- Leseraum
| Kirche als Sakrament des Heilsdramas Jesu ChristiAutor: | Sandler Willibald |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | Kirche als universales Zeichen. In memoriam Raymund Schwager SJ
(BMT 19). Hg. R. Siebenrock, W. Sandler, Münster: Lit 2005,
101-139. |
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Datum: | 2005-08-28 |
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Inhalt1
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In dankbarer Erinnerung an Raymund Schwager, von dem ich vieles empfangen habe.
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Zentral für das Kirchenverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Bestimmung von Kirche als „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG (1) 1). Die Identität von Kirche wird dabei bestimmt als Sendung: vom Gott Jesu Christi her und auf die ganze Menschheit hin. In dieser Ausspannung ist Kirche allumfassendes Sakrament des Heils (LG 48), wobei dieses Heil näher bestimmt wird als „innigste Vereinigung mit Gott“ und – dadurch ermöglicht – als „Einheit der ganzen Menschheit“. Damit ist keineswegs behauptet, dass die Kirche Quelle jeder wahren Einheit wäre. Quelle ist nicht sie, sondern Jesus Christus, dessen Heil und Gnade nach der Lehre des Konzils nicht ausschließlich in die Kirche und nicht allein durch sie vermittelt in die Welt ausstrahlt. Allen Menschen ist durch den Heiligen Geist die Möglichkeit gegeben, dem „österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (GS (2) 22). Demgemäß bedeutet die Sakramentalität von Kirche nicht ausschließlich Vermittlung der Gnade in die Welt, sondern auch Sichtbarmachung und verherrlichende Christuszuordnung von dem, was sie in der ganzen Welt an Gutem und Wahrem findet (LG 16) und dankbar entgegennimmt. (3) Zweifellos ist Kirche damit Zeichen, aber auf eine subtile Weise. Sie ist Zeichen als Mysterium – mit jenem frühkirchlichen Begriff für Sakrament, der als Überschrift des 1. Kapitels für die gesamte Kirchenkonstitution leitend ist –, und Mysterium besagt hier ein wirksames Zeichen, das sich Menschen nur dann voll erschließt, wenn sie sich im gelebten Glauben darauf einlassen.
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J. Ratzinger arbeitet den Mysterien- und Beziehungscharakter eines Zeichens folgendermaßen heraus: „Zeichen wird etwas dadurch, daß es über sich hinausweist; als Zeichen steht es nicht in sich selbst, sondern ist unterwegs auf ein anderes hin. Ich verstehe es demnach als Zeichen erst, wenn ich in seinen Verweisungsgehalt eintrete, wenn ich in den Weg eingehe, der es selber ist. Wenn nun ein Zeichen, eine sichtbare Wirklichkeit, ins Unsichtbare, ins Göttliche hineinverweist, dann ist zunächst ... klar, daß ich seinen Verweisungsgehalt nur entdecken kann, indem ich mich selbst mit ihm identifiziere, mich in die Relation einweisen lasse, die das Zeichen zum Zeichen macht. Oder, wie Origenes sagt: Den geistigen Sinn eines Mysteriums, eines heiligen Zeichens entdeckt man erst, wenn man das Geheimnis lebt. Das Ereignis der Einsicht, welches das Zeichen als Zeichen öffnet, fällt also mit der Bekehrung zusammen. Denn Bekehrung ist ja das Zugehen unseres sichtbaren Lebens auf die Relation zu Gott, genauer gesagt: Sie bezieht sich auf den Plan Gottes mit der Menschheit und heißt, sein Leben nach dem Plan Gottes auszurichten.“ (4)
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Wie aber kann Kirche dann noch „universales Zeichen“ (LG 48) sein, das „allen und jedem das sichtbare Sakrament dieser heilbringenden Einheit“ ist (LG 9)? Wenn Kirche Sakrament der Einheit mit Gott und allen Menschen untereinander für die gesamte Menschheit und Welt – „sacramentum mundi“ (5) – zu sein beansprucht, dann will sie es auch sein für Menschen, wenn und insofern sie sich nicht als Christen verstehen. Wie aber kann Kirche über Kirche hinaus Sakrament sein, wenn Kirche Zeichen als Mysterium ist, zu dessen Erfassung ein ganzmenschliches und gemeinschaftliches Sicheinlassen auf den christlichen Anspruch gehört, wie es „der Welt“ (6) gerade verschlossen ist?
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Die Sakraments- und Zeichenekklesiologie des Konzils ist vom Ansatz her dogmatisch, insofern sie primär eine Vergewisserung bezüglich Wesen und Auftrag der Kirche für sich selber intendiert. Das gilt auch für die kirchliche Selbstbestimmung als Sakrament des Heils für die ganze Welt. Dieser ex–zentrischen, sendungshaften Selbstbestimmung entspricht aber eine Dialogbereitschaft der Kirche, mit der sie ihre Bedeutung für die Welt auch gegenüber der nichtchristlichen Welt erklärt und rechtfertigt. Insofern erfordert das Zeichenverständnis von Lumen Gentium wesentlich auch einen Aufweis von kirchlicher Zeichenhaftigkeit, wie er als „demonstratio catholica“ ein zentraler Inhalt katholischer Apologetik war und als solcher weit vor die katholische Sakramentsekklesiologie des 20. Jahrhunderts zurückreicht. ‚Aktenkundig‘ wurde diese Sichtweise bereits im ersten Vatikanischen Konzil. Demgemäß versteht sich die Kirche – im Gefolge von Jes 11,12 – „gleichsam als Zeichen, das aufgerichtet ist für die Völker“ (7) , und als solches lädt sie die Nichtglaubenden zur Konversion ein, mit der Begründung, die Kirche sei „durch sich selbst ... ein großer steter Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegliches Zeugnis ihrer göttlichen Sendung, kraft ihrer wunderbaren Fortpflanzung, ihrer hervorragenden Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit in allem Guten, in ihrer katholischen Einheit und unbesiegbaren Beständigkeit“ (8) .
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Seither hat sich die Kirche nicht nur von dem in dieser Selbstbeschreibung mitschwingenden Triumphalismus verabschiedet. Es gab auch wesentliche Verschiebungen im ekklesialen Zeichenverständnis, die die Prägnanz des erhobenen Anspruchs einer Heilsbedeutung für die Welt schwächten. Während die Relevanz von Organisationen heute weitgehend durch markante Konturierung und Profilierung behauptet wird, schwächte die katholische Kirche beides weitgehend ab, und zwar nicht aus Bescheidenheit oder Anpassungswillen, sondern aus theologischen Gründen: Zum einen relativierte sie eine markante Profilierung von Kirche zugunsten eines differenzierten Verständnisses einer gestuften Kirchenzugehörigkeit bzw. -hinordnung verschiedener Konfessionen und Religionen. (9) Zum anderen verzichtete die katholische Kirche konsequent auf eine eindeutige Konturierung kirchlicher Identität in Abhebung von Nichtzugehörigen. Heiligkeit, Fruchtbarkeit und Einigkeit werden nicht mehr exklusiv als habituelle Bestimmungen von Kirche betrachtet, sondern als Heilsgaben Jesu Christi, die Jesus zwar seiner Kirche vermittelte (und in der fortlaufenden – v.a. eucharistischen – Christusbegegnung immer neu vermittelt), aber nicht ausschließlich der Kirche. Mit einer bislang nicht dagewesenen Konsequenz unterscheidet das Konzil die real verfasste Kirche von dem durch sie dargestellten ‚Gegenstand‘, nämlich Christus, seine Gnade, das Reich Gottes. Die schmale aber entscheidende Differenz zwischen dem Dogma „Außerhalb der Kirche kein Heil“ und der Häresie „Außerhalb der Kirche keine Gnade“ (10) vermag das Zweite Vaticanum zu wahren, indem sie (1) alles Heil als durch Christus vermittelt sieht, (2) Christus als für die Welt durch die Kirche vermittelt behauptet, dies aber (3) verbunden mit dem Bekenntnis, dass die Kirche über diesen Christus und sein Heilswerk nicht vollmächtig verfügt, sondern seine Spuren überall, auf der ganzen Welt, gerade auch außerhalb der Kirche wahrzunehmen und einzusammeln hat. Deshalb darf Kirche keine exklusive Selbstprofilierung ihrer Zeichenhaftigkeit vornehmen.
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Die katholische Kirche hat also mit dem Zweiten Vaticanum auf ein scharf konturiertes Selbstverständnis als Zeichen für die Welt verzichtet und an dessen Stelle das subtile Verständnis von Kirche als Sakrament und Mysterium gesetzt. Weil Kirche damit aber immer noch beansprucht, Zeichen für die Welt – und damit auch: für die Welt erkennbar – zu sein, erhebt sich die Frage, wie ein derart als Sakrament und Mysterium verstandenes Zeichen für die Welt erkennbar sein soll.
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Das ist die Problematik, die für Raymund Schwager in seinem Aufsatz „Kirche als universales Zeichen“ bestimmend ist. (11) In konsequenter Weiterführung des programmatischen Ansatzes im Aufsatz „Dramatische Theologie als Forschungsprogramm“ (12) , der den christlichen Offenbarungsanspruch in den heutigen Diskurs der Wissenschaften übersetzt und dort verteidigt, fragt Schwager nach einer Zeichenhaftigkeit von Kirche, die auch nichtgläubigen Menschen zugänglich ist. Das Heil, das die Kirche bezeichnen soll, wird dabei – auch für eine nichtreligiöse Welt verständlich und hochrelevant – von Schwager als die Möglichkeit eines wahren Friedens bestimmt, der sich nicht dem einheitsstiftenden Ausschluss von anderen verdankt. Dabei kann Schwager die konziliare Bestimmung des Heils als „Einheit zwischen Gott und den Menschen und den Menschen untereinander“ (LG 1) aufgreifen und im Sinne der Kernhypothese von „Dramatische Theologie als Forschungsprogramm“ weiterführen. (13)
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In seinem Aufsatz über die Kirche als universales Zeichen führt Schwager dieses Thema allerdings nicht in der ganzen Breite durch, sondern konzentriert sich auf die programmatische Zeichenhaftigkeit des öffentlichen Wirkens von Johannes Paul II. Auch wenn das Wirken des jüngst verstorbenen Papstes eindrucksvoll und – wahrscheinlich nach dem bald zu erwartenden Urteil der Kirche heiligmäßig – war, muss allerdings aus grundsätzlichen theologischen Gründen festgehalten werden, dass eine derart konkrete Zeichenhaftigkeit immer auch ambivalent ist, und zwar nicht nur aufgrund möglicher Missverständnisse von Seiten der Welt, sondern auch von der Qualität der gesetzten Zeichen her. Auch wenn Schwager das in seinem Aufsatz nur wenig deutlich macht, weiß er darum: In seinem Vorlesungsmanuskript zur Ekklesiologie führt Schwager zur Heiligkeit der Kirche ausgehend von einer eucharistischen Ekklesiologie folgende Unterscheidung ein:
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„Diese Sicht bringt mit sich, daß im Handeln der Kirche und der Gläubigen drei Bereiche zu unterscheiden sind: (1) Das sakramentale Handeln, das im Auftrag und in voller Einheit mit Christus geschieht und das sündenfrei ist. [...] (2) Das außersakramentale, amtliche Handeln der Kirche, das im weiteren Sinn auch in der Sendung durch Christus geschieht, das aber doch nicht so mit Christus eins ist, daß die Sünde ausgeschlossen wäre. [...] (3) Das private Handeln der Gläubigen und der Amtsträger, das ganz von der Sünde geprägt sein kann. Weil dieses Handeln privat ist, läßt es sich im Fall der Sünde auch leichter von der Heiligkeit der Kirche abheben.“ (14)
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Die von Schwager in seinem Aufsatz erhobene Zeichenhaftigkeit der Kirche, wie sie sich im Wirken von Johannes Paul II. manifestiert, gehört bei aller Eindrücklichkeit zur zweiten und zur dritten Kategorie. Das heißt keineswegs, dass es unbedeutend wäre. Es ist allerdings von einer Mehrdeutigkeit gezeichnet. Die durch das Handeln repräsentativer Personen erwachsende Zeichenhaftigkeit von Kirche wird klarer, wenn der Bezug zwischen allen drei Kriterien verdeutlicht wird. Solche Zusammenhänge hat Schwager in seinem Artikel auch berücksichtigt. Vor allem zeigte er, wie amtliches Lehren (2. Ebene) und öffentliches Handeln (im Übergangsbereich zwischen 2. und 3. Ebene) sich bei Johannes Paul II. zu einer überzeugenden Gesamtgestalt verbanden. Letztes Kriterium für die Authentizität von Wort und Tat in der Kirche ist allerdings ihre gemeinsame Rückbezogenheit auf ein Sein von Kirche, das in ihrem ihr selbst unverfügbaren Zentrum Jesus Christus wurzelt. Dem entspricht die von Schwager genannte erste Ebene: „das sakramentale Handeln, das im Auftrag und in voller Einheit mit Christus geschieht und das sündenfrei ist.“ Gemäß einer eucharistischen Ekklesiologie, die im Gefolge des Konzils vor allem der jetzige Papst gefördert hat, ist das eigentliche Zentrum, in dem sich die Kirche als Sakrament vollzieht, das Sakrament der Eucharistie. Alle legitime Zeichenhaftigkeit der Kirche hat in dieser Zeichenhaftigkeit Christi ihren Maßstab und ihren Ursprung. Die Rückbezogenheit des kirchlichen Handelns auf die Liturgie ist auch in Schwager s Artikel zentral:
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„Alle Zeichen des Friedens und der Einheit, die das kirchliche Amt setzt, ruhen deshalb auf den liturgischen Handlungen, und alle Zeichen, von denen weiter oben gesprochen wurde, stehen auch direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Liturgie. So ist bei den Reisen von Johannes Paul II. entscheidend, dass er sich klar von Politikern abhebt: ‚Er gibt keine Pressekonferenzen und erläutert seine Vorstellungen nicht in Interviews. Fast das gesamte öffentliche Auftreten ist in liturgische Vollzüge eingebettet.‘ Was auf diese Weise bei großen öffentlichen Ereignissen liturgisch gefeiert wird, wiederholt sich auch in Tausenden und Hunderttausenden von Gemeinden, die über die ganze Erde verstreut und doch so untereinander verbunden sind, dass jeder und jede sich in ihnen wiedererkennen kann. Diese Einbindung in ungezählte örtliche Gemeinden und die gleichzeitige Rückbindung an das Handeln Gottes in der Geschichte mittels der Liturgie verhindern, dass die kirchlichen Aufrufe zum Frieden und zur Einheit zu bloßen moralischen Appellen herabsinken und unwirksame Zeichen bleiben. Sie sind nicht willkürlich gesetzte Zeichen, sondern letztlich gegeben und vorgegeben, und deshalb können sie über sich hinaus auf einen Frieden und eine Einheit hinweisen, an der die Menschen zwar mitzuarbeiten haben, die ihnen aber letztlich geschenkt wird.“ (15)
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Im Unterschied zu Schwager s Aufsatz, der von der Zeichenhaftigkeit im Wirken eines kirchlichen Menschen auf den eucharistischen Ursprung dieser Zeichenhaftigkeit zurückdenkt, soll im Folgenden die Frage der universalen Zeichenhaftigkeit ausgehend vom Zentrum der Vergegenwärtigung Jesu Christi angegangen werden. Beide Bewegungen können sich gegenseitig ergänzen, zumal beide der gleichen Methode einer Dramatischen Theologie folgen.
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Wie also kann Kirche „sacramentum mundi“ – wirksames Zeichen des Heils für die Welt – sein, wenn die Welt dieses Mysterium, das zuinnerst die Vergegenwärtigung Jesu Christi ist, gar nicht fassen kann? Man könnte gleichsam aus dem Handgelenk heraus antworten: Kirche ist Zeichen des Heils für die Welt nicht indem die Welt dieses Zeichen erfasst, sondern indem sie von ihm erfasst wird. Diese Antwort führt tatsächlich weiter. Um aber mehr zu sein als eine treffende Phrase, erfordert sie ein entsprechendes Zeichenverständnis. Wir werden also versuchen, ein Verständnis der Zeichenhaftigkeit von Kirche zu erschließen, von welchem her die Rede von der Welt, die durch die Zeichenhaftigkeit von Kirche erfasst und auf wahren Frieden hin verwandelt wird, sinnvoll ist.
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Der Weg dieser Entfaltung muss von der Christologie ausgehen und kann erst von da aus zur Ekklesiologie weiterführen. Wenn das, was die Kirche als Sakrament bezeichnet, das Heil in Christus ist und wir die transformative Kraft dieses Sakraments erschließen wollen, dann müssen wir uns dafür zuerst an das eigentliche Ursakrament Jesus Christus halten.
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Der Inbegriff des von Christus verheißenen und bewirkten Heils wird – nicht zuletzt im Blick auf die ekklesiologische Reflexion – in heutiger Theologie zumeist mit dem Begriff „Reich Gottes“ zusammengefasst. Damit das als Reich Gottes begriffene Heil aber nicht zur Chiffre von Erfüllungssehnsüchten epochaler Bedürfnislagen depraviert, muss diese Vorstellung im Zusammenhang von Jesu gesamtem Wirken und Geschick verdeutlicht werden. (16) Dafür ist Jesu vollmächtige Verkündigung des Gottesreichs gewiss zentral, aber es sind auch die dadurch ausgelösten Missverständnisse und Konflikte einzubeziehen, die Jesus in äußerste Konfrontation mit den Menschen brachten, bis die durch ihn freigelegten Aggressionspotentiale wie eine gewaltige Welle am Kreuz über ihn zusammenschlugen. Weiters ist das überraschende Wiederaufleben der durch die Kreuzeskatastrophe niedergeschmetterten Jesusbewegung – und mit ihr der Gottesreichbotschaft – zu berücksichtigen, mit dem Umstand, dass diese nicht anders erklärt werden kann, als durch Rückführung auf ein historischer Forschung nicht direkt zugängliches Auslöse-Ereignis und die Deutung, die die Evangelien diesem geben: dass der gekreuzigte Jesus am dritten Tag von Gott auferweckt wurde. Dass in der Folge die Gottesreichbotschaft sich erstmals auf breiter sozialer Basis durchsetzen konnte, lässt sich nochmals nur mit jenen Deutungen erhellen, die die Evangelien und die Apostelgeschichte diesem Faktum geben: dass am Anfang der Kirche – als nachösterlichem Keim des anbrechenden Gottesreichs – die Sendung des Heiligen Geistes steht, als des Vermittlers einer Christusförmigkeit, welche die Lebensgesetze des Gottesreichs im Herzen der Menschen und ihrer Gemeinschaft bewahrt und so der Pervertierung durch den tötenden Buchstaben (vgl. 2 Kor 3,6) entzieht.
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All diese Elemente der Heilsvermittlung durch Jesus Christus sind nicht nur isoliert aufzuführen, sondern in eine Beziehung zu bringen, deren Wahrheitskriterium die Vereinbarkeit scheinbar unverträglicher Aussagen aus verschiedenen Aussagenzusammenhängen der Evangelien ist. (17) Entscheidend ist dabei die Vorannahme, dass die verschiedenen Linien christologischer Heilsvorstellungen – Jesu Proklamation des Gottesreichs, Gerichtsdrohung, Kreuz, Auferstehung und Geistsendung – tatsächlich konvergieren können, und zwar vermutlich auf eine Mitte hin, die unserer Reflexion nicht von vornherein zugänglich ist, und die unabhängig von einer ständigen Bedachtnahme auf die konkreten heilsgeschichtlichen Ereignisse in ihren unterschiedlichen Aussagenlinien auch nicht gehalten werden kann. Diese Vorannahme ist nicht zwingend, sondern Ausdruck des Glaubens, der für die Theologie leitend ist und sie dadurch von Religionswissenschaft unterscheidet.
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Der skizzierte biblisch-christologische Ansatz wurde von Raymund Schwager umfänglich durchgeführt. (18) Er kann dem Typus einer Dramatischen Theologie zugeordnet werden. (19) Im Folgenden soll diese biblisch-dramatische Christologie – entsprechend unserem ekklesiologischen Interesse – auf die gemeinschaftsbildende und -kritische Dimension von Jesu Wirken hin akzentuiert werden (4. Kapitel). Auf dieser Grundlage kann ein dramatisches Verständnis der Zeichenhaftigkeit Jesu Christi (5. Kapitel) und von daher der Kirche (6. und 7. Kapitel) erschlossen werden, um von daher schließlich auch eine Antwort auf die gestellte Frage nach einer wirksamen universalen Zeichenhaftigkeit von Kirche für die Welt zu finden (8. Kapitel).
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Jesu Wirken – im Allgemeinen und insbesondere im Hinblick auf die Entstehung von Kirche – findet seine Mitte in der Proklamation des Gottesreichs. (20) Lumen Gentium 5 stellt ganz in diesem Sinn fest: „Denn der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er [die] frohe Botschaft verkündigte, die Ankunft nämlich des Reiches Gottes.“ – Der Begriff Gottesreich steht dabei für eine ganz in göttlicher Initiative gründende neue Qualität der Gottesbeziehung, die zugleich eine gemeinschaftliche Identität mit neuer Qualität schafft, während umgekehrt die Weiterführung von falschen Formen der Vergemeinschaftung (im Folgenden noch zu beschreiben als gemeinschaftliche Identitätssicherung durch Ausschluss anderer) diese neue Gottesbeziehung im Keim ersticken würde. In diesem Sinn fordert Jesus im Zuge seiner Gottesreichverkündigung zu einer Umkehr auf, die nicht nur individuellen, sondern gemeinschaftlichen Charakter trägt.
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Verkündigung des Gottesreichs und Sammlung des Gottesvolks sind für Jesus untrennbar. Beides ereignet sich nicht nur durch lehrende und weisende Worte, auch nicht nur durch machtvolle Taten, sondern durch eine Präsenz Jesu, in der seine Worte und Taten derart als ursprünglicher Ausdruck seiner Personalität erscheinen, dass man sagen kann: Jesus hat nicht nur in Worten und Taten, sondern schlechthin durch sein Sein die neue Qualität der Gottes- und Gemeinschaftsbeziehung vermittelt. Wieder mit Lumen Gentium 5: „Dieses Reich aber leuchtet im Wort, im Werk und in der Gegenwart Christi den Menschen auf.“
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Das Spezifikum des anbrechenden Gottesreichs und der dafür charakteristischen Gemeinschaftsbeziehung besteht in der Begründung individueller und gemeinschaftlicher Identität ganz in einer dankbaren Neuausgerichtetheit von Gott her (21) . Das war zwar gemäß alttestamentlicher Erwählungstheologie schon für Israel programmatisch, glitt aber immer wieder in defiziente Formen eines elitären und exklusiven Selbstverständnisses ab. Das Neue von Jesu Gottesreichbewegung kann weniger in der Programmatik festgemacht werden als in der Erfahrung Jesu und der ihm Nachfolgenden, dass das längst Geforderte und verzweifelt Angezielte nun auf einmal lebbar wird – in ungewohnter Radikalität (vgl. Bergpredigt) und zugleich in ungewohnter Leichtigkeit (vgl. Mt 10,30). Diese Erfahrung gründet in einem neuen Handeln Gottes, das den Menschen in Wort, Tat und Sein Jesu Christi befreiend aufleuchtet.
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Entsprechend der von Grund auf gemeinschaftlichen Dimension von Jesu Gottesreichbotschaft handelt es sich bei den genannten Ereignissen – Gottesreichbotschaft, Gnadenerfahrung, Umkehr – um nicht nur individuelle Phänomene. Heillosigkeit in ihren Äußerungen von Hochmut und/oder Angst ebenso wie die ermöglichte und in Konsequenz ihrer Ermöglichung geforderte Umkehr sind unter Berücksichtigung sozialer Dimensionen und der entsprechenden Verschärfungen zu erschließen. Wir können das am Schlüsselphänomen der Identität verdeutlichen, die im Erlösungs- und Befreiungsgeschehen des mit Jesus anbrechenden Gottesreichs nicht nur als individuelle, sondern auch als soziale Identität reflektiert werden muss.
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Idealtypisch lässt sich von einer negativen Identität, die durch Ab- und Ausgrenzung gegenüber anderen gesichert wird, eine positive Identität unterscheiden, die durch gemeinsame und einigende Ausgerichtetheit von einem die Gemeinschaft transzendierenden Ziel her und auf ein entsprechendes gemeinsames Ziel hin bestimmt wird.
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Als negative Identität bezeichne ich eine Bestimmung und Absicherung des individuellen und gemeinschaftlichen Selbstverständnisses durch Abgrenzung von anderen, gemäß dem Motto: „Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, wer wir nicht sind und gegen wen wir sind.“ (22) Die alle Gesellschaften und Kulturen prägende Bedeutung solcher Identitätsbestimmungen wurde von René Girard (v.a. mit seiner Theorie vom Sündenbockmechanismus) herausgearbeitet und wird in Innsbruck weiterentwickelt. (23) – Negative Identität wird nicht nur durch Abgrenzung nach außen gesichert, sondern auch durch Grenzungen innerhalb des Sozialkörpers – in einem strikten Achten auf Rangordnungen – stabilisiert. Taxieren und Vergleichen – nach innen und nach außen – sind die charakteristischen Haltungen der Glieder einer durch negative Identität geprägten Gemeinschaft.Positive Identität kann theologisch qualifiziert werden als eine durch Sendung grundgelegte Identität, und zwar in Anlehnung an Hans Urs von Balthasar (24) und in Kontinuität mit der Dramatischen Christologie von Raymund Schwager (25) : Balthasar entwickelt den für ihn zentralen Begriff der Sendung christologisch: Jesu gesamtes Wirken, beginnend von seiner Gottesreichbotschaft bis zu Kreuz, Auferstehung und Geistsendung, kann als Sendung – vom Vater und zu den Menschen – begriffen werden. Die heute verbreitete solidarisch-soteriologische Bestimmung von Jesu Wirken als Proexistenz – „Sein-für“ – wird damit theozentrisch und letztlich trinitarisch grundgelegt in einem „Sein-von“. Jesu Wirken in Worten und Taten sowie sein ganzes Sein sind ganz von seiner Sendung her zu begreifen. In diesem Sinn spricht Balthasar in Bezug auf Jesus Christus von einer Identität zwischen Sendung und Person. Und von daher entwickelt er einen theologisch-anthropologischen Begriff von Person, der in der Sendung vom trinitarischen Gott her grundgelegt ist: Die unverwechselbare Eigenart des Einzelmenschen, die mit dem Begriff der Person angezielt wird, kann, wie Balthasar betont, außertheologisch nicht eingeholt werden, und zwar weder durch eine Eingrenzung von Unterscheidungsmerkmalen noch durch dialogische Verankerung. Erst die Berufung von Gott her, in der der Menschen „vom schlechthin einmaligen Gott [seinen] ebenso schlechthin einmaligen (weil von Gott gewählten) Namen zugesprochen erhält“ (26) , erschließt die Einmaligkeit jedes Einzelmenschen als Person. Da Berufung immer auch Enteignung des Menschen für andere bedeutet, begründet Balthasars Personbegriff sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Identität. (27) Durch die Wahrnehmung ihrer Sendung werden Menschen aufeinander hin orientiert und zu Gemeinschaften geformt. (28) Hier trifft sich Balthasars Sendungstheologie mit der Kernhypothese der Innsbrucker Dramatischen Theologie, wonach wahrer Friede nur durch Gottes Wirken ermöglicht wird. (29)
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Viele Aspekte von Jesu Wirken werden – je für sich und in ihrem Zusammenhang – im Blick auf die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Identität plausibel. Jesu Einsatz für positive Identität spiegelt sich in der Theozentrik seiner Gottesreichbotschaft, in der geradezu programmatischen Hereinnahme von Außenseitern, sowie in der personalisierenden Berufung und Aussendung von Jüngern. Jesu Kritik an negativer Identität zeigt sich wiederum an der Hereinnahme von Außenseitern, verbunden mit der aufdeckenden Wirkung für subtil grenzende Gemeinschaftsverständnisse, weiters in seinen Gerichtsworten und insbesondere in seiner harten Kritik an einem taxierend-vergleichenden Gerechtigkeitsverständnis. (30)
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Zwei Präzisierungen müssen angebracht werden, damit die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Identität theologisch sinnvoll verwendbar ist:1. Nicht jedes Vorkommen von äußeren Grenzen (Abgrenzung nach außen) oder inneren Grenzen (Rangordnungen, Hierarchisierungen) ist schon als negative Identität und damit als auf positive Identität hin aufzuheben zu verstehen. Damit würde einem Romantizismus der Grenzenlosigkeit das Wort geredet, der weder der Eigenart menschlicher Gemeinschaft (die auf Grenzen und Differenzierungen niemals verzichten kann) noch dem Beispiel Jesu gerecht würde. Jesus zog durchaus Grenzen nach außen, indem er sich nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt wusste (Mt 15,24, vgl. Mt 10,5f); und er machte Unterschiede zwischen Nichtjüngern, Jüngern, Aposteln sowie auch innerhalb des Apostelkreises. Nicht das Bestehen von – äußeren und inneren – Grenzen als solches ist negativ, sondern deren Funktion zur Bestimmung von eigener und gemeinschaftlicher Identität. (31) Ein Unterscheidungskriterium: Grenzungen, die nicht einer Identitätssicherung im Sinne negativer Identität dienen, sind bei Bedarf überschreitbar. (32) 2. Die Unterscheidung zwischen positiver und negativer gemeinschaftlicher Identität ist idealtypisch. Sie ist nicht geeignet als eindeutiges Zuordnungsschema für konkrete geschichtlich-gemeinschaftliche Phänomene, sondern als theologisch-hermeneutisches Raster für deren differenzierte Qualifizierung, – und zwar durchaus im Sinn einer „Unterscheidung der Geister“. Im Hinblick auf positive und negative Identität ist für konkrete Gemeinschaften immer mit Mischphänomenen zu rechnen.
