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Exponiert im System – Religionslehrer/Religionslehrerin sein

Autor:Kraml Martina
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum nach einem Vortrag bei der Herbsttagung des RPI in Eisenstadt
Datum:2005-11-11

Inhalt

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Wer bin ich als Religionslehrer/Religionslehrerin? In welches Beziehungsnetz bin ich verwoben? Welche Struktur hat dieses Netz? Welche Dynamik zeigt sich? Welche Faktoren bedingen es? Was stelle ich in meiner Rolle als Religionslehrer/Religionslehrerin und als Mensch für andere dar? Was stellen andere für mich dar? – Das alles sind Fragen nach der Charakterisierung des Ortes, an dem Religionslehrerinnen und Religionslehrer arbeiten und leben. Ich möchte im Folgenden diesen Ort theologisch näher beleuchten und eine kleine Strukturanalyse versuchen:

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Im Geflecht vielfältiger und divergierender Erwartungen

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ReligionslehrerInnen stehen in einem Beziehungsgeflecht, in dem es einerseits herausfordernd und fruchtbringend ist zu arbeiten, das aber andererseits auch gekennzeichnet ist von Dynamik, Dramatik und vielen Unwägbarkeiten. Es ist bestimmt von den vielfältigsten Erwartungen, Projektionen, von Macht- und Ohnmachtsstrukturen. Ausgesprochene, aber vielfach auch unausgesprochene („geheime“) und sehr oft divergierende Erwartungen von Institutionen, in deren Auftrag ReligionslehrerInnen tätig sind, Erwartungen von Schule und Kirche im Allgemeinen, aber auch von der konkreten Schule und der konkreten Pfarre vor Ort bilden den Kontext. Dazu kommen eigene Erwartungen, Visionen, Enttäuschungen und Übertragungen genauso wie solche von SchülerInnen, Vorgesetzten und KollegInnen. Und das alles kann sich noch einmal mit dem gesellschaftlich-medialen Kontext, in dem wir stehen, vertragen oder diesem entgegenstehen. Wir sehen: Die verschiedenen Erwartungen und Vorstellungen entspringen den unterschiedlichen Anliegen und Interessen, auch den unterschiedlichen Rollen und Positionen, die die jeweiligen Menschen „im System“ innehaben. Immer aber sind sie auch biografisch bedingte und verankerte Vorstellungen, „Bilder im Kopf“, die – vielfach unbewusst – große Auswirkungen auf unser Handeln und Leben haben.

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Grenzgänge

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Der Religionslehrer/die Religionslehrerin ist Grenzgänger/Grenzgängerin an der Grenze zwischen „Innen“ und „Außen“, zwischen binnenkirchlichem und „profan“-gesellschaftlichem Raum (auch wenn natürlich die Grenzziehungen immer wieder unterschiedlich, die Grenzen fließend sind und es den „profanen“ Raum im engeren Sinn nicht gibt). Es ist für das In-der-Welt-sein-Können von Kirche unerlässlich, dass Menschen diese sehr oft belastenden und schwierigen Grenzgänge wagen. Sie tragen dazu bei, dass Gesellschaft und Kirche nicht auseinander fallen. Jeden Tag, wenn ReligionslehrerInnen die Klasse betreten, sind sie mit dem gesamten Beziehungsgeflecht in seiner Dynamik konfrontiert. Sie spüren die Spannungen, all das, was nebeneinander Platz hat/Platz haben muss: die Playstation, die Simpsons, Harry Potter, Werbung jede Menge, unterschiedliche Lebensvorstellungen, unterschiedlichste Vorstellungen von Glück und gelingendem Leben. ReligionslehrerInnen haben ein riesiges Feld vor sich, in dem sie Theologie betreiben, „PioniertheologInnen“ sind, wie es Roman Siebenrock ausdrückt. Denn es dreht sich – genau besehen – alles um Lebensgewichtungen, darum, woran Menschen, Kinder und Jugendliche, ihr Herz hängen und darum, was das jeweils für Konsequenzen mit sich bringt. Es geht um Themen wie gelingendes Leben, Erfüllung und Vollendung, Erlösung, Schuld, Ausgrenzung, Angenommensein. „Religion“ liegt also auch in der – „profanen“ Schule ständig „in der Luft“.

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„Religion liegt in der Luft“ – aber wird sie auch greifbar? Wird sie zum Gesprächsthema? Viel zu selten, obwohl es dringend erforderlich wäre. Denn die inhaltlichen Vorstellungen darüber, was ein glückliches Leben ausmacht, was Erfüllung, Erlösung und Befreiung sind, worin sie bestehen und wovon sie erhofft werden können, die sind in einer Schulklasse längst nicht mehr einheitlich, sondern sehr unterschiedlich und mitunter sehr widersprüchlich. Sie sind auch nicht mehr durch den christlich-kirchlichen Rahmen bestimmt, sondern werden vor allem durch Medien wie Zeitungen, Fernsehen, Filme, Internet, Computerspiele etc. vermittelt. Das bedeutet für uns als ReligionslehrerInnen: Andere, nicht wir, produzieren tagtäglich Sinn-Bilder, Bilder vom „gelingenden“ Leben, Gottes- und Götzenbilder als Bilder von dem, woran man – „erfolgreich“ – sein Leben hängt. Sie produzieren Bilder vom (erfolgreichen) Menschsein und Bilder vom „gelingenden“ Wir, von „gelingender“ Gemeinschaft, „erfolgreicher“ Kommunikation und Kommunion. Andere, nicht wir, produzieren Sehnsüchte, Träume und Bedürfnisse in jungen Menschen, oft längst schon bevor wir die Klasse betreten haben. Dabei zeigt sich, dass diese Produktionsstätten „gelingenden Lebens“ sich kaum nach dem ausrichten, was den Menschen aufs Ganze gesehen und nachhaltig Heil und Lebensentfaltung bringen kann, sondern mehr nach kurzfristigen (ökonomischen) Eigeninteressen.

