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Theologinnen und Theologen: "schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen"!
(Predigt bei der Eucharistiefeier der Fakultät in der Jesuitenkirche (zu Gal 1,13-24 und Lk 10,38-42))

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:Predigt am 5. Oktober 2004 um 19 Uhr
Datum:2004-10-08

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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All zu viel hat sich nicht geändert bei den Spannungsfeldern, aus denen heraus die heutigen Tageslesungen entspringen. Weil er für das Gesetz eiferte, weil er sich dem Willen Gottes ganz und gar unterstellt hatte, glaubte Saulus, die Abweichler, die Andersgläubigen, verfolgen zu müssen. Gnadenlos! Bis ihm die Gnadenerfahrung zuteil wurde und er eine conversio, eine tiefe Bekehrung erlebte. Bis er einsah, dass er schon im Mutterleib auserwählt wurde, Zeugnis von jemandem und nicht primär Zeugnis gegen jemanden abzugeben.

2
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Erschrocken darüber, dass Religion zu Intoleranz und Gewalt führen kann stellt die liberale Öffentlichkeit den religiösen Eifer, vor allem aber den Glauben an die Erwählung durch Gott, an die besondere Berufung an den Pranger. Sie möchte bloß jeden potentiellen Saulus verhindern. “Erwählt, berufen, begnadet” ist für diese Öffentlichkeit identisch mit “Fundamentalist”. Gebetsmühlenartig zementieren unsere Medien seit Jahrzehnten den Glauben, dass die Verdrängung der Religion an den Rand des kulturellen Lebens ein Gebot der Stunde sei, gerade wegen der Gefahr der Intoleranz. Gerade deswegen soll man den “Saulus” neutralisieren: Mit Gewalt oder durch Verdrängung, neuerdings durch die Banalisierung von Religion. Als Luxusartikel für Fromme fristet ja die Religion heutzutage ihr Dasein im Supermarkt der Freizeitangebote auf dem hintersten Regal, auf jeden Fall hinter Sport.

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An dem Geschäft der Marginalisierung und Banalisierung von Religion kann auch Theologie mitbeteiligt sein. Etwa dann, wenn sie nur mit dem Finger auf den “Saulus” zeigt. Etwa dann, wenn sie ihr Selbstverständnis ganz und gar dem Verstehenshorizont der “Martha” unterwirft. Martha: Ihrerseits ganz sympathisch, mit dem praktischen Gespür auch lebensnotwendig. Doch: sie vertreibt all das, was nicht machbar und herstellbar ist, was sich nicht durch Geschäftigkeit definieren lässt, was unter dem Strich nichts Greifbares bringt, sie vertreibt das in den Bereich des nicht notwendigen Luxus. Eine Theologie, die dieser Haltung entspringt, mag zwar auf den ersten Blick menschenfreundlich erscheinen, sie kümmert sich ja um die Menschen, längerfristig hilft sie dazu, dass die letzten Reste des Hungers nach Transzendenz unter Zeitgenossen erstickt werden. Eine Theologie, die die Religion nur noch durch ihre Nützlichkeit zu definieren sucht, wird den Trend der Banalisierung nicht hinterfragen können und auch die Gefahr des Fanatismus nicht verhindern.

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Uns allen ist die Erfahrung des Verfolgers Saulus vermutlich fremd. Aber gerade deswegen sitzt in uns allen ganz tief die Angst, dass unsere Religiosität und unser Glaube unter den Verdacht des Fanatismus und der Intoleranz fallen könnte. Dass man mich als einen “Saulus” ansehen könnte. Deswegen verharmlosen wir unser Bekenntnis vom Begnadetsein, schwächen durch unsere theologische Reflexion das “schon im Mutterleib Auserwähltsein” ab, reduzieren unsere Religiosität zum Hobby oder zu einem Job und zeigen uns ansonsten emsig als nützlich für die Gesellschaft.

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In dieser neu renovierten Kirche, dort also, wo bei der Eröffnung so viel von Zweckfreiheit geredet wurde, trifft uns zu Beginn dieses Studienjahres das Wort, das an Martha gerichtet werden könnte und es trifft uns mitten ins Herz: “Du machst Dir viele Sorgen und Mühen, doch wie steht es mit dem Einem: dem unverwechselbaren Glauben, dass Du erwählt bist und durch Gnade berufen...”

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Beten wir füreinander, dass uns die Erfahrung der conversio geschenkt wird, dass ein jeder und eine jede von uns nicht nur ein verhinderter Saulus bleibt, sondern mindestens zu einem halben Paulus wird, dass in jeder und in jedem von uns die gläubige Synthese von Maria und Martha gelingt.

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