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Kirchenaustritt - wann fangen wir an unsere Religion zu pflegen?
(Gefahren unserer ausgeleierten religionspoltitischen Debatten im Alltag)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-01-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Alle Jahre wieder! Alle Jahre wieder kommt die Statistik der Kirchenaustrittszahlen. Alle Jahre wieder können wir auch dieselben Schlagzeilen lesen. Dem Durchschnittszeitgenossen legen sie nur eindeutige Urteile nahe: Kirchenaustritt liegt im Trend der Zeit. Jeder, der zukunftsträchtig ist, muss schon längst der Kirche den Rücken gekehrt haben. Alle Jahre wieder kommt auch die Bemühung um Schadensbegrenzung. Man weist auf die unfähigen Bischöfe hin, auf die Reformverweigerung seitens Rom, auf die Kirche, die es nicht schafft, Menschen anzusprechen. Man weist auf andere Großorganisationen hin und andere Trends. Und man weiß es: Morgen kommen andere Schlagzeilen und andere Probleme. Bis es wiederum einmal so weit ist und neue Statistiken veröffentlicht werden.

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Vom Jahr zu Jahr wird aber deutlicher: Irgendwie sind schon unsere Fragen falsch gestellt. Die entscheidenden Fragen lauten doch heute nicht mehr: “Warum trittst du aus?”, sondern: “Warum soll ich nicht austreten?” Tagein tagaus bekommt der Durchschnittszeitgenosse doch die Wahrheit zu hören: “Religion sei eine Privatsache”. Mit dieser Meinung ist er allerdings Mondjahre von der neuzeitlichen Position entfernt. Es geht heute nicht um die Frage, ob sich der Staat in religiöse Sachen einmischt. “Religion sei doch ein privates Hobby, im Supermarkt der Freizeitangebote hinter den Sportartikeln gelagert!” Auf diese Formel lässt sich das weltanschauliche Bekenntnis eines Durchschnittsbürgers hierzulande zu Beginn des dritten Jahrtausends reduzieren.

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Von diesem Alltagsglauben getragen wird der Mensch unserer Gegenwart mit “Fakten” gefüttert: Mit den Bildern der korrupten Kirche, der versagenden Kleriker, mit Theorien vom sterbenden Christentum. Da gibt es heute schon kaum eine “kritische” Kulturproduktion mehr in der die Kirche nicht einen Schlag abbekommen würde. Je undifferenzierter desto besser! Man ist nachher halt betroffen und noch mehr überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wenn wir die uns vertraute Religion banalisieren und die “öffentliche Religion” als gemeinschaftsstiftenden Wert abschaffen. Nur eines fürchten wir: Den Siegeszug des Fundamentalismus!

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Als Bauernsohn weiß ich, dass ein nicht gepflegter Garten in kürzester Zeit verwildert. Eine Gesellschaft, die sich nicht bemüht die Religiosität zu pflegen wird mit der wild gewordenen Religiosität konfrontiert. Fundamentalismen und Irrationalismen schießen da schneller aus dem Boden als die sprichwörtlichen Pilze. All jene Kulturschaffende und Intellektuelle, Medien- und Trendmacher, die auf die Kirchenaustrittszahlen mit Jubel reagieren und diese Sache als “interne Kirchenangelegenheit” betrachten, sind blind. Sie unterschätzen die Macht des “homo religiosus”. Indem sie durch ihre Schläge den kulturpolitischen Trend der “sterbenden Kirche” unterstützen, tragen sie dazu bei, dass der gesamtgesellschaftlich zu tragender Konsens schwindet. In der Welt von heute müßte dieser doch heißen: eine ausdifferenzierte Gesellschaft wie die unsrige muss ihre (Groß-) Religionen wie ein Augapfel schützen. Ansonsten wird sie blind!

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