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Noch eines soll im Hinblick auf das Innen und Außen bewusst gemacht werden: Religionslehrerinnen und Religionslehrer reden an einem Ort von Gott, wo sich immer mehr Menschen das Wort „Gott“ gar nicht mehr in den Mund zu nehmen trauen. Den ReligionslehrerInnen ist es zu verdanken, dass die Rede von Gott in vielen unserer Schulen und damit auch in weiten Bereichen unserer Gesellschaft nicht schon längst tabuisiert wird, sondern noch immer so präsent ist wie sie es ist. Im Dienst der Kirche stehend, vermögen sie es, Kindern und Jugendlichen aus der Perspektive christlicher Lebenskultivierung Auseinandersetzung um lebensermöglichende und lebensentfaltende Orientierung zu bieten. Bei aller Unzulänglichkeit und Brüchigkeit gelingt es ihnen immer wieder, Kinder und Jugendliche erahnen zu lassen, was „Leben in Fülle“ heißt. Es gelingt ihnen, kurzlebigen und stark bedürfnisorientierten gesellschaftlichen Trends entgegen zu wirken und durch ihr Leben und ihre Arbeit Zeichen zu setzen. Es gelingt – bei aller Bruchstückhaftigkeit -, der allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellung vom schnellen Erfolg zu widerstehen und damit leben zu können, dass nachhaltig gelingendes Leben nicht schnell erreichbar, nicht auf den ersten Blick sichtbar, nicht leicht messbar und vor allem nicht machbar ist. Damit leistet die Kirche in der Person und im Handeln von Religionslehrerinnen und Religionslehrern einen unverzichtbaren diakonischen Dienst an der Gesellschaft.

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In der Spannung von Heilsamkeit und Verführbarkeit

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Wir können eine paradoxe Entwicklung beobachten: Einerseits werden explizite weltanschauliche Orientierungen wie z. B. institutionalisierte Religionen immer mehr zurückgedrängt, für „altmodisch“ gehalten, es lässt sich in gewissem Sinne eine Glaubens- und Theologievergessenheit diagnostizieren, andrerseits aber bahnen sich religiöse Sehnsüchte auseinandersetzungslos, „wild“, rahmen-los und grenzen-los ihren Weg, so dass deren Heilsamkeit oder Verführbarkeit gesellschaftlich kaum greifbar wird, deshalb kaum thematisiert wird bzw. auch nicht thematisiert werden kann. Die tagtägliche Bildungsdiskussion ist ein Beispiel dafür: Es wird gerade in der Bildungspolitik, in Bildungsinstitutionen und in der Bildungswissenschaft sehr intensiv über „Qualität“ geredet, „Qualität“ wird an allen Ecken und Enden eingefordert. Deutlich seltener jedoch wird gefragt, welche Qualität denn angezielt werden soll, werden inhaltliche Qualitätskriterien thematisiert und noch viel weniger kommt man auf die normativ-weltanschaulichen Hintergründe von Qualitätsauffassungen zu reden. Dass Bildung mit Bildern und Träumen vom gelingenden Leben, mit Erlösungsvorstellungen und Emanzipationssehnsüchten zu tun hat und dass die Qualität von Bildung mit der Qualität dieser Bilder, mit deren Heilsamkeit oder deren Verführbarkeit zusammenhängt, das wird immer mehr ausgeblendet.

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Einer der Gründe für diese Tabuisierung dieser Fragen liegt wohl darin, dass wir alle, insbesondere aber auch die Politik auf den verschiedensten Ebenen, viel zu wenig gelernt haben, mit Pluralität konstruktiv umzugehen. Hilflosigkeit und Lähmung kennzeichnen fast überall, wohin man blickt, den Umgang mit Pluralität. Auswege werden im Namhaftmachen rein formaler Kriterien wie Mobilität, Vernetzung etc. gesucht.

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Gerade hier – in der Thematisierung und im Versuch einer anderen als der rein formalen Bewältigung dieser Lähmung und Hilflosigkeit – liegen große Herausforderungen für die Theologie und den Religionsunterricht. Darin lassen sich auch große Chancen für eine neue Kontextualisierung theologischen Wissens erkennen. Eine fruchtbringende Zusammenarbeit zwischen den in den verschiedenen Feldern arbeitenden Theologinnen und Theologen (Schule, Universität, Gemeinde etc.) gemeinsam mit den Kirchen wäre möglich, wenn nur die Zeichen der Zeit in dieser Richtung – insbesondere auch von den Kirchen – erkannt würden. Es ginge darum, mit Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen gemeinsam an einem konstruktiven, lebensfördernden Umgang mit Pluralität zu arbeiten und damit in unserem pluralen gesellschaftlichen Kontext den Grenzgang zwischen Konturen und Offenheit zu wagen und aneinander, voneinander und in Auseinandersetzung miteinander zu lernen.

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Es zeigt sich: Die Rolle der ReligionslehrerInnen wird vom gesellschaftlich-wirtschaftlich-politischen System her immer mehr in Frage gestellt, aus theologischer Perspektive aber (derjenigen Perspektive, die thematisiert, wovon Heil aufs Ganze gesehen und wenn „alle Netze zerreißen“ erwartet werden kann) ist der Dienst der ReligionslehrerInnen mehr denn je dringend erforderlich.

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Helga Nowotny, Wissenschaftstheoretikerin, bringt es (für die Wissenschaft!!) auf den Punkt, wenn sie schreibt:

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„Visionen, Bilder und Glaubensvorstellungen lassen sich nicht scharf von Wissen abgrenzen, denn dieses wurzelt unaufhebbar in bestimmten Glaubenssätzen. Neben vielem anderem ist Wissenschaft deshalb auch ein Glaubenssystem. Weit davon entfernt, gefährliche Illusionen oder utopische Projektionen zu sein, sind Visionen eine kostbare Ressource, ein immaterieller Vermögenswert, der dabei behilflich zu sein vermag, das unverzichtbare, gewöhnlich jedoch fehlende Verbindungsglied zwischen Wissen und Tun bereitzustellen. Doch will man ihre Bedeutung würdigen, muss man verstehen, wo diese Visionen der Wissenschaft ihren Ursprung haben und wie und von wem sie ausgestaltet werden.“ (1)

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Das, was Helga Nowotny hier für die Wissenschaft thematisiert, trifft genau auch für den Religionsunterricht zu: Es geht darum, zu thematisieren und herauszufinden, welcher Art gesellschaftliche/unsere Visionen, Sehnsüchte, Träume sind. Es geht darum, mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam über die Rolle zu reden, die diese Glaubensvorstellungen und Visionen im Leben der Menschen/in unserem Leben spielen, welchen Ursprung und welche Wirkung sie haben. Es gehört zur Aufgabe von ReligionslehrerInnen erkennen zu können, welche Formen von Religion „in der Luft liegen“, welche theologischen Themen in Gesellschaft/Schule/Medien gerade implizit sichtbar werden, wo es um Gottes- oder Götzenbilder, Gnade, Erlösung, Heil geht, auch dann, wenn explizit nicht die Rede davon ist. Es gehört zu ihrem Handwerk, diese Botschaften mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam zu erschließen, deren lebensentfaltende oder lebensverweigernde Wirkungen gemeinsam zu thematisieren und durch die explizite Einführung und Verwendung der christlich-theologischen Ausdrücke (nicht durch deren Vermeidung oder Tabuisierung) die Grundoptionen der christlichen Botschaft deutlich werden zu lassen.