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Die Instabilität und Ambivalenz gemeinschaftlichen Identitätsbewusstseins lässt sich an der Erneuerungsbewegung der Pharisäer verdeutlichen. (33) Vom Ansatz her waren sie ganz von dem Anliegen getragen, durch eine reine Ausrichtung auf den wahren Gott die Gemeinschaft Israels zu reformieren und das Gottesreich heraufzuführen. Eine radikale Theozentrik sollte lebbar werden durch die Befolgung des Gottesgesetzes in allen Lebenssituationen. Dazu musste dieses Gesetz durch detaillierte Ausführungsbestimmungen – „Zaun um die Tora“ – erst universal anwendbar gemacht werden. Damit wurden aber zugleich auf verführerische Weise Unterscheidungskriterien greifbar, anhand derer man scharfe Grenzen zwischen Gesetzestreuen und Gesetzesbrechern – und dementsprechend von Zugehörigen und Nichtzugehörigen zum wahren Gottesvolk – ziehen konnte. Der „Zaun um die Tora“ im Sinne eines Schutzes der Tora (als Gewährleistung reiner Gottesausrichtung) drohte so zu einem Zaun zu pervertieren, der die Nichtgesetzestreuen als Gott- und Heillose ausgrenzt. Die der Person-als-Sendung (mit ihrer Doppelung: „gesandt-von“ – „gesandt-zu“) entsprechende theozentrische Blickbewegung von nach-oben (in Lobpreis, Dank, Bitte und gehorsamer Bereitschaft zum Empfang der Weisungen Gottes) (34) zum Nach-links/rechts (in Weitergabe des Segens und dankbar sich weiterverströmender Güte an die Nächsten) drohte zu pervertierten zum prüfenden Seitenblick mit der taxierenden Frage: ‚Wer entspricht den Zugehörigkeitskriterien zum wahren Gottesvolk und wer nicht?‘ – Der theozentrische Blick auf Gott hin wird dabei ersetzt durch das aus der Taxierung anderer erschlossene (Schein-)Wissen darum, auf welcher Seite Gott steht und auf welcher nicht. Statt dass der Mensch bzw. die menschliche Gemeinschaft sich als Ebenbild Gottes von Gott her versteht, meint der Mensch bzw. die menschliche Gemeinschaft, Gott erschließen und fassbar machen zu können als Ebenbild der grenzenden Gemeinschaft. So entsprechen sich
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im Hinblick auf die Gottesbeziehung: Pervertierung von Gottesdienst zu Götzendienst;
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in Bezug auf Welt und Mitmenschen: Depravierung von positiver Sendungsidentität zu negativer Ausgrenzungsidentität;
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im Hinblick auf das subjektive Selbstverständnis: Pervertierung von gnadenhaft empfangend-verwirklichter Gottebenbildlichkeit zum selbstherrlichen Wie-Gott-sein-Wollen. (35)
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Diese umfassende, Gott-, Welt-, und Selbstbezug erfassende Pervertierung kann sich unterschwellig und unbemerkt, unter Beibehaltung des Anscheins frommer Identitätsbestimmung abspielen. Solche Pervertierung eines Gottesgehorsams, der sich in wahrer Gesetzesfrömmigkeit äußert, – und nicht die Gesetzesfrömmigkeit oder die Bewegung der Pharisäer insgesamt – wurde von Jesus massiv kritisiert. (36) In diesem Sinn ist Jesu – und später Pauli – Gesetzeskritik zu verstehen, die demgemäß den Sinn des Gesetzes nicht aufheben, sondern erfüllen will (vgl. Mt 5,17).
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Die zentrale Bedeutung der gemeinschaftlichen Dimension in der Gottesreichbotschaft schließt eine nicht delegierbare Verantwortung der Einzelperson in keiner Weise aus. Positive Identität verwirklicht sich in – oft einsamer – Übernahme von Verantwortung des Einzelnen für andere und ist damit individuell-personalisierend und gemeinschaftsbildend zugleich, – im Gegensatz zum Typus einer Gemeinschaftsform negativer Identität, die kollektivierend ist und die Verantwortung des Einzelnen suspendiert. Für diesen Zusammenhang ist das Zusammentreffen Jesu mit Menschenmengen aufschlussreich. Jesu Wirken in Heilung und Nachfolgeruf wird von den Evangelisten immer wieder so beschrieben, dass Jesus Menschen aus der Menge herausrief. (37) Sein Ruf ergeht an den Einzelnen in der Menge, in seiner Verflochtenheit innerhalb der Menge, und ruft ihn oder sie aus der Menge heraus. Die Fähigkeit und Bereitschaft der Herausgerufenen, sich aus der Menge zu lösen und in je für sich übernommener Verantwortungsbereitschaft von Person zu Person Jesus und darin Gott gegenüberzutreten, ist bereits befreiend, personalisierend und bildet den Anfang der von Jesus ermöglichten und geforderten Umkehr. So zielt Jesu gelebte Gottesreichbotschaft nicht nur auf die Einzelnen in ihrer Nachfolgebereitschaft, sondern zugleich auf die sie bindenden Strukturen. Nur wenn man diese strukturkritische Dimension von Jesu Handeln berücksichtigt, kann man auch das Aggressionspotential ermessen, das Jesus durch seine doch so positive Botschaft immer wieder freigesetzt hat:
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Menschen, die den gesellschaftsdefinierenden Rand der Gesellschaft markieren, sind zwar bis in ihr innerstes Selbstverständnis von den degradierenden Definitionen durch die Gesellschaft gezeichnet, – die Evangelien erzählen von ihnen als von Dämonen Besessenen. (38) Aber Jesu personalisierender Zuspruch eines barmherzigen Gottes vermag sie von diesen Dämonen zu befreien. Das Gottesreich steht diesen Armen offen. Im Unterschied zu ihnen haben jene, die von den grenzenden gesellschaftlichen Identitätsbildungsmechanismen nach oben gespült wurden, viel zu verlieren. Jesus bedauert sie als die Reichen, die nur schwer in das Himmelreich kommen können.
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Die primär von den Bevorzugten grenzender Gesellschaftskonstellationen erfahrene Bedrohung durch Jesu Gottesreichbotschaft kann angemessen unter dem Stichwort einerIdentitätskrise reflektiert werden, und auch diese Identitätskrise ist keine bloß individuelle: Aus den eben skizzierten Gründen erreicht Jesu Gottesreichbotschaft eher Menschen, die an den unteren und äußeren Rändern der Gesellschaft stehen. Die auf diese Weise forcierte Einbeziehung von Außenseitern und Sündenböcken macht Jesu Sammlungstätigkeit zugleich zum Instrument der Aufdeckung und des Gerichts. Sie deckt auf radikale Weise auf, welchen Geistes der Zusammenhalt einer Gemeinschaft ist und funktioniert solcherart geradezu als „Community-Test“: (39) Wenn und im Maße als eine Gemeinschaft theozentrisch durch positive Identität bestimmt ist, können sich ihre Mitglieder über den Zuwachs durch Einbeziehung bisher Nichtzugehöriger nur von ganzem Herzen freuen. Wenn und insofern aber eine Gemeinschaft in ausgrenzender Weise durch negative Identität bestimmt ist, bedeutet die Hereinnahme von Außenstehenden eine Verwischung der identitätssichernden Gemeinschaftsgrenzen und treibt die Gemeinschaft so in eine veritable Identitätskrise. Nur von daher wird der oft maßlose Hass verständlich, den Jesu doch so menschenfreundliches Wirken immer wieder hervorgerufen hat.
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Die Erzählung von Jesu „Antrittspredigt“ in Nazaret (Lk 4,16–30) bietet uns eine beeindruckende Studie dieser Mechanismen. Die anfängliche Ergriffenheit der Gemeinde Nazarets von Jesu Botschaft schlägt rapide um in einen ungebremsten Hass, der die Menge in einen kollektiven Lynchversuch an Jesus treibt. Dieser radikale und unvermutete Umschlag wird plausibel mit der Hypothese einer taxierend-vergleichenden Grundeinstellung der Synagogengemeinschaft. Diese wirkt sich zunächst in einer Lähmung der Gemeinde aus, die die anfängliche Ergriffenheit (Lk 4,22a: „Seine Rede fand bei allen Beifall“) auf das Niveau einer ambivalenten Fasziniertheit (Lk 4,22b: sie staunten – etháumazon) hinabzieht und alsbald in eine taxierende Abwertung Jesu und seines Anspruchs mündet (Lk 4,22c: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“). Jesus erkennt die treibenden Kräfte, die den Kairós für das anbrechende Gottesreich im Ansatz ersticken und deckt sie schonungslos auf. Nur so ist die verblüffend scharfe Reaktion Jesu zu begreifen (vgl. Lk 4,23). Jesus konfrontiert die Menge mit der bevorzugten Erwählung von Nichtjuden, wie sie in prophetischen Texten dargelegt ist, und stellt damit – provozierender als es der Täufer tat (vgl. Mt 3,9) – ein abgrenzendes, negatives Identitätsverständnis der Menge bloß. So löst er das Gefühl einer äußersten Bedrohung der „heiligsten“, scheinbar mit Gott und untereinander verbindenden Werte dieser Gemeinschaft aus (40) – ein Bedrohtheitsgefühl, das zu maßloser Wut und zum kollektiven Lynchversuch an Jesus führt – und deckt damit zugleich auf, welcher Geist diese Menge zusammenhält. Im Sinne seiner Gottesreichbotschaft muss Jesus diese bestimmenden Kräfte bloßlegen, denn sie sind es, die die Ausrichtung auf den wahren Gott blockieren und somit den Menschen den Zugang zum Gottesreich verstellen.
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Lk 4,16–30 nimmt im Lukasevangelium die Schlüsselstelle einer summarisch-programmatischen Anfangserzählung von Jesu Wirken ein. In frappierender Dichte bündelt dieser Text Gottesreichbotschaft, Gericht und Kreuz – die ersten drei Akte in Schwager s Dramatischer Christologie – und macht sie in ihrer beinahe zwangsläufigen Folgerichtigkeit verständlich.
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Eine Zurückweisung von Jesu Gottesreichbotschaft auch nur durch Teile des von Jesus angesprochenen Israel musste deren Realisierung insgesamt gefährden. Die von Jesus gesammelte Gemeinde, die für ganz Israel offen sein sollte, drohte so zu einer weiteren Sekte zu werden, – nur mit dem umgekehrten Vorzeichen, dass nun nicht mehr die notorischen Gesetzesbrecher identitätssichernd die Außengrenze der Glaubensgemeinschaft markieren, sondern dass nunmehr die etablierten Gesetzestreuen als Heuchler entlarvt werden und als derart Ausgegrenzte die Identität der jesuanischen Gemeinde stabilisieren.
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Das war ein Abgrund, dem sich die spätere Kirche im christlichen Antijudaismus, angesichts weiterer Abspaltungen in kontroverstheologisch übersteigerter Selbstabgrenzung, sowie im betont negativen Weltbezug eines Integralismus immer wieder gefährlich näherte. Weltfeindlicher Integralismus und vordergründig weltgleichgültiger Esoterismus (41) sind nur zwei unterschiedliche Ausformungen der ab- und ausgrenzenden Selbstdefinition einer Zerrform von Kirche, die bei allem vorgeblichem missionarischem Anspruch die anderen der Welt niemals wird integrieren können, weil sie das letztlich nicht will: Eine als gottlos abqualifizierte Welt ist als Negativfolie für ihre Selbstbestimmung unverzichtbar. Anderseits: Wo Kirche diesem Abgrund durch betonte Weltoffenheit zu entkommen trachtet, droht alsbald der entgegengesetzte Abgrund eines Verrats am apostolischen Auftrag durch eine unterschiedslose „Angleichung an die Welt“.
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Den schwierigen Mittelweg zwischen den Straßengräben einer weltfeindlichen Gottverbundenheit und einer gottlosen Weltverbundenheit ist Jesus für die Kirche paradigmatisch vorausgegangen. Das Erfordernis eines solchen Mittelwegs erhellt der für die personale Identität von Christus sowie für die Identität von Kirche jeweils leitende Doppelbegriff der Sendung: als Sendung vom göttlichen Vater und als Sendung zu den erlösungsbedürftigen Menschen bedeutet Sendung Mittlerschaft zwischen Gott und den Menschen und erfordert als solche zugleich eine radikale Treue zum wahren Gott (in „Wahrheit“ / „Gerechtigkeit“) und eine kompromisslose Solidarität mit den Menschen (in „Liebe“ / „Barmherzigkeit“). Wo die von der Sendung adressierten Menschen sich im Widerstand gegen Gott verhärten, wird Sendung bzw. Mittlerschaft zur Zerreißprobe. Die von der Sendung gemeinte Synthese von Wahrheit und Liebe (42) bzw. von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (43) kann naturgemäß in zwei Richtungen verfehlt werden:
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Erstens in einer vermeintlichen Treue zur Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes mit der Konsequenz einer Entsolidarisierung gegenüber den diese Wahrheit zurückweisenden Menschen: Der Gesendete meint, an der Herkunft der Sendung festhalten zu können auf Kosten ihres Zieles. Im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Gottesreichverkündigung lässt sich das berechtigte und gebotene In-der-Wahrheit-bleiben-Wollen konkretisieren als eine kompromisslose Zurückweisung eines depravierten Friedens im Sinne einer Gemeinschaftsbildung auf Kosten von ausgegrenzten anderen. In diesem Sinn hat Jesus die Erwartungen der etablierten Juden auf eine Tolerierung der für sie leitenden Ausgrenzungen und Rangordnungen zurückgewiesen. (44) – Jesus würde seiner Sendung aber dann untreu, wenn diese notwendige Treue zum Anspruch Gottes (auf Gemeinschaftsbildung durch reine und ausschließliche Ausrichtung auf Ihn selbst) zu einer Aburteilung oder gleichgültigen Sich-selbst-Überlassung der solcherart Zurückgewiesenen führte. Der Gesandte würde dann durch eine einseitige Überbetonung der „Sendung-von“ den anderen Aspekt der „Sendung-zu“ verraten und damit die Sendung als ganze verfehlen: Die besondere Tragik solcher Einseitigkeit, die eine der ständig präsenten Grundgefahren für Kirche in der Nachfolge Christi darstellt, liegt darin, dass durch solche einseitige Überbetonung alles verloren wird, – nicht nur die im Sinne der „Sendung-von“ gebotene Solidarität, sondern in Konsequenz auch die im Sinne der „Sendung-von“ angezielte Treue zu Gottes Wahrheit: Wer Gottes Wahrheit auf Kosten der Liebe und wer Gottes Gerechtigkeit auf Kosten der Barmherzigkeit zu realisieren versucht, fällt selber aus der Wahrheit und Gerechtigkeit heraus. Der sich von den Unwahren und Ungerechten Distanzierende rutscht selber auf das bei ihnen diagnostizierte Niveau von Unwahrheit und Ungerechtigkeit ab. Dieser Zusammenhang wird im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Wahrheit Gottes evident: Wer die Ausgrenzenden ausgrenzt, kopiert derart selber diese Ausgrenzenden. – Durch sein Ausgrenzen verfällt er genau der bei ihnen diagnostizierten Unwahrheit. Unter der Hand pervertiert sich auch für den so aus seiner Sendung Herausfallenden die ursprüngliche Theozentrik zu einer projektiven Gottesdefinition, die Gott als Pendant zur Gemeinschaft der wahren Gerechten festlegt und so verfehlt. In dieser ersten Form der Sendungsverfehlung, die Gott auf Kosten der Menschen, Wahrheit auf Kosten von Liebe, Gerechtigkeit auf Kosten von Barmherzigkeit verwirklichen will, begeht der Gesandte also nicht nur Verrat an Menschen, Liebe und Barmherzigkeit, sondern schlittert unvermeidlich auch in den Verlust von Gott, Wahrheit und Gerechtigkeit.
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Zweitens kann die Sendung verfehlt werden durch eine einseitige Überbetonung der Solidarität mit den Sündern, insofern durch mangelnden Widerstand gegen ihre Sünde die Treue zum göttlichen Vater verraten wird. Der Gesandte will an der „Sendung-zu“ auf Kosten der „Sendung-von“ festhalten. Im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Gottesreichverkündigung lässt sich diese Form der Sendungsverfehlung konkretisieren als mangelnder Widerstand gegen taxativ-grenzende und solcherart Gott–lose Identitätssicherungen der Adressaten der Sendung. – Die Versuchungsgeschichten beschreiben paradigmatisch die Konfrontation Jesu mit dieser Form der Sendungsverfehlung. Sie thematisieren die Versuchung, mit der Gottesreichbotschaft bei den Menschen durch Erfüllung ihrer ungeläuterten Erwartungen – „Brot und Spiele“ in den ersten beiden Versuchungen (vgl. Mt 4,3.5) – zu reüssieren. Dieser Form der Sendungsverfehlung begegnet Jesus konsequent mit einer radikalen Theozentrik (Mt 4,4.7), wodurch dann auch der verborgene Kern der Versuchungen sichtbar wird: Wer in einem zu weiten Sicheinlassen auf die Adressaten der Sendung Ursprung und Inhalt der Sendung verliert, der beginnt selber die Stelle Gottes einzunehmen; seine Bemühungen laufen auf eine Selbstverherrlichung hinaus (in den Versuchungserzählungen: Jesus als Wundertäter), die paradoxerweise nur durch eine Selbstunterwerfung unter die Begehrensdynamiken der Adressaten aufrecht erhalten werden kann: „Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“ (Mt 4,8f). Solche Perversion der Sendung von einer Gottesverherrlichung zu einer diabolischen Selbstverherrlichung kann bereits im Ansatz nur vermieden werden durch eine unablässige und kompromisslose Ausrichtung auf Gottes Willen. Genau in diesem Sinn erfolgt Jesu Zurückweisung dieser Versuchung: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10). Nur durch solche radikale Theozentrik gesichert kann Jesus sich auf den schwierigen Weg seiner Gottesreichsendung begeben. Die paradigmatisch am Anfang zurückgewiesenen Versuchungen werden Jesus auf diesem Weg immer wieder begegnen: im Wunsch der Menschen, ihn zum König zu machen oder – subtiler und gefährlicher noch – im Versuch des Petrus, ihn im Sinne einer Weiterführung der eben erst aufstrahlenden Herrlichkeit Jesu von den entehrenden Konsequenzen seiner Sendung fernzuhalten (vgl. Mt 16,22). „Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23), – eine Situation, die ganz der dritten Versuchung und ihrer Abweisung durch Jesus entspricht.
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Würde Jesus sich auf die Erwartungen der Sendungsadressaten („Sendung-zu“) so weit einlassen, dass damit die Wahrheit Gottes als des Ursprungs der Sendung („Sendung-von“) getrübt wird, so würden damit nicht nur Gott auf Kosten der Menschen, Wahrheit auf Kosten von Liebe, Gerechtigkeit auf Kosten von Barmherzigkeit verspielt, sondern in tragischer Konsequenz auch die solcherart einseitig favorisierten Werte Mensch, Liebe und Barmherzigkeit. (45) Jesus würde eine Gemeinschaftsform unterstützen, in der der faszinierte Blick auf ihn – und dementsprechend der taxierende Seitenblick aufeinander – den Blick „nach oben“ auf den wahren Gott verstellt.
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Wo Menschen und Gemeinschaften in Sünde verstrickt sind, wird Jesu Sendung – mit ihrer Doppelgestalt von „Sendung-von“ in Treue zu Gott und „Sendung-zu“ in Solidarität zu den Menschen – zur Zerreißprobe. Abgewandtheit von Gott bedeutet ja nicht nur Schwächung des Willens zum Guten, sondern auch eine Verfangenheit des Erkenntnisvermögens in Täuschung. Im dramatischen Ringen Jesu mit den schuldverstrickten Menschen und Gemeinschaften um einen neuen Zugang zum wahren Gott wird Jesus permanent missverstanden. Das betrifft nicht nur seine Worte – im Nichtverstehen der Gleichnisse – sondern auch seine Taten – z.B. im Wunder der Brotvermehrung – und letztlich die Einschätzung dessen, was Jesus ist: Derjenige, der doch reiner Verweis auf den göttlichen Vater ist, wird im äußersten Gegensatz dazu missverstanden als einer, der „sich selbst zu Gott machen“ will (vgl. Joh 10,33). Unter den Bedingungen solchen Missverstehens kann Jesus keine Zeichen mehr wirken (vgl. Mk 6,5). Zumindest werden jene Zeichen unmöglich (weil zwangsläufig missverstanden), die die Herrlichkeit Gottes direkt abbilden, d.h. jenes Lehren und Tun Jesu, das gemäß der Dramatischen Christologie Schwager s dem ersten Akt zugeordnet wird. Ebenso wie Jesu positive Solidarisierung mit den Menschen als Verrat an der Wahrheit Gottes („Sendung-von“) missverstanden wird, so wird auch Jesu Kritik an den sündigen Menschen als deren vollständige Abqualifizierung und damit als Verrat an der Solidarität mit den Menschen („Sendung-zu“) fehlinterpretiert; – im Rahmen der Dramatischen Christologie ist das als Missverständnis des zweiten Aktes zuordenbar. Jesu Sendung führt ihn so auf einen Weg, in dem ihm sukzessive alle Möglichkeiten zur vollmächtigen Ansage des Gottesreichs aus der Hand geschlagen werden. Jesu Sendungsweg zwischen den beiden beschriebenen Abgründen der Sendungsverfehlung wird beinah ungangbar schmal. Nur indem er sich beständig von Gottes Wort leiten lässt, (46) vermag er den Mittelweg zu halten und seiner Sendung treu zu bleiben. Es ist ein Weg von sich zuspitzendem Missverstehen und eskalierenden Konflikten: Formal kann der Mittelweg von Jesu Sendung als ein Weg kritischer Solidarität mit den in Sünde Verstrickten beschrieben werden: „Solidarität“ im Sinne der „Sendung-zu“ und „kritisch“ im Sinne der Treue zur „Sendung-von“. Das heißt, dass Jesus den sündig Verstockten weder nachgeben noch sie sich selber überlassen darf. Damit provoziert er sie aber in höchstmöglichem Maße. In der Konfrontation mit verstockten Sündern legt sich Jesu Sendung dramatisch-geschichtlich als Weg der maximalen Konfrontation aus. Es ist ein Weg, der – angesichts des „Gewichts der Sünde“ (vgl. Anselm von Canterbury, Cur Deus homo I,21) beinah zwangsläufig – zum Kreuz-Weg wird. Die Kreuzigung Jesu als sichtbarer Ausdruck der versuchten Austreibung Gottes ist die einzige Alternative zur Umkehr für in Sünde verstrickte Menschen und Gemeinschaften. Denn für eine in Sünde verstrickte (individuelle wie gemeinschaftliche) Identität ist jede Begegnung mit Gottes Wahrheit zersetzend.
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So ist Jesu Kreuzestod zwar vordergründig Tat der Sünder, aber tiefer betrachtet die Konsequenz von Jesu ultimativer Treue zu seiner Sendung und als solches Tat Jesu Christi in einem völligen Raumgeben für das durch den Heiligen Geist (als leitendes Prinzip seiner Sendung) vermittelte Wirken Gottes. Damit Jesu Sendung nicht in den Abgründen der Entsolidarisierung oder des Gottesverrats zerschellt, kann sie angesichts der verstockten Sünde der Adressaten keine andere Form annehmen als jene des Kreuzes. So wird das Kreuz zum stärksten Zeichen für Gottes unbedingten Heilswillen. Im äußersten Gegensatz dazu erscheint das Kreuz aus der Perspektive der Sünder als endgültiger Beweis der Gottverlassenheit und Gottlosigkeit Jesu. Diese radikale Doppeldeutigkeit wird von der Auferstehung her überwunden, – einem Ereignis, das uns nicht direkt, sondern durch seine Wirkung zugänglich ist: dadurch, dass die Wahrheit des Zeugnisses Jesu – in seinem ganzen Leben bis ans Kreuz – in der Wirklichkeit bezeugt wird. Zu dieser bezeugenden Wirklichkeit gehören die unerwartete Neubelebung der Jesusbewegung sowie die Übernahme von Jesu Sendung durch Christen und christliche Gemeinschaften der Kirche – im Lebens- und Todeszeugnis bis in die heutige Zeit.
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Die vorausgehende dramatisch-christologische Skizze kann in ein adäquates Verständnis der Zeichenhaftigkeit und Sakramentalität Jesu Christi und in der Folge der Kirche weitergeführt werden. (47) Gemäß der zentralen Einsicht Dramatischer Theologie – bei R. Schwager ebenso wie bei H. U. von Balthasar – kann solche Zeichenhaftigkeit – insbesondere als wirksames Zeichen – nicht ohne Berücksichtigung ihrer Adressaten und des dramatischen Ringens mit ihnen recht verstanden werden. (48) Demgemäß konkretisiert sich die Zeichenhaftigkeit Jesu Christi in verschiedenen Brennpunkten, die mit Raymund Schwager als fünf Akte beschrieben werden können:
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1. Akt: Gemäß dem ersten Akt der Gottesreichbotschaft ist Jesus Zeichen von Gottes Heil in einer direkten Repräsentation der Herrlichkeit Gottes durch sein vergebendes, ermutigendes und positiv neu identitätsbestimmendes Wort; weiters durch sein Menschen und Gemeinschaften heilendes Tun; schließlich und zugrundeliegend durch ein Sein, das Gott und seinen Heilswillen für die Menschen leibhaftig erfahrbar macht. Er ist wirksames Zeichen oder Sakrament für dieses Heil, insofern er ihre verborgene, verschüttete und pervertierte Sehnsucht nach dem wahren Gott und nach wahrhaftiger Gemeinschaft freilegt und sie so in eine Situation der Entscheidungsfreiheit versetzt, in der sie dem Zeichen in freier Nachfolge entsprechen können.
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2. Akt: Diese Freilegung der blockierten Sehnsucht ist zugleich eine Bloßlegung defizienter Formen von Gott- und Gemeinschaftsbezug und als solche bedrohlich für Menschen und Gemeinschaften, wenn und insofern sie sich nicht von defizitäre Identitätssicherungen distanzieren wollen. In diesem Sinn ist Jesus Zeichen als Stein des Anstoßes (49) für Menschen und Gemeinschaften, die sich dem befreienden Impuls der Gottesreichbotschaft widersetzen. Jesus ist aber nicht nur Zeichen, dem widersprochen wird (Lk 2,34), sondern auch Zeichen, das für die in Sünde Verfangenen nicht verstanden (vgl. Mk 4,12par), missverstanden (Joh 6,15f) oder fruchtlos bleiben wird (Joh 12,37). Jesus kann die für den ersten Akt spezifischen Zeichen einer direkten Repräsentation von Gottes Heilswillen nicht mehr setzen, weil sie am strukturell verfestigten Widerstand der Adressaten abprallen. Das ist das Ende oder die Grenze des 1. Aktes. (50) Ebenso gerät auch der zweite Akt mit der für ihn spezifischen aufdeckenden Kritik – die ja immer noch die Möglichkeit von Einsicht und Umkehr öffnet (51) – an ihre Grenze, nämlich dort, wo Jesu Kritik auf ihn selber zurückprojiziert wird. (52)
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3. Akt: Hier wird Jesu Sendung zum Kreuz-Weg des dritten Aktes: „Der Richter wird gerichtet“. (53) Entsprechend der Verunmöglichung aktiver Zeichenhaftigkeit im positiven Sinn des ersten Aktes und im kritischen Sinn des zweiten Aktes gehört zur spezifischen Zeichenhaftigkeit des dritten Aktes ein zunehmendes Zurücktreten aktiver Zeichenhaftigkeit auf der Ebene des Wortes und der Tat. Nur indirekt und eigentlich erst aus der Perspektive von Auferstehung und Geistsendung erhellt die für Jesus spezifische Zeichenhaftigkeit des dritten Aktes: als eine bis in das Todesschicksal durchgehaltene kritische Solidarität mit den Menschen unter konsequenter Vermeidung auch nur der geringsten Abweichung von dieser Sendung in eine der beiden ‚Straßengräben‘ von Verrat an der Treue zu Gottes Wahrheit („Sendung-von“) oder an der Verpflichtung zur solidarischen Zuwendung zu den Menschen („Sendung-zu“). Damit ist das Kreuz das stärkste Zeichen für den unbedingten Heilswillen des göttlichen Vaters, – d.h. für einen Heilswillen, der sich geschichtlich als unbedingt erweist, da der Vater ihn auch gegenüber den sich verhärtenden Sünder nicht zurücknimmt.
