Zur Wahl des Papstes Benedikt XVI |
Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
Kategorie | kommentar |
Abstrakt: | Im Jahr 1997 hat die Theologische Fakultät eine Klausur in Rom abgehalten. Im Rahmen dieser Klausur haben wir auch eine Begegnung mit dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation gehabt. Sowohl dieses Treffen als auch die Begegnungen, die ich in den nächsten Jahren als Sekretär der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie mit ihm gehabt habe, hinterließen andere Eindrücke als die medialen Bilder der damaligen Zeit. Anlässlich der Papstwahl erinnerte ich mich an einen kleinen Artikel, den ich damals geschrieben habe. |
Publiziert in: | Kurier vom 1. Oktober 1997 |
Datum: | 2005-04-22 |
1 | Bereits seine äußere Erscheinung überraschte mich: Ein geradezu verblüffend klein aussehender Mann. Mit schwarzem Talar bekleidet, sieht er geradezu hager aus. Eine gewisse Noblesse ist nicht zu übersehen. Bevor er sich hinsetzt und das Gespräch beginnt, spricht er leise ein Gebet auf Latein. Dann hört er zu und beantwortet die Fragen mit einer leisen Stimme, fast emotionslos. Das äußere Bild passt nicht zum zweitwichtigsten Mann der Katholischen Kirche, dem Präfekten der Glaubenskongregation in Rom: Kard. Joseph Ratzinger. Bei einem Symposium der Innsbrucker Theologischen Fakultät in Rom konnte ich eine Stunde lang ihm zuhören, ihn anschauen, und mir Gedanken über den Menschen Ratzinger machen. Gerade auf dem Hintergrund des medial überlieferten Bildes, das nur den unnachgiebigen, intoleranten, von den faktischen Problemen der Zeit nichts verstehenden Mann zeichnet. Das Gespräch zeigte einen, im Dienst der Kirche "alt" gewordenen Menschen, der durch alle Wandlungen in seinem Leben eines nie verloren hat: das Vertrauen in sie (auch in ihrer institutioneller Seite). Bereits in seinem Buch: "Salz der Erde" sagte er dies unmissverständlich: Er habe immer an Gott und Christus in der Kirche geglaubt und daraufhin zu leben versucht. Die Sprache für das Bekenntnis änderte sich allerdings. "Die Lebensalter ändern den Menschen, er soll nicht wenn er siebzig ist, versuchen ein Siebzehnjähriger zu sein und umgekehrt." Studium, Lehre, Bischofszeit in München und die Zeit in Rom: Ratzinger glaubt, sich selber immer treu geblieben zu sein. Nur eines ist mit dem zunehmenden Alter neu geworden: "Man wird bescheidener, lernt die Grenzen des eigenen Vermögens kennen. Und dass es neben denen, die nachdenken, und neben denen, die Amtsträger sind, vor allem die Charismatiker geben muss, jene, die Leben zünden." Wie ein roter Faden strukturiert ein (nicht immer ausgesprochener) Gdanke seine Analysen, dass es im westeuropäisch und nordamerikanisch geprägten Katholizismus zu wenig solche, "Leben zündende" Persönlichkeiten gebe. Dass es da zu viel Bürokratie und Strukturdiskussionen gibt, die an einer notwendig gewordenen Alternative zum kulturellen Trend vorbeigehen. Gerade als Amtsträger einer weltweiten Institution weiß der Kardinal die Strukturen zu schätzen, sein Vertrauen in die Kraft der Institution bleibt trotz allem ungebrochen; er weiß auch, daß vieles unmöglich wäre, ohne den institutionellen Rahmen, den die technisch-mediale Gesellschaft anbietet. Anderseits sieht er die damit Hand in Hand gehende Depotenzierung der religiösen Kultur. "Der zentrale Bereich des Lebens von heute ist derjenige der wirtschaftlichen und technischen Innovationen. Dort - und ganz speziell auch in der Unterhaltungswelt der Medien - wird Sprache gebildet, wird Verhalten geformt. Religion ist dabei zwar nicht verschwunden, aber sie ist in den Bereich des Subjektiven abgewandert. Glaube wird dann als eine der subjektiven Religionsformen toleriert; oder er behält letztlich als Kulturfaktor einen bestimmten Raum. Aber auf der anderen Seite wird das Christentum auf neue Weise Lebensmodelle anbieten und sich in der Einöde des technischen Daseins wieder als ein Ort einer wirklichen Menschlichkeit darstellen.” |
2 | Ein Freund, der ein hohes Amt in Vatikan bekleidet, erzählte mir, Ratzinger würde längst zurückgetreten, wenn der Papst ihn gehen lassen würde. Vor allem nach dem Tod seiner Schwester, die ihm den Haushalt geführt hat, fühlt er sich in Rom einsam und nicht allzu wohl. Doch das Bewußtsein der Pflicht und der Liebe zur dieser konkreten Kirche erlauben ihm das nicht. er moderne Mensch, der seine Jobs wie Hemden wechseln kann, wird diese Haltung nur schwer verstehen. Zu gerne wird er darin die Versuchung zur Macht sehen. Er wird kaum begreifen können, daß die Macht den "alt" gewordenen Mann nicht mehr fasziniert. Auch das Vorurteil der Uninformiertheit trifft nicht zu. Er selber scheint über all die Probleme bestens informiert zu sein. Aus der römischen Perspektive wird aber der Wald an Fragen erdrückend. Deswegen bleiben auch die Briefe oft lange liegen. Nicht der Mann stellt das Problem dar, vielmehr sind es strukturelle Bedingungen einer weltweiten Institution. Bei der Größe und bei den zerreißenden Konflikten ist es allerdings fast ein Wunder, bis zu welchem Ausmaß die Kirche die Einheit bewahrt und deswegen auch entscheidungs- und handlungsfähig ist. Die Entscheidungsfähigkeit hat aber ihren Preis und diesen zahlen nicht nur die oft unzufriedenen Katholiken. Auch der Kardinal zahlt ihn: mit seiner Einsamkeit. Irgendwann spürte ich Mitleid mit diesem alt gewordenen Mann. Und auch Bewunderung für seinen Glauben. |
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