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Angefragtsein

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Ich möchte die Frage, was den Religionslehrer/die Religionslehrerin in seiner/ihrer Rolle charakterisiert, weiter führen und gehe auf den prophetisch-missionarischen Aspekt, das Angefragtsein, ein.

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Zunächst: Im Religionsunterricht darf man/frau Fragen stellen, man hat mit seiner Endlichkeit, Unvollkommenheit, „Gebrochenheit“ Platz. Das ist im Kontext der Machbarkeitsvorstellungen von Pädagogik und Didaktik ein befreiendes Stück Leben, das im Religionsunterricht gelebt werden darf. Es bedeutet aber auch eine Herausforderung für den Religionsunterricht/die ReligionslehrerInnen: Es erfordert die Kompetenz, mit Fragmentarität, Zerrissenheit, Zerbrechlichkeit, Scheitern umgehen zu können, es erfordert eine gebrochene Didaktik – wie Werner Tzscheetzsch es einmal formuliert hat. Das aber ist angesichts des Exzellenz- und Perfektionswahns, der heute – auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich – vorherrscht, schwer. Gerade in Bezug auf diesen Punkt ist man als Religionslehrer/Religionslehrerin exponiert im System.

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Trotz aller Zerrissenheiten, trotz aller Fragmentarisierung von Lebenskonzepten ist der Religionsunterricht aber auch derjenige Ort innerhalb der Schule, wo der ganze Mensch – und damit Bildung im ursprünglichen Sinn des Wortes – in den Blick kommen. Wir Menschen von heute haben gelernt, in Form von Trennungen zu denken: Es gibt immer mehr Unterscheidungen und Differenzierungen, kaum mehr Zusammenschau. Verselbständigung von Einzelgesichtspunkten und Mechanisierungen (2) sind die Folge. Der Religionsunterricht stellt hier eine kreative Unterbrechung, einen Blickwechsel dar, er ist der Zusammenschau verpflichtet. Das ist eine weitere Facette, die das Handeln von Religionslehrerinnen und Religionslehrern zu einem klar kirchlichen Handeln macht. In diesem Sinne kann man von diakonischem Handeln der ReligionslehrerInnen im Namen der Kirche für eine veränderte, menschenwürdigere, befreitere Gesellschaft sprechen.

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Damit kommt die zweite Facette des Angefragtseins in den Blick. Sie bezieht sich auf das In-Frage-gestellt-Werden innerhalb von Gesellschaft und innerhalb von Kirche. ReligionslehrerInnen tragen zu Aufbrüchen bei, bringen Wahrnehmungen aus der Gesellschaft in die Kirche ein, lassen kirchliche Ausblendungen und Tabuisierungen in den Blick kommen und ermöglichen so ein Stück Durchlässigkeit. Gleichzeitig aber stellen sie immer auch ein Stück Unplausibilität dar. Dieses – mitunter sperrige – Stück Unplausibilität inmitten oft allzu selbstverständlicher gesellschaftlicher und kirchlicher Plausibilitäten gehört zur Rolle der ReligionslehrerInnen, macht diese Rolle manchmal zu einer großen Last, sehr oft aber werden ReligionslehrerInnen gerade durch diese Rolle zu ProphetInnen, innerhalb von Kirche und innerhalb von Gesellschaft.

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Zum Angefragtsein gehört noch ein weiterer, der missionarische Aspekt: das Sich-Anfragen-Lassen. Damit ist gemeint: auf andere zugehen, in deren Leben treten, sich berührbar machen, exponiert sein und dieses Exponiertsein ertragen können. Denn das Exponiertsein beinhaltet große Risiken, es kann bedeuten: sich zu sehr auszusetzen; allein gelassen zu werden; sich verletzlich und angreifbar zu machen; Unverständnis und Ablehnung erfahren; Zielpunkt von Spott zu werden; Missverständnisse in Kauf nehmen zu müssen. Eine bewusst übernommene missionarische Haltung lässt sich von diesen Risiken nicht nachhaltig beirren, schreckt nicht davor zurück, gibt nicht auf, sondern wagt das Trotzdem. Denn gerade durch das bewusste Sich-Aussetzen dort, wo der Rückzug ins Innen gepflegt wird, durch die Berührung dort, wo Unempfindlichkeit und Unverwundbarkeit gemimt werden, durch das Wagnis dort, wo die Absicherung zum Leitprinzip geworden ist, kann Gemeinschaft und Beziehung, können Kommunikation und Aufbrüche möglich werden.

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Mit all diesen Facetten verkörpern (vgl. Ez 3, 1-3; wo der Prophet aufgefordert wird, sich die Schriftrolle einzuverleiben, sie zu essen und damit die Botschaft zu verkörpern) Religionslehrerinnen und Religionslehrer ihrem Auftrag nach, mit ihrer ganzen Person und ihrer konkreten, auch brüchigen Lebensgeschichte (vielleicht gerade durch ihre Brüchigkeit) die Botschaft vom Reich Gottes, ein Stück Geschichte Gottes mit den Menschen. Damit thematisieren sie ständig – mit ihrer ganzen Person – die Tragfähigkeit von Lebensorientierungen, die Kräfte und Grenzen der Menschen/die eigenen Kräfte und Grenzen.

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Doch: Ist das überhaupt möglich? Ohne sich zu verlieren? Ohne in die Rolle der Unberührbaren und Belehrenden zu kommen, die keinen Platz mehr für Überraschungen lässt? Gibt es nicht gerade im Hinblick auf diesen prophetischen Aspekt große „Fallen“? Die – eigenmächtige – Trennung in Gut und Böse, in Rein und Unrein, in Drinnen und Draußen?