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4. Akt: Das Zeichens des Kreuzes ist ambivalent: Als Zeichen des göttlichen Heilswillen und der Authentizität von Jesu Sendung konnte es den Gegnern Jesu dennoch als göttliche Bestätigung für Jesu Gottlosigkeit erscheinen (vgl. Gal 3,13). Diese Ambivalenz wird von der Auferstehung Jesu her überwunden. Als Auferweckung ist sie ganz Tat des göttlichen Vaters. Die spezifische pneumatische oder verklärte Leiblichkeit des Auferstandenen verweist auf eine vorösterlich noch nicht möglich gewesene Transparenz Jesu Christi auf Gott für die ihm begegnenden Menschen, bei der die Verwechslung des Gottesmittlers Jesus als Gottes-Hindernis (der sich selbst an Gottes Stelle setzen will) ganz ausgeräumt ist. In dieser neuen Transparenz und in eine Situation verschärfter Schuldverstrickung hinein sagt Jesus den Jüngern die Botschaft des Gottesreichs in Vergebung, Friede (Lk 24,36; Joh 20,19.21.26) und Berufung (Joh 21,15–19) neu zu.
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5. Akt: Der unverstellte Blick auf den wahren Jesus Christus und dadurch auf den wahren Gott wird für die Menschen in der Folge durch den Heiligen Geist eröffnet. Er verweist auf Jesus Christus (vgl. 1 Joh4,2f) – in adäquater Zusammenschau seiner Zeichenhaftigkeit, wie sie in den ersten drei Akten beschreibbar ist –, führt derart in die volle Wahrheit (Joh 14,26) und gibt Einsicht, Kraft und Freimut, in der Nachfolge Christi den Weg der eigenen Sendung zwischen den Abgründen der Sendungsverfehlung zu finden.
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Durch Jesu Heilsdrama als ganzes wird Kirche „gegründet“ oder auf den Weg gebracht. Das Zweite Vatikanische Konzil betont die trinitarische Grundlegung von Kirche (vgl. LG 4). Diese lässt sich auch in der Dramatischen Christologie mit ihrer Fünf-Akte-Struktur wiederfinden. Der erste bis dritte Akt fokussieren das Handeln Christi, der vierte Akt das auferweckende Handeln des göttlichen Vaters und der fünfte Akt das Wirken des Heiligen Geistes. Diese Zuordnung ist aber nicht exklusiv. Im ersten bis dritten Akt lässt der Sohn sein Handeln vermittels des Heiligen Geistes ganz vom Vater bestimmen. Im vierten Akt setzt das auferweckende Handeln des göttlichen Vaters das versöhnende Handeln des Sohnes, wie es in den ersten drei Akten angegangen und permanent missverstanden war, endlich frei und mündet in die Freigabe des Heiligen Geistes, der als primärer Akteur des fünften Aktes ganz auf das Handeln des geschichtlichen (also gemäß den ersten drei Akten wirkenden) Sohnes sowie dessen vollkommene Transparenz auf das Wirken des göttlichen Vaters verweist.
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Kirche wird so von den Heilsereignissen des vierten und fünften Aktes her in die Nachfolge Jesu Christi und damit in einen engen Bezug zur Dramatik insbesondere der ersten drei Akte verwiesen. Denn der nachösterlich erschienene und durch den Heiligen Geist bezeugte Christus erweist sich als kein anderer als der vorösterliche Jesus von Nazaret, dessen Botschaft und Ruf nun aber tiefer verstanden werden kann; und der vorösterliche Jesus von Nazaret wird dramatisch-theologisch mit den ersten drei Akten reflektiert. Kirche ist Zeichen des Heils nicht anders als durch eine Vergegenwärtigung des Heilsdramas Jesu Christi. Dieses wird vorösterlich durch die drei Akte von Gottesreichbotschaft, Gericht und Kreuz geprägt, für die jeweils eine dramatische Interaktion von Jesus mit den Adressaten und Gegenspielern seiner Sendung bestimmend ist. Nun wäre es eine schlimme Verkürzung, wenn man für die Vergegenwärtigung des Heilsdramas die Kirche in der Rolle Jesu Christi (gleichsam in Verlängerung seines Wirkens) vorstellte und die Rolle der Adressaten bzw. Gegenspieler der Sendung Jesu nur einer der Kirche gegenüberstehenden Welt zuschreiben würde. Gewiss, in Kirche repräsentiert sich Christi dramatisches Handeln, und insofern prägt Jesu spezifische Zeichenhaftigkeit in den ersten drei Akten auch die Zeichenhaftigkeit von Kirche. Aber Kirche vergegenwärtigt ebenso auch die Rolle der Adressaten und (zur Bekehrung gerufenen) Gegenspieler im Heilsdrama und eine ihnen entsprechende Zeichenhaftigkeit. In der vom Zweiten Vaticanum übernommenen Bildsprache: Kirche ist einerseits Leib Christi, anderseits Braut Christi, (54) wobei zu letzterer auch die Rolle der sündigen Gegenspielerin als „casta meretrix“, d.h. als keusche (im Sinne einer durch göttliches Erbarmen gereinigten) Hure gehört. (55) Diese beiden Rollen von Kirche – in repräsentierender „Verlängerung“ Christi, und Christus gegenüber – konkretisieren sich für jeden dramatischen Akt auf je unterschiedliche Weise. So ergeben sich gemäß den ersten drei vorösterlichen Akten sechs Grundsituationen – ich werde sie im folgenden Topoi nennen – aus denen sich die Zeichenhaftigkeit von Kirche in ihrer geschichtlichen Diversität zu bestimmten Rollen konkretisiert.
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A1. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Proklamation des anbrechenden Gottesreiches (1. Akt): Wie Jesus ist die Kirche Zeichen für das anbrechende Gottesreich. Hervorragendes Indiz dafür ist eine Bestimmung gemeinschaftlicher Identität nicht durch Abgrenzung nach außen und nicht durch innere Hierarchisierung zwischen mehr und weniger zu Gott Zugehörigen, (56) sondern der Empfang gemeinschaftlicher Identität von Gott her durch Übernahme einer Sendung, deren durchwegs leitende Merkmale die beiden Aspekte einer theozentrischen „Sendung-von“ und einer anthropozentrischen „Sendung-zu“ sind. (57) Entsprechend dem christologischen ersten Akt ist Kirche repräsentierendes und wirksames Zeichen des mit dem Gottesreich gemeinten gemeinschaftlichen Heils in Einheit der Menschen mit Gott und untereinander (vgl. LG 1). Dementsprechend ist Kirche „Stadt auf dem Berg“ und „Licht der Welt“ (Mt 5,14) durch ein vorbildliches Leben in echter liebender Gemeinschaft. (58) Diese Zeichenhaftigkeit vermag in Menschen die Sehnsucht nach dem wahren Gott zu wecken und sie so in eine Freiheit zu versetzen, die ihnen die Umkehr zu einem besseren Leben ermöglicht. In diesem Sinn ist Kirche als Zeichen zugleich wirksames Zeichen. Kirche wirkt über die Grenzen ihrer ausdrücklichen Zugehörigkeit hinaus durch Verkündigung des Wortes einer Versöhnung, die in Gottes Versöhnungswillen grundgelegt ist, durch Taten der Heilung und Versöhnung, v.a. in der Integration von ausgegrenzten Menschen und so durch ihr ganzes Sein, das Zeichen für Gottes grenzenlose Menschenfreundlichkeit ist.
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Dieser Anspruch einer heilbringenden und nicht-ausgrenzenden Vorbild-Kirche steht in hartem Kontrast zu konkreten Kirchen-Erfahrungen. Heutige katholische Ekklesiologie neigt dazu, diesen Anspruch sofort mit dem Hinweis auf die sündige Kirche (und entsprechenden kirchlichen Aussagen und Schuldeingeständnissen) zu relativieren. (59) Der hohe Anspruch, „Stadt auf dem Berg“ als Vorbild und Heilsmittler zu sein, darf für die Kirche allerdings nicht zurückgenommen werden; er gehört wesentlich zu ihrer Sendung! Eine Dramatische Ekklesiologie – wie sie hier in der Weise einer „dramatischen Topologie“ skizziert wird – nimmt diesen Anspruch voll auf, ohne dadurch abgehoben triumphalistisch zu werden. Vielmehr zeigt sie auf, dass dieser hohe Anspruch der Kirche selbst zum Gericht wird, wo sie ihn verfehlt. Sie zeigt aber auch, dass Kirche damit nicht aus ihrer Sendung herausfällt, sondern durch Sündeneingeständnis und Umkehr neu in eine positive Zeichenhaftigkeit gerufen wird. (60) So wird deutlich, dass die Kirche wirklich heilig und sündig (der Vergebung bedürftig) zugleich ist (vgl. LG 8), – in einer dramatischen gegenseitigen Zuspitzung beider Aspekte.
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A2. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Gerichtsbotschaft (2. Akt): Nicht anders als Jesus selber kann auch die Kirche durch die gelebte Gottesreichbotschaft Widerstände provozieren und ist zur Aufdeckung sündiger Strukturen berufen. Wenn und insofern Gesellschaften ihre Identität nach innen durch Rangordnungen und nach außen durch Ausgrenzungen definieren, wird die Gleichbehandlung Minderberechtigter und die Hereinnahme von Ausgegrenzten in diesen Gesellschaften als identitätsbedrohend erfahren. Kirche wird damit nicht nur in Worten, sondern im Vollzug – durch die Wirkungen, die sie in ihrem exemplarischen Sein ausübt – zum Gericht. Damit ist sie aber zugleich in die Nachfolge Jesu auf einen Weg des Missverstandenwerdens und der Verfolgung verwiesen, (61) auf dem sie ihre Sendung zwischen den Straßengräben der Sendungsverfehlung in kritischer Solidarität mit den Menschen gehen muss. Wie Jesus muss Kirche auf diesem Weg auch mit ungerechtfertigten Vorwürfen rechnen, sie würde den Weg ihrer Sendung in der einen oder anderen Richtung verfehlen. (62)
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A3. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Weg ans Kreuz (3. Akt): Dieser Weg kann auch in die Kreuzesnachfolge münden. Wie die Gestalt des gekreuzigten Jesus kann auch Kirche in gekreuzigten Menschen und „gekreuzigten Völkern“ (I. Ellacuria ) auf eine entmächtigte, nicht mehr als selbstherrlich verwechselbare Weise strukturelle Sünde entlarven und die verschüttete Sehnsucht der Menschen nach dem wahren Gott auf neue Weise freilegen.
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Die bis jetzt gegebene Differenzierung von Kirche als Zeichen ist bereits geeignet, verschiedene Verkürzungen und Missverständnisse auszuräumen. Zum Beispiel kann damit Kirche nicht schlechthin nach dem Anspruch bemessen werden, leuchtendes Vorbild für die Welt zu sein. Zeichen können immer auch missverstanden werden, und das Heilsdrama Jesu zeigt, dass solches Missverständnis nicht notwendig in einer Defizienz des Zeichensetzenden gründen sein muss. – Würde sich allerdings Kirche als Zeichen ausschließlich nach den drei genannten Topoi in einer direkten Christusrepräsentation verstehen, dann entstünden gefährliche Verzerrungen des Kirchenbildes, der die Kirche und die Theologie nicht immer entgangen sind. Nach dem Muster der drei genannten Topoi könnte sich Kirche einseitig als fortdauernde Inkarnation Jesu Christi verstehen, sich triumphalistisch als Stadt auf dem Berg und als Licht der Welt begreifen und die Schwierigkeiten und Verfolgungen, die sie erfährt, einseitig der sündigen Verstocktheit der Welt zuschreiben. (63) Die fundamentale Rezeptivität von Kirche gegenüber Jesus Christus würde übersehen, und von Sünde könnte Kirche sich allenfalls äußerlich – im Versagen einzelner Kirchenglieder – berührt sehen. Versuche, die Rede von einer Sündigkeit der Kirche theologisch einzubeziehen, könnten als Relativierung der Zeichenhaftigkeit von Kirche zurückgewiesen werden. Diese Einseitigkeiten resultieren aus der Vernachlässigung des Faktums, dass Zeichenhaftigkeit von Kirche die Vergegenwärtigung des ganzen Heilsdramas bedeutet, und dass Kirche insofern nicht nur in der Rolle Christi, sondern auch in den Rollen der Adressaten und Gegenspieler Christi agiert. Entsprechend den ersten drei Akten des vorösterlichen Christusdramas ergeben sich so für die Zeichenhaftigkeit von Kirche drei weitere Topoi:
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B1: Kirche als Adressat von Jesu Christi vollmächtiger Proklamation des Gottesreichs (1. Akt): In der Begegnung mit Jesu Gottesreichbotschaft wird Kirche neu auf den wahren Gott ausgerichtet und so in einer Form von Gemeinschaft aufgebaut, die ihre Identität nicht durch Ausgrenzung sondern in ihrer Sendung findet. Die Begegnung mit Christi Wort, Tat und Sein erfolgt zentral in der Feier der Eucharistie, wo sich für die Kirche und durch sie für die ganze Welt Jesus Christus in Wort, Tat und Sein, – als Verbalpräsenz, Aktualpräsenz und Realpräsenz (64) – vergegenwärtigt. Kirche wird dadurch immer neu in eine Situation der Freiheit gerufen, die ihr Umkehr und Nachfolge abnötigt aber auch ermöglicht. Sie wird damit neu auf ihre Sendung von Gott und zu den Menschen ausgerichtet. Auch in und durch dieses Empfangen von Jesu Gottesreichproklamation ist Kirche Zeichen, nämlich Verweis auf Jesus Christus, den sie als von sich unterschieden und größer als sie bekennt. Die damit bezeichnete Differenz zwischen Kirche und Jesus Christus eröffnet den Spielraum, der notwendig ist, dass Kirche ohne logischen Widerspruch zugleich die Heilsnotwendigkeit Jesu Christi und eine Heilsmöglichkeit außerhalb der Kirche bekennen kann.
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B2: Kirche als Adressat von Jesu Christi Gerichtsworten (2. Akt): Wo Kirche der durch die eucharistische Begegnung mit Jesus Christus angestoßenen und ermöglichten Umkehr nicht entspricht, gerät sie in die Situation von Jesu Gegenspielern im zweiten Akt. „Denn wer davon [vom eucharistischen Brot und Kelch] isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu“, warnt Paulus (1 Kor 11,29). Dadurch, dass Kirche in ihrem Vollzug dem widerspricht, was sie zuinnerst von Christus empfängt, verliert sie nicht ihre Zeichenkraft für die Welt; sie wird vielmehr zum Zeichen ihres Selbstgerichts. Der Widerspruch zwischen Anspruch – nämlich Sendung in der doppelten Treue zu Gott und zu den Menschen – und faktischem Sein der Kirche wird vor der Welt anstößig evident und verweist so noch einmal modo negativo auf diesen Anspruch. Kirche kann so gar nicht aus ihrer Bestimmung herausfallen, Zeichen zu sein. Kann sie somit aber aus ihrer Bestimmung herausfallen, Zeichen des Heils zu sein? Jesu für das Selbstverständnis von Kirche maßgebliche Zusage einer letztendlichen Indefektibilität an die Kirche kann nur durch ein dramatisch-dynamisches Zeichenverständnis eingeholt werden. Die Zusage, dass die Mächte der Unterwelt die Kirche nicht überwältigen werden (Mt 16,18) kann nicht verstanden werden als eine Bewahrung vor jedem sündig-negativen Zeichensein, wohl aber als Verheißung, dass Kirche sich letztlich in Sünde und Schuld nicht verlieren, sondern immer wieder den Weg der Umkehr in Gottes Vergebung zurückfinden wird.
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B3: Kirche in der Rolle der Gegner Jesu, die ihn gekreuzigt haben (3. Akt): Der ‚Umweg‘ der Heilsfindung von Kirche durch sündige Verstockung hindurch kann abstürzen bis in die Rolle von Jesu Gegenspielern im dritten Akt. Wie oben beschrieben, (65) kann Kirche in mehrfacher Richtung von ihrer Sendung abweichen: in Verfehlung der „Sendung-zu“ – durch integralistische Weltfeindlichkeit oder esoteristische Weltgleichgültigkeit – oder in Verfehlung der „Sendung-von“ durch Bruch der Treue gegenüber Gott. Beides wirkt sich aus in einer Verfehlung wahrer Gemeinschaft, durch Duldung oder aktive Forcierung einer gemeinschaftlichen Identitätssicherung auf Kosten anderer. Hier wird auch die Kirche von Jesu Weltgerichtsrede getroffen: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr für mich nicht getan“ (Mt 25,45). Doch wie Petrus nach seinem Verrat von Jesus neu gerufen und berufen wurde, (66) so wird auch Kirche durch den Verrat hindurch in ihre positive Zeichenhaftigkeit neu eingesetzt. Kirche ist auf diese Weise Zeichen für die Welt nicht auf statische Weise durch eine positive Vorbildwirkung, sondern dynamisch-dramatisch, indem sie Zeichen der Transformation ist, der sie von Christus her immer neu unterzogen wird. Auf diese Weise verdeutlicht nochmals, dass nicht Kirche es ist, die aus sich heraus Zeichen ist, sondern dass sie, was sie ist, nur ist durch ihre Rückgebundenheit und immer neue Rückkehr zu Jesus Christus. (67) Als repräsentatives Zeichen ihrer eigenen Transformation kann sie die „Welt“ zur Bereitschaft motivieren, sich ebenso von Christus transformieren zu lassen und so wirksames Zeichen für die Transformation aller Menschen in Christus sein.
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Kirche ist nicht in gleicher Weise eine Einheit wie die Person Jesu Christi. Sie ist zergliedert in eine Vielzahl von Menschen und Gemeinschaften, die oft an unterschiedlichen Topoi das Heilsmysterium Christi repräsentieren. Insofern muss unsere bisherige Rede von „die Kirche“ für eine dramatische Topologie von Kirche differenziert werden.
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Wie oben ausgeführt, zielt Jesu Heilsruf auf je unterschiedliche Weise zugleich auf die Umkehr des Einzelnen und auf eine Erneuerung von Gemeinschaft: Der Einzelne wird aus der Menge herausgerufen und empfängt eine erneuerte Identität von Gott her, die zugleich die Beauftragung mit einer Sendung ist: Das dankbar erneuerte Sein-von-Gott-her wird zu einer „Sendung-von“, die sich nicht nur in einer wort- und tathaften, sondern tiefer in einer seinshaften Widerspiegelung von Gottes Herrlichkeit (vgl. 2 Kor 3,18) äußert und so den zweiten Aspekt der „Sendung-zu“ auch auf einer seinshaften Ebene grundlegt. Der so befreite und berufene Mensch wirkt auf diese Weise von seinem Sein her gemeinschaftsbildend und -erneuernd. Seine oder ihre konkreten Vollzüge der Bezeugung des Gottes Jesu Christi in Worten und Taten sind in diesem erneuerten Sein authentisch grundgelegt. Die Entscheidung, was innerhalb vorhandener Freiheitsspielräume wo und wie zu tun und zu sagen ist, wird idealerweise immer neu von Gott her empfangen und im Gehorsam auf die vernommene Weisung getroffen. (68) Indem er das Maß und die Weite seiner Sendung von Gott empfängt, wird der Einzelne so in hohem Maße gemeinschaftsfähig. Nach Hans Urs von Balthasar ist die Sendung einzelner Christen, christlicher Gemeinschaften sowie repräsentativer Teile der Kirche (z.B. das kirchliche Amt) innerhalb der Sendung Christi zu verorten. Damit ist zweierlei impliziert: erstens, dass die Sendung Einzelner nicht wie die Sendung Jesu Christi universal ist. Bei aller Schwierigkeit, den Umfang und die Grenze der eigenen Sendung konkret zu bestimmen, ist damit doch eine Grundlage gelegt für ein hohes Ethos der Mitmenschlichkeit, das nicht durch selbstverständliche Universalisierung zur totalen Überforderung missrät und so für die Praxis zur Belanglosigkeit zu degenerieren droht.
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Zweitens ist mit der Situierung einzelner Sendungen innerhalb der einen Sendung Jesu Christi eine grundsätzliche Integrierbarkeit der verschiedenen Sendungen der verschiedenen Glieder der Kirche angezielt. Das ist ein zentrales Motiv bereits neutestamentlicher Ekklesiologie, wenn z.B. vom Aufbau der Kirche als des Leibes Christi gesprochen wird. Dass viele Einzelne zu einem Ganzen zusammenwachsen können, das in der Rede von der Kirche oder von der einen Kirche ja vorausgesetzt wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Das Neue Testament schreibt dieses Wirken dem Heiligen Geist zu.
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Ein dramatisches Verständnis von Kirche verhindert hier eine vorschnelle harmonistische Deutung dieses Einigungsgeschehens. Wenn Kirche die Vergegenwärtigung des christlichen Heilsdramas bedeutet, dann ist mit einem Aufeinandertreffen verschiedener Topoi dieses Dramas (s.o.) nicht nur im Verhältnis von Kirche und Welt, sondern auch innerhalb der Kirche zu rechnen, und dies kann sich durchaus auch im Sinne dramatischer Konfrontation ereignen. Nicht nur agieren Teile der Kirche als Verkündende (im Sinne von Topos A1) und andere als Empfangende (Topos B1). Auch ist mit Konfrontationen im Sinne von A2–B2 („richtend“ – „gerichtet“) oder A3–B3 („gekreuzigt“ – „kreuzigend“) auch innerhalb der Kirche zu rechnen. Während diese Konfrontationen die Schuldverstrickung von Gliedern der Kirche (als „gerichtet“ oder „kreuzigend“) voraussetzen, gibt es auch andere Konfrontationen, die einen einfachen Rückschluss von Nicht-Übereinstimmung auf die Schuldverstrickung wenigstens eines der Konfliktpartner verbieten. Ein in diesem Sinn schuldloser Dissens (69) innerhalb von Kirche kann sich dort ereignen, wo Kirche in die Kreuzesnachfolge geführt wird:
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Im dritten Akt („Kreuz“) wurde Jesus Christus mit seiner Sendung, d.h. mit seiner Mittlerschaft zwischen Gott und Mensch infolge der Schuldverstrickung der Sendungsadressaten in eine Zerreißprobe geführt. Im Ringen um den rechten Weg der Verwirklichung seiner Sendung wurde er zwischen der Solidarität mit den Sündern und der Distanzierung von ihrer Sünde hin und hergerissen. (70) Wir können diesen Gedanken dahin fortführen, dass Jesus am Kreuz zwischen der Treue zum göttlichen Vater und dem Nichtfallenlassenwollen der Sünder (welches ihm gerade die Treue zum göttlichen Vater gebot! (71) ) geradezu zerrissen wurde. (72) In Analogie dazu kann Kirche in der Kreuzesnachfolge Christi in eine Situation der Zerrissenheit geführt werden. Solche Zerrissenheit kann einzelne Menschen in der Kirche martern, aber sie kann sich auch als Riss zwischen Gliedern der Kirche äußern. Das kann so geschehen, dass Glieder der Kirche eine bestimmte Sendung mehr vom Anspruch solidarischer „Sendung-zu“ und andere Glieder der Kirche dieselbe Sendung mehr vom Anspruch gottestreuer „Sendung-von“ zu realisieren versuchen und das auch müssen. Die Harmonisierbarkeit dieser gegensätzlichen Ausprägungen einer Sendung kann über bestimmte Zeiten unmöglich erscheinen, sodass die Teile der Kirche, die sich auf die gegensätzlichen Aspekte der Sendungsnachfolge verpflichtet erfahren, für unabsehbare Zeit in einen nicht harmonisierbaren Konflikt oder sogar Dissens geraten können.
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Im Unterschied zum Vorbild Christi kann in der Kirche Nichtübereinstimmung im Meinen und im Handeln allerdings auch das Indiz für eine Sendungsverfehlung der in den Konflikt involvierten Kirchenglieder sein; – nach der Schematik einer dramatischen Topologie wären das die bereits genannten Konfrontationen im Sinne von A2–B2 („richtend“ – „gerichtet“) oder A3–B3 („gekreuzigt“ – „kreuzigend“). Aber eine Nichtübereinstimmung bis hin zum Dissens kann auch aus der Sendungstreue aller Involvierten entspringen, dort wo Kirche in die Nachfolge des Gekreuzigten (A3) geführt wird. Eine säuberliche Unterscheidung, ob und inwieweit innerkirchliche Konflikte den schuldinvolvierten Typen A2–B2 bzw. A3–B3 oder dem „schuldlosen“ Typus A3 zuzuordnen sind, wird in vielen Fällen unmöglich und auch wenig hilfreich sein. Eine dramatische Topologie kann aber helfen, Kurzschlüsse zu vermeiden, welche Konflikte in verschärften Dissens und innerkirchliche Polarisierungen weitertreiben und ihre Lösung verhindern. Von einer dramatischen Topologie her kann verständlich gemacht werden, dass in einem innerkirchlichen Konflikt ein direkter Rückschluss von der Überzeugung eigener subjektiver Integrität auf das moralische Versagen oder die Dummheit des Gegners nicht zulässig ist. Es könnte ja eine Situation nach dem Topos der Kreuzesnachfolge vorliegen, in dem die Konfliktpartner von verschiedenen Ansätzen und mit gegensätzlichen Konsequenzen in der Treue zur einer Sendung verbleiben.
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In diesem Kontext ist die extrem anmutende Auffassung des Ignatius von Loyola. hilfreich, wonach der eine Heilige Geist zeitweilig verschiedene Menschen in der Kirche für konkrete Fragen zu gegenteiligen Überzeugungen führt, – ein Gedanke, der Raymund Schwager schon früh dazu bewegte, von einem dramatischen Kirchenverständnis des Ignatius zu sprechen. (73) Nicht dass Gott sich selbst widersprechen würde, ist damit gemeint, und auch nicht die Annahme einer „doppelten Wahrheit“, die die für Ignatius so wesentliche Suche nach dem wahren Willen Gottes ad absurdum führen würde. Ignatius ’ Annahme einer gegensätzlichen Führung des Geistes ermöglicht vielmehr, die Sendung Gottes auch dort noch zu finden, wo sie sich durch die Schuldverstrickung der Welt in gegensätzliche Verwirklichungsformen zu zersplittern droht. In solchen Situationen können Konfliktgegner die zeitweise bis zur Unkenntlichkeit verdeckte eine Sendung nur im Ringen miteinander entdecken, indem jeder dem selber Erkannten treu bleibt und zugleich anerkennt, dass die Gegenposition des Gegners Indiz dafür ist, dass die eigene Position noch nicht die ganze Wahrheit ist. (74) Ich brauche den Gegner und seinen Widerstand, um den blinden Fleck der eigenen Position überwinden zu können, so wie der Gegner meinen Widerstand zu seiner Wahrheitsfindung braucht. Wenn ich den Gegner als dumm oder moralisch korrupt disqualifiziere, entledige ich mich des Gebotes, mich durch ihn in Frage stellen zu lassen und verliere so den Widerpart, der meine Sendung noch im Gleichgewicht halten könnte. Die Annahme, dass der Heilige Geist mich leitet, hält mich in Treue zu dem, was ich bereits erkannt habe; die Annahme, dass der Heilige Geist auch meinen Gegner leitet, lässt mich seinen Widerstand so ernst wie möglich nehmen. (75) So wird ein schmerzhafter dramatischer Prozess in die Wege geleitet – in Loyalität und Widerspruch – der auch tiefverwurzelte strukturelle Manifestationen der Gottferne durchbrechen kann. Kreuzesnachfolge kann so zur Erlösung durch das Kreuz führen.
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Was hier allgemein beschrieben wurde, lässt sich an verschiedenen kirchlichen Zerreißproben und Polarisierungen konkretisieren, – z.B. im Streit um die Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland. (76) Und es könnte sich von daher wohl ein differenziertes Verständnis des kirchlichen Dissenses erschließen lassen, das die Verpflichtung zur innerkirchlichen Loyalität (insbesondere mit dem Lehramt) und die Möglichkeit sowie Verpflichtung zu Widerspruch und Konflikt in stärkerer Weise berücksichtigt, als das den polarisierten Kontrahenten in diesem Streit möglich war.
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Kehren wir abschließend zur Ausgangsfrage zurück: Wie kann Kirche als universales und wirksames Zeichen von der Welt erfasst werden, wenn zu dessen Erfassung doch – im Sinne eines Mysteriums – ein existentielles Sicheinlassen auf das Zeichen notwendig ist? Unser erster Antwortversuch lautete: Nicht die Welt erfasst das Zeichen von Kirche, sondern die Welt wird von diesem Zeichen erfasst. (77) Im Hauptteil des Aufsatzes haben wir ein dramatisches Zeichenverständnis entwickelt, das der Rede von einem Erfasstwerden durch ein Zeichen Sinn verleiht. Wir haben herausgearbeitet, dass Kirche als Zeichen des Heilsdramas Jesu Christi zu verstehen ist und in diesem Sinn als Vergegenwärtigung eines dynamischen Prozesses der Transformation von Menschen. Solche Transformation geschieht zunächst innerhalb der Kirche, und zwar paradigmatisch in der Feier der Eucharistie, wo Menschen mit ihrer erlösungsbedürftigen Situation sich der wort-, tat- und leibhaften Gegenwart Jesu Christi aussetzen. Von dieser permanenten, immer wieder erneuerten Verwandlung von Kirche lässt sich dann auch auf ein Erfassen und ansatzweises Transformieren von Welt schließen. Welt ist ja nicht einfach von Kirche getrennt. Weil die Menschen der Kirche nicht einfach der Welt gegenüber stehen, sondern zugleich auch Teil dieser Welt sind, geschieht durch die fortlaufende Transformation von Kirche auch Transformation der Welt.
