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Wiederkunft Christi ­ Hoffnungsbild oder Horrorvision

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Zwei Texte von der Wiederkunft Christi ­ einer lässt uns sehnsüchtig hoffen, der andere angstvoll zurückschrecken. Wie sollen wir damit umgehen?
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-12-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 11,1-10; (Röm 15,4-9); Mt 3,1-12

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 Liebe Gläubige,

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die beiden Lesungstexte stellen uns zwei Ankündigungen des kommenden Messias vor – doch seltsamerweise scheinen sie einander recht entgegengesetzt: in dem, was sie aussagen, und auch darin, welche Reaktion sie in vielen von uns hervorrufen.

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Jesaja spricht von einem kommenden Herrscher, der ein neues Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten wird, in dem sogar die Gewalt unter den Tieren ein Ende haben wird. Sind diese Bilder von Wolf und Lamm, Panther und Böcklein, Kuh und Bärin – und schließlich vom Säugling und der Natter, vom Kind und der Schlange, die alle gewaltlos, gefahrlos und geradezu spielerisch vertraut miteinander umgehen, nicht wunderbare, tröstliche Bilder? Bilder, die große Sehnsucht wecken? Welcher König kann so etwas zustande bringen? Sicher kein gewöhnlicher irdischer Herrscher. Und so wurde diese Prophezeiung schon im Judentum auf den kommenden Messias gedeutet und das Christentum hat es immer so verstanden: der Messias, der Christus, wird dieses Friedensreich bringen.

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Doch der Weg dorthin scheint nicht ganz so friedlich zu sein: Der kommende Herrscher wird vorher die Schuldigen schlagen und sogar mit dem bloßen Hauch seines Mundes töten. Und: wenn dieser Text in uns Sehnsucht auslöst, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass dieses Friedensreich noch nicht eingetroffen ist. Wir wissen, es geht anders zu in der Tierwelt, es geht anders zu zwischen Schlangen und Säuglingen – und es geht anders zu unter uns Menschen. Man sagt, der Mensch sei der Wolf des Menschen. Und so stehen auch die Tiere bei Jesaja nicht in erster Linie für die Fauna der Erde, sie stehen für das Raubtier und das geraubte Tier im Menschen, für Verführung, Gewalt und Tod, die Menschen einander immer wieder bereiten, oft gerade wehrlosen Säuglingen und verletzlichen Knaben.

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Ist diese Stelle also nicht eher ein Argument dagegen, dass Christus dieser Friedenskönig sein könnte, wenn er schon vor 2000 Jahren kam und nichts so geworden ist, wie es hier prophezeit wird? Die übliche Antwort der Theologie ist, dass diese Bilder vom endzeitlichen Kommen des Messias, von der Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten sprechen. Nun gut – könnten wir sagen – das rettet unseren Glauben an Jesus als den Messias, aber es macht uns fast traurig, dass sich so wenig geändert hat und wir immer noch warten müssen. Die Ungeduld wächst.

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Ganz anders scheint es mit dem Evangelium über Johannes den Täufer zu sein. Dieser Johannes ist eine extreme Gestalt, er erscheint uns fast als religiöser Fanatiker, der uns heute ganz und gar unsympathisch und suspekt ist. Dieser Johannes redet von Umkehr, faucht aber dann Menschen, die zu ihm kommen, als Schlangenbrut an – unterstellt ihnen also unlautere Absichten – und droht ihnen das Gericht an. Er verkündet den nach ihm kommenden Größeren als einen Richter, der mit Heiligem Geist und Feuer tauft, der die gute Frucht vom Abfall trennt und Letzteren im Feuer verbrennt. Und wir fragen uns unwillkürlich: Wohin gehöre ich? Bin ich guter Weizen oder laufe ich Gefahr ins Feuer geworfen zu werden wie Spreu? Dieser Täufer erscheint uns als Prophet, der sich mal die Forderung des Kirchenvolksbegehrens „Frohbotschaft statt Drohbotschaft" hinter der Ohren schreiben sollte, denn allzu leicht fühlen wir uns von seiner Botschaft bedroht, und seine Predigt des kommenden Messias macht uns eher Angst als Hoffnung.

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Doch auch hier stellt sich die Frage: Ging das in Erfüllung beim Kommen Jesu? Teilweise sicher: Wir finden Gerichtsworte Jesu an die Pharisäer und Sadduzäer, die denen des Johannes ganz gleich sind, wir glauben, dass von ihm eine Taufe mit Heiligem Geist und Feuerzungen ausging; anderseits hat Jesus davor gewarnt Ernte und Unkraut zu früh zu trennen. Er mahnte dazu, abzuwarten, Unkraut und Weizen nebeneinander wachsen zu lassen (vgl. Mt 13,29f.). Erst am Ende ist die Zeit der Ernte und erst dann wird das Unkraut verbrannt.

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Wir können daraus schließen, dass sich auch die Prophezeiung des Johannes auf das Ende der Zeiten, auf die Wiederkunft Christi bezieht. Dennoch weckt sie in wenigen Menschen Sehnsucht danach, dass es bald so weit sein solle. Sie lässt uns eher aufatmen über jede Verzögerung.