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Inmitten und nicht außerhalb

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Damit komme ich zu weiteren Stichwörtern, die das Leben von ReligionslehrerInnen charakterisieren: das Inmitten und nicht außerhalb. Wie kann ich als Religionslehrerin/Religionslehrer „Salz der Erde“ sein? Das aber nicht, indem ich mich abschotte von der Gesellschaft, mich zum heiligen Rest zähle, sondern, indem ich – mir meiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst – inmitten und nicht außerhalb der mich umgebenden Kulturen lebe, handle, vom Reich Gottes künde? Wie kann ich inmitten von alldem durchscheinend für das Handeln Gottes an den Menschen sein/werden? Wie kann in Didaktik und Pädagogik ein Stück weit christliche Lebenskultur durchscheinen, wie kann ein Stück weit eine Ahnung von einem noch anderen Leben entstehen? Einem Leben, dessen Perspektiven sich nicht erschöpfen in dem, was ist oder was war?

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Gerade Didaktik und Pädagogik enthalten die große Verführung, die Welt und den Menschen primär aus der Perspektive des optimistischen Handelnkönnens, der frohgemuten Aktivität, der prinzipiellen Machbarkeit, der „Normalität“ zu sehen und das, was dem entgegensteht (Zerbrechlichkeit, Krankheit, Behinderung, Tod, Erfolglosigkeit … ), auszublenden. Genau an dieser Stelle scheint das Befreiende der christlichen Botschaft im Kontext Schule durch. Inmitten – und nicht unter Ausblendung –, inmitten aller Fixierungen hält sie ein Stück weit einen anderen Horizont/eine andere Perspektive offen. Das Dennoch-Festhalten an der Hoffnung auf Wandlung – manchmal entgegen allem Anschein und entgegen allem, was der Fall ist – kann ein stückweises Lösen aus Fixierungen bedeuten, kann ein neues Selbstbewusstsein, das sich nicht allein aus Leistung speist, ermöglichen. Es lässt ins Blickfeld kommen, dass man Mensch nicht durch Verdienst, sondern zuallererst durch die Berührung Gottes wird, vorweg und ungeschuldet. Es weitet sich der Horizont daraufhin, dass ich als Christ/Christin und Religionslehrer/in nie alleine bin, sondern immer in Gemeinschaften mit hinein verwoben bin, durch die auch ich die Gnade Gottes erfahren kann. Damit kehrt sich die Frage von zu Beginn um und entlastet. Nicht nur: Was symbolisiere ich, sondern auch: Was symbolisieren andere für mich/wir für einander? Wo können wir aneinander/füreinander Nähe/Gegenwart Gottes erfahren? Stückweise authentisch bleiben? Und das mitten im leistungs- und machbarkeitsverführbaren Kontext Schule/Bildung/Kirche, in dem die Pragmatik sehr oft unvereinbar mit der Theologie scheint.

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Das bisher Gesagte hängt eng an der Möglichkeit von Authentizität und somit an der Grundfrage: Wie kann ich in diesem Beziehungsgeflecht Schule und Kirche und inmitten des auf Schule und Religionsunterricht einwirkenden Kontextes authentisch sein/bleiben? Angesichts aller divergierenden Erwartungen und Vorstellungen? Wie sehr wird mir das auch von den anderen Beteiligten im Beziehungsnetz, den SchülerInnen, Eltern, KollegInnen, schulischen und kirchlichen Vorgesetzten, pfarrlichen AnsprechpartnerInnen ermöglicht oder verunmöglicht? Wie verletzbar kann ich mich machen? Oder wie sehr muss ich mir den Anschein der Unverletzbarkeit, Unberührbarkeit, Perfektion geben? Das scheint mir eine der ganz großen (auch ungelösten und im Grunde unlösbaren) Grundspannungen zu sein, in der man als Religionslehrer/Religionslehrerin lebt.

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Spiegelungen (3)

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Diese Grundspannung zeigt sich auch in einer weiteren Facette: Das Beziehungsgeflecht, in dem ich mich als Religionslehrerin/Religionslehrer befinde, ist in vielen Bereichen bestimmt von einander konkurrierenden Interessen. Das bedeutet: Ich kann mich nicht heraushalten, nicht unberührt, unschuldig und rein halten, werde automatisch in die Interessen anderer und auch in meine eigenen verstrickt und muss inmitten all dieser Verstrickungen, Abhängigkeiten, Projektionen und Spiegelungen leben und verkündigen lernen. Wir alle haben von klein auf gelernt, sowohl uns selber in Beziehung zu anderen wie auch andere in Beziehung zu uns zu setzen. Dieses In-Beziehung-Setzen ist aber nicht immer nur ein harmonisches Lernen, ein liebliches Aneignen, sondern sehr oft fordernd, berechnend, macht- und ohnmachtbesetzt bis hin zur Gewaltausübung in allen Formen und Nuancen. Der Lernprozess bringt es mit sich, dass wir uns mit anderen vergleichen, uns an anderen ausrichten, messen, eigenen Erfolg bzw. Misserfolg von anderen abhängig machen, auch, dass wir andere für eigene Zwecke gebrauchen. Das bringt uns in Abhängigkeiten, lässt uns um Bestätigung, Anerkennung und Status buhlen. Gerade diese Gesichtspunkte werden in der Ausbildung von

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Lehrenden sehr oft vernachlässigt, die schwierige Seite wird meist verschwiegen und durch „leichter handhabbare“ und weniger gefährliche Lerntheorien überdeckt. Insbesondere aus theologischem Blickwinkel ginge es darum, auch den verstörenden Aspekten von Lehren und Lernen Raum zu geben, Sensibilität dafür zu wecken und das Potenzial des christlichen Glaubens für einen lebensförderlichen Umgang mit diesen Facetten sichtbar zu machen.

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Unterbrechungen

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Ich habe mit einigen Stichworten versucht, die Dynamik des Beziehungsfeldes, in dem sich Religionslehrerinnen und Religionslehrer befinden, aus theologischer Perspektive zu schildern. Zum Schluss kehre ich zum Thema der Tagung „Unterbrechungen“ zurück. Ich denke, es ist deutlich geworden, wie involviert der Religionslehrer/die Religionslehrerin in all diesen Prozessen ist, wie schwierig es ist, an der Grenze zu gehen, mit dem Angefragtsein umzugehen, das Exponiertsein im System nicht nur zu ertragen, sondern auch Motivation und Arbeitsfreude daraus beziehen zu können. Damit all das – stückweise – möglich werden kann, braucht es das Zurücktreten und „Drüberschauen“, braucht es Raum für Unterbrechungen. Diese können eine Gelegenheit sein, die alltäglichen Abhängigkeiten, Bestätigungsmuster, Fixierungen in den Blick zu nehmen und loslassen zu können. Sie können in einem neuen Erspüren von Gewichtungen bestehen, in der Sensibilität für das Geschenkte, aber auch für die Bedeutung des Mangels, in einem neuen Umgang mit dem, was ich brauche; im bewussten Erleben von Freude, Angenommensein und Miteinander ebenso wie im bewussten Durchstehen von Enttäuschungen und Ohnmacht. Die größte Bedeutung haben aber Unterbrechungen, die der Kontemplation, dem Ausgerichtetsein auf Gott, den verschiedenen Formen des Gottesdienstes und des Feierns Raum geben. Sie ermöglichen es uns allen, die Grenzgänge zwischen innerhalb und außerhalb, das Angefragtsein, das Exponiertsein im System, die verstörenden Aspekte von Lehren und Lernen in der Spannung von Heilsamkeit und Verführbarkeit bewusst annehmen zu können.