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In einem zweiten Schritt muss dann aber die wesentliche Differenz von Kirche und Welt berücksichtigt werden. Menschen und Gemeinschaften, die mit ihrem ganzen Leben die Offenbarung Gottes aufzunehmen und zu übersetzen versuchen, werden dadurch zu einem Zeichen für diese Offenbarung, und durch diese Zeichenhaftigkeit unterscheidet sich Kirche von Welt. Im Hinblick auf diese Differenz stellt sich die Frage erneut, ob und wie Welt, insofern sie die Selbsterschließung Gottes noch nicht vernommen hat oder ihr zu folgen nicht fähig oder bereit ist, vom Heilsmysterium Christi, das in der Zeichenhaftigkeit von Kirche aufscheint, überhaupt erfasst zu werden vermag.
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Hier sind nun schöpfungstheologische und transzendentaltheologische Überlegungen hilfreich, gemäß denen eine Ausrichtung auf den wahren Gott und die entsprechende Form wahrer Gemeinschaft in jedem Menschen – und damit auch in jeder konkreten Gemeinschaftsform – bleibend grundgelegt ist. Diese „suchende Transzendenz“ kann verschüttet oder sogar zu destruktiven Formen pervertiert werden, ist aber grundsätzlich unverlierbar. Aufgrund dieser unverlierbaren Dynamik kann der Anspruch Gottes in Jesus Christus keinen Menschen letztlich gleichgültig lassen. (78) Jesus hat mit seinem Wirken diese versteckten Sehnsüchte geweckt, – durch Stimulierung des verborgenen Guten, aber auch dadurch, dass es die Pervertierungen solcher Sehnsüchte gewaltsam hervorbrechen ließ. In der Vergegenwärtigung des Heilsdramas Christi rührt auch Kirche an diese verborgenen Sehnsüchte der Menschen. Dabei ist sie selber nicht frei von Ambivalenzen und Pervertierungen. Aber auch wo Kirche ihre Sendung verfehlt, verliert sie nicht ihre Zeichenhaftigkeit. Im Falle ‚ihres Falles‘ wird diese Zeichenhaftigkeit von Kirche allerdings zum Zeichen ihres Selbstgerichts. Auch das ist nochmals ein Aspekt von „Kirche als Zeichen des Heils“, denn über Schuldeingeständnis, Umkehr und Vergebung erwächst der Kirche in „glücklicher Schuld“ eine neue, höchst bedeutende Form der Zeichenhaftigkeit für die Welt: im gelebten Beispiel dafür, dass es keinen noch so tiefen Abgrund gibt, aus dem heraus Menschen und Gemeinschaften nicht wieder von Gottes vergebender Gnade erfasst und so von innen her erneuert werden können. (79)
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Anmerkungen:
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1. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, im Folgenden kurz: LG.
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2.
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Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et Spes“, im Folgenden kurz: GS.
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3.
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In diesem Sinn ist es Teil der Zeichenhaftigkeit von Kirche, dass sie Zeichen der Zeit (vgl. GS 4) – mit der Signatur der Gnade Jesu Christi – in der ganzen Welt findet und aufzeigt. An diesem Punkt gibt es eine tiefe Entsprechung zwischen Pastoralkonstitution und Dogmatischer Konstitution über die Kirche.
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4.
| 94
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J. Ratzinger , Die Kirche als Heilssakrament, in: Ders. , Theologische Prinzipienlehre. Bausteine zur Fundamentaltheologie, München 1982, 45–56, 49.
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5.
| 96
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Der Begriff kommt explizit in den Texten des 2. Vaticanum nicht vor, aber er fasst treffend sein zentrales Anliegen zusammen. Vgl. neben LG1 v.a. LG 9.
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6.
| 98
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Der Weltbegriff ist im II. Vaticanum mehrdeutig, aber durchwegs positiv gebraucht. Eine Gegenüberstellung von Kirche und Welt ist infolge der gestuften Kirchenzugehörigkeit, wie sie das Vaticanum II lehrt, nicht mehr trennscharf möglich.
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7.
| 100
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„Veluti signum levatum in nationes“ DH 3013.
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8.
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DH 3013f.
| 103
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9.
| 104
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Das bedeutet allerdings nicht Konturlosigkeit. Eine volle Kirchenzugehörigkeit wird in Kontinuität mit der Tradition (z.B. Mystici Corporis) an die drei Bänder des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Gemeinschaft gebunden (vgl. LG 14), wobei diesen Kriterien allerdings das ‚Gnadenkriterium‘„im Besitz des Geistes Christi“ vorangestellt wird und anschließend auch für die vollzugehörigen Katholiken die Möglichkeit des Heilsverlustes ausgesagt wird: „Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar „dem Leibe“, aber nicht „dem Herzen“ nach verbleibt“ (ebd.; parallel zum vorausgehenden: „Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten.“)
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10.
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Vgl DH 2429, sowie W. Kern , Außerhalb der Kirche kein Heil? Freiburg i.Br.–Basel–Wien: Herder 1979, 48f.
| 107
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11.
| 108
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Vgl. Schwager , in diesem Band S. 17.
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12.
| 110
|
R. Schwager , J. Niewiadomski u.a., Dramatische Theologie als Forschungsprogramm, in: Religion erzeugt Gewalt – Einspruch! Hg. R. Schwager, J. Niewiadomski, Münster–Hamburg–London 2003, 40–77, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/9.html.
| 111
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13.
| 112
|
„Ein tiefer, echter und dauerhafter Friede zwischen Menschen, der nicht auf Opferung Dritter aufgebaut ist und ohne Polarisierung auf Feinde auskommt, ist sehr schwer erreichbar, ja übersteigt menschliche Kräfte. Wenn er dennoch Wirklichkeit wird, ist dies ein klares Zeichen, daß Gott selber (der Hl. Geist) in den Menschen am Wirken ist. Diese inkarnatorische Logik ist sowohl an der biblischen Botschaft als auch an den zahlreichen ekklesialen ‚Zeichen der Zeit‘ in der menschlichen Geschichte ablesbar.“ Schwager / Niewiadomski (s. Anm. 12) 334.
| 113
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14.
| 114
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Im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/231-4.html#h89. Vgl. L. Bouyer , Die Kirche. Band II: Theologie der Kirche. Einsiedeln 1977, 358f.
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15.
| 116
|
Schwager , Kirche als universales Zeichen, in diesem Band S. 49f.
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16.
| 118
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Zum Folgenden vgl. R. Schwager , Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (ITS 29). Innsbruck–Wien 1990, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/212.html.
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17.
| 120
|
Vgl. R. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 23–30.
| 121
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18.
| 122
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16).
| 123
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19.
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|
Dafür ist vor allem bedeutend H. U. von Balthasar , Theodramatik, Bände I, II,1; II,2; III, IV. Einsiedeln 1973–1983. Für einen Überblick zu verschiedenen Ansätzen Dramatischer Theologie vgl. W. Sandler , Was ist dramatische Theologie? In: Religion – Literatur – Künste. Aspekte eines Vergleichs. Hg. P. Tschuggnall , Anif/Salzburg 1998, 41–57, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/156.html
| 125
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20.
| 126
|
Vgl. H. J. Pottmeyer , Die Frage nach der wahren Kirche, in: Handbuch der Fundamentaltheologie. Band 3: Traktat Kirche. Hg. W. Kern – H. J. Pottmeyer – M. Seckler, Freiburg i. Br.–Basel–Wien 1986, 212-241.
| 127
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21.
| 128
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Wegen der Priorität göttlichen Handelns ist es angemessener, nicht von einer Begründung gemeinschaftlicher Identität in einer neuen Ausrichtung auf Gott zu sprechen, sondern von einer dankbaren Neuausgerichtetheit von Gott her.
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22.
| 130
|
S. P. Huntington , Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München 1996, 21.
| 131
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23.
| 132
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Vgl. W. Palaver , Vom Nutzen und Schaden der Feindschaft: Die mythischen Quellen des Politischen, in: Feindschaft. Hg. M. Brehl – K. Platt. München 2003, 71–92.
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24.
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Zum Folgenden vgl. Balthasar , Theodramatik II/2 (s. Anm. 19) 136–238.
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25.
| 136
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16), v.a. 149[Anm. 150].266.274.276, wobei Schwager – für die Christologie vollständig, für die Anthropologie mit einer kritischen Reserve – Balthasars Konzept von Person als Sendung aufgreift. Vgl. ebd. 275f.
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26.
| 138
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H. U. v. Balthasar , Theodramatik II/1 (s. Anm. 19) 368.
| 139
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27.
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„Für alle ... wird das ‚Spielen‘ im Spiel-Raum Christi darin bestehen, die angestammte Nichtidentität – als ‚Nachfolge Christi‘ (in dem Identität herrscht) – in eine immer vollkommener angenäherte Identität überzuführen, also das eigene Ich immer restloser mit der gottgeschenkten Sendung zur Deckung zu bringen und in dieser Sendung die eigene, sowohl personale wie soziale Identität zu finden.“ Balthasar , Theodramatik II/2 (s. Anm. 19) 248, Hervorh. von mir. Vgl. auch Balthasar zur Gemeinschaft der Heiligen: Theodramatik II/2 (ebd.) 321f , sowie H. U. von Balthasar , Gemeinschaft der Heiligen, in: ders. , Klarstellungen. Zur Prüfung der Geister (Kriterien 45), Einsiedeln 1978, 59–64.
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28.
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Für Balthasar ist dies der – pneumatologisch begründete – Wurzelpunkt für Kirche. Der Begriff der Sendung verbindet in Balthasar s Theologie ursprünglich Christologie, Anthropologie und Ekklesiologie.
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29.
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Vgl. Anm. 13. Es ergibt sich hier die Möglichkeit eines fruchtbaren theologischen Austausches zwischen der Dramatischen Theologie Hans Urs von Balthasar s, in dessen Mitte die Theologie der Sendung steht, und der Innsbrucker Dramatischen Theologie. Letztere kann in diesen Austausch eine umfassende Theorie des Scheiterns menschlicher Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung – im Sinne negativer Identität, insbesondere des Sündenbockmechanimus – einbringen (s. Anm. 23). Sie arbeitet damit in aller Schärfe und in verschiedensten Kontexten eine Frage aus, die unsere Welt zutiefst bewegt: die Frage nach der Möglichkeit von wahrem Frieden und echter Versöhnung. Hans Urs von Balthasar gibt mit seiner Theologie der Sendung einen Ansatz für einen Begriff positiver Identität sowohl auf individuell-personalisierender Ebene als auch im Hinblick auf soziale Identität. Dieser Ansatz ist bei ihm christologisch, pneumatologisch, trinitarisch und insgesamt theozentrisch grundgelegt und entkommt von daher den Gefahren einer soziologischen oder anthropologischen Funktionalisierung von Theologie. Raymund Schwager s Dramatische Theologie nimmt Balthasar s Sendungschristologie auf und vermag sie mit ihrer erweiterten Perspektive von fünf dramatischen Akten vor einer drohenden staurologischen Verengung zu bewahren (vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama [s. Anm. 16] 276 Anm. 57).
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30.
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Vgl. das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,2–16), weiters Lk 15,25–32, Mk 10,31.
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31.
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|
Die Kritik negativer Identität führt so nicht zu einer pauschalisierten Ablehnung von Hierarchie in der Kirche, wohl aber zu einer kritischen Hinterfragung der Funktion, die solche Hierarchisierung für die Identität von Kirche hat. Vgl. in diesem Band: W. Palaver , Hierarchie ist nicht gleich Hierarchie.
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32.
| 150
|
Vgl. Jesu Verhalten: Obwohl er der bittenden Syrophönizierin zuerst erklärt, dass er nur zu den Kindern Israels gesandt ist, heilt er deren Tochter.
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33.
| 152
|
Vgl. zum Folgenden: J. Roloff , Die Kirche im Neuen Testament (NTD Ergänzungsreihe 10). Göttingen 1993, 21–23.
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34.
| 154
|
Diese theologisch-phänomenologische Skizze authentischer Gottesbeziehung als Sendungsexistenz müsste verfeinert werden durch die Präzisierung, dass dieser theozentrische Blick-nach-oben nicht an den Menschen und Dingen vorbei (in platonischer Direktschau der Idee des Guten) erfolgt, sondern dass Gott sich in den Menschen und Dingen erschließt. Demgemäß ist zu unterscheiden zwischen zweierlei Blick auf die Menschen und Dinge: einerseits dem Blick auf jenes Zentrum ihres Seins, in dem „Gott ihnen innerlicher ist als sie sich selber sind“ (Augustinus ), – einem Blick, der die Mitmenschen damit in ihrer unverrechenbaren und unersetzlichen Personalität und Würde erreicht; anderseits droht dieser transparente, durchdringende Tiefenblick, der die Menschen und Dinge in ihrer Transparenz auf das göttliche Geheimnis gleichsam in einer zusätzlichen Dimension „plastisch“ wahrzunehmen vermag, immer wieder „hängen zu bleiben“ an dem Faszinosum der Erscheinung (des „Scheins“ der Erscheinung), die damit – mit Jean-Luc Marion zu sprechen – vom Bild zum Idol gerinnt. Vgl. ders. , Idol und Bild, in: Phänomenologie des Idols. Hg. B. Casper , Freiburg i. Brsg. 1981, 107–132.
| 155
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35.
| 156
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Vgl. dazu W. Sandler , Wie kommt das Böse in die Welt? Zur Logik der Sündenfallerzählung, in: Dramatische Theologie im Gespräch. Symposion/Gastmahl zum 65. Geburtstag von Raimund Schwager (BMT 14). Hg. J. Niewiadomski – N. Wandinger , Thaur–Münster 2001, 127–153, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/105.html, sowie ders. , To be like God: quintessence of sin or promise for salvation? Mimetic reflections on the Fall of Man, 2005, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/593.html.
| 157
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36.
| 158
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Im Hinblick auf das ursprüngliche Anliegen einer radikalen Erneuerung der Gottesbeziehung ist die Gruppe der Pharisäer jene mit der engsten Verwandtschaft zur Jesusbewegung.
| 159
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37.
| 160
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Vgl. z.B. für das Markusevangelium: Mk 3,3 (par: Lk 6,8); Mk 5,31–34; Mk 7,33; Mk 8,23; Mk 9,17. Vgl. R. Hamerton-Kelly , Die „Menschenmenge“ und die Poetik des Sündenbocks im Markusevangelium, in: Dramatische Erlösungslehre. Ein Symposion (ITS 38). Hg. J. Niewiadomski – W. Palaver . Innsbruck 1992, 49–70. – Der Wortbedeutung von Kirche als Ekklesia–Qahal (= Herausrufen; vgl. Bouyer [s. Anm. 14] 32) wird so entsprochen durch das kirchenbildende Kernphänomen eines personalisierenden Herausgerufenwerden aus einer undifferenzierten Menge mit einer gemeinschaftsbildenden Beauftragung für die Menge: Berufung der Kirche durch Berufung in der Kirche.
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38.
| 162
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Vgl dazu R. Girard s Interpretation der biblischen Erzählung vom Besessenen von Gerasa, in: ders. , Der Sündenbock. Einsiedeln–Zürich–Köln ²1998, bes. 243f. Hilfreich für eine vertiefte Reflexion: C. Strecker , Jesus und die Besessenen – Zum Umgang mit Alterität im Neuen Testament am Beispiel der Exorzismen Jesu, in: Jesus in neuen Kontexten. Hg. W. Stegemann – B.J. Malina – G. Theißen, Stuttgart 2002, 53-63.
| 163
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39.
| 164
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Man kann hier von einem „Community-Test“ sprechen, wenn man dabei jede überheblich-taxierende Konnotation ausschließt: Dieser „Test“ wurde von Jesus nicht mutwillig an seinen Zeitgenossen durchgeführt, sondern er ergab sich von selbst aus der Konsequenz der barmherzigen Einbeziehung der Ärmsten und Letzten.
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40.
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So wird die unmittelbar darauf folgende maßlose Aggressivität der Menge begreiflich.
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41.
| 168
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Zu den Straßengräben von Esoterismus und Integralismus im Weltverhältnis der Kirche vgl. K. Rahner , Kirche und Welt, in: HThTL 4, 216–233, hier: 221–224; dazu: J. Meyer zu Schlochtern , Sakrament Kirche. Wirken Gottes im Handeln der Menschen. Freiburg i.Br.–Basel–Wien 1992, 69–72. In die gleiche Richtung zielt St. Huber – P. Steinmayr-Pösel, Vom Kirchentraum zum Kirchlichen Gnadenraum (in diesem Band), mit der Unterscheidung zwischen Machbarkeitswahn und Resignation (in diesem Band ???HT11).
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42.
| 170
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Vgl. Eph 4,15; 2 Joh1,3.
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43.
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Vgl. Anselm von Canterbury , dazu: Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 17.
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44.
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Die Versuchungsgeschichten Jesu können in diesem Sinn verstanden werden als paradigmatische Zurückweisungen der Versuchung, das Gottesreich durch faule Kompromisse gegenüber den mit Gottes Wahrheit nicht verträglichen Ansprüchen ihrer Adressaten zu verwirklichen.
| 175
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45.
| 176
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Am Beispiel der eben behandelten Konfrontation Jesu mit Petrus, vgl. R. Girard , Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. München–Wien 2002, 51: „Über die in seinen Augen übertriebene Resignation Jesu enttäuscht, sucht er [Petrus] ihm das eigene Begehren, den eigenen weltlichen Ehrgeiz einzuflößen. Kurz, Petrus fordert Jesus auf, ihn zum Modell seines Begehrens zu nehmen. Würde Jesus sich von seinem Vater abwenden, um Petrus nachzufolgen, gerieten Petrus und Jesus rasch in mimetische Rivalität, und das Abenteuer des Reichs Gottes bräche unter läppischen Streitigkeiten in sich zusammen.“
| 177
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46.
| 178
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Vgl. dazu und zum Folgenden: Jes 50,4–7. „Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, daß ich nicht in Schande gerate.“
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47.
| 180
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Ein enger Bezug zwischen der im vorigen Kapitel favorisierten Sendungstheologie und einer Theologie des Zeichens ergibt sich bibeltheologisch vom Evangelisten Johannes her, für den sowohl Sendung als auch Zeichen zentrale christologische Begriffe darstellen. Zu Letzterem vgl. in diesem Band: M. Hasitschka , „… damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21) – Lebenspraxis der Kirche als universales Zeichen. Johanneische Perspektiven.
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48.
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Es muss die Freiheit der Adressaten des Zeichens in Rechnung gestellt werden! Die Eindeutigkeit, Verstehbarkeit und Wirksamkeit eines Zeichens hängt nicht nur von der Authentizität und Qualität des Zeichensenders bzw. des von ihm Bezeichneten ab, sondern auch vom Zustand des Empfängers. Christliche Theologie nimmt für Jesus von Nazaret an, dass er eindeutiges und undepraviertes Zeichen für die Gegenwart des göttlichen Vaters und dessen in der Gottesreichbotschaft sich äußernden Heilswillens war. Wie konnte er aber dann missverstanden werden? Unter den verschärften Bedingungen der Verstrickung und Verstockung der Zeichenadressaten in Sünde ist das „Ankommen“ von Jesu Zeichen nur in einem dramatischen Prozess möglich, der durch die Krise des Kreuzes geht.
| 183
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49.
| 184
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Vgl. Mk 12,10, Mt 21,42, Apg 4,11 und besonders 1 Petr 2,7–8.
| 185
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50.
| 186
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Es kann hier nicht weiter auf eine Hermeneutik der Aktestruktur im Sinne von Schwager s Dramatischer Christologie eingegangen werden. Sie müsste zeigen, dass die dramatisch-christologischen Akte sich nicht in einer einfachen Abfolge gegenseitig ablösen, sondern sich entsprechend exemplarischer Annahme und Ablehnungssituationen mehrfach überlappen. Vgl. dazu R. Miggelbrink , Der Zorn Gottes. Geschichte und Aktualität einer ungeliebten biblischen Tradition. Freiburg i.Br.–Basel–Wien 2000, 542–556.
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51.
| 188
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Vgl. Joh 8,30 als Abschluss der vorangehenden Streitgespräche (ich danke M. Hasitschka für diesen Hinweis), weiters die glückende Begegnung mit einem Schriftgelehrten in Mk 12,28–34 in Anschluss an die vorausgehenden Streitgespräche mit Fangfragen von Pharisäern und Sadduzäern. Im AT wird Umkehr durch Gericht hindurch exemplarisch in der Jona-Erzählung verarbeitet, deren Rezeption auch in den Evangelien eine zentrale Bedeutung hat.
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52.
| 190
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Vgl. Mt 12,24; Joh 10,33.
| 191
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53.
| 192
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 109–111.
| 193
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54.
| 194
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Vgl. LG 6–7. Ausführlich auf dieses Zueinander ist H. U. v. Balthasar eingegangen, z.B. ders. , Theodramatik II/2 (vgl. Anm. 19) 311–322.
| 195
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55.
| 196
|
Vgl. H. U. von Balthasar , Casta meretrix, in: ders ., Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, Einsiedeln 11961, 203-305. Trotz der weiten Verbreitung dieses Motivs in der Patristik (die Balthasar ebd. aufgezeigt hat) wurde dieses Bild im 2. Vaticanum nicht übernommen.
| 197
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56.
| 198
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Damit ist kirchliche Hierarchie allerdings nicht insgesamt in Frage gestellt. Vgl. dazu oben Anm. S. 112f.
| 199
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57.
| 200
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Vgl. dazu F. Gmainer-Pranzl , „… universalitatis character …“ (LG 13). Katholizität als Zeichen und Auftrag, in diesem Band, ???[HT59]
| 201
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58.
| 202
|
Vgl. das berühmte Erkennungsmerkmal für Christen: „Seht wie sie einander lieben“ (Tertullian , Apologeticum 39), sowie Apg 2,44–47; 4,32. Zur Herausforderung, die in diesem Anspruch für die Kirche liegt, siehe auch: W. Sandler , Stadt auf dem Berg? Kirche in der Spannung von Vorbild-Auftrag, Solidarisierung mit Sündern und eigener Schuld, in: Kirche: Zeichen des Heils – Stein des Anstoßes (theologische trends 13). Hg. W. Sandler – A. Vonach , Frankfurt am Main 2004, 97–133, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/496.html.
| 203
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59.
| 204
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Anders: J. Ratzinger , Das neue Volk Gottes. Entwürfe zur Ekklesiologie, Düsseldorf 1970, 237f.
| 205
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60.
| 206
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Wie Jesus zu Petrus in Mt 16,23: „Hypage opísô mou, Satana“ „Weiche Satan“ und unmittelbar darauf „Hinter mich!“, d.h. „Folge mir nach!“
| 207
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61.
| 208
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Vgl. Joh 15,20.
| 209
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62.
| 210
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Auch dieser Aspekt einer als schuldlos-beschuldigter zeichenhaften Kirche darf nicht verschwiegen werden – er ist ebenso ein unverzichtbarer Teil ihrer Sendung – auch wenn Kirche immer wieder auch in berechtigter Weise mit Vorwürfen konfrontiert wurde, die sie nicht eingestanden hat. Letzteres wird im Folgenden mit den Topoi B2 und B3 deutlich berücksichtigt. Aber es müssen beide Aspekte wahrgenommen werden!
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63.
| 212
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Vgl. meinen Versuch einer Interpretation des „Falles Groer “ in: W. Sandler , Stadt auf dem Berg (s. Anm. 58) 119f.
| 213
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64.
| 214
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Vgl. zu dieser Unterscheidung: L. Lies , Verbalpräsenz – Aktualpräsenz – Realpräsenz. Versuch einer systematischen Begriffsbestimmung, in: Praesentia Christi. FS. J. Betz (Hg. L. Lies ) Düsseldorf 1984, 79–100.
| 215
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65.
| 216
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Vgl. oben Kap. 4.3.
| 217
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66.
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Siehe oben, Anm. 60.
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67.
| 220
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In diesem Sinn sind die offiziellen kirchlichen Schuldbekenntnisse und Vergebungsbitten (z.B. am Ersten Fastensonntag 2000; vgl. dazu N. Wandinger , in: Religion erzeugt Gewalt – Einspruch! [s. Anm. 12] 143-179) keine Verunklärung kirchlicher Zeichenhaftigkeit, sondern im Gegenteil ein hochbedeutsamer Beitrag dafür.
| 221
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68.
| 222
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Das setzt eine Erfahrung in der Unterscheidung der Geister voraus, für die die Theologie der Ignatianischen Exerzitien wertvolle Kriterien liefert. Vgl. K. Rahner , Die Logik der existentiellen Erkenntnis bei Ignatius von Loyola , in: ders. , Das Dynamische in der Kirche (QD 5), Freiburg i.Br.–Basel–Wien 74–148.
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69.
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Mit schuldlosem Dissens bezeichne ich eine Konfliktsituation zwischen Gliedern der Kirche (möglicherweise auch zwischen Lehramt und Gläubigen oder zwischen verschiedenen – z.B. gesamtkirchlichen und ortskirchlichen – Instanzen des Lehramts), die nicht in der Schuld (im Sinne einer Sendungsverfehlung) durch einen oder mehrere Konfliktpartner gründet, weshalb ein Rückschluss von der Angemessenheit der einen Position auf die Unangemessenheit der Gegenposition nicht möglich ist. Die Rede von einem schuldlosen Dissens ist insofern missverständlich, als derartige Konfliktsituationen immer in irgendeiner Schuldverstrickung gründen; es kann sich aber auch – wie im Falle der Zerrissenheit Jesu am Kreuz – um eine Schuldverstrickung der Adressaten der Sendung handeln. Das wird im Folgenden näher ausgeführt. Für eine angemessene Behandlung der Dissensfrage müsste eine Ekklesiologie des Lehramts eingearbeitet werden, was in diesem Aufsatz nicht möglich ist. Insofern bieten die hier gegebenen Ausführungen zum Dissens nur eine erste Skizze. Vgl. den ausgewogenen Aufsatz von K. Lehmann : Ders. , Dissensus. Überlegungen zu einem neueren dogmenhermeneutischen Grundbegriff, in: Dogma und Glaube. Bausteine für eine theologische Erkenntnislehre. Festschrift für Bischof Walter Kasper . Hg. E. Schockenhoff – P. Walter , Mainz 1993, 69–87.
| 225
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70.
| 226
|
Vgl. Jesu Vollzug und Verweigerung von Zeichen; seine Zuwendung zu den Menschen und seinen Rückzug von ihnen; sein geduldiges Werben um Verständnis und sein scharfes Brandmarken von Fehlern. Hier ein Hin- und Herpendeln bei Jesus festzustellen, bedeutet nicht das Urteil, Jesus wäre aus der Mitte seiner Sendung herausgefallen. Vielmehr entspricht dies einer Suchbewegung nach der richtigen Verwirklichung der Sendung (dies im Sinne der vollen Menschheit Jesu Christi), von der wir annehmen können, dass sie sich immer diesseits der Straßengräben der Sendungsverfehlung abgespielt hat.
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71.
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Von daher kann ohne Diskreditierung Gottes der kreuzessoteriologische Aspekt berücksichtigt werden, dass der Vater den Sohn dahingegeben hat (vgl. Röm 8,32).
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72.
| 230
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Jesu Verlassenheitsruf am Kreuz (Mt 27,46) kann in dieser Richtung gedeutet werden.
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73.
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Vgl. R. Schwager , Das dramatische Kirchenverständnis bei Ignatius von Loyola. Einsiedeln–Zürich–Köln 1970. Schwager bezieht sich auf Ignatius , der in einer kontroversen Frage (es geht um die vom Kaiser betriebene Kardinalsernennung F. Borja s, – eine Würde, die Ignatius für seine Ordensmitglieder grundsätzlich ablehnt) an Franz Borja schreibt: „Wenn es der Wille Gottes ist, daß ich mich darin einsetze und sich andere für das Gegenteil einsetzen und Euch diese Würde gegeben wird, so gebe es keinen Widerspruch. Denn es kann sein, daß der gleiche göttliche Geist mich dazu aus den einen Gründen und andere aus anderen zum Gegenteil bewegt, so daß verwirklicht wird, was der Kaiser angezeigt hat. Gott, unser Herr, möge in allem tun, wie es immer sein größerer Lobpreis und Ruhm ist.“ (Ignatius von Loyola. , Geistliche Übungen und erläuternde Texte [übersetzt und erklärt von P. Knauer] , Leipzig 1978, 303; vgl. Schwager ebd. 131f.151; auch: M. Kehl , Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie. Würzburg 1992, 20f.). – Solche gegensätzliche Führung durch den Heiligen Geist ist nicht notwendig auf die Sündigkeit von Kirche zurückzuführen; sie kann auch gründen in einer Schuldverstrickung der Welt, in die die Kirche gesandt ist und die trotz aller Weltinvolviertheit von Kirche nicht ihre ist. Trotz ihrer faktisch immer wieder gegebenen Welt- und Schuldverstrickung von Kirche kann Kirche auch in der Nachfolge Jesu Christi stehen, der als jener „der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht“ wurde (2 Kor 5,21). Vgl. zur Konkretisierung am Konflikt der deutschen Schwangerenkonfliktberatung: W. Sandler , Stadt auf dem Berg? (s. Anm. 58) 127–133.
