeinde, wirft die spannende Frage auf, wer jugendliche FirmkandidatInnen im Ringen um eine Lebenskultur an den Grenzen angemessen begleiten kann.

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