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Anmerkungen:

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1. Nowotny, Helga / Scott, Peter / Gibbens, Michael, Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit, Weilerswist 2004, 287.

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2. Vgl. zum Thema Mechanisierungen: Fuchs, Thomas, Die Mechanisierung des Herzens, Frankfurt a. Main 1998.

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3. Zum Thema Spiegelungen vgl. die Veröffentlichungen des Forschungsschwerpunktes Religion – Gewalt – Kommunikation – Weltordnung an der Theologischen Fakultät Innsbruck ebenso wie die Arbeiten der Religionspädagogin Ulrike Greiner.

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Grenzgänge

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Der Religionslehrer/die Religionslehrerin ist Grenzgänger/Grenzgängerin an der Grenze zwischen „Innen“ und „Außen“, zwischen binnenkirchlichem und „profan“-gesellschaftlichem Raum (auch wenn natürlich die Grenzziehungen immer wieder unterschiedlich, die Grenzen fließend sind und es den „profanen“ Raum im engeren Sinn nicht gibt). Es ist für das In-der-Welt-sein-Können von Kirche unerlässlich, dass Menschen diese sehr oft belastenden und schwierigen Grenzgänge wagen. Sie tragen dazu bei, dass Gesellschaft und Kirche nicht auseinander fallen. Jeden Tag, wenn ReligionslehrerInnen die Klasse betreten, sind sie mit dem gesamten Beziehungsgeflecht in seiner Dynamik konfrontiert. Sie spüren die Spannungen, all das, was nebeneinander Platz hat/Platz haben muss: die Playstation, die Simpsons, Harry Potter, Werbung jede Menge, unterschiedliche Lebensvorstellungen, unterschiedlichste Vorstellungen von Glück und gelingendem Leben. ReligionslehrerInnen haben ein riesiges Feld vor sich, in dem sie Theologie betreiben, „PioniertheologInnen“ sind, wie es Roman Siebenrock ausdrückt. Denn es dreht sich – genau besehen – alles um Lebensgewichtungen, darum, woran Menschen, Kinder und Jugendliche, ihr Herz hängen und darum, was das jeweils für Konsequenzen mit sich bringt. Es geht um Themen wie gelingendes Leben, Erfüllung und Vollendung, Erlösung, Schuld, Ausgrenzung, Angenommensein. „Religion“ liegt also auch in der – „profanen“ Schule ständig „in der Luft“.

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„Religion liegt in der Luft“ – aber wird sie auch greifbar? Wird sie zum Gesprächsthema? Viel zu selten, obwohl es dringend erforderlich wäre. Denn die inhaltlichen Vorstellungen darüber, was ein glückliches Leben ausmacht, was Erfüllung, Erlösung und Befreiung sind, worin sie bestehen und wovon sie erhofft werden können, die sind in einer Schulklasse längst nicht mehr einheitlich, sondern sehr unterschiedlich und mitunter sehr widersprüchlich. Sie sind auch nicht mehr durch den christlich-kirchlichen Rahmen bestimmt, sondern werden vor allem durch Medien wie Zeitungen, Fernsehen, Filme, Internet, Computerspiele etc. vermittelt. Das bedeutet für uns als ReligionslehrerInnen: Andere, nicht wir, produzieren tagtäglich Sinn-Bilder, Bilder vom „gelingenden“ Leben, Gottes- und Götzenbilder als Bilder von dem, woran man – „erfolgreich“ – sein Leben hängt. Sie produzieren Bilder vom (erfolgreichen) Menschsein und Bilder vom „gelingenden“ Wir, von „gelingender“ Gemeinschaft, „erfolgreicher“ Kommunikation und Kommunion. Andere, nicht wir, produzieren Sehnsüchte, Träume und Bedürfnisse in jungen Menschen, oft längst schon bevor wir die Klasse betreten haben. Dabei zeigt sich, dass diese Produktionsstätten „gelingenden Lebens“ sich kaum nach dem ausrichten, was den Menschen aufs Ganze gesehen und nachhaltig Heil und Lebensentfaltung bringen kann, sondern mehr nach kurzfristigen (ökonomischen) Eigeninteressen.

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Noch eines soll im Hinblick auf das Innen und Außen bewusst gemacht werden: Religionslehrerinnen und Religionslehrer reden an einem Ort von Gott, wo sich immer mehr Menschen das Wort „Gott“ gar nicht mehr in den Mund zu nehmen trauen. Den ReligionslehrerInnen ist es zu verdanken, dass die Rede von Gott in vielen unserer Schulen und damit auch in weiten Bereichen unserer Gesellschaft nicht schon längst tabuisiert wird, sondern noch immer so präsent ist wie sie es ist. Im Dienst der Kirche stehend, vermögen sie es, Kindern und Jugendlichen aus der Perspektive christlicher Lebenskultivierung Auseinandersetzung um lebensermöglichende und lebensentfaltende Orientierung zu bieten. Bei aller Unzulänglichkeit und Brüchigkeit gelingt es ihnen immer wieder, Kinder und Jugendliche erahnen zu lassen, was „Leben in Fülle“ heißt. Es gelingt ihnen, kurzlebigen und stark bedürfnisorientierten gesellschaftlichen Trends entgegen zu wirken und durch ihr Leben und ihre Arbeit Zeichen zu setzen. Es gelingt – bei aller Bruchstückhaftigkeit -, der allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellung vom schnellen Erfolg zu widerstehen und damit leben zu können, dass nachhaltig gelingendes Leben nicht schnell erreichbar, nicht auf den ersten Blick sichtbar, nicht leicht messbar und vor allem nicht machbar ist. Damit leistet die Kirche in der Person und im Handeln von Religionslehrerinnen und Religionslehrern einen unverzichtbaren diakonischen Dienst an der Gesellschaft.