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74.
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Vgl. den Verweis auf die größere Ehre Gottes im vorigen Ignatius -Zitat. – In diesem Zusammenhang kann auch die vielverpönte „Schwarz-Weiß-Haltung“ des Ignatius recht verstanden werden: „Wir müssen, um in allem sicher zu gehen, immer festhalten: was meinen Augen weiß erscheint, halte ich für schwarz, wenn die hierarchische Kirche so bestimmt, weil wir glauben, daß in Christus unserem Herrn, dem Bräutigam, und in der Kirche, Seiner Braut, derselbe Geist wohnt, der uns zum Heil unserer Seele leitet und lenkt; denn durch den gleichen Geist und Unseren Herrn, der die zehn Gebote gab, wird auch unsere heilige Mutter die Kirche gelenkt und geleitet.“ (Geistliche Übungen [s. Anm. 73] Nr. 365; Hervorh. von mir) Nicht um ein sacrificium intellectus geht es hier, sondern um ein Offenhalten der eigenen Überzeugungen gegenüber dem größeren Gott, was eine Treue zu diesen Überzeugungen keineswegs ausschließt! (Zu Letzterem vgl. das oft widerständige Verhalten des Ignatius gegenüber kirchlichen Oberen; dazu: Schwager, Kirchenverständnis (s. Anm. 73, 133–152, bes. 144).
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75.
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Vgl. hier auch Ignatius , Geistliche Übungen (s. Anm. 73) Nr. 22.
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76.
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Vgl. W. Sandler , Stadt auf dem Berg? (s. Anm. 58) 127-133.
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77.
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Vgl. oben S. 107.
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78.
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Vgl. K. Rahner zur suchenden Christologie: Ders. , HThTL IV, 28–31; dazu: W. Sandler , Bekehrung des Denkens. Karl Rahners Anthropologie und Soteriologie als formal-offenes System in triadischer Perspektive, Frankfurt am Main 1996, 260–275.
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79.
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Vgl. dazu in diesem Band: J. Niewiadomski , Sündige Kirche in der gottverlassenen Welt. Dramatische Kirchenerfahrung in Graham Greenes „Die Kraft und die Herrlichkeit“; W. Guggenberger , Was für ein Zeichen (in diesem Band ???HT24), St. Huber – P. Steinmayr-Pösel, Vom Kirchentraum zum Kirchlichen Gnadenraum (in diesem Band ???HT28).
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für die kirchliche Selbstbestimmung als Sakrament des Heils für die ganze Welt. Dieser ex–zentrischen, sendungshaften Selbstbestimmung entspricht aber eine Dialogbereitschaft der Kirche, mit der sie ihre Bedeutung für die Welt auch gegenüber der nichtchristlichen Welt erklärt und rechtfertigt. Insofern erfordert das Zeichenverständnis von Lumen Gentium wesentlich auch einen Aufweis von kirchlicher Zeichenhaftigkeit, wie er als „demonstratio catholica“ ein zentraler Inhalt katholischer Apologetik war und als solcher weit vor die katholische Sakramentsekklesiologie des 20. Jahrhunderts zurückreicht. ‚Aktenkundig‘ wurde diese Sichtweise bereits im ersten Vatikanischen Konzil. Demgemäß versteht sich die Kirche – im Gefolge von Jes 11,12 – „gleichsam als Zeichen, das aufgerichtet ist für die Völker“ (7) , und als solches lädt sie die Nichtglaubenden zur Konversion ein, mit der Begründung, die Kirche sei „durch sich selbst ... ein großer steter Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegliches Zeugnis ihrer göttlichen Sendung, kraft ihrer wunderbaren Fortpflanzung, ihrer hervorragenden Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit in allem Guten, in ihrer katholischen Einheit und unbesiegbaren Beständigkeit“ (8) .
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Seither hat sich die Kirche nicht nur von dem in dieser Selbstbeschreibung mitschwingenden Triumphalismus verabschiedet. Es gab auch wesentliche Verschiebungen im ekklesialen Zeichenverständnis, die die Prägnanz des erhobenen Anspruchs einer Heilsbedeutung für die Welt schwächten. Während die Relevanz von Organisationen heute weitgehend durch markante Konturierung und Profilierung behauptet wird, schwächte die katholische Kirche beides weitgehend ab, und zwar nicht aus Bescheidenheit oder Anpassungswillen, sondern aus theologischen Gründen: Zum einen relativierte sie eine markante Profilierung von Kirche zugunsten eines differenzierten Verständnisses einer gestuften Kirchenzugehörigkeit bzw. -hinordnung verschiedener Konfessionen und Religionen. (9) Zum anderen verzichtete die katholische Kirche konsequent auf eine eindeutige Konturierung kirchlicher Identität in Abhebung von Nichtzugehörigen. Heiligkeit, Fruchtbarkeit und Einigkeit werden nicht mehr exklusiv als habituelle Bestimmungen von Kirche betrachtet, sondern als Heilsgaben Jesu Christi, die Jesus zwar seiner Kirche vermittelte (und in der fortlaufenden – v.a. eucharistischen – Christusbegegnung immer neu vermittelt), aber nicht ausschließlich der Kirche. Mit einer bislang nicht dagewesenen Konsequenz unterscheidet das Konzil die real verfasste Kirche von dem durch sie dargestellten ‚Gegenstand‘, nämlich Christus, seine Gnade, das Reich Gottes. Die schmale aber entscheidende Differenz zwischen dem Dogma „Außerhalb der Kirche kein Heil“ und der Häresie „Außerhalb der Kirche keine Gnade“ (10) vermag das Zweite Vaticanum zu wahren, indem sie (1) alles Heil als durch Christus vermittelt sieht, (2) Christus als für die Welt durch die Kirche vermittelt behauptet, dies aber (3) verbunden mit dem Bekenntnis, dass die Kirche über diesen Christus und sein Heilswerk nicht vollmächtig verfügt, sondern seine Spuren überall, auf der ganzen Welt, gerade auch außerhalb der Kirche wahrzunehmen und einzusammeln hat. Deshalb darf Kirche keine exklusive Selbstprofilierung ihrer Zeichenhaftigkeit vornehmen.
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Die katholische Kirche hat also mit dem Zweiten Vaticanum auf ein scharf konturiertes Selbstverständnis als Zeichen für die Welt verzichtet und an dessen Stelle das subtile Verständnis von Kirche als Sakrament und Mysterium gesetzt. Weil Kirche damit aber immer noch beansprucht, Zeichen für die Welt – und damit auch: für die Welt erkennbar – zu sein, erhebt sich die Frage, wie ein derart als Sakrament und Mysterium verstandenes Zeichen für die Welt erkennbar sein soll.
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Das ist die Problematik, die für Raymund Schwager in seinem Aufsatz „Kirche als universales Zeichen“ bestimmend ist. (11) In konsequenter Weiterführung des programmatischen Ansatzes im Aufsatz „Dramatische Theologie als Forschungsprogramm“ (12) , der den christlichen Offenbarungsanspruch in den heutigen Diskurs der Wissenschaften übersetzt und dort verteidigt, fragt Schwager nach einer Zeichenhaftigkeit von Kirche, die auch nichtgläubigen Menschen zugänglich ist. Das Heil, das die Kirche bezeichnen soll, wird dabei – auch für eine nichtreligiöse Welt verständlich und hochrelevant – von Schwager als die Möglichkeit eines wahren Friedens bestimmt, der sich nicht dem einheitsstiftenden Ausschluss von anderen verdankt. Dabei kann Schwager die konziliare Bestimmung des Heils als „Einheit zwischen Gott und den Menschen und den Menschen untereinander“ (LG 1) aufgreifen und im Sinne der Kernhypothese von „Dramatische Theologie als Forschungsprogramm“ weiterführen. (13)
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In seinem Aufsatz über die Kirche als universales Zeichen führt Schwager dieses Thema allerdings nicht in der ganzen Breite durch, sondern konzentriert sich auf die programmatische Zeichenhaftigkeit des öffentlichen Wirkens von Johannes Paul II. Auch wenn das Wirken des jüngst verstorbenen Papstes eindrucksvoll und – wahrscheinlich nach dem bald zu erwartenden Urteil der Kirche heiligmäßig – war, muss allerdings aus grundsätzlichen theologischen Gründen festgehalten werden, dass eine derart konkrete Zeichenhaftigkeit immer auch ambivalent ist, und zwar nicht nur aufgrund möglicher Missverständnisse von Seiten der Welt, sondern auch von der Qualität der gesetzten Zeichen her. Auch wenn Schwager das in seinem Aufsatz nur wenig deutlich macht, weiß er darum: In seinem Vorlesungsmanuskript zur Ekklesiologie führt Schwager zur Heiligkeit der Kirche ausgehend von einer eucharistischen Ekklesiologie folgende Unterscheidung ein:
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„Diese Sicht bringt mit sich, daß im Handeln der Kirche und der Gläubigen drei Bereiche zu unterscheiden sind: (1) Das sakramentale Handeln, das im Auftrag und in voller Einheit mit Christus geschieht und das sündenfrei ist. [...] (2) Das außersakramentale, amtliche Handeln der Kirche, das im weiteren Sinn auch in der Sendung durch Christus geschieht, das aber doch nicht so mit Christus eins ist, daß die Sünde ausgeschlossen wäre. [...] (3) Das private Handeln der Gläubigen und der Amtsträger, das ganz von der Sünde geprägt sein kann. Weil dieses Handeln privat ist, läßt es sich im Fall der Sünde auch leichter von der Heiligkeit der Kirche abheben.“ (14)
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Die von Schwager in seinem Aufsatz erhobene Zeichenhaftigkeit der Kirche, wie sie sich im Wirken von Johannes Paul II. manifestiert, gehört bei aller Eindrücklichkeit zur zweiten und zur dritten Kategorie. Das heißt keineswegs, dass es unbedeutend wäre. Es ist allerdings von einer Mehrdeutigkeit gezeichnet. Die durch das Handeln repräsentativer Personen erwachsende Zeichenhaftigkeit von Kirche wird klarer, wenn der Bezug zwischen allen drei Kriterien verdeutlicht wird. Solche Zusammenhänge hat Schwager in seinem Artikel auch berücksichtigt. Vor allem zeigte er, wie amtliches Lehren (2. Ebene) und öffentliches Handeln (im Übergangsbereich zwischen 2. und 3. Ebene) sich bei Johannes Paul II. zu einer überzeugenden Gesamtgestalt verbanden. Letztes Kriterium für die Authentizität von Wort und Tat in der Kirche ist allerdings ihre gemeinsame Rückbezogenheit auf ein Sein von Kirche, das in ihrem ihr selbst unverfügbaren Zentrum Jesus Christus wurzelt. Dem entspricht die von Schwager genannte erste Ebene: „das sakramentale Handeln, das im Auftrag und in voller Einheit mit Christus geschieht und das sündenfrei ist.“ Gemäß einer eucharistischen Ekklesiologie, die im Gefolge des Konzils vor allem der jetzige Papst gefördert hat, ist das eigentliche Zentrum, in dem sich die Kirche als Sakrament vollzieht, das Sakrament der Eucharistie. Alle legitime Zeichenhaftigkeit der Kirche hat in dieser Zeichenhaftigkeit Christi ihren Maßstab und ihren Ursprung. Die Rückbezogenheit des kirchlichen Handelns auf die Liturgie ist auch in Schwager s Artikel zentral:
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„Alle Zeichen des Friedens und der Einheit, die das kirchliche Amt setzt, ruhen deshalb auf den liturgischen Handlungen, und alle Zeichen, von denen weiter oben gesprochen wurde, stehen auch direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Liturgie. So ist bei den Reisen von Johannes Paul II. entscheidend, dass er sich klar von Politikern abhebt: ‚Er gibt keine Pressekonferenzen und erläutert seine Vorstellungen nicht in Interviews. Fast das gesamte öffentliche Auftreten ist in liturgische Vollzüge eingebettet.‘ Was auf diese Weise bei großen öffentlichen Ereignissen liturgisch gefeiert wird, wiederholt sich auch in Tausenden und Hunderttausenden von Gemeinden, die über die ganze Erde verstreut und doch so untereinander verbunden sind, dass jeder und jede sich in ihnen wiedererkennen kann. Diese Einbindung in ungezählte örtliche Gemeinden und die gleichzeitige Rückbindung an das Handeln Gottes in der Geschichte mittels der Liturgie verhindern, dass die kirchlichen Aufrufe zum Frieden und zur Einheit zu bloßen moralischen Appellen herabsinken und unwirksame Zeichen bleiben. Sie sind nicht willkürlich gesetzte Zeichen, sondern letztlich gegeben und vorgegeben, und deshalb können sie über sich hinaus auf einen Frieden und eine Einheit hinweisen, an der die Menschen zwar mitzuarbeiten haben, die ihnen aber letztlich geschenkt wird.“ (15)
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Im Unterschied zu Schwager s Aufsatz, der von der Zeichenhaftigkeit im Wirken eines kirchlichen Menschen auf den eucharistischen Ursprung dieser Zeichenhaftigkeit zurückdenkt, soll im Folgenden die Frage der universalen Zeichenhaftigkeit ausgehend vom Zentrum der Vergegenwärtigung Jesu Christi angegangen werden. Beide Bewegungen können sich gegenseitig ergänzen, zumal beide der gleichen Methode einer Dramatischen Theologie folgen.
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Wie also kann Kirche „sacramentum mundi“ – wirksames Zeichen des Heils für die Welt – sein, wenn die Welt dieses Mysterium, das zuinnerst die Vergegenwärtigung Jesu Christi ist, gar nicht fassen kann? Man könnte gleichsam aus dem Handgelenk heraus antworten: Kirche ist Zeichen des Heils für die Welt nicht indem die Welt dieses Zeichen erfasst, sondern indem sie von ihm erfasst wird. Diese Antwort führt tatsächlich weiter. Um aber mehr zu sein als eine treffende Phrase, erfordert sie ein entsprechendes Zeichenverständnis. Wir werden also versuchen, ein Verständnis der Zeichenhaftigkeit von Kirche zu erschließen, von welchem her die Rede von der Welt, die durch die Zeichenhaftigkeit von Kirche erfasst und auf wahren Frieden hin verwandelt wird, sinnvoll ist.
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Der Weg dieser Entfaltung muss von der Christologie ausgehen und kann erst von da aus zur Ekklesiologie weiterführen. Wenn das, was die Kirche als Sakrament bezeichnet, das Heil in Christus ist und wir die transformative Kraft dieses Sakraments erschließen wollen, dann müssen wir uns dafür zuerst an das eigentliche Ursakrament Jesus Christus halten.
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Der Inbegriff des von Christus verheißenen und bewirkten Heils wird – nicht zuletzt im Blick auf die ekklesiologische Reflexion – in heutiger Theologie zumeist mit dem Begriff „Reich Gottes“ zusammengefasst. Damit das als Reich Gottes begriffene Heil aber nicht zur Chiffre von Erfüllungssehnsüchten epochaler Bedürfnislagen depraviert, muss diese Vorstellung im Zusammenhang von Jesu gesamtem Wirken und Geschick verdeutlicht werden. (16) Dafür ist Jesu vollmächtige Verkündigung des Gottesreichs gewiss zentral, aber es sind auch die dadurch ausgelösten Missverständnisse und Konflikte einzubeziehen, die Jesus in äußerste Konfrontation mit den Menschen brachten, bis die durch ihn freigelegten Aggressionspotentiale wie eine gewaltige Welle am Kreuz über ihn zusammenschlugen. Weiters ist das überraschende Wiederaufleben der durch die Kreuzeskatastrophe niedergeschmetterten Jesusbewegung – und mit ihr der Gottesreichbotschaft – zu berücksichtigen, mit dem Umstand, dass diese nicht anders erklärt werden kann, als durch Rückführung auf ein historischer Forschung nicht direkt zugängliches Auslöse-Ereignis und die Deutung, die die Evangelien diesem geben: dass der gekreuzigte Jesus am dritten Tag von Gott auferweckt wurde. Dass in der Folge die Gottesreichbotschaft sich erstmals auf breiter sozialer Basis durchsetzen konnte, lässt sich nochmals nur mit jenen Deutungen erhellen, die die Evangelien und die Apostelgeschichte diesem Faktum geben: dass am Anfang der Kirche – als nachösterlichem Keim des anbrechenden Gottesreichs – die Sendung des Heiligen Geistes steht, als des Vermittlers einer Christusförmigkeit, welche die Lebensgesetze des Gottesreichs im Herzen der Menschen und ihrer Gemeinschaft bewahrt und so der Pervertierung durch den tötenden Buchstaben (vgl. 2 Kor 3,6) entzieht.
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All diese Elemente der Heilsvermittlung durch Jesus Christus sind nicht nur isoliert aufzuführen, sondern in eine Beziehung zu bringen, deren Wahrheitskriterium die Vereinbarkeit scheinbar unverträglicher Aussagen aus verschiedenen Aussagenzusammenhängen der Evangelien ist. (17) Entscheidend ist dabei die Vorannahme, dass die verschiedenen Linien christologischer Heilsvorstellungen – Jesu Proklamation des Gottesreichs, Gerichtsdrohung, Kreuz, Auferstehung und Geistsendung – tatsächlich konvergieren können, und zwar vermutlich auf eine Mitte hin, die unserer Reflexion nicht von vornherein zugänglich ist, und die unabhängig von einer ständigen Bedachtnahme auf die konkreten heilsgeschichtlichen Ereignisse in ihren unterschiedlichen Aussagenlinien auch nicht gehalten werden kann. Diese Vorannahme ist nicht zwingend, sondern Ausdruck des Glaubens, der für die Theologie leitend ist und sie dadurch von Religionswissenschaft unterscheidet.
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Der skizzierte biblisch-christologische Ansatz wurde von Raymund Schwager umfänglich durchgeführt. (18) Er kann dem Typus einer Dramatischen Theologie zugeordnet werden. (19) Im Folgenden soll diese biblisch-dramatische Christologie – entsprechend unserem ekklesiologischen Interesse – auf die gemeinschaftsbildende und -kritische Dimension von Jesu Wirken hin akzentuiert werden (4. Kapitel). Auf dieser Grundlage kann ein dramatisches Verständnis der Zeichenhaftigkeit Jesu Christi (5. Kapitel) und von daher der Kirche (6. und 7. Kapitel) erschlossen werden, um von daher schließlich auch eine Antwort auf die gestellte Frage nach einer wirksamen universalen Zeichenhaftigkeit von Kirche für die Welt zu finden (8. Kapitel).
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Jesu Wirken – im Allgemeinen und insbesondere im Hinblick auf die Entstehung von Kirche – findet seine Mitte in der Proklamation des Gottesreichs. (20) Lumen Gentium 5 stellt ganz in diesem Sinn fest: „Denn der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er [die] frohe Botschaft verkündigte, die Ankunft nämlich des Reiches Gottes.“ – Der Begriff Gottesreich steht dabei für eine ganz in göttlicher Initiative gründende neue Qualität der Gottesbeziehung, die zugleich eine gemeinschaftliche Identität mit neuer Qualität schafft, während umgekehrt die Weiterführung von falschen Formen der Vergemeinschaftung (im Folgenden noch zu beschreiben als gemeinschaftliche Identitätssicherung durch Ausschluss anderer) diese neue Gottesbeziehung im Keim ersticken würde. In diesem Sinn fordert Jesus im Zuge seiner Gottesreichverkündigung zu einer Umkehr auf, die nicht nur individuellen, sondern gemeinschaftlichen Charakter trägt.
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Verkündigung des Gottesreichs und Sammlung des Gottesvolks sind für Jesus untrennbar. Beides ereignet sich nicht nur durch lehrende und weisende Worte, auch nicht nur durch machtvolle Taten, sondern durch eine Präsenz Jesu, in der seine Worte und Taten derart als ursprünglicher Ausdruck seiner Personalität erscheinen, dass man sagen kann: Jesus hat nicht nur in Worten und Taten, sondern schlechthin durch sein Sein die neue Qualität der Gottes- und Gemeinschaftsbeziehung vermittelt. Wieder mit Lumen Gentium 5: „Dieses Reich aber leuchtet im Wort, im Werk und in der Gegenwart Christi den Menschen auf.“
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Das Spezifikum des anbrechenden Gottesreichs und der dafür charakteristischen Gemeinschaftsbeziehung besteht in der Begründung individueller und gemeinschaftlicher Identität ganz in einer dankbaren Neuausgerichtetheit von Gott her (21) . Das war zwar gemäß alttestamentlicher Erwählungstheologie schon für Israel programmatisch, glitt aber immer wieder in defiziente Formen eines elitären und exklusiven Selbstverständnisses ab. Das Neue von Jesu Gottesreichbewegung kann weniger in der Programmatik festgemacht werden als in der Erfahrung Jesu und der ihm Nachfolgenden, dass das längst Geforderte und verzweifelt Angezielte nun auf einmal lebbar wird – in ungewohnter Radikalität (vgl. Bergpredigt) und zugleich in ungewohnter Leichtigkeit (vgl. Mt 10,30). Diese Erfahrung gründet in einem neuen Handeln Gottes, das den Menschen in Wort, Tat und Sein Jesu Christi befreiend aufleuchtet.
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Entsprechend der von Grund auf gemeinschaftlichen Dimension von Jesu Gottesreichbotschaft handelt es sich bei den genannten Ereignissen – Gottesreichbotschaft, Gnadenerfahrung, Umkehr – um nicht nur individuelle Phänomene. Heillosigkeit in ihren Äußerungen von Hochmut und/oder Angst ebenso wie die ermöglichte und in Konsequenz ihrer Ermöglichung geforderte Umkehr sind unter Berücksichtigung sozialer Dimensionen und der entsprechenden Verschärfungen zu erschließen. Wir können das am Schlüsselphänomen der Identität verdeutlichen, die im Erlösungs- und Befreiungsgeschehen des mit Jesus anbrechenden Gottesreichs nicht nur als individuelle, sondern auch als soziale Identität reflektiert werden muss.
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Idealtypisch lässt sich von einer negativen Identität, die durch Ab- und Ausgrenzung gegenüber anderen gesichert wird, eine positive Identität unterscheiden, die durch gemeinsame und einigende Ausgerichtetheit von einem die Gemeinschaft transzendierenden Ziel her und auf ein entsprechendes gemeinsames Ziel hin bestimmt wird.
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Als negative Identität bezeichne ich eine Bestimmung und Absicherung des individuellen und gemeinschaftlichen Selbstverständnisses durch Abgrenzung von anderen, gemäß dem Motto: „Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, wer wir nicht sind und gegen wen wir sind.“ (22) Die alle Gesellschaften und Kulturen prägende Bedeutung solcher Identitätsbestimmungen wurde von René Girard (v.a. mit seiner Theorie vom Sündenbockmechanismus) herausgearbeitet und wird in Innsbruck weiterentwickelt. (23) – Negative Identität wird nicht nur durch Abgrenzung nach außen gesichert, sondern auch durch Grenzungen innerhalb des Sozialkörpers – in einem strikten Achten auf Rangordnungen – stabilisiert. Taxieren und Vergleichen – nach innen und nach außen – sind die charakteristischen Haltungen der Glieder einer durch negative Identität geprägten Gemeinschaft.Positive Identität kann theologisch qualifiziert werden als eine durch Sendung grundgelegte Identität, und zwar in Anlehnung an Hans Urs von Balthasar (24) und in Kontinuität mit der Dramatischen Christologie von Raymund Schwager (25) : Balthasar entwickelt den für ihn zentralen Begriff der Sendung christologisch: Jesu gesamtes Wirken, beginnend von seiner Gottesreichbotschaft bis zu Kreuz, Auferstehung und Geistsendung, kann als Sendung – vom Vater und zu den Menschen – begriffen werden. Die heute verbreitete solidarisch-soteriologische Bestimmung von Jesu Wirken als Proexistenz – „Sein-für“ – wird damit theozentrisch und letztlich trinitarisch grundgelegt in einem „Sein-von“. Jesu Wirken in Worten und Taten sowie sein ganzes Sein sind ganz von seiner Sendung her zu begreifen. In diesem Sinn spricht Balthasar in Bezug auf Jesus Christus von einer Identität zwischen Sendung und Person. Und von daher entwickelt er einen theologisch-anthropologischen Begriff von Person, der in der Sendung vom trinitarischen Gott her grundgelegt ist: Die unverwechselbare Eigenart des Einzelmenschen, die mit dem Begriff der Person angezielt wird, kann, wie Balthasar betont, außertheologisch nicht eingeholt werden, und zwar weder durch eine Eingrenzung von Unterscheidungsmerkmalen noch durch dialogische Verankerung. Erst die Berufung von Gott her, in der der Menschen „vom schlechthin einmaligen Gott [seinen] ebenso schlechthin einmaligen (weil von Gott gewählten) Namen zugesprochen erhält“ (26) , erschließt die Einmaligkeit jedes Einzelmenschen als Person. Da Berufung immer auch Enteignung des Menschen für andere bedeutet, begründet Balthasars Personbegriff sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Identität. (27) Durch die Wahrnehmung ihrer Sendung werden Menschen aufeinander hin orientiert und zu Gemeinschaften geformt. (28) Hier trifft sich Balthasars Sendungstheologie mit der Kernhypothese der Innsbrucker Dramatischen Theologie, wonach wahrer Friede nur durch Gottes Wirken ermöglicht wird. (29)
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Viele Aspekte von Jesu Wirken werden – je für sich und in ihrem Zusammenhang – im Blick auf die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Identität plausibel. Jesu Einsatz für positive Identität spiegelt sich in der Theozentrik seiner Gottesreichbotschaft, in der geradezu programmatischen Hereinnahme von Außenseitern, sowie in der personalisierenden Berufung und Aussendung von Jüngern. Jesu Kritik an negativer Identität zeigt sich wiederum an der Hereinnahme von Außenseitern, verbunden mit der aufdeckenden Wirkung für subtil grenzende Gemeinschaftsverständnisse, weiters in seinen Gerichtsworten und insbesondere in seiner harten Kritik an einem taxierend-vergleichenden Gerechtigkeitsverständnis. (30)
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Zwei Präzisierungen müssen angebracht werden, damit die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Identität theologisch sinnvoll verwendbar ist:1. Nicht jedes Vorkommen von äußeren Grenzen (Abgrenzung nach außen) oder inneren Grenzen (Rangordnungen, Hierarchisierungen) ist schon als negative Identität und damit als auf positive Identität hin aufzuheben zu verstehen. Damit würde einem Romantizismus der Grenzenlosigkeit das Wort geredet, der weder der Eigenart menschlicher Gemeinschaft (die auf Grenzen und Differenzierungen niemals verzichten kann) noch dem Beispiel Jesu gerecht würde. Jesus zog durchaus Grenzen nach außen, indem er sich nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt wusste (Mt 15,24, vgl. Mt 10,5f); und er machte Unterschiede zwischen Nichtjüngern, Jüngern, Aposteln sowie auch innerhalb des Apostelkreises. Nicht das Bestehen von – äußeren und inneren – Grenzen als solches ist negativ, sondern deren Funktion zur Bestimmung von eigener und gemeinschaftlicher Identität. (31) Ein Unterscheidungskriterium: Grenzungen, die nicht einer Identitätssicherung im Sinne negativer Identität dienen, sind bei Bedarf überschreitbar. (32) 2. Die Unterscheidung zwischen positiver und negativer gemeinschaftlicher Identität ist idealtypisch. Sie ist nicht geeignet als eindeutiges Zuordnungsschema für konkrete geschichtlich-gemeinschaftliche Phänomene, sondern als theologisch-hermeneutisches Raster für deren differenzierte Qualifizierung, – und zwar durchaus im Sinn einer „Unterscheidung der Geister“. Im Hinblick auf positive und negative Identität ist für konkrete Gemeinschaften immer mit Mischphänomenen zu rechnen.
