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Auf dem Weg der Wandlungen - von Emmaus nach Pfingsten

Autor:Kraml Martina
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Beitrag für die Osterausgabe des Pfarrblatts der Pfarrgemeinde Andelsbuch
Datum:2005-05-10

Inhalt

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...Und als er mit ihnen bei Tische war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr. Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß? Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. (Lk 24, 30-33)

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...Da trat Petrus auf zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden: Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem! Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte! Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Morgen; sondern jetzt geschieht, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: In den letzten Tagen wird es geschehen, so spricht Gott: Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben. (Apg 2, 14-17)

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Zwei Jünger Jesu, überzeugt davon, dass er ein Prophet war, aber langsam von der Vorstellung Abschied nehmend, dass er Rettung und Erlösung bringen wird, gehen am dritten Tag - nachdem er gekreuzigt wurde und weiter nichts geschehen ist - weg; weg von Jerusalem, weg vom schrecklichen Geschehen, weg vom Wir, auch weg von allen Hoffnungen und Visionen. Sie schauen auf das gemeinsame Stück Leben zurück und sehen nur Bruchstücke, alles zerschlagen, Beziehungsfäden abgerissen, nur Ohnmacht und Leere. Eine winzige Hoffnung zwar: die Frauen sollen gesagt haben, das Grab sei leer; aber was bedeutet das schon?

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Da gingen ihnen die Augen auf

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Plötzlich, inmitten aller Aussichtslosigkeit, ereignet sich Unfassbares. Er sucht Verbindung, gesellt sich zu ihnen und sagt: Wieso seid ihr so schnell bereit all eure Hoffnungen, Visionen, Träume über Bord zu werfen? Wieso sucht ihr einen, der lebt, bei den Toten? Indem er die Schrift auf ihn, Christus, hin deutet, stellt er ein neues Netz, neue Zusammenhänge und Verbindungen her, die in dem Zeichen gipfeln, das ihn zeitlebens charakterisierte: Er bricht das Brot. Da gehen ihnen die Augen auf, sie werden zu Sehenden und zu Glaubenden: das gebrochene Brot - der gebrochene Leib - neues Leben, das aus Verwundung entsteht; Ursprung der Eucharistie, Geburtsstunde der Kirche. Ein Sturm der Lebendigkeit erfasst sie: Visionen, Hoffnungen, Erwartungen, Sehnsüchte, alles ist wieder da. ... Brannte nicht unser Herz ¼ Nichts hält sie mehr, sie müssen zurück zu den anderen, auf der Stelle.

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Schwierige Vernetzungen - Gemeinde aus seinem Geist

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Verwandelt treffen sie in Jerusalem ein. Dort aber beginnt schwierige Gemeindebildung: Gemeinsamkeit, die aus Verschiedenheit entsteht, ohne diese aufgeben zu müssen. Sie alle kommen aus den verschiedensten Kontexten, haben die unterschiedlichsten Erwartungen. Ihre Vorstellungen und Auffassungen, ihre Träume und Visionen prallen aufeinander, reiben sich aneinander. Dazu kommen Anfragen, Anfeindungen und Druck von außen. Jesus ist immer wieder bei ihnen, tröstet und ermutigt sie, isst und trinkt mit ihnen, bricht das Brot, erschließt ihnen, was geschieht. Dann aber geht er, verspricht weiterhin Mut und Kraft, Trost und Rat, Weisheit und Aufmerksamkeit, Einsicht und Erkenntnis, Gottesfurcht und die Befähigung zum Bewusstsein, wie sehr Menschen auf Gottes Gnade angewiesen sind; verspricht seinen Geist.

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Und wiederum erfasst ein Sturm sie alle, Gottes Geist wird ausgegossen über ihnen. Sie werden zu einladenden Menschen mit leuchtenden Augen, zusammengeschweißt zu einer Gedächtnis feiernden, Zeugnis gebenden und teilenden Gemeinschaft. Als solche repräsentieren sie die Grundvollzüge der aus der Eucharistie entspringenden und sich in der Eucharistie immer wieder erneuernden Kirche.

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Weite und Offenheit

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Kaum im Innen zur Ruhe gekommen, steht der jungen ChristInnengemeinde ein neuer, schmerzhafter Aufbruch bevor: Sie muss sich öffnen, darf sich nicht abschotten, darf nicht zu einer starren und elitären Gemeinschaft werden. Das heißt: schwierige Balancen zwischen Konturen und Offenheit, neue Auseinandersetzungen und wiederum Stürme. Zu alledem kommt noch die wahrscheinlich größte Herausforderung, gleichzeitig aber wohl auch der größte Segen für die junge Gemeinde: Sie muss den Verfolger in den eigenen Reihen dulden, muss zusehen, wie Konzepte, Vorstellungen und Einteilungen durcheinander kommen, aufgebrochen werden. Vor allem aber muss sie ertragen, dass Christus sich auch dem Erzfeind zuwendet, ihn verwandelt, in seinen Dienst nimmt und damit - schmerzhaft für viele - die Grenzen der Gemeinde sprengt. Es bedeutet, einen Paulus ertragen zu müssen, der in seiner Leidenschaft für die Öffnung der Christengemeinden alle anderen an ihre Grenzen treibt.