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In der Spannung von Heilsamkeit und Verführbarkeit

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Wir können eine paradoxe Entwicklung beobachten: Einerseits werden explizite weltanschauliche Orientierungen wie z. B. institutionalisierte Religionen immer mehr zurückgedrängt, für „altmodisch“ gehalten, es lässt sich in gewissem Sinne eine Glaubens- und Theologievergessenheit diagnostizieren, andrerseits aber bahnen sich religiöse Sehnsüchte auseinandersetzungslos, „wild“, rahmen-los und grenzen-los ihren Weg, so dass deren Heilsamkeit oder Verführbarkeit gesellschaftlich kaum greifbar wird, deshalb kaum thematisiert wird bzw. auch nicht thematisiert werden kann. Die tagtägliche Bildungsdiskussion ist ein Beispiel dafür: Es wird gerade in der Bildungspolitik, in Bildungsinstitutionen und in der Bildungswissenschaft sehr intensiv über „Qualität“ geredet, „Qualität“ wird an allen Ecken und Enden eingefordert. Deutlich seltener jedoch wird gefragt, welche Qualität denn angezielt werden soll, werden inhaltliche Qualitätskriterien thematisiert und noch viel weniger kommt man auf die normativ-weltanschaulichen Hintergründe von Qualitätsauffassungen zu reden. Dass Bildung mit Bildern und Träumen vom gelingenden Leben, mit Erlösungsvorstellungen und Emanzipationssehnsüchten zu tun hat und dass die Qualität von Bildung mit der Qualität dieser Bilder, mit deren Heilsamkeit oder deren Verführbarkeit zusammenhängt, das wird immer mehr ausgeblendet.

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Einer der Gründe für diese Tabuisierung dieser Fragen liegt wohl darin, dass wir alle, insbesondere aber auch die Politik auf den verschiedensten Ebenen, viel zu wenig gelernt haben, mit Pluralität konstruktiv umzugehen. Hilflosigkeit und Lähmung kennzeichnen fast überall, wohin man blickt, den Umgang mit Pluralität. Auswege werden im Namhaftmachen rein formaler Kriterien wie Mobilität, Vernetzung etc. gesucht.

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Gerade hier – in der Thematisierung und im Versuch einer anderen als der rein formalen Bewältigung dieser Lähmung und Hilflosigkeit – liegen große Herausforderungen für die Theologie und den Religionsunterricht. Darin lassen sich auch große Chancen für eine neue Kontextualisierung theologischen Wissens erkennen. Eine fruchtbringende Zusammenarbeit zwischen den in den verschiedenen Feldern arbeitenden Theologinnen und Theologen (Schule, Universität, Gemeinde etc.) gemeinsam mit den Kirchen wäre möglich, wenn nur die Zeichen der Zeit in dieser Richtung – insbesondere auch von den Kirchen – erkannt würden. Es ginge darum, mit Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen gemeinsam an einem konstruktiven, lebensfördernden Umgang mit Pluralität zu arbeiten und damit in unserem pluralen gesellschaftlichen Kontext den Grenzgang zwischen Konturen und Offenheit zu wagen und aneinander, voneinander und in Auseinandersetzung miteinander zu lernen.

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Es zeigt sich: Die Rolle der ReligionslehrerInnen wird vom gesellschaftlich-wirtschaftlich-politischen System her immer mehr in Frage gestellt, aus theologischer Perspektive aber (derjenigen Perspektive, die thematisiert, wovon Heil aufs Ganze gesehen und wenn „alle Netze zerreißen“ erwartet werden kann) ist der Dienst der ReligionslehrerInnen mehr denn je dringend erforderlich.

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Helga Nowotny, Wissenschaftstheoretikerin, bringt es (für die Wissenschaft!!) auf den Punkt, wenn sie schreibt:

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„Visionen, Bilder und Glaubensvorstellungen lassen sich nicht scharf von Wissen abgrenzen, denn dieses wurzelt unaufhebbar in bestimmten Glaubenssätzen. Neben vielem anderem ist Wissenschaft deshalb auch ein Glaubenssystem. Weit davon entfernt, gefährliche Illusionen oder utopische Projektionen zu sein, sind Visionen eine kostbare Ressource, ein immaterieller Vermögenswert, der dabei behilflich zu sein vermag, das unverzichtbare, gewöhnlich jedoch fehlende Verbindungsglied zwischen Wissen und Tun bereitzustellen. Doch will man ihre Bedeutung würdigen, muss man verstehen, wo diese Visionen der Wissenschaft ihren Ursprung haben und wie und von wem sie ausgestaltet werden.“ (1)

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Das, was Helga Nowotny hier für die Wissenschaft thematisiert, trifft genau auch für den Religionsunterricht zu: Es geht darum, zu thematisieren und herauszufinden, welcher Art gesellschaftliche/unsere Visionen, Sehnsüchte, Träume sind. Es geht darum, mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam über die Rolle zu reden, die diese Glaubensvorstellungen und Visionen im Leben der Menschen/in unserem Leben spielen, welchen Ursprung und welche Wirkung sie haben. Es gehört zur Aufgabe von ReligionslehrerInnen erkennen zu können, welche Formen von Religion „in der Luft liegen“, welche theologischen Themen in Gesellschaft/Schule/Medien gerade implizit sichtbar werden, wo es um Gottes- oder Götzenbilder, Gnade, Erlösung, Heil geht, auch dann, wenn explizit nicht die Rede davon ist. Es gehört zu ihrem Handwerk, diese Botschaften mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam zu erschließen, deren lebensentfaltende oder lebensverweigernde Wirkungen gemeinsam zu thematisieren und durch die explizite Einführung und Verwendung der christlich-theologischen Ausdrücke (nicht durch deren Vermeidung oder Tabuisierung) die Grundoptionen der christlichen Botschaft deutlich werden zu lassen.

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Angefragtsein

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Ich möchte die Frage, was den Religionslehrer/die Religionslehrerin in seiner/ihrer Rolle charakterisiert, weiter führen und gehe auf den prophetisch-missionarischen Aspekt, das Angefragtsein, ein.