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Die Instabilität und Ambivalenz gemeinschaftlichen Identitätsbewusstseins lässt sich an der Erneuerungsbewegung der Pharisäer verdeutlichen. (33) Vom Ansatz her waren sie ganz von dem Anliegen getragen, durch eine reine Ausrichtung auf den wahren Gott die Gemeinschaft Israels zu reformieren und das Gottesreich heraufzuführen. Eine radikale Theozentrik sollte lebbar werden durch die Befolgung des Gottesgesetzes in allen Lebenssituationen. Dazu musste dieses Gesetz durch detaillierte Ausführungsbestimmungen – „Zaun um die Tora“ – erst universal anwendbar gemacht werden. Damit wurden aber zugleich auf verführerische Weise Unterscheidungskriterien greifbar, anhand derer man scharfe Grenzen zwischen Gesetzestreuen und Gesetzesbrechern – und dementsprechend von Zugehörigen und Nichtzugehörigen zum wahren Gottesvolk – ziehen konnte. Der „Zaun um die Tora“ im Sinne eines Schutzes der Tora (als Gewährleistung reiner Gottesausrichtung) drohte so zu einem Zaun zu pervertieren, der die Nichtgesetzestreuen als Gott- und Heillose ausgrenzt. Die der Person-als-Sendung (mit ihrer Doppelung: „gesandt-von“ – „gesandt-zu“) entsprechende theozentrische Blickbewegung von nach-oben (in Lobpreis, Dank, Bitte und gehorsamer Bereitschaft zum Empfang der Weisungen Gottes) (34) zum Nach-links/rechts (in Weitergabe des Segens und dankbar sich weiterverströmender Güte an die Nächsten) drohte zu pervertierten zum prüfenden Seitenblick mit der taxierenden Frage: ‚Wer entspricht den Zugehörigkeitskriterien zum wahren Gottesvolk und wer nicht?‘ – Der theozentrische Blick auf Gott hin wird dabei ersetzt durch das aus der Taxierung anderer erschlossene (Schein-)Wissen darum, auf welcher Seite Gott steht und auf welcher nicht. Statt dass der Mensch bzw. die menschliche Gemeinschaft sich als Ebenbild Gottes von Gott her versteht, meint der Mensch bzw. die menschliche Gemeinschaft, Gott erschließen und fassbar machen zu können als Ebenbild der grenzenden Gemeinschaft. So entsprechen sich
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im Hinblick auf die Gottesbeziehung: Pervertierung von Gottesdienst zu Götzendienst;
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in Bezug auf Welt und Mitmenschen: Depravierung von positiver Sendungsidentität zu negativer Ausgrenzungsidentität;
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im Hinblick auf das subjektive Selbstverständnis: Pervertierung von gnadenhaft empfangend-verwirklichter Gottebenbildlichkeit zum selbstherrlichen Wie-Gott-sein-Wollen. (35)
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Diese umfassende, Gott-, Welt-, und Selbstbezug erfassende Pervertierung kann sich unterschwellig und unbemerkt, unter Beibehaltung des Anscheins frommer Identitätsbestimmung abspielen. Solche Pervertierung eines Gottesgehorsams, der sich in wahrer Gesetzesfrömmigkeit äußert, – und nicht die Gesetzesfrömmigkeit oder die Bewegung der Pharisäer insgesamt – wurde von Jesus massiv kritisiert. (36) In diesem Sinn ist Jesu – und später Pauli – Gesetzeskritik zu verstehen, die demgemäß den Sinn des Gesetzes nicht aufheben, sondern erfüllen will (vgl. Mt 5,17).
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Die zentrale Bedeutung der gemeinschaftlichen Dimension in der Gottesreichbotschaft schließt eine nicht delegierbare Verantwortung der Einzelperson in keiner Weise aus. Positive Identität verwirklicht sich in – oft einsamer – Übernahme von Verantwortung des Einzelnen für andere und ist damit individuell-personalisierend und gemeinschaftsbildend zugleich, – im Gegensatz zum Typus einer Gemeinschaftsform negativer Identität, die kollektivierend ist und die Verantwortung des Einzelnen suspendiert. Für diesen Zusammenhang ist das Zusammentreffen Jesu mit Menschenmengen aufschlussreich. Jesu Wirken in Heilung und Nachfolgeruf wird von den Evangelisten immer wieder so beschrieben, dass Jesus Menschen aus der Menge herausrief. (37) Sein Ruf ergeht an den Einzelnen in der Menge, in seiner Verflochtenheit innerhalb der Menge, und ruft ihn oder sie aus der Menge heraus. Die Fähigkeit und Bereitschaft der Herausgerufenen, sich aus der Menge zu lösen und in je für sich übernommener Verantwortungsbereitschaft von Person zu Person Jesus und darin Gott gegenüberzutreten, ist bereits befreiend, personalisierend und bildet den Anfang der von Jesus ermöglichten und geforderten Umkehr. So zielt Jesu gelebte Gottesreichbotschaft nicht nur auf die Einzelnen in ihrer Nachfolgebereitschaft, sondern zugleich auf die sie bindenden Strukturen. Nur wenn man diese strukturkritische Dimension von Jesu Handeln berücksichtigt, kann man auch das Aggressionspotential ermessen, das Jesus durch seine doch so positive Botschaft immer wieder freigesetzt hat:
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Menschen, die den gesellschaftsdefinierenden Rand der Gesellschaft markieren, sind zwar bis in ihr innerstes Selbstverständnis von den degradierenden Definitionen durch die Gesellschaft gezeichnet, – die Evangelien erzählen von ihnen als von Dämonen Besessenen. (38) Aber Jesu personalisierender Zuspruch eines barmherzigen Gottes vermag sie von diesen Dämonen zu befreien. Das Gottesreich steht diesen Armen offen. Im Unterschied zu ihnen haben jene, die von den grenzenden gesellschaftlichen Identitätsbildungsmechanismen nach oben gespült wurden, viel zu verlieren. Jesus bedauert sie als die Reichen, die nur schwer in das Himmelreich kommen können.
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Die primär von den Bevorzugten grenzender Gesellschaftskonstellationen erfahrene Bedrohung durch Jesu Gottesreichbotschaft kann angemessen unter dem Stichwort einerIdentitätskrise reflektiert werden, und auch diese Identitätskrise ist keine bloß individuelle: Aus den eben skizzierten Gründen erreicht Jesu Gottesreichbotschaft eher Menschen, die an den unteren und äußeren Rändern der Gesellschaft stehen. Die auf diese Weise forcierte Einbeziehung von Außenseitern und Sündenböcken macht Jesu Sammlungstätigkeit zugleich zum Instrument der Aufdeckung und des Gerichts. Sie deckt auf radikale Weise auf, welchen Geistes der Zusammenhalt einer Gemeinschaft ist und funktioniert solcherart geradezu als „Community-Test“: (39) Wenn und im Maße als eine Gemeinschaft theozentrisch durch positive Identität bestimmt ist, können sich ihre Mitglieder über den Zuwachs durch Einbeziehung bisher Nichtzugehöriger nur von ganzem Herzen freuen. Wenn und insofern aber eine Gemeinschaft in ausgrenzender Weise durch negative Identität bestimmt ist, bedeutet die Hereinnahme von Außenstehenden eine Verwischung der identitätssichernden Gemeinschaftsgrenzen und treibt die Gemeinschaft so in eine veritable Identitätskrise. Nur von daher wird der oft maßlose Hass verständlich, den Jesu doch so menschenfreundliches Wirken immer wieder hervorgerufen hat.
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Die Erzählung von Jesu „Antrittspredigt“ in Nazaret (Lk 4,16–30) bietet uns eine beeindruckende Studie dieser Mechanismen. Die anfängliche Ergriffenheit der Gemeinde Nazarets von Jesu Botschaft schlägt rapide um in einen ungebremsten Hass, der die Menge in einen kollektiven Lynchversuch an Jesus treibt. Dieser radikale und unvermutete Umschlag wird plausibel mit der Hypothese einer taxierend-vergleichenden Grundeinstellung der Synagogengemeinschaft. Diese wirkt sich zunächst in einer Lähmung der Gemeinde aus, die die anfängliche Ergriffenheit (Lk 4,22a: „Seine Rede fand bei allen Beifall“) auf das Niveau einer ambivalenten Fasziniertheit (Lk 4,22b: sie staunten – etháumazon) hinabzieht und alsbald in eine taxierende Abwertung Jesu und seines Anspruchs mündet (Lk 4,22c: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“). Jesus erkennt die treibenden Kräfte, die den Kairós für das anbrechende Gottesreich im Ansatz ersticken und deckt sie schonungslos auf. Nur so ist die verblüffend scharfe Reaktion Jesu zu begreifen (vgl. Lk 4,23). Jesus konfrontiert die Menge mit der bevorzugten Erwählung von Nichtjuden, wie sie in prophetischen Texten dargelegt ist, und stellt damit – provozierender als es der Täufer tat (vgl. Mt 3,9) – ein abgrenzendes, negatives Identitätsverständnis der Menge bloß. So löst er das Gefühl einer äußersten Bedrohung der „heiligsten“, scheinbar mit Gott und untereinander verbindenden Werte dieser Gemeinschaft aus (40) – ein Bedrohtheitsgefühl, das zu maßloser Wut und zum kollektiven Lynchversuch an Jesus führt – und deckt damit zugleich auf, welcher Geist diese Menge zusammenhält. Im Sinne seiner Gottesreichbotschaft muss Jesus diese bestimmenden Kräfte bloßlegen, denn sie sind es, die die Ausrichtung auf den wahren Gott blockieren und somit den Menschen den Zugang zum Gottesreich verstellen.
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Lk 4,16–30 nimmt im Lukasevangelium die Schlüsselstelle einer summarisch-programmatischen Anfangserzählung von Jesu Wirken ein. In frappierender Dichte bündelt dieser Text Gottesreichbotschaft, Gericht und Kreuz – die ersten drei Akte in Schwager s Dramatischer Christologie – und macht sie in ihrer beinahe zwangsläufigen Folgerichtigkeit verständlich.
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Eine Zurückweisung von Jesu Gottesreichbotschaft auch nur durch Teile des von Jesus angesprochenen Israel musste deren Realisierung insgesamt gefährden. Die von Jesus gesammelte Gemeinde, die für ganz Israel offen sein sollte, drohte so zu einer weiteren Sekte zu werden, – nur mit dem umgekehrten Vorzeichen, dass nun nicht mehr die notorischen Gesetzesbrecher identitätssichernd die Außengrenze der Glaubensgemeinschaft markieren, sondern dass nunmehr die etablierten Gesetzestreuen als Heuchler entlarvt werden und als derart Ausgegrenzte die Identität der jesuanischen Gemeinde stabilisieren.
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Das war ein Abgrund, dem sich die spätere Kirche im christlichen Antijudaismus, angesichts weiterer Abspaltungen in kontroverstheologisch übersteigerter Selbstabgrenzung, sowie im betont negativen Weltbezug eines Integralismus immer wieder gefährlich näherte. Weltfeindlicher Integralismus und vordergründig weltgleichgültiger Esoterismus (41) sind nur zwei unterschiedliche Ausformungen der ab- und ausgrenzenden Selbstdefinition einer Zerrform von Kirche, die bei allem vorgeblichem missionarischem Anspruch die anderen der Welt niemals wird integrieren können, weil sie das letztlich nicht will: Eine als gottlos abqualifizierte Welt ist als Negativfolie für ihre Selbstbestimmung unverzichtbar. Anderseits: Wo Kirche diesem Abgrund durch betonte Weltoffenheit zu entkommen trachtet, droht alsbald der entgegengesetzte Abgrund eines Verrats am apostolischen Auftrag durch eine unterschiedslose „Angleichung an die Welt“.
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Den schwierigen Mittelweg zwischen den Straßengräben einer weltfeindlichen Gottverbundenheit und einer gottlosen Weltverbundenheit ist Jesus für die Kirche paradigmatisch vorausgegangen. Das Erfordernis eines solchen Mittelwegs erhellt der für die personale Identität von Christus sowie für die Identität von Kirche jeweils leitende Doppelbegriff der Sendung: als Sendung vom göttlichen Vater und als Sendung zu den erlösungsbedürftigen Menschen bedeutet Sendung Mittlerschaft zwischen Gott und den Menschen und erfordert als solche zugleich eine radikale Treue zum wahren Gott (in „Wahrheit“ / „Gerechtigkeit“) und eine kompromisslose Solidarität mit den Menschen (in „Liebe“ / „Barmherzigkeit“). Wo die von der Sendung adressierten Menschen sich im Widerstand gegen Gott verhärten, wird Sendung bzw. Mittlerschaft zur Zerreißprobe. Die von der Sendung gemeinte Synthese von Wahrheit und Liebe (42) bzw. von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (43) kann naturgemäß in zwei Richtungen verfehlt werden:
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Erstens in einer vermeintlichen Treue zur Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes mit der Konsequenz einer Entsolidarisierung gegenüber den diese Wahrheit zurückweisenden Menschen: Der Gesendete meint, an der Herkunft der Sendung festhalten zu können auf Kosten ihres Zieles. Im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Gottesreichverkündigung lässt sich das berechtigte und gebotene In-der-Wahrheit-bleiben-Wollen konkretisieren als eine kompromisslose Zurückweisung eines depravierten Friedens im Sinne einer Gemeinschaftsbildung auf Kosten von ausgegrenzten anderen. In diesem Sinn hat Jesus die Erwartungen der etablierten Juden auf eine Tolerierung der für sie leitenden Ausgrenzungen und Rangordnungen zurückgewiesen. (44) – Jesus würde seiner Sendung aber dann untreu, wenn diese notwendige Treue zum Anspruch Gottes (auf Gemeinschaftsbildung durch reine und ausschließliche Ausrichtung auf Ihn selbst) zu einer Aburteilung oder gleichgültigen Sich-selbst-Überlassung der solcherart Zurückgewiesenen führte. Der Gesandte würde dann durch eine einseitige Überbetonung der „Sendung-von“ den anderen Aspekt der „Sendung-zu“ verraten und damit die Sendung als ganze verfehlen: Die besondere Tragik solcher Einseitigkeit, die eine der ständig präsenten Grundgefahren für Kirche in der Nachfolge Christi darstellt, liegt darin, dass durch solche einseitige Überbetonung alles verloren wird, – nicht nur die im Sinne der „Sendung-von“ gebotene Solidarität, sondern in Konsequenz auch die im Sinne der „Sendung-von“ angezielte Treue zu Gottes Wahrheit: Wer Gottes Wahrheit auf Kosten der Liebe und wer Gottes Gerechtigkeit auf Kosten der Barmherzigkeit zu realisieren versucht, fällt selber aus der Wahrheit und Gerechtigkeit heraus. Der sich von den Unwahren und Ungerechten Distanzierende rutscht selber auf das bei ihnen diagnostizierte Niveau von Unwahrheit und Ungerechtigkeit ab. Dieser Zusammenhang wird im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Wahrheit Gottes evident: Wer die Ausgrenzenden ausgrenzt, kopiert derart selber diese Ausgrenzenden. – Durch sein Ausgrenzen verfällt er genau der bei ihnen diagnostizierten Unwahrheit. Unter der Hand pervertiert sich auch für den so aus seiner Sendung Herausfallenden die ursprüngliche Theozentrik zu einer projektiven Gottesdefinition, die Gott als Pendant zur Gemeinschaft der wahren Gerechten festlegt und so verfehlt. In dieser ersten Form der Sendungsverfehlung, die Gott auf Kosten der Menschen, Wahrheit auf Kosten von Liebe, Gerechtigkeit auf Kosten von Barmherzigkeit verwirklichen will, begeht der Gesandte also nicht nur Verrat an Menschen, Liebe und Barmherzigkeit, sondern schlittert unvermeidlich auch in den Verlust von Gott, Wahrheit und Gerechtigkeit.
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Zweitens kann die Sendung verfehlt werden durch eine einseitige Überbetonung der Solidarität mit den Sündern, insofern durch mangelnden Widerstand gegen ihre Sünde die Treue zum göttlichen Vater verraten wird. Der Gesandte will an der „Sendung-zu“ auf Kosten der „Sendung-von“ festhalten. Im Hinblick auf die Gemeinschaftsdimension der Gottesreichverkündigung lässt sich diese Form der Sendungsverfehlung konkretisieren als mangelnder Widerstand gegen taxativ-grenzende und solcherart Gott–lose Identitätssicherungen der Adressaten der Sendung. – Die Versuchungsgeschichten beschreiben paradigmatisch die Konfrontation Jesu mit dieser Form der Sendungsverfehlung. Sie thematisieren die Versuchung, mit der Gottesreichbotschaft bei den Menschen durch Erfüllung ihrer ungeläuterten Erwartungen – „Brot und Spiele“ in den ersten beiden Versuchungen (vgl. Mt 4,3.5) – zu reüssieren. Dieser Form der Sendungsverfehlung begegnet Jesus konsequent mit einer radikalen Theozentrik (Mt 4,4.7), wodurch dann auch der verborgene Kern der Versuchungen sichtbar wird: Wer in einem zu weiten Sicheinlassen auf die Adressaten der Sendung Ursprung und Inhalt der Sendung verliert, der beginnt selber die Stelle Gottes einzunehmen; seine Bemühungen laufen auf eine Selbstverherrlichung hinaus (in den Versuchungserzählungen: Jesus als Wundertäter), die paradoxerweise nur durch eine Selbstunterwerfung unter die Begehrensdynamiken der Adressaten aufrecht erhalten werden kann: „Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“ (Mt 4,8f). Solche Perversion der Sendung von einer Gottesverherrlichung zu einer diabolischen Selbstverherrlichung kann bereits im Ansatz nur vermieden werden durch eine unablässige und kompromisslose Ausrichtung auf Gottes Willen. Genau in diesem Sinn erfolgt Jesu Zurückweisung dieser Versuchung: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10). Nur durch solche radikale Theozentrik gesichert kann Jesus sich auf den schwierigen Weg seiner Gottesreichsendung begeben. Die paradigmatisch am Anfang zurückgewiesenen Versuchungen werden Jesus auf diesem Weg immer wieder begegnen: im Wunsch der Menschen, ihn zum König zu machen oder – subtiler und gefährlicher noch – im Versuch des Petrus, ihn im Sinne einer Weiterführung der eben erst aufstrahlenden Herrlichkeit Jesu von den entehrenden Konsequenzen seiner Sendung fernzuhalten (vgl. Mt 16,22). „Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23), – eine Situation, die ganz der dritten Versuchung und ihrer Abweisung durch Jesus entspricht.
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Würde Jesus sich auf die Erwartungen der Sendungsadressaten („Sendung-zu“) so weit einlassen, dass damit die Wahrheit Gottes als des Ursprungs der Sendung („Sendung-von“) getrübt wird, so würden damit nicht nur Gott auf Kosten der Menschen, Wahrheit auf Kosten von Liebe, Gerechtigkeit auf Kosten von Barmherzigkeit verspielt, sondern in tragischer Konsequenz auch die solcherart einseitig favorisierten Werte Mensch, Liebe und Barmherzigkeit. (45) Jesus würde eine Gemeinschaftsform unterstützen, in der der faszinierte Blick auf ihn – und dementsprechend der taxierende Seitenblick aufeinander – den Blick „nach oben“ auf den wahren Gott verstellt.
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Wo Menschen und Gemeinschaften in Sünde verstrickt sind, wird Jesu Sendung – mit ihrer Doppelgestalt von „Sendung-von“ in Treue zu Gott und „Sendung-zu“ in Solidarität zu den Menschen – zur Zerreißprobe. Abgewandtheit von Gott bedeutet ja nicht nur Schwächung des Willens zum Guten, sondern auch eine Verfangenheit des Erkenntnisvermögens in Täuschung. Im dramatischen Ringen Jesu mit den schuldverstrickten Menschen und Gemeinschaften um einen neuen Zugang zum wahren Gott wird Jesus permanent missverstanden. Das betrifft nicht nur seine Worte – im Nichtverstehen der Gleichnisse – sondern auch seine Taten – z.B. im Wunder der Brotvermehrung – und letztlich die Einschätzung dessen, was Jesus ist: Derjenige, der doch reiner Verweis auf den göttlichen Vater ist, wird im äußersten Gegensatz dazu missverstanden als einer, der „sich selbst zu Gott machen“ will (vgl. Joh 10,33). Unter den Bedingungen solchen Missverstehens kann Jesus keine Zeichen mehr wirken (vgl. Mk 6,5). Zumindest werden jene Zeichen unmöglich (weil zwangsläufig missverstanden), die die Herrlichkeit Gottes direkt abbilden, d.h. jenes Lehren und Tun Jesu, das gemäß der Dramatischen Christologie Schwager s dem ersten Akt zugeordnet wird. Ebenso wie Jesu positive Solidarisierung mit den Menschen als Verrat an der Wahrheit Gottes („Sendung-von“) missverstanden wird, so wird auch Jesu Kritik an den sündigen Menschen als deren vollständige Abqualifizierung und damit als Verrat an der Solidarität mit den Menschen („Sendung-zu“) fehlinterpretiert; – im Rahmen der Dramatischen Christologie ist das als Missverständnis des zweiten Aktes zuordenbar. Jesu Sendung führt ihn so auf einen Weg, in dem ihm sukzessive alle Möglichkeiten zur vollmächtigen Ansage des Gottesreichs aus der Hand geschlagen werden. Jesu Sendungsweg zwischen den beiden beschriebenen Abgründen der Sendungsverfehlung wird beinah ungangbar schmal. Nur indem er sich beständig von Gottes Wort leiten lässt, (46) vermag er den Mittelweg zu halten und seiner Sendung treu zu bleiben. Es ist ein Weg von sich zuspitzendem Missverstehen und eskalierenden Konflikten: Formal kann der Mittelweg von Jesu Sendung als ein Weg kritischer Solidarität mit den in Sünde Verstrickten beschrieben werden: „Solidarität“ im Sinne der „Sendung-zu“ und „kritisch“ im Sinne der Treue zur „Sendung-von“. Das heißt, dass Jesus den sündig Verstockten weder nachgeben noch sie sich selber überlassen darf. Damit provoziert er sie aber in höchstmöglichem Maße. In der Konfrontation mit verstockten Sündern legt sich Jesu Sendung dramatisch-geschichtlich als Weg der maximalen Konfrontation aus. Es ist ein Weg, der – angesichts des „Gewichts der Sünde“ (vgl. Anselm von Canterbury, Cur Deus homo I,21) beinah zwangsläufig – zum Kreuz-Weg wird. Die Kreuzigung Jesu als sichtbarer Ausdruck der versuchten Austreibung Gottes ist die einzige Alternative zur Umkehr für in Sünde verstrickte Menschen und Gemeinschaften. Denn für eine in Sünde verstrickte (individuelle wie gemeinschaftliche) Identität ist jede Begegnung mit Gottes Wahrheit zersetzend.
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So ist Jesu Kreuzestod zwar vordergründig Tat der Sünder, aber tiefer betrachtet die Konsequenz von Jesu ultimativer Treue zu seiner Sendung und als solches Tat Jesu Christi in einem völligen Raumgeben für das durch den Heiligen Geist (als leitendes Prinzip seiner Sendung) vermittelte Wirken Gottes. Damit Jesu Sendung nicht in den Abgründen der Entsolidarisierung oder des Gottesverrats zerschellt, kann sie angesichts der verstockten Sünde der Adressaten keine andere Form annehmen als jene des Kreuzes. So wird das Kreuz zum stärksten Zeichen für Gottes unbedingten Heilswillen. Im äußersten Gegensatz dazu erscheint das Kreuz aus der Perspektive der Sünder als endgültiger Beweis der Gottverlassenheit und Gottlosigkeit Jesu. Diese radikale Doppeldeutigkeit wird von der Auferstehung her überwunden, – einem Ereignis, das uns nicht direkt, sondern durch seine Wirkung zugänglich ist: dadurch, dass die Wahrheit des Zeugnisses Jesu – in seinem ganzen Leben bis ans Kreuz – in der Wirklichkeit bezeugt wird. Zu dieser bezeugenden Wirklichkeit gehören die unerwartete Neubelebung der Jesusbewegung sowie die Übernahme von Jesu Sendung durch Christen und christliche Gemeinschaften der Kirche – im Lebens- und Todeszeugnis bis in die heutige Zeit.
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Die vorausgehende dramatisch-christologische Skizze kann in ein adäquates Verständnis der Zeichenhaftigkeit und Sakramentalität Jesu Christi und in der Folge der Kirche weitergeführt werden. (47) Gemäß der zentralen Einsicht Dramatischer Theologie – bei R. Schwager ebenso wie bei H. U. von Balthasar – kann solche Zeichenhaftigkeit – insbesondere als wirksames Zeichen – nicht ohne Berücksichtigung ihrer Adressaten und des dramatischen Ringens mit ihnen recht verstanden werden. (48) Demgemäß konkretisiert sich die Zeichenhaftigkeit Jesu Christi in verschiedenen Brennpunkten, die mit Raymund Schwager als fünf Akte beschrieben werden können:
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1. Akt: Gemäß dem ersten Akt der Gottesreichbotschaft ist Jesus Zeichen von Gottes Heil in einer direkten Repräsentation der Herrlichkeit Gottes durch sein vergebendes, ermutigendes und positiv neu identitätsbestimmendes Wort; weiters durch sein Menschen und Gemeinschaften heilendes Tun; schließlich und zugrundeliegend durch ein Sein, das Gott und seinen Heilswillen für die Menschen leibhaftig erfahrbar macht. Er ist wirksames Zeichen oder Sakrament für dieses Heil, insofern er ihre verborgene, verschüttete und pervertierte Sehnsucht nach dem wahren Gott und nach wahrhaftiger Gemeinschaft freilegt und sie so in eine Situation der Entscheidungsfreiheit versetzt, in der sie dem Zeichen in freier Nachfolge entsprechen können.
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2. Akt: Diese Freilegung der blockierten Sehnsucht ist zugleich eine Bloßlegung defizienter Formen von Gott- und Gemeinschaftsbezug und als solche bedrohlich für Menschen und Gemeinschaften, wenn und insofern sie sich nicht von defizitäre Identitätssicherungen distanzieren wollen. In diesem Sinn ist Jesus Zeichen als Stein des Anstoßes (49) für Menschen und Gemeinschaften, die sich dem befreienden Impuls der Gottesreichbotschaft widersetzen. Jesus ist aber nicht nur Zeichen, dem widersprochen wird (Lk 2,34), sondern auch Zeichen, das für die in Sünde Verfangenen nicht verstanden (vgl. Mk 4,12par), missverstanden (Joh 6,15f) oder fruchtlos bleiben wird (Joh 12,37). Jesus kann die für den ersten Akt spezifischen Zeichen einer direkten Repräsentation von Gottes Heilswillen nicht mehr setzen, weil sie am strukturell verfestigten Widerstand der Adressaten abprallen. Das ist das Ende oder die Grenze des 1. Aktes. (50) Ebenso gerät auch der zweite Akt mit der für ihn spezifischen aufdeckenden Kritik – die ja immer noch die Möglichkeit von Einsicht und Umkehr öffnet (51) – an ihre Grenze, nämlich dort, wo Jesu Kritik auf ihn selber zurückprojiziert wird. (52)
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3. Akt: Hier wird Jesu Sendung zum Kreuz-Weg des dritten Aktes: „Der Richter wird gerichtet“. (53) Entsprechend der Verunmöglichung aktiver Zeichenhaftigkeit im positiven Sinn des ersten Aktes und im kritischen Sinn des zweiten Aktes gehört zur spezifischen Zeichenhaftigkeit des dritten Aktes ein zunehmendes Zurücktreten aktiver Zeichenhaftigkeit auf der Ebene des Wortes und der Tat. Nur indirekt und eigentlich erst aus der Perspektive von Auferstehung und Geistsendung erhellt die für Jesus spezifische Zeichenhaftigkeit des dritten Aktes: als eine bis in das Todesschicksal durchgehaltene kritische Solidarität mit den Menschen unter konsequenter Vermeidung auch nur der geringsten Abweichung von dieser Sendung in eine der beiden ‚Straßengräben‘ von Verrat an der Treue zu Gottes Wahrheit („Sendung-von“) oder an der Verpflichtung zur solidarischen Zuwendung zu den Menschen („Sendung-zu“). Damit ist das Kreuz das stärkste Zeichen für den unbedingten Heilswillen des göttlichen Vaters, – d.h. für einen Heilswillen, der sich geschichtlich als unbedingt erweist, da der Vater ihn auch gegenüber den sich verhärtenden Sünder nicht zurücknimmt.
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4. Akt: Das Zeichens des Kreuzes ist ambivalent: Als Zeichen des göttlichen Heilswillen und der Authentizität von Jesu Sendung konnte es den Gegnern Jesu dennoch als göttliche Bestätigung für Jesu Gottlosigkeit erscheinen (vgl. Gal 3,13). Diese Ambivalenz wird von der Auferstehung Jesu her überwunden. Als Auferweckung ist sie ganz Tat des göttlichen Vaters. Die spezifische pneumatische oder verklärte Leiblichkeit des Auferstandenen verweist auf eine vorösterlich noch nicht möglich gewesene Transparenz Jesu Christi auf Gott für die ihm begegnenden Menschen, bei der die Verwechslung des Gottesmittlers Jesus als Gottes-Hindernis (der sich selbst an Gottes Stelle setzen will) ganz ausgeräumt ist. In dieser neuen Transparenz und in eine Situation verschärfter Schuldverstrickung hinein sagt Jesus den Jüngern die Botschaft des Gottesreichs in Vergebung, Friede (Lk 24,36; Joh 20,19.21.26) und Berufung (Joh 21,15–19) neu zu.
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5. Akt: Der unverstellte Blick auf den wahren Jesus Christus und dadurch auf den wahren Gott wird für die Menschen in der Folge durch den Heiligen Geist eröffnet. Er verweist auf Jesus Christus (vgl. 1 Joh4,2f) – in adäquater Zusammenschau seiner Zeichenhaftigkeit, wie sie in den ersten drei Akten beschreibbar ist –, führt derart in die volle Wahrheit (Joh 14,26) und gibt Einsicht, Kraft und Freimut, in der Nachfolge Christi den Weg der eigenen Sendung zwischen den Abgründen der Sendungsverfehlung zu finden.