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Kirche mit neuen Augen Sehen

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Diese Bilder der jungen Kirche geben mir Zuversicht, lassen meine eigenen Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte in Bezug auf Kirche lebendig werden. Aber sie zeigen auch, dass der Geist Gottes uns Mut und Hoffnung auf geschenkte Wandlungsprozesse und immer wieder Beharrlichkeit abverlangt. Nicht zuletzt auch Offenheit dafür, dass die eigenen Pläne nicht die Pläne Gottes sind und dass man vom Handeln Gottes immer wieder überrascht und betroffen wird, sehr oft auch in einer Weise, in der man es nicht vermutet und in der es weder in das eigene noch in andere Konzepte passt.

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Mir wird immer wieder bewusst, wie tief verwurzelt die Bilder von der Kirche als Elitegemeinschaft, als Moralanstalt, als Gesellschaft der Angepassten, der Reinen und Frommen sind und wie sie auch auf Menschen von heute, die Gesellschaft, den Mann/die Frau von der Straße, MedienmacherInnnen, nicht zuletzt Kirchenleute jeden Ranges und im Grunde auch auf mich selber immer noch und immer wieder wirken. Trotz alldem: Kirche lebt nicht nur in diesen Bildern, Kirche ist  auch anders, Kirche wächst zu allen Zeiten und an allen Orten über alle begrenzten Bilder, alle begrenzten Orte, alle begrenzten Handlungen und Rollen hinaus. Kirche als Leib Christi transzendiert alle diese Begrenzungen.

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Genussfähige Kirche als Netzwerk

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Wenn Gott einer ist, der das Leben liebt, die Menschen leben und lieben lehrt, sie genussfähig macht, dann steht die Kirche als Zeichen und Werkzeug Gottes in der Welt - trotz aller Unzulänglichkeiten, trotz aller Schuld, allen Versagens und aller Problematiken - für Phantasie, Lebenslust und - nicht zuletzt - für Aufmerksamkeit und Barmherzigkeit. Dadurch ist sie Zeichen einer künftigen Heilsgemeinschaft, in welcher einmal alle unsere Träume, Visionen, Hoffnungen und Sehnsüchte Vollendung finden werden.

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So gesehen sind Pfarrgemeinden als lokale Verwirklichungen von Kirche lebendige Zellen, die einerseits von Verwandlungen, Entpuppungen und Entfaltungen auf Leben und Genussfähigkeit hin künden und andererseits selber immer wieder Verwandlung und Entfaltung erfahren. Man könnte von einem lebendigen Netzwerk sprechen, in dem jeder/jede mit seinen/ihren Fähigkeiten mit hinein verwoben werden kann und in dem jeder/jede darauf vertrauen kann, dass Gottes Gnade bislang verschlossene Türen öffnet, Beziehungen wandelt, Menschen füreinander berührbar und anschlussfähig macht. Insbesondere das Bewusstsein um das Angewiesensein auf Gottes Gnade vorweg und ungeschuldet macht die Kirche zur einladenden, barmherzigen und „genießbaren" Gemeinschaft, die die Zaungäste nicht ausschließt, sondern fähig ist, auch sie zu berühren und ihnen einen „Vorgeschmack auf das Unendliche" (Michael Hochschild) zu geben.

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Pfarrgemeinde, für eine lebensentfaltende Kultur unverzichtbar

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Es ist der - geschenkte, lebensentfaltende und genussfähig machende - Geist Gottes, der Pfarrgemeinden leben lässt und zusammen hält. Er hält sie zusammen, nicht indem er sie von der Welt und der Gesellschaft abschottet, sondern indem er sie einerseits gesellschafts-, anschluss- und kommunikationsfähig, andererseits aber zum kritischen „Sauerteig", zum „Salz der Erde", zur „Stadt auf dem Berge" innerhalb der Gesellschaft macht und so dem Machbarkeits- und Erfolgszwang stückweise (so weit es unter Menschen möglich ist) Schranken setzt. Aus diesem Geist der - geschenkten, nicht selbst erzeugten - Einheit, Liebe und Hingabe heraus leisten Pfarrgemeinden den Dienst der Verkündigung und des Zeugnisses, den Dienst des dankbaren Lobens und Preisens Gottes in der Liturgie, den Dienst der Barmherzigkeit und Nächstenliebe in der Caritas.

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Weil diese der Kirche anvertrauten Dienste der Verdienstspirale und somit der Verfügungsgewalt menschlichen Denkens und Handelns entzogen sind, ist die Kirche unverzichtbare Anwältin für eine heilbringende Lebenskultur.

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