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Zunächst: Im Religionsunterricht darf man/frau Fragen stellen, man hat mit seiner Endlichkeit, Unvollkommenheit, „Gebrochenheit“ Platz. Das ist im Kontext der Machbarkeitsvorstellungen von Pädagogik und Didaktik ein befreiendes Stück Leben, das im Religionsunterricht gelebt werden darf. Es bedeutet aber auch eine Herausforderung für den Religionsunterricht/die ReligionslehrerInnen: Es erfordert die Kompetenz, mit Fragmentarität, Zerrissenheit, Zerbrechlichkeit, Scheitern umgehen zu können, es erfordert eine gebrochene Didaktik – wie Werner Tzscheetzsch es einmal formuliert hat. Das aber ist angesichts des Exzellenz- und Perfektionswahns, der heute – auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich – vorherrscht, schwer. Gerade in Bezug auf diesen Punkt ist man als Religionslehrer/Religionslehrerin exponiert im System.

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Trotz aller Zerrissenheiten, trotz aller Fragmentarisierung von Lebenskonzepten ist der Religionsunterricht aber auch derjenige Ort innerhalb der Schule, wo der ganze Mensch – und damit Bildung im ursprünglichen Sinn des Wortes – in den Blick kommen. Wir Menschen von heute haben gelernt, in Form von Trennungen zu denken: Es gibt immer mehr Unterscheidungen und Differenzierungen, kaum mehr Zusammenschau. Verselbständigung von Einzelgesichtspunkten und Mechanisierungen (2) sind die Folge. Der Religionsunterricht stellt hier eine kreative Unterbrechung, einen Blickwechsel dar, er ist der Zusammenschau verpflichtet. Das ist eine weitere Facette, die das Handeln von Religionslehrerinnen und Religionslehrern zu einem klar kirchlichen Handeln macht. In diesem Sinne kann man von diakonischem Handeln der ReligionslehrerInnen im Namen der Kirche für eine veränderte, menschenwürdigere, befreitere Gesellschaft sprechen.

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Damit kommt die zweite Facette des Angefragtseins in den Blick. Sie bezieht sich auf das In-Frage-gestellt-Werden innerhalb von Gesellschaft und innerhalb von Kirche. ReligionslehrerInnen tragen zu Aufbrüchen bei, bringen Wahrnehmungen aus der Gesellschaft in die Kirche ein, lassen kirchliche Ausblendungen und Tabuisierungen in den Blick kommen und ermöglichen so ein Stück Durchlässigkeit. Gleichzeitig aber stellen sie immer auch ein Stück Unplausibilität dar. Dieses – mitunter sperrige – Stück Unplausibilität inmitten oft allzu selbstverständlicher gesellschaftlicher und kirchlicher Plausibilitäten gehört zur Rolle der ReligionslehrerInnen, macht diese Rolle manchmal zu einer großen Last, sehr oft aber werden ReligionslehrerInnen gerade durch diese Rolle zu ProphetInnen, innerhalb von Kirche und innerhalb von Gesellschaft.

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Zum Angefragtsein gehört noch ein weiterer, der missionarische Aspekt: das Sich-Anfragen-Lassen. Damit ist gemeint: auf andere zugehen, in deren Leben treten, sich berührbar machen, exponiert sein und dieses Exponiertsein ertragen können. Denn das Exponiertsein beinhaltet große Risiken, es kann bedeuten: sich zu sehr auszusetzen; allein gelassen zu werden; sich verletzlich und angreifbar zu machen; Unverständnis und Ablehnung erfahren; Zielpunkt von Spott zu werden; Missverständnisse in Kauf nehmen zu müssen. Eine bewusst übernommene missionarische Haltung lässt sich von diesen Risiken nicht nachhaltig beirren, schreckt nicht davor zurück, gibt nicht auf, sondern wagt das Trotzdem. Denn gerade durch das bewusste Sich-Aussetzen dort, wo der Rückzug ins Innen gepflegt wird, durch die Berührung dort, wo Unempfindlichkeit und Unverwundbarkeit gemimt werden, durch das Wagnis dort, wo die Absicherung zum Leitprinzip geworden ist, kann Gemeinschaft und Beziehung, können Kommunikation und Aufbrüche möglich werden.

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Mit all diesen Facetten verkörpern (vgl. Ez 3, 1-3; wo der Prophet aufgefordert wird, sich die Schriftrolle einzuverleiben, sie zu essen und damit die Botschaft zu verkörpern) Religionslehrerinnen und Religionslehrer ihrem Auftrag nach, mit ihrer ganzen Person und ihrer konkreten, auch brüchigen Lebensgeschichte (vielleicht gerade durch ihre Brüchigkeit) die Botschaft vom Reich Gottes, ein Stück Geschichte Gottes mit den Menschen. Damit thematisieren sie ständig – mit ihrer ganzen Person – die Tragfähigkeit von Lebensorientierungen, die Kräfte und Grenzen der Menschen/die eigenen Kräfte und Grenzen.

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Doch: Ist das überhaupt möglich? Ohne sich zu verlieren? Ohne in die Rolle der Unberührbaren und Belehrenden zu kommen, die keinen Platz mehr für Überraschungen lässt? Gibt es nicht gerade im Hinblick auf diesen prophetischen Aspekt große „Fallen“? Die – eigenmächtige – Trennung in Gut und Böse, in Rein und Unrein, in Drinnen und Draußen?

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Inmitten und nicht außerhalb

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Damit komme ich zu weiteren Stichwörtern, die das Leben von ReligionslehrerInnen charakterisieren: das Inmitten und nicht außerhalb. Wie kann ich als Religionslehrerin/Religionslehrer „Salz der Erde“ sein? Das aber nicht, indem ich mich abschotte von der Gesellschaft, mich zum heiligen Rest zähle, sondern, indem ich – mir meiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst – inmitten und nicht außerhalb der mich umgebenden Kulturen lebe, handle, vom Reich Gottes künde? Wie kann ich inmitten von alldem durchscheinend für das Handeln Gottes an den Menschen sein/werden? Wie kann in Didaktik und Pädagogik ein Stück weit christliche Lebenskultur durchscheinen, wie kann ein Stück weit eine Ahnung von einem noch anderen Leben entstehen? Einem Leben, dessen Perspektiven sich nicht erschöpfen in dem, was ist oder was war?