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Durch Jesu Heilsdrama als ganzes wird Kirche „gegründet“ oder auf den Weg gebracht. Das Zweite Vatikanische Konzil betont die trinitarische Grundlegung von Kirche (vgl. LG 4). Diese lässt sich auch in der Dramatischen Christologie mit ihrer Fünf-Akte-Struktur wiederfinden. Der erste bis dritte Akt fokussieren das Handeln Christi, der vierte Akt das auferweckende Handeln des göttlichen Vaters und der fünfte Akt das Wirken des Heiligen Geistes. Diese Zuordnung ist aber nicht exklusiv. Im ersten bis dritten Akt lässt der Sohn sein Handeln vermittels des Heiligen Geistes ganz vom Vater bestimmen. Im vierten Akt setzt das auferweckende Handeln des göttlichen Vaters das versöhnende Handeln des Sohnes, wie es in den ersten drei Akten angegangen und permanent missverstanden war, endlich frei und mündet in die Freigabe des Heiligen Geistes, der als primärer Akteur des fünften Aktes ganz auf das Handeln des geschichtlichen (also gemäß den ersten drei Akten wirkenden) Sohnes sowie dessen vollkommene Transparenz auf das Wirken des göttlichen Vaters verweist.
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Kirche wird so von den Heilsereignissen des vierten und fünften Aktes her in die Nachfolge Jesu Christi und damit in einen engen Bezug zur Dramatik insbesondere der ersten drei Akte verwiesen. Denn der nachösterlich erschienene und durch den Heiligen Geist bezeugte Christus erweist sich als kein anderer als der vorösterliche Jesus von Nazaret, dessen Botschaft und Ruf nun aber tiefer verstanden werden kann; und der vorösterliche Jesus von Nazaret wird dramatisch-theologisch mit den ersten drei Akten reflektiert. Kirche ist Zeichen des Heils nicht anders als durch eine Vergegenwärtigung des Heilsdramas Jesu Christi. Dieses wird vorösterlich durch die drei Akte von Gottesreichbotschaft, Gericht und Kreuz geprägt, für die jeweils eine dramatische Interaktion von Jesus mit den Adressaten und Gegenspielern seiner Sendung bestimmend ist. Nun wäre es eine schlimme Verkürzung, wenn man für die Vergegenwärtigung des Heilsdramas die Kirche in der Rolle Jesu Christi (gleichsam in Verlängerung seines Wirkens) vorstellte und die Rolle der Adressaten bzw. Gegenspieler der Sendung Jesu nur einer der Kirche gegenüberstehenden Welt zuschreiben würde. Gewiss, in Kirche repräsentiert sich Christi dramatisches Handeln, und insofern prägt Jesu spezifische Zeichenhaftigkeit in den ersten drei Akten auch die Zeichenhaftigkeit von Kirche. Aber Kirche vergegenwärtigt ebenso auch die Rolle der Adressaten und (zur Bekehrung gerufenen) Gegenspieler im Heilsdrama und eine ihnen entsprechende Zeichenhaftigkeit. In der vom Zweiten Vaticanum übernommenen Bildsprache: Kirche ist einerseits Leib Christi, anderseits Braut Christi, (54) wobei zu letzterer auch die Rolle der sündigen Gegenspielerin als „casta meretrix“, d.h. als keusche (im Sinne einer durch göttliches Erbarmen gereinigten) Hure gehört. (55) Diese beiden Rollen von Kirche – in repräsentierender „Verlängerung“ Christi, und Christus gegenüber – konkretisieren sich für jeden dramatischen Akt auf je unterschiedliche Weise. So ergeben sich gemäß den ersten drei vorösterlichen Akten sechs Grundsituationen – ich werde sie im folgenden Topoi nennen – aus denen sich die Zeichenhaftigkeit von Kirche in ihrer geschichtlichen Diversität zu bestimmten Rollen konkretisiert.
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A1. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Proklamation des anbrechenden Gottesreiches (1. Akt): Wie Jesus ist die Kirche Zeichen für das anbrechende Gottesreich. Hervorragendes Indiz dafür ist eine Bestimmung gemeinschaftlicher Identität nicht durch Abgrenzung nach außen und nicht durch innere Hierarchisierung zwischen mehr und weniger zu Gott Zugehörigen, (56) sondern der Empfang gemeinschaftlicher Identität von Gott her durch Übernahme einer Sendung, deren durchwegs leitende Merkmale die beiden Aspekte einer theozentrischen „Sendung-von“ und einer anthropozentrischen „Sendung-zu“ sind. (57) Entsprechend dem christologischen ersten Akt ist Kirche repräsentierendes und wirksames Zeichen des mit dem Gottesreich gemeinten gemeinschaftlichen Heils in Einheit der Menschen mit Gott und untereinander (vgl. LG 1). Dementsprechend ist Kirche „Stadt auf dem Berg“ und „Licht der Welt“ (Mt 5,14) durch ein vorbildliches Leben in echter liebender Gemeinschaft. (58) Diese Zeichenhaftigkeit vermag in Menschen die Sehnsucht nach dem wahren Gott zu wecken und sie so in eine Freiheit zu versetzen, die ihnen die Umkehr zu einem besseren Leben ermöglicht. In diesem Sinn ist Kirche als Zeichen zugleich wirksames Zeichen. Kirche wirkt über die Grenzen ihrer ausdrücklichen Zugehörigkeit hinaus durch Verkündigung des Wortes einer Versöhnung, die in Gottes Versöhnungswillen grundgelegt ist, durch Taten der Heilung und Versöhnung, v.a. in der Integration von ausgegrenzten Menschen und so durch ihr ganzes Sein, das Zeichen für Gottes grenzenlose Menschenfreundlichkeit ist.
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Dieser Anspruch einer heilbringenden und nicht-ausgrenzenden Vorbild-Kirche steht in hartem Kontrast zu konkreten Kirchen-Erfahrungen. Heutige katholische Ekklesiologie neigt dazu, diesen Anspruch sofort mit dem Hinweis auf die sündige Kirche (und entsprechenden kirchlichen Aussagen und Schuldeingeständnissen) zu relativieren. (59) Der hohe Anspruch, „Stadt auf dem Berg“ als Vorbild und Heilsmittler zu sein, darf für die Kirche allerdings nicht zurückgenommen werden; er gehört wesentlich zu ihrer Sendung! Eine Dramatische Ekklesiologie – wie sie hier in der Weise einer „dramatischen Topologie“ skizziert wird – nimmt diesen Anspruch voll auf, ohne dadurch abgehoben triumphalistisch zu werden. Vielmehr zeigt sie auf, dass dieser hohe Anspruch der Kirche selbst zum Gericht wird, wo sie ihn verfehlt. Sie zeigt aber auch, dass Kirche damit nicht aus ihrer Sendung herausfällt, sondern durch Sündeneingeständnis und Umkehr neu in eine positive Zeichenhaftigkeit gerufen wird. (60) So wird deutlich, dass die Kirche wirklich heilig und sündig (der Vergebung bedürftig) zugleich ist (vgl. LG 8), – in einer dramatischen gegenseitigen Zuspitzung beider Aspekte.
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A2. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Gerichtsbotschaft (2. Akt): Nicht anders als Jesus selber kann auch die Kirche durch die gelebte Gottesreichbotschaft Widerstände provozieren und ist zur Aufdeckung sündiger Strukturen berufen. Wenn und insofern Gesellschaften ihre Identität nach innen durch Rangordnungen und nach außen durch Ausgrenzungen definieren, wird die Gleichbehandlung Minderberechtigter und die Hereinnahme von Ausgegrenzten in diesen Gesellschaften als identitätsbedrohend erfahren. Kirche wird damit nicht nur in Worten, sondern im Vollzug – durch die Wirkungen, die sie in ihrem exemplarischen Sein ausübt – zum Gericht. Damit ist sie aber zugleich in die Nachfolge Jesu auf einen Weg des Missverstandenwerdens und der Verfolgung verwiesen, (61) auf dem sie ihre Sendung zwischen den Straßengräben der Sendungsverfehlung in kritischer Solidarität mit den Menschen gehen muss. Wie Jesus muss Kirche auf diesem Weg auch mit ungerechtfertigten Vorwürfen rechnen, sie würde den Weg ihrer Sendung in der einen oder anderen Richtung verfehlen. (62)
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A3. Kirche in Repräsentation von Jesu Christi Weg ans Kreuz (3. Akt): Dieser Weg kann auch in die Kreuzesnachfolge münden. Wie die Gestalt des gekreuzigten Jesus kann auch Kirche in gekreuzigten Menschen und „gekreuzigten Völkern“ (I. Ellacuria ) auf eine entmächtigte, nicht mehr als selbstherrlich verwechselbare Weise strukturelle Sünde entlarven und die verschüttete Sehnsucht der Menschen nach dem wahren Gott auf neue Weise freilegen.
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Die bis jetzt gegebene Differenzierung von Kirche als Zeichen ist bereits geeignet, verschiedene Verkürzungen und Missverständnisse auszuräumen. Zum Beispiel kann damit Kirche nicht schlechthin nach dem Anspruch bemessen werden, leuchtendes Vorbild für die Welt zu sein. Zeichen können immer auch missverstanden werden, und das Heilsdrama Jesu zeigt, dass solches Missverständnis nicht notwendig in einer Defizienz des Zeichensetzenden gründen sein muss. – Würde sich allerdings Kirche als Zeichen ausschließlich nach den drei genannten Topoi in einer direkten Christusrepräsentation verstehen, dann entstünden gefährliche Verzerrungen des Kirchenbildes, der die Kirche und die Theologie nicht immer entgangen sind. Nach dem Muster der drei genannten Topoi könnte sich Kirche einseitig als fortdauernde Inkarnation Jesu Christi verstehen, sich triumphalistisch als Stadt auf dem Berg und als Licht der Welt begreifen und die Schwierigkeiten und Verfolgungen, die sie erfährt, einseitig der sündigen Verstocktheit der Welt zuschreiben. (63) Die fundamentale Rezeptivität von Kirche gegenüber Jesus Christus würde übersehen, und von Sünde könnte Kirche sich allenfalls äußerlich – im Versagen einzelner Kirchenglieder – berührt sehen. Versuche, die Rede von einer Sündigkeit der Kirche theologisch einzubeziehen, könnten als Relativierung der Zeichenhaftigkeit von Kirche zurückgewiesen werden. Diese Einseitigkeiten resultieren aus der Vernachlässigung des Faktums, dass Zeichenhaftigkeit von Kirche die Vergegenwärtigung des ganzen Heilsdramas bedeutet, und dass Kirche insofern nicht nur in der Rolle Christi, sondern auch in den Rollen der Adressaten und Gegenspieler Christi agiert. Entsprechend den ersten drei Akten des vorösterlichen Christusdramas ergeben sich so für die Zeichenhaftigkeit von Kirche drei weitere Topoi:
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B1: Kirche als Adressat von Jesu Christi vollmächtiger Proklamation des Gottesreichs (1. Akt): In der Begegnung mit Jesu Gottesreichbotschaft wird Kirche neu auf den wahren Gott ausgerichtet und so in einer Form von Gemeinschaft aufgebaut, die ihre Identität nicht durch Ausgrenzung sondern in ihrer Sendung findet. Die Begegnung mit Christi Wort, Tat und Sein erfolgt zentral in der Feier der Eucharistie, wo sich für die Kirche und durch sie für die ganze Welt Jesus Christus in Wort, Tat und Sein, – als Verbalpräsenz, Aktualpräsenz und Realpräsenz (64) – vergegenwärtigt. Kirche wird dadurch immer neu in eine Situation der Freiheit gerufen, die ihr Umkehr und Nachfolge abnötigt aber auch ermöglicht. Sie wird damit neu auf ihre Sendung von Gott und zu den Menschen ausgerichtet. Auch in und durch dieses Empfangen von Jesu Gottesreichproklamation ist Kirche Zeichen, nämlich Verweis auf Jesus Christus, den sie als von sich unterschieden und größer als sie bekennt. Die damit bezeichnete Differenz zwischen Kirche und Jesus Christus eröffnet den Spielraum, der notwendig ist, dass Kirche ohne logischen Widerspruch zugleich die Heilsnotwendigkeit Jesu Christi und eine Heilsmöglichkeit außerhalb der Kirche bekennen kann.
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B2: Kirche als Adressat von Jesu Christi Gerichtsworten (2. Akt): Wo Kirche der durch die eucharistische Begegnung mit Jesus Christus angestoßenen und ermöglichten Umkehr nicht entspricht, gerät sie in die Situation von Jesu Gegenspielern im zweiten Akt. „Denn wer davon [vom eucharistischen Brot und Kelch] isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu“, warnt Paulus (1 Kor 11,29). Dadurch, dass Kirche in ihrem Vollzug dem widerspricht, was sie zuinnerst von Christus empfängt, verliert sie nicht ihre Zeichenkraft für die Welt; sie wird vielmehr zum Zeichen ihres Selbstgerichts. Der Widerspruch zwischen Anspruch – nämlich Sendung in der doppelten Treue zu Gott und zu den Menschen – und faktischem Sein der Kirche wird vor der Welt anstößig evident und verweist so noch einmal modo negativo auf diesen Anspruch. Kirche kann so gar nicht aus ihrer Bestimmung herausfallen, Zeichen zu sein. Kann sie somit aber aus ihrer Bestimmung herausfallen, Zeichen des Heils zu sein? Jesu für das Selbstverständnis von Kirche maßgebliche Zusage einer letztendlichen Indefektibilität an die Kirche kann nur durch ein dramatisch-dynamisches Zeichenverständnis eingeholt werden. Die Zusage, dass die Mächte der Unterwelt die Kirche nicht überwältigen werden (Mt 16,18) kann nicht verstanden werden als eine Bewahrung vor jedem sündig-negativen Zeichensein, wohl aber als Verheißung, dass Kirche sich letztlich in Sünde und Schuld nicht verlieren, sondern immer wieder den Weg der Umkehr in Gottes Vergebung zurückfinden wird.
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B3: Kirche in der Rolle der Gegner Jesu, die ihn gekreuzigt haben (3. Akt): Der ‚Umweg‘ der Heilsfindung von Kirche durch sündige Verstockung hindurch kann abstürzen bis in die Rolle von Jesu Gegenspielern im dritten Akt. Wie oben beschrieben, (65) kann Kirche in mehrfacher Richtung von ihrer Sendung abweichen: in Verfehlung der „Sendung-zu“ – durch integralistische Weltfeindlichkeit oder esoteristische Weltgleichgültigkeit – oder in Verfehlung der „Sendung-von“ durch Bruch der Treue gegenüber Gott. Beides wirkt sich aus in einer Verfehlung wahrer Gemeinschaft, durch Duldung oder aktive Forcierung einer gemeinschaftlichen Identitätssicherung auf Kosten anderer. Hier wird auch die Kirche von Jesu Weltgerichtsrede getroffen: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr für mich nicht getan“ (Mt 25,45). Doch wie Petrus nach seinem Verrat von Jesus neu gerufen und berufen wurde, (66) so wird auch Kirche durch den Verrat hindurch in ihre positive Zeichenhaftigkeit neu eingesetzt. Kirche ist auf diese Weise Zeichen für die Welt nicht auf statische Weise durch eine positive Vorbildwirkung, sondern dynamisch-dramatisch, indem sie Zeichen der Transformation ist, der sie von Christus her immer neu unterzogen wird. Auf diese Weise verdeutlicht nochmals, dass nicht Kirche es ist, die aus sich heraus Zeichen ist, sondern dass sie, was sie ist, nur ist durch ihre Rückgebundenheit und immer neue Rückkehr zu Jesus Christus. (67) Als repräsentatives Zeichen ihrer eigenen Transformation kann sie die „Welt“ zur Bereitschaft motivieren, sich ebenso von Christus transformieren zu lassen und so wirksames Zeichen für die Transformation aller Menschen in Christus sein.
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Kirche ist nicht in gleicher Weise eine Einheit wie die Person Jesu Christi. Sie ist zergliedert in eine Vielzahl von Menschen und Gemeinschaften, die oft an unterschiedlichen Topoi das Heilsmysterium Christi repräsentieren. Insofern muss unsere bisherige Rede von „die Kirche“ für eine dramatische Topologie von Kirche differenziert werden.
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Wie oben ausgeführt, zielt Jesu Heilsruf auf je unterschiedliche Weise zugleich auf die Umkehr des Einzelnen und auf eine Erneuerung von Gemeinschaft: Der Einzelne wird aus der Menge herausgerufen und empfängt eine erneuerte Identität von Gott her, die zugleich die Beauftragung mit einer Sendung ist: Das dankbar erneuerte Sein-von-Gott-her wird zu einer „Sendung-von“, die sich nicht nur in einer wort- und tathaften, sondern tiefer in einer seinshaften Widerspiegelung von Gottes Herrlichkeit (vgl. 2 Kor 3,18) äußert und so den zweiten Aspekt der „Sendung-zu“ auch auf einer seinshaften Ebene grundlegt. Der so befreite und berufene Mensch wirkt auf diese Weise von seinem Sein her gemeinschaftsbildend und -erneuernd. Seine oder ihre konkreten Vollzüge der Bezeugung des Gottes Jesu Christi in Worten und Taten sind in diesem erneuerten Sein authentisch grundgelegt. Die Entscheidung, was innerhalb vorhandener Freiheitsspielräume wo und wie zu tun und zu sagen ist, wird idealerweise immer neu von Gott her empfangen und im Gehorsam auf die vernommene Weisung getroffen. (68) Indem er das Maß und die Weite seiner Sendung von Gott empfängt, wird der Einzelne so in hohem Maße gemeinschaftsfähig. Nach Hans Urs von Balthasar ist die Sendung einzelner Christen, christlicher Gemeinschaften sowie repräsentativer Teile der Kirche (z.B. das kirchliche Amt) innerhalb der Sendung Christi zu verorten. Damit ist zweierlei impliziert: erstens, dass die Sendung Einzelner nicht wie die Sendung Jesu Christi universal ist. Bei aller Schwierigkeit, den Umfang und die Grenze der eigenen Sendung konkret zu bestimmen, ist damit doch eine Grundlage gelegt für ein hohes Ethos der Mitmenschlichkeit, das nicht durch selbstverständliche Universalisierung zur totalen Überforderung missrät und so für die Praxis zur Belanglosigkeit zu degenerieren droht.
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Zweitens ist mit der Situierung einzelner Sendungen innerhalb der einen Sendung Jesu Christi eine grundsätzliche Integrierbarkeit der verschiedenen Sendungen der verschiedenen Glieder der Kirche angezielt. Das ist ein zentrales Motiv bereits neutestamentlicher Ekklesiologie, wenn z.B. vom Aufbau der Kirche als des Leibes Christi gesprochen wird. Dass viele Einzelne zu einem Ganzen zusammenwachsen können, das in der Rede von der Kirche oder von der einen Kirche ja vorausgesetzt wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Das Neue Testament schreibt dieses Wirken dem Heiligen Geist zu.
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Ein dramatisches Verständnis von Kirche verhindert hier eine vorschnelle harmonistische Deutung dieses Einigungsgeschehens. Wenn Kirche die Vergegenwärtigung des christlichen Heilsdramas bedeutet, dann ist mit einem Aufeinandertreffen verschiedener Topoi dieses Dramas (s.o.) nicht nur im Verhältnis von Kirche und Welt, sondern auch innerhalb der Kirche zu rechnen, und dies kann sich durchaus auch im Sinne dramatischer Konfrontation ereignen. Nicht nur agieren Teile der Kirche als Verkündende (im Sinne von Topos A1) und andere als Empfangende (Topos B1). Auch ist mit Konfrontationen im Sinne von A2–B2 („richtend“ – „gerichtet“) oder A3–B3 („gekreuzigt“ – „kreuzigend“) auch innerhalb der Kirche zu rechnen. Während diese Konfrontationen die Schuldverstrickung von Gliedern der Kirche (als „gerichtet“ oder „kreuzigend“) voraussetzen, gibt es auch andere Konfrontationen, die einen einfachen Rückschluss von Nicht-Übereinstimmung auf die Schuldverstrickung wenigstens eines der Konfliktpartner verbieten. Ein in diesem Sinn schuldloser Dissens (69) innerhalb von Kirche kann sich dort ereignen, wo Kirche in die Kreuzesnachfolge geführt wird:
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Im dritten Akt („Kreuz“) wurde Jesus Christus mit seiner Sendung, d.h. mit seiner Mittlerschaft zwischen Gott und Mensch infolge der Schuldverstrickung der Sendungsadressaten in eine Zerreißprobe geführt. Im Ringen um den rechten Weg der Verwirklichung seiner Sendung wurde er zwischen der Solidarität mit den Sündern und der Distanzierung von ihrer Sünde hin und hergerissen. (70) Wir können diesen Gedanken dahin fortführen, dass Jesus am Kreuz zwischen der Treue zum göttlichen Vater und dem Nichtfallenlassenwollen der Sünder (welches ihm gerade die Treue zum göttlichen Vater gebot! (71) ) geradezu zerrissen wurde. (72) In Analogie dazu kann Kirche in der Kreuzesnachfolge Christi in eine Situation der Zerrissenheit geführt werden. Solche Zerrissenheit kann einzelne Menschen in der Kirche martern, aber sie kann sich auch als Riss zwischen Gliedern der Kirche äußern. Das kann so geschehen, dass Glieder der Kirche eine bestimmte Sendung mehr vom Anspruch solidarischer „Sendung-zu“ und andere Glieder der Kirche dieselbe Sendung mehr vom Anspruch gottestreuer „Sendung-von“ zu realisieren versuchen und das auch müssen. Die Harmonisierbarkeit dieser gegensätzlichen Ausprägungen einer Sendung kann über bestimmte Zeiten unmöglich erscheinen, sodass die Teile der Kirche, die sich auf die gegensätzlichen Aspekte der Sendungsnachfolge verpflichtet erfahren, für unabsehbare Zeit in einen nicht harmonisierbaren Konflikt oder sogar Dissens geraten können.
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Im Unterschied zum Vorbild Christi kann in der Kirche Nichtübereinstimmung im Meinen und im Handeln allerdings auch das Indiz für eine Sendungsverfehlung der in den Konflikt involvierten Kirchenglieder sein; – nach der Schematik einer dramatischen Topologie wären das die bereits genannten Konfrontationen im Sinne von A2–B2 („richtend“ – „gerichtet“) oder A3–B3 („gekreuzigt“ – „kreuzigend“). Aber eine Nichtübereinstimmung bis hin zum Dissens kann auch aus der Sendungstreue aller Involvierten entspringen, dort wo Kirche in die Nachfolge des Gekreuzigten (A3) geführt wird. Eine säuberliche Unterscheidung, ob und inwieweit innerkirchliche Konflikte den schuldinvolvierten Typen A2–B2 bzw. A3–B3 oder dem „schuldlosen“ Typus A3 zuzuordnen sind, wird in vielen Fällen unmöglich und auch wenig hilfreich sein. Eine dramatische Topologie kann aber helfen, Kurzschlüsse zu vermeiden, welche Konflikte in verschärften Dissens und innerkirchliche Polarisierungen weitertreiben und ihre Lösung verhindern. Von einer dramatischen Topologie her kann verständlich gemacht werden, dass in einem innerkirchlichen Konflikt ein direkter Rückschluss von der Überzeugung eigener subjektiver Integrität auf das moralische Versagen oder die Dummheit des Gegners nicht zulässig ist. Es könnte ja eine Situation nach dem Topos der Kreuzesnachfolge vorliegen, in dem die Konfliktpartner von verschiedenen Ansätzen und mit gegensätzlichen Konsequenzen in der Treue zur einer Sendung verbleiben.
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In diesem Kontext ist die extrem anmutende Auffassung des Ignatius von Loyola. hilfreich, wonach der eine Heilige Geist zeitweilig verschiedene Menschen in der Kirche für konkrete Fragen zu gegenteiligen Überzeugungen führt, – ein Gedanke, der Raymund Schwager schon früh dazu bewegte, von einem dramatischen Kirchenverständnis des Ignatius zu sprechen. (73) Nicht dass Gott sich selbst widersprechen würde, ist damit gemeint, und auch nicht die Annahme einer „doppelten Wahrheit“, die die für Ignatius so wesentliche Suche nach dem wahren Willen Gottes ad absurdum führen würde. Ignatius ’ Annahme einer gegensätzlichen Führung des Geistes ermöglicht vielmehr, die Sendung Gottes auch dort noch zu finden, wo sie sich durch die Schuldverstrickung der Welt in gegensätzliche Verwirklichungsformen zu zersplittern droht. In solchen Situationen können Konfliktgegner die zeitweise bis zur Unkenntlichkeit verdeckte eine Sendung nur im Ringen miteinander entdecken, indem jeder dem selber Erkannten treu bleibt und zugleich anerkennt, dass die Gegenposition des Gegners Indiz dafür ist, dass die eigene Position noch nicht die ganze Wahrheit ist. (74) Ich brauche den Gegner und seinen Widerstand, um den blinden Fleck der eigenen Position überwinden zu können, so wie der Gegner meinen Widerstand zu seiner Wahrheitsfindung braucht. Wenn ich den Gegner als dumm oder moralisch korrupt disqualifiziere, entledige ich mich des Gebotes, mich durch ihn in Frage stellen zu lassen und verliere so den Widerpart, der meine Sendung noch im Gleichgewicht halten könnte. Die Annahme, dass der Heilige Geist mich leitet, hält mich in Treue zu dem, was ich bereits erkannt habe; die Annahme, dass der Heilige Geist auch meinen Gegner leitet, lässt mich seinen Widerstand so ernst wie möglich nehmen. (75) So wird ein schmerzhafter dramatischer Prozess in die Wege geleitet – in Loyalität und Widerspruch – der auch tiefverwurzelte strukturelle Manifestationen der Gottferne durchbrechen kann. Kreuzesnachfolge kann so zur Erlösung durch das Kreuz führen.
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Was hier allgemein beschrieben wurde, lässt sich an verschiedenen kirchlichen Zerreißproben und Polarisierungen konkretisieren, – z.B. im Streit um die Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland. (76) Und es könnte sich von daher wohl ein differenziertes Verständnis des kirchlichen Dissenses erschließen lassen, das die Verpflichtung zur innerkirchlichen Loyalität (insbesondere mit dem Lehramt) und die Möglichkeit sowie Verpflichtung zu Widerspruch und Konflikt in stärkerer Weise berücksichtigt, als das den polarisierten Kontrahenten in diesem Streit möglich war.
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Kehren wir abschließend zur Ausgangsfrage zurück: Wie kann Kirche als universales und wirksames Zeichen von der Welt erfasst werden, wenn zu dessen Erfassung doch – im Sinne eines Mysteriums – ein existentielles Sicheinlassen auf das Zeichen notwendig ist? Unser erster Antwortversuch lautete: Nicht die Welt erfasst das Zeichen von Kirche, sondern die Welt wird von diesem Zeichen erfasst. (77) Im Hauptteil des Aufsatzes haben wir ein dramatisches Zeichenverständnis entwickelt, das der Rede von einem Erfasstwerden durch ein Zeichen Sinn verleiht. Wir haben herausgearbeitet, dass Kirche als Zeichen des Heilsdramas Jesu Christi zu verstehen ist und in diesem Sinn als Vergegenwärtigung eines dynamischen Prozesses der Transformation von Menschen. Solche Transformation geschieht zunächst innerhalb der Kirche, und zwar paradigmatisch in der Feier der Eucharistie, wo Menschen mit ihrer erlösungsbedürftigen Situation sich der wort-, tat- und leibhaften Gegenwart Jesu Christi aussetzen. Von dieser permanenten, immer wieder erneuerten Verwandlung von Kirche lässt sich dann auch auf ein Erfassen und ansatzweises Transformieren von Welt schließen. Welt ist ja nicht einfach von Kirche getrennt. Weil die Menschen der Kirche nicht einfach der Welt gegenüber stehen, sondern zugleich auch Teil dieser Welt sind, geschieht durch die fortlaufende Transformation von Kirche auch Transformation der Welt.
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In einem zweiten Schritt muss dann aber die wesentliche Differenz von Kirche und Welt berücksichtigt werden. Menschen und Gemeinschaften, die mit ihrem ganzen Leben die Offenbarung Gottes aufzunehmen und zu übersetzen versuchen, werden dadurch zu einem Zeichen für diese Offenbarung, und durch diese Zeichenhaftigkeit unterscheidet sich Kirche von Welt. Im Hinblick auf diese Differenz stellt sich die Frage erneut, ob und wie Welt, insofern sie die Selbsterschließung Gottes noch nicht vernommen hat oder ihr zu folgen nicht fähig oder bereit ist, vom Heilsmysterium Christi, das in der Zeichenhaftigkeit von Kirche aufscheint, überhaupt erfasst zu werden vermag.