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Zwei Texte von der Wiederkunft Christi – einer lässt uns sehnsüchtig hoffen, der andere angstvoll zurückschrecken. Wie sollen wir damit umgehen?

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Nur auf dem Hintergrund des ganzen Lebens, Sterbens und Auferstehens Jesu können wir fruchtbar mit diesen Texten umgehen. Christi Wiederkunft wird die Wiederkunft des Gekreuzigten und Auferstandenen sein. Was bedeutet das? Beginnen wir mit der Verheißung des Jesaja, dass der Kommende den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes schlägt und den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes tötet. Das erstere hat Jesus sicherlich getan: er hat mit Worten Ungerechtigkeit und Gewalt gegeißelt, d.h. aber gerade nicht mit physischer Gewalt. Er konfrontierte den Knecht des Hohenpriesters, der ihn geschlagen hat: wenn ich recht geredet habe, warum schlägst du mich (vgl. Joh 18,23). Der Knecht schlägt mit der Faust, Jesus schlägt zurück mit seinem Wort. Und dann geht es für ihn zur Kreuzigung. Dort ist dann auch die Rede von seinem Hauch: er hauchte seinen Geist aus (vgl. Mt 27,50 parr.). Nicht er tötet andere durch seinen Hauch, sondern andere töten ihn, so dass er im Tod seinen Geist aushaucht. Noch ein zweites Mal, nach der Auferstehung, spricht das Neue Testament vom Hauch Jesu: Der Auferstandene kommt zurück zu den Jüngern, die ihn verlassen hatten, die sich im entscheidenden Moment durch Feigheit und Flucht schuldig gemacht hatten, er kommt zu diesen, sagt ihnen zwei Mal: „Friede sei mit euch" (Joh 20,19.21), dann haucht er sie an mit den Worten: „Empfangt den Heiligen Geist!" (Joh 20,22)

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Jesu Hauch tötet nicht die Schuldigen, indem er umbringt, sondern indem er um ihretwillen seinen Lebensatem aushaucht und ihnen nach seiner Auferweckung erneut Frieden zuspricht und den Heiligen Geist in die Welt sendet. Die Taufe mit Heiligem Geist, von der der Täufer spricht, geschieht beim Evangelisten Johannes durch Jesu Hauchen des Heiligen Geistes, Paulus nennt die Taufe ein Mitbegrabensein und Mitsterben mit Christus (vgl. Röm 6,4-8). Die Schuldigen sind als Schuldige mit Christus getötet, als neue Menschen aber mir ihm zum Leben erweckt.

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So ähnlich ist auch die Ankündigung des Täufers zu verstehen, dass der Messias die Spreu ins Feuer werfen wird: Die Vorgänge beim Tod Jesu haben gezeigt, dass sich niemand, nicht einmal die Jünger, dem Sog der Lüge entziehen konnten. Vom Tod Jesu her betrachtet, gibt es keinen Weizen, alle haben sich als Unkraut oder Spreu erwiesen. Heißt das aber, dass alle im Feuer verbrannt werden? Dann wäre Jesu Weg umsonst gewesen. Sein Tod hat uns gezeigt, dass die Grenze zwischen Spreu und Weizen nicht zwischen den Menschen verläuft, nicht ich bin Weizen und du bist Spreu (oder umgekehrt), sondern in mir und in dir gibt es viel Spreu und viel Unkraut – aber es gibt in allen von uns auch viel Weizen. Und beides muss wachsen bis der Herr der Ernte kommt und es trennt. Damit trennt er nicht die Bösen von den Guten, sondern er trennt das Böse in uns von dem Guten in uns.

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Von der Auferstehung Jesu her wissen wir deshalb: Auch die Ankündigung des Gerichts ist keine Drohbotschaft, sondern auch sie ist Frohbotschaft: Das Gericht reinigt uns von allem, was uns von uns selbst entfremdet und innerlich verformt, es lässt uns selbst – in der Güte, in der Gott uns geschaffen hat, und mit dem, was wir daraus gemacht haben – wieder zur Geltung kommen. Zugegeben: Das Gericht ist ein schmerzhafter Prozess, aber an seinem Ende steht die Erlösung und Rettung, nicht die Verdammung. Oder wie Paulus sagt: Wer im Gericht nichts Wertvolles vorzuweisen hat, „muss … den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch" (1 Kor 3,15).

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Lassen wir uns also die Sehnsucht nach dem allumfassenden Frieden, die Jesaja in uns entfacht hat, nicht austreiben durch Angst vor dem Weg dahin. Das Gericht des gekreuzigten und auferstandenen Messias wird uns erst fähig machen zum endgültigen, allumfassenden Frieden, es wird den hungrigen Wolf, die verlogene Schlange, die reißende Bärin in mir zu friedliebenden Zeitgenossen machen, die der kleine, verletzliche Knabe, der ich auch bin, hüten kann.

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Dies ist eine Frohbotschaft. Und ihre Durchsetzung ist nur deshalb so langsam und langwierig, weil sie in der Macht des Wortes und der Ohnmacht des Kreuzes geschieht – Gott sei Dank.

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