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Gerade Didaktik und Pädagogik enthalten die große Verführung, die Welt und den Menschen primär aus der Perspektive des optimistischen Handelnkönnens, der frohgemuten Aktivität, der prinzipiellen Machbarkeit, der „Normalität“ zu sehen und das, was dem entgegensteht (Zerbrechlichkeit, Krankheit, Behinderung, Tod, Erfolglosigkeit … ), auszublenden. Genau an dieser Stelle scheint das Befreiende der christlichen Botschaft im Kontext Schule durch. Inmitten – und nicht unter Ausblendung –, inmitten aller Fixierungen hält sie ein Stück weit einen anderen Horizont/eine andere Perspektive offen. Das Dennoch-Festhalten an der Hoffnung auf Wandlung – manchmal entgegen allem Anschein und entgegen allem, was der Fall ist – kann ein stückweises Lösen aus Fixierungen bedeuten, kann ein neues Selbstbewusstsein, das sich nicht allein aus Leistung speist, ermöglichen. Es lässt ins Blickfeld kommen, dass man Mensch nicht durch Verdienst, sondern zuallererst durch die Berührung Gottes wird, vorweg und ungeschuldet. Es weitet sich der Horizont daraufhin, dass ich als Christ/Christin und Religionslehrer/in nie alleine bin, sondern immer in Gemeinschaften mit hinein verwoben bin, durch die auch ich die Gnade Gottes erfahren kann. Damit kehrt sich die Frage von zu Beginn um und entlastet. Nicht nur: Was symbolisiere ich, sondern auch: Was symbolisieren andere für mich/wir für einander? Wo können wir aneinander/füreinander Nähe/Gegenwart Gottes erfahren? Stückweise authentisch bleiben? Und das mitten im leistungs- und machbarkeitsverführbaren Kontext Schule/Bildung/Kirche, in dem die Pragmatik sehr oft unvereinbar mit der Theologie scheint.

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Das bisher Gesagte hängt eng an der Möglichkeit von Authentizität und somit an der Grundfrage: Wie kann ich in diesem Beziehungsgeflecht Schule und Kirche und inmitten des auf Schule und Religionsunterricht einwirkenden Kontextes authentisch sein/bleiben? Angesichts aller divergierenden Erwartungen und Vorstellungen? Wie sehr wird mir das auch von den anderen Beteiligten im Beziehungsnetz, den SchülerInnen, Eltern, KollegInnen, schulischen und kirchlichen Vorgesetzten, pfarrlichen AnsprechpartnerInnen ermöglicht oder verunmöglicht? Wie verletzbar kann ich mich machen? Oder wie sehr muss ich mir den Anschein der Unverletzbarkeit, Unberührbarkeit, Perfektion geben? Das scheint mir eine der ganz großen (auch ungelösten und im Grunde unlösbaren) Grundspannungen zu sein, in der man als Religionslehrer/Religionslehrerin lebt.

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Spiegelungen (3)

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Diese Grundspannung zeigt sich auch in einer weiteren Facette: Das Beziehungsgeflecht, in dem ich mich als Religionslehrerin/Religionslehrer befinde, ist in vielen Bereichen bestimmt von einander konkurrierenden Interessen. Das bedeutet: Ich kann mich nicht heraushalten, nicht unberührt, unschuldig und rein halten, werde automatisch in die Interessen anderer und auch in meine eigenen verstrickt und muss inmitten all dieser Verstrickungen, Abhängigkeiten, Projektionen und Spiegelungen leben und verkündigen lernen. Wir alle haben von klein auf gelernt, sowohl uns selber in Beziehung zu anderen wie auch andere in Beziehung zu uns zu setzen. Dieses In-Beziehung-Setzen ist aber nicht immer nur ein harmonisches Lernen, ein liebliches Aneignen, sondern sehr oft fordernd, berechnend, macht- und ohnmachtbesetzt bis hin zur Gewaltausübung in allen Formen und Nuancen. Der Lernprozess bringt es mit sich, dass wir uns mit anderen vergleichen, uns an anderen ausrichten, messen, eigenen Erfolg bzw. Misserfolg von anderen abhängig machen, auch, dass wir andere für eigene Zwecke gebrauchen. Das bringt uns in Abhängigkeiten, lässt uns um Bestätigung, Anerkennung und Status buhlen. Gerade diese Gesichtspunkte werden in der Ausbildung von

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Lehrenden sehr oft vernachlässigt, die schwierige Seite wird meist verschwiegen und durch „leichter handhabbare“ und weniger gefährliche Lerntheorien überdeckt. Insbesondere aus theologischem Blickwinkel ginge es darum, auch den verstörenden Aspekten von Lehren und Lernen Raum zu geben, Sensibilität dafür zu wecken und das Potenzial des christlichen Glaubens für einen lebensförderlichen Umgang mit diesen Facetten sichtbar zu machen.

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Unterbrechungen

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Ich habe mit einigen Stichworten versucht, die Dynamik des Beziehungsfeldes, in dem sich Religionslehrerinnen und Religionslehrer befinden, aus theologischer Perspektive zu schildern. Zum Schluss kehre ich zum Thema der Tagung „Unterbrechungen“ zurück. Ich denke, es ist deutlich geworden, wie involviert der Religionslehrer/die Religionslehrerin in all diesen Prozessen ist, wie schwierig es ist, an der Grenze zu gehen, mit dem Angefragtsein umzugehen, das Exponiertsein im System nicht nur zu ertragen, sondern auch Motivation und Arbeitsfreude daraus beziehen zu können. Damit all das – stückweise – möglich werden kann, braucht es das Zurücktreten und „Drüberschauen“, braucht es Raum für Unterbrechungen. Diese können eine Gelegenheit sein, die alltäglichen Abhängigkeiten, Bestätigungsmuster, Fixierungen in den Blick zu nehmen und loslassen zu können. Sie können in einem neuen Erspüren von Gewichtungen bestehen, in der Sensibilität für das Geschenkte, aber auch für die Bedeutung des Mangels, in einem neuen Umgang mit dem, was ich brauche; im bewussten Erleben von Freude, Angenommensein und Miteinander ebenso wie im bewussten Durchstehen von Enttäuschungen und Ohnmacht. Die größte Bedeutung haben aber Unterbrechungen, die der Kontemplation, dem Ausgerichtetsein auf Gott, den verschiedenen Formen des Gottesdienstes und des Feierns Raum geben. Sie ermöglichen es uns allen, die Grenzgänge zwischen innerhalb und außerhalb, das Angefragtsein, das Exponiertsein im System, die verstörenden Aspekte von Lehren und Lernen in der Spannung von Heilsamkeit und Verführbarkeit bewusst annehmen zu können.

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Anmerkungen:

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1. Nowotny, Helga / Scott, Peter / Gibbens, Michael, Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit, Weilerswist 2004, 287.

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2. Vgl. zum Thema Mechanisierungen: Fuchs, Thomas, Die Mechanisierung des Herzens, Frankfurt a. Main 1998.

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3. Zum Thema Spiegelungen vgl. die Veröffentlichungen des Forschungsschwerpunktes