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Hier sind nun schöpfungstheologische und transzendentaltheologische Überlegungen hilfreich, gemäß denen eine Ausrichtung auf den wahren Gott und die entsprechende Form wahrer Gemeinschaft in jedem Menschen – und damit auch in jeder konkreten Gemeinschaftsform – bleibend grundgelegt ist. Diese „suchende Transzendenz“ kann verschüttet oder sogar zu destruktiven Formen pervertiert werden, ist aber grundsätzlich unverlierbar. Aufgrund dieser unverlierbaren Dynamik kann der Anspruch Gottes in Jesus Christus keinen Menschen letztlich gleichgültig lassen. (78) Jesus hat mit seinem Wirken diese versteckten Sehnsüchte geweckt, – durch Stimulierung des verborgenen Guten, aber auch dadurch, dass es die Pervertierungen solcher Sehnsüchte gewaltsam hervorbrechen ließ. In der Vergegenwärtigung des Heilsdramas Christi rührt auch Kirche an diese verborgenen Sehnsüchte der Menschen. Dabei ist sie selber nicht frei von Ambivalenzen und Pervertierungen. Aber auch wo Kirche ihre Sendung verfehlt, verliert sie nicht ihre Zeichenhaftigkeit. Im Falle ‚ihres Falles‘ wird diese Zeichenhaftigkeit von Kirche allerdings zum Zeichen ihres Selbstgerichts. Auch das ist nochmals ein Aspekt von „Kirche als Zeichen des Heils“, denn über Schuldeingeständnis, Umkehr und Vergebung erwächst der Kirche in „glücklicher Schuld“ eine neue, höchst bedeutende Form der Zeichenhaftigkeit für die Welt: im gelebten Beispiel dafür, dass es keinen noch so tiefen Abgrund gibt, aus dem heraus Menschen und Gemeinschaften nicht wieder von Gottes vergebender Gnade erfasst und so von innen her erneuert werden können. (79)
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Anmerkungen:
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1. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, im Folgenden kurz: LG.
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2.
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Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et Spes“, im Folgenden kurz: GS.
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3.
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In diesem Sinn ist es Teil der Zeichenhaftigkeit von Kirche, dass sie Zeichen der Zeit (vgl. GS 4) – mit der Signatur der Gnade Jesu Christi – in der ganzen Welt findet und aufzeigt. An diesem Punkt gibt es eine tiefe Entsprechung zwischen Pastoralkonstitution und Dogmatischer Konstitution über die Kirche.
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4.
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J. Ratzinger , Die Kirche als Heilssakrament, in: Ders. , Theologische Prinzipienlehre. Bausteine zur Fundamentaltheologie, München 1982, 45–56, 49.
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5.
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Der Begriff kommt explizit in den Texten des 2. Vaticanum nicht vor, aber er fasst treffend sein zentrales Anliegen zusammen. Vgl. neben LG1 v.a. LG 9.
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6.
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Der Weltbegriff ist im II. Vaticanum mehrdeutig, aber durchwegs positiv gebraucht. Eine Gegenüberstellung von Kirche und Welt ist infolge der gestuften Kirchenzugehörigkeit, wie sie das Vaticanum II lehrt, nicht mehr trennscharf möglich.
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7.
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„Veluti signum levatum in nationes“ DH 3013.
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8.
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DH 3013f.
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9.
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Das bedeutet allerdings nicht Konturlosigkeit. Eine volle Kirchenzugehörigkeit wird in Kontinuität mit der Tradition (z.B. Mystici Corporis) an die drei Bänder des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Gemeinschaft gebunden (vgl. LG 14), wobei diesen Kriterien allerdings das ‚Gnadenkriterium‘„im Besitz des Geistes Christi“ vorangestellt wird und anschließend auch für die vollzugehörigen Katholiken die Möglichkeit des Heilsverlustes ausgesagt wird: „Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar „dem Leibe“, aber nicht „dem Herzen“ nach verbleibt“ (ebd.; parallel zum vorausgehenden: „Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten.“)
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10.
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Vgl DH 2429, sowie W. Kern , Außerhalb der Kirche kein Heil? Freiburg i.Br.–Basel–Wien: Herder 1979, 48f.
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11.
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Vgl. Schwager , in diesem Band S. 17.
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12.
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R. Schwager , J. Niewiadomski u.a., Dramatische Theologie als Forschungsprogramm, in: Religion erzeugt Gewalt – Einspruch! Hg. R. Schwager, J. Niewiadomski, Münster–Hamburg–London 2003, 40–77, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/9.html.
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13.
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„Ein tiefer, echter und dauerhafter Friede zwischen Menschen, der nicht auf Opferung Dritter aufgebaut ist und ohne Polarisierung auf Feinde auskommt, ist sehr schwer erreichbar, ja übersteigt menschliche Kräfte. Wenn er dennoch Wirklichkeit wird, ist dies ein klares Zeichen, daß Gott selber (der Hl. Geist) in den Menschen am Wirken ist. Diese inkarnatorische Logik ist sowohl an der biblischen Botschaft als auch an den zahlreichen ekklesialen ‚Zeichen der Zeit‘ in der menschlichen Geschichte ablesbar.“ Schwager / Niewiadomski (s. Anm. 12) 334.
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14.
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Im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/231-4.html#h89. Vgl. L. Bouyer , Die Kirche. Band II: Theologie der Kirche. Einsiedeln 1977, 358f.
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15.
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Schwager , Kirche als universales Zeichen, in diesem Band S. 49f.
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16.
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Zum Folgenden vgl. R. Schwager , Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (ITS 29). Innsbruck–Wien 1990, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/212.html.
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17.
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Vgl. R. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 23–30.
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18.
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16).
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19.
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Dafür ist vor allem bedeutend H. U. von Balthasar , Theodramatik, Bände I, II,1; II,2; III, IV. Einsiedeln 1973–1983. Für einen Überblick zu verschiedenen Ansätzen Dramatischer Theologie vgl. W. Sandler , Was ist dramatische Theologie? In: Religion – Literatur – Künste. Aspekte eines Vergleichs. Hg. P. Tschuggnall , Anif/Salzburg 1998, 41–57, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/156.html
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20.
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Vgl. H. J. Pottmeyer , Die Frage nach der wahren Kirche, in: Handbuch der Fundamentaltheologie. Band 3: Traktat Kirche. Hg. W. Kern – H. J. Pottmeyer – M. Seckler, Freiburg i. Br.–Basel–Wien 1986, 212-241.
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21.
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Wegen der Priorität göttlichen Handelns ist es angemessener, nicht von einer Begründung gemeinschaftlicher Identität in einer neuen Ausrichtung auf Gott zu sprechen, sondern von einer dankbaren Neuausgerichtetheit von Gott her.
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22.
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S. P. Huntington , Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München 1996, 21.
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23.
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Vgl. W. Palaver , Vom Nutzen und Schaden der Feindschaft: Die mythischen Quellen des Politischen, in: Feindschaft. Hg. M. Brehl – K. Platt. München 2003, 71–92.
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24.
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Zum Folgenden vgl. Balthasar , Theodramatik II/2 (s. Anm. 19) 136–238.
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25.
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16), v.a. 149[Anm. 150].266.274.276, wobei Schwager – für die Christologie vollständig, für die Anthropologie mit einer kritischen Reserve – Balthasars Konzept von Person als Sendung aufgreift. Vgl. ebd. 275f.
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26.
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H. U. v. Balthasar , Theodramatik II/1 (s. Anm. 19) 368.
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27.
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„Für alle ... wird das ‚Spielen‘ im Spiel-Raum Christi darin bestehen, die angestammte Nichtidentität – als ‚Nachfolge Christi‘ (in dem Identität herrscht) – in eine immer vollkommener angenäherte Identität überzuführen, also das eigene Ich immer restloser mit der gottgeschenkten Sendung zur Deckung zu bringen und in dieser Sendung die eigene, sowohl personale wie soziale Identität zu finden.“ Balthasar , Theodramatik II/2 (s. Anm. 19) 248, Hervorh. von mir. Vgl. auch Balthasar zur Gemeinschaft der Heiligen: Theodramatik II/2 (ebd.) 321f , sowie H. U. von Balthasar , Gemeinschaft der Heiligen, in: ders. , Klarstellungen. Zur Prüfung der Geister (Kriterien 45), Einsiedeln 1978, 59–64.
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28.
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Für Balthasar ist dies der – pneumatologisch begründete – Wurzelpunkt für Kirche. Der Begriff der Sendung verbindet in Balthasar s Theologie ursprünglich Christologie, Anthropologie und Ekklesiologie.
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29.
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Vgl. Anm. 13. Es ergibt sich hier die Möglichkeit eines fruchtbaren theologischen Austausches zwischen der Dramatischen Theologie Hans Urs von Balthasar s, in dessen Mitte die Theologie der Sendung steht, und der Innsbrucker Dramatischen Theologie. Letztere kann in diesen Austausch eine umfassende Theorie des Scheiterns menschlicher Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung – im Sinne negativer Identität, insbesondere des Sündenbockmechanimus – einbringen (s. Anm. 23). Sie arbeitet damit in aller Schärfe und in verschiedensten Kontexten eine Frage aus, die unsere Welt zutiefst bewegt: die Frage nach der Möglichkeit von wahrem Frieden und echter Versöhnung. Hans Urs von Balthasar gibt mit seiner Theologie der Sendung einen Ansatz für einen Begriff positiver Identität sowohl auf individuell-personalisierender Ebene als auch im Hinblick auf soziale Identität. Dieser Ansatz ist bei ihm christologisch, pneumatologisch, trinitarisch und insgesamt theozentrisch grundgelegt und entkommt von daher den Gefahren einer soziologischen oder anthropologischen Funktionalisierung von Theologie. Raymund Schwager s Dramatische Theologie nimmt Balthasar s Sendungschristologie auf und vermag sie mit ihrer erweiterten Perspektive von fünf dramatischen Akten vor einer drohenden staurologischen Verengung zu bewahren (vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama [s. Anm. 16] 276 Anm. 57).
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30.
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Vgl. das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,2–16), weiters Lk 15,25–32, Mk 10,31.
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31.
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Die Kritik negativer Identität führt so nicht zu einer pauschalisierten Ablehnung von Hierarchie in der Kirche, wohl aber zu einer kritischen Hinterfragung der Funktion, die solche Hierarchisierung für die Identität von Kirche hat. Vgl. in diesem Band: W. Palaver , Hierarchie ist nicht gleich Hierarchie.
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32.
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Vgl. Jesu Verhalten: Obwohl er der bittenden Syrophönizierin zuerst erklärt, dass er nur zu den Kindern Israels gesandt ist, heilt er deren Tochter.
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33.
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Vgl. zum Folgenden: J. Roloff , Die Kirche im Neuen Testament (NTD Ergänzungsreihe 10). Göttingen 1993, 21–23.
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34.
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Diese theologisch-phänomenologische Skizze authentischer Gottesbeziehung als Sendungsexistenz müsste verfeinert werden durch die Präzisierung, dass dieser theozentrische Blick-nach-oben nicht an den Menschen und Dingen vorbei (in platonischer Direktschau der Idee des Guten) erfolgt, sondern dass Gott sich in den Menschen und Dingen erschließt. Demgemäß ist zu unterscheiden zwischen zweierlei Blick auf die Menschen und Dinge: einerseits dem Blick auf jenes Zentrum ihres Seins, in dem „Gott ihnen innerlicher ist als sie sich selber sind“ (Augustinus ), – einem Blick, der die Mitmenschen damit in ihrer unverrechenbaren und unersetzlichen Personalität und Würde erreicht; anderseits droht dieser transparente, durchdringende Tiefenblick, der die Menschen und Dinge in ihrer Transparenz auf das göttliche Geheimnis gleichsam in einer zusätzlichen Dimension „plastisch“ wahrzunehmen vermag, immer wieder „hängen zu bleiben“ an dem Faszinosum der Erscheinung (des „Scheins“ der Erscheinung), die damit – mit Jean-Luc Marion zu sprechen – vom Bild zum Idol gerinnt. Vgl. ders. , Idol und Bild, in: Phänomenologie des Idols. Hg. B. Casper , Freiburg i. Brsg. 1981, 107–132.
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35.
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Vgl. dazu W. Sandler , Wie kommt das Böse in die Welt? Zur Logik der Sündenfallerzählung, in: Dramatische Theologie im Gespräch. Symposion/Gastmahl zum 65. Geburtstag von Raimund Schwager (BMT 14). Hg. J. Niewiadomski – N. Wandinger , Thaur–Münster 2001, 127–153, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/105.html, sowie ders. , To be like God: quintessence of sin or promise for salvation? Mimetic reflections on the Fall of Man, 2005, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/593.html.
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36.
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Im Hinblick auf das ursprüngliche Anliegen einer radikalen Erneuerung der Gottesbeziehung ist die Gruppe der Pharisäer jene mit der engsten Verwandtschaft zur Jesusbewegung.
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37.
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Vgl. z.B. für das Markusevangelium: Mk 3,3 (par: Lk 6,8); Mk 5,31–34; Mk 7,33; Mk 8,23; Mk 9,17. Vgl. R. Hamerton-Kelly , Die „Menschenmenge“ und die Poetik des Sündenbocks im Markusevangelium, in: Dramatische Erlösungslehre. Ein Symposion (ITS 38). Hg. J. Niewiadomski – W. Palaver . Innsbruck 1992, 49–70. – Der Wortbedeutung von Kirche als Ekklesia–Qahal (= Herausrufen; vgl. Bouyer [s. Anm. 14] 32) wird so entsprochen durch das kirchenbildende Kernphänomen eines personalisierenden Herausgerufenwerden aus einer undifferenzierten Menge mit einer gemeinschaftsbildenden Beauftragung für die Menge: Berufung der Kirche durch Berufung in der Kirche.
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38.
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Vgl dazu R. Girard s Interpretation der biblischen Erzählung vom Besessenen von Gerasa, in: ders. , Der Sündenbock. Einsiedeln–Zürich–Köln ²1998, bes. 243f. Hilfreich für eine vertiefte Reflexion: C. Strecker , Jesus und die Besessenen – Zum Umgang mit Alterität im Neuen Testament am Beispiel der Exorzismen Jesu, in: Jesus in neuen Kontexten. Hg. W. Stegemann – B.J. Malina – G. Theißen, Stuttgart 2002, 53-63.
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39.
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Man kann hier von einem „Community-Test“ sprechen, wenn man dabei jede überheblich-taxierende Konnotation ausschließt: Dieser „Test“ wurde von Jesus nicht mutwillig an seinen Zeitgenossen durchgeführt, sondern er ergab sich von selbst aus der Konsequenz der barmherzigen Einbeziehung der Ärmsten und Letzten.
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40.
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So wird die unmittelbar darauf folgende maßlose Aggressivität der Menge begreiflich.
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41.
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Zu den Straßengräben von Esoterismus und Integralismus im Weltverhältnis der Kirche vgl. K. Rahner , Kirche und Welt, in: HThTL 4, 216–233, hier: 221–224; dazu: J. Meyer zu Schlochtern , Sakrament Kirche. Wirken Gottes im Handeln der Menschen. Freiburg i.Br.–Basel–Wien 1992, 69–72. In die gleiche Richtung zielt St. Huber – P. Steinmayr-Pösel, Vom Kirchentraum zum Kirchlichen Gnadenraum (in diesem Band), mit der Unterscheidung zwischen Machbarkeitswahn und Resignation (in diesem Band ???HT11).
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42.
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Vgl. Eph 4,15; 2 Joh1,3.
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43.
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Vgl. Anselm von Canterbury , dazu: Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 17.
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44.
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Die Versuchungsgeschichten Jesu können in diesem Sinn verstanden werden als paradigmatische Zurückweisungen der Versuchung, das Gottesreich durch faule Kompromisse gegenüber den mit Gottes Wahrheit nicht verträglichen Ansprüchen ihrer Adressaten zu verwirklichen.
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45.
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Am Beispiel der eben behandelten Konfrontation Jesu mit Petrus, vgl. R. Girard , Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. München–Wien 2002, 51: „Über die in seinen Augen übertriebene Resignation Jesu enttäuscht, sucht er [Petrus] ihm das eigene Begehren, den eigenen weltlichen Ehrgeiz einzuflößen. Kurz, Petrus fordert Jesus auf, ihn zum Modell seines Begehrens zu nehmen. Würde Jesus sich von seinem Vater abwenden, um Petrus nachzufolgen, gerieten Petrus und Jesus rasch in mimetische Rivalität, und das Abenteuer des Reichs Gottes bräche unter läppischen Streitigkeiten in sich zusammen.“
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46.
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Vgl. dazu und zum Folgenden: Jes 50,4–7. „Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, daß ich nicht in Schande gerate.“
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47.
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Ein enger Bezug zwischen der im vorigen Kapitel favorisierten Sendungstheologie und einer Theologie des Zeichens ergibt sich bibeltheologisch vom Evangelisten Johannes her, für den sowohl Sendung als auch Zeichen zentrale christologische Begriffe darstellen. Zu Letzterem vgl. in diesem Band: M. Hasitschka , „… damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21) – Lebenspraxis der Kirche als universales Zeichen. Johanneische Perspektiven.
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48.
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Es muss die Freiheit der Adressaten des Zeichens in Rechnung gestellt werden! Die Eindeutigkeit, Verstehbarkeit und Wirksamkeit eines Zeichens hängt nicht nur von der Authentizität und Qualität des Zeichensenders bzw. des von ihm Bezeichneten ab, sondern auch vom Zustand des Empfängers. Christliche Theologie nimmt für Jesus von Nazaret an, dass er eindeutiges und undepraviertes Zeichen für die Gegenwart des göttlichen Vaters und dessen in der Gottesreichbotschaft sich äußernden Heilswillens war. Wie konnte er aber dann missverstanden werden? Unter den verschärften Bedingungen der Verstrickung und Verstockung der Zeichenadressaten in Sünde ist das „Ankommen“ von Jesu Zeichen nur in einem dramatischen Prozess möglich, der durch die Krise des Kreuzes geht.
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49.
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Vgl. Mk 12,10, Mt 21,42, Apg 4,11 und besonders 1 Petr 2,7–8.
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50.
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Es kann hier nicht weiter auf eine Hermeneutik der Aktestruktur im Sinne von Schwager s Dramatischer Christologie eingegangen werden. Sie müsste zeigen, dass die dramatisch-christologischen Akte sich nicht in einer einfachen Abfolge gegenseitig ablösen, sondern sich entsprechend exemplarischer Annahme und Ablehnungssituationen mehrfach überlappen. Vgl. dazu R. Miggelbrink , Der Zorn Gottes. Geschichte und Aktualität einer ungeliebten biblischen Tradition. Freiburg i.Br.–Basel–Wien 2000, 542–556.
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51.
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Vgl. Joh 8,30 als Abschluss der vorangehenden Streitgespräche (ich danke M. Hasitschka für diesen Hinweis), weiters die glückende Begegnung mit einem Schriftgelehrten in Mk 12,28–34 in Anschluss an die vorausgehenden Streitgespräche mit Fangfragen von Pharisäern und Sadduzäern. Im AT wird Umkehr durch Gericht hindurch exemplarisch in der Jona-Erzählung verarbeitet, deren Rezeption auch in den Evangelien eine zentrale Bedeutung hat.
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52.
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Vgl. Mt 12,24; Joh 10,33.
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53.
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Vgl. Schwager , Jesus im Heilsdrama (s. Anm. 16) 109–111.
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54.
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Vgl. LG 6–7. Ausführlich auf dieses Zueinander ist H. U. v. Balthasar eingegangen, z.B. ders. , Theodramatik II/2 (vgl. Anm. 19) 311–322.
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55.
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Vgl. H. U. von Balthasar , Casta meretrix, in: ders ., Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, Einsiedeln 11961, 203-305. Trotz der weiten Verbreitung dieses Motivs in der Patristik (die Balthasar ebd. aufgezeigt hat) wurde dieses Bild im 2. Vaticanum nicht übernommen.
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56.
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Damit ist kirchliche Hierarchie allerdings nicht insgesamt in Frage gestellt. Vgl. dazu oben Anm. S. 112f.
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57.
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Vgl. dazu F. Gmainer-Pranzl , „… universalitatis character …“ (LG 13). Katholizität als Zeichen und Auftrag, in diesem Band, ???[HT59]
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58.
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Vgl. das berühmte Erkennungsmerkmal für Christen: „Seht wie sie einander lieben“ (Tertullian , Apologeticum 39), sowie Apg 2,44–47; 4,32. Zur Herausforderung, die in diesem Anspruch für die Kirche liegt, siehe auch: W. Sandler , Stadt auf dem Berg? Kirche in der Spannung von Vorbild-Auftrag, Solidarisierung mit Sündern und eigener Schuld, in: Kirche: Zeichen des Heils – Stein des Anstoßes (theologische trends 13). Hg. W. Sandler – A. Vonach , Frankfurt am Main 2004, 97–133, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/496.html.
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59.
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Anders: J. Ratzinger , Das neue Volk Gottes. Entwürfe zur Ekklesiologie, Düsseldorf 1970, 237f.
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60.
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Wie Jesus zu Petrus in Mt 16,23: „Hypage opísô mou, Satana“ „Weiche Satan“ und unmittelbar darauf „Hinter mich!“, d.h. „Folge mir nach!“
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61.
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Vgl. Joh 15,20.
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62.
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Auch dieser Aspekt einer als schuldlos-beschuldigter zeichenhaften Kirche darf nicht verschwiegen werden – er ist ebenso ein unverzichtbarer Teil ihrer Sendung – auch wenn Kirche immer wieder auch in berechtigter Weise mit Vorwürfen konfrontiert wurde, die sie nicht eingestanden hat. Letzteres wird im Folgenden mit den Topoi B2 und B3 deutlich berücksichtigt. Aber es müssen beide Aspekte wahrgenommen werden!
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63.
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Vgl. meinen Versuch einer Interpretation des „Falles Groer “ in: W. Sandler , Stadt auf dem Berg (s. Anm. 58) 119f.
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64.
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Vgl. zu dieser Unterscheidung: L. Lies , Verbalpräsenz – Aktualpräsenz – Realpräsenz. Versuch einer systematischen Begriffsbestimmung, in: Praesentia Christi. FS. J. Betz (Hg. L. Lies ) Düsseldorf 1984, 79–100.
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65.
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Vgl. oben Kap. 4.3.
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66.
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Siehe oben, Anm. 60.
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67.
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In diesem Sinn sind die offiziellen kirchlichen Schuldbekenntnisse und Vergebungsbitten (z.B. am Ersten Fastensonntag 2000; vgl. dazu N. Wandinger , in: Religion erzeugt Gewalt – Einspruch! [s. Anm. 12] 143-179) keine Verunklärung kirchlicher Zeichenhaftigkeit, sondern im Gegenteil ein hochbedeutsamer Beitrag dafür.
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68.
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Das setzt eine Erfahrung in der Unterscheidung der Geister voraus, für die die Theologie der Ignatianischen Exerzitien wertvolle Kriterien liefert. Vgl. K. Rahner , Die Logik der existentiellen Erkenntnis bei Ignatius von Loyola , in: ders. , Das Dynamische in der Kirche (QD 5), Freiburg i.Br.–Basel–Wien 74–148.
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69.
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Mit schuldlosem Dissens bezeichne ich eine Konfliktsituation zwischen Gliedern der Kirche (möglicherweise auch zwischen Lehramt und Gläubigen oder zwischen verschiedenen – z.B. gesamtkirchlichen und ortskirchlichen – Instanzen des Lehramts), die nicht in der Schuld (im Sinne einer Sendungsverfehlung) durch einen oder mehrere Konfliktpartner gründet, weshalb ein Rückschluss von der Angemessenheit der einen Position auf die Unangemessenheit der Gegenposition nicht möglich ist. Die Rede von einem schuldlosen Dissens ist insofern missverständlich, als derartige Konfliktsituationen immer in irgendeiner Schuldverstrickung gründen; es kann sich aber auch – wie im Falle der Zerrissenheit Jesu am Kreuz – um eine Schuldverstrickung der Adressaten der Sendung handeln. Das wird im Folgenden näher ausgeführt. Für eine angemessene Behandlung der Dissensfrage müsste eine Ekklesiologie des Lehramts eingearbeitet werden, was in diesem Aufsatz nicht möglich ist. Insofern bieten die hier gegebenen Ausführungen zum Dissens nur eine erste Skizze. Vgl. den ausgewogenen Aufsatz von K. Lehmann : Ders. , Dissensus. Überlegungen zu einem neueren dogmenhermeneutischen Grundbegriff, in: Dogma und Glaube. Bausteine für eine theologische Erkenntnislehre. Festschrift für Bischof Walter Kasper . Hg. E. Schockenhoff – P. Walter , Mainz 1993, 69–87.
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70.
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Vgl. Jesu Vollzug und Verweigerung von Zeichen; seine Zuwendung zu den Menschen und seinen Rückzug von ihnen; sein geduldiges Werben um Verständnis und sein scharfes Brandmarken von Fehlern. Hier ein Hin- und Herpendeln bei Jesus festzustellen, bedeutet nicht das Urteil, Jesus wäre aus der Mitte seiner Sendung herausgefallen. Vielmehr entspricht dies einer Suchbewegung nach der richtigen Verwirklichung der Sendung (dies im Sinne der vollen Menschheit Jesu Christi), von der wir annehmen können, dass sie sich immer diesseits der Straßengräben der Sendungsverfehlung abgespielt hat.
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71.
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Von daher kann ohne Diskreditierung Gottes der kreuzessoteriologische Aspekt berücksichtigt werden, dass der Vater den Sohn dahingegeben hat (vgl. Röm 8,32).
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72.
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Jesu Verlassenheitsruf am Kreuz (Mt 27,46) kann in dieser Richtung gedeutet werden.
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73.
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Vgl. R. Schwager , Das dramatische Kirchenverständnis bei Ignatius von Loyola. Einsiedeln–Zürich–Köln 1970. Schwager bezieht sich auf Ignatius , der in einer kontroversen Frage (es geht um die vom Kaiser betriebene Kardinalsernennung F. Borja s, – eine Würde, die Ignatius für seine Ordensmitglieder grundsätzlich ablehnt) an Franz Borja schreibt: „Wenn es der Wille Gottes ist, daß ich mich darin einsetze und sich andere für das Gegenteil einsetzen und Euch diese Würde gegeben wird, so gebe es keinen Widerspruch. Denn es kann sein, daß der gleiche göttliche Geist mich dazu aus den einen Gründen und andere aus anderen zum Gegenteil bewegt, so daß verwirklicht wird, was der Kaiser angezeigt hat. Gott, unser Herr, möge in allem tun, wie es immer sein größerer Lobpreis und Ruhm ist.“ (Ignatius von Loyola. , Geistliche Übungen und erläuternde Texte [übersetzt und erklärt von P. Knauer] , Leipzig 1978, 303; vgl. Schwager ebd. 131f.151; auch: M. Kehl , Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie. Würzburg 1992, 20f.). – Solche gegensätzliche Führung durch den Heiligen Geist ist nicht notwendig auf die Sündigkeit von Kirche zurückzuführen; sie kann auch gründen in einer Schuldverstrickung der Welt, in die die Kirche gesandt ist und die trotz aller Weltinvolviertheit von Kirche nicht ihre ist. Trotz ihrer faktisch immer wieder gegebenen Welt- und Schuldverstrickung von Kirche kann Kirche auch in der Nachfolge Jesu Christi stehen, der als jener „der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht“ wurde (2 Kor 5,21). Vgl. zur Konkretisierung am Konflikt der deutschen Schwangerenkonfliktberatung: W. Sandler , Stadt auf dem Berg? (s. Anm. 58) 127–133.
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74.
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Vgl. den Verweis auf die größere Ehre Gottes im vorigen Ignatius -Zitat. – In diesem Zusammenhang kann auch die vielverpönte „Schwarz-Weiß-Haltung“ des Ignatius recht verstanden werden: „Wir müssen, um in allem sicher zu gehen, immer festhalten: was meinen Augen weiß erscheint, halte ich für schwarz, wenn die hierarchische Kirche so bestimmt, weil wir glauben, daß in Christus unserem Herrn, dem Bräutigam, und in der Kirche, Seiner Braut, derselbe Geist wohnt, der uns zum Heil unserer Seele leitet und lenkt; denn durch den gleichen Geist und Unseren Herrn, der die zehn Gebote gab, wird auch unsere heilige Mutter die Kirche gelenkt und geleitet.“ (Geistliche Übungen [s. Anm. 73] Nr. 365; Hervorh. von mir) Nicht um ein sacrificium intellectus geht es hier, sondern um ein Offenhalten der eigenen Überzeugungen gegenüber dem größeren Gott, was eine Treue zu diesen Überzeugungen keineswegs ausschließt! (Zu Letzterem vgl. das oft widerständige Verhalten des Ignatius gegenüber kirchlichen Oberen; dazu: Schwager, Kirchenverständnis (s. Anm. 73, 133–152, bes. 144).
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75.
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Vgl. hier auch Ignatius , Geistliche Übungen (s. Anm. 73) Nr. 22.
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Vgl. W. Sandler , Stadt auf dem Berg? (s. Anm. 58) 127-133.
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77.
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Vgl. oben S. 107.
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78.
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Vgl. K. Rahner zur suchenden Christologie: Ders. , HThTL IV, 28–31; dazu: W. Sandler , Bekehrung des Denkens. Karl Rahners Anthropologie und Soteriologie als formal-offenes System in triadischer Perspektive, Frankfurt am Main 1996, 260–275.
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79.
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Vgl. dazu in diesem Band: J. Niewiadomski , Sündige Kirche in der gottverlassenen Welt. Dramatische Kirchenerfahrung in Graham Greenes „Die Kraft und die Herrlichkeit“; W. Guggenberger , Was für ein Zeichen (in diesem Band ???HT24), St. Huber – P. Steinmayr-Pösel, Vom Kirchentraum zum Kirchlichen Gnadenraum (in diesem Band ???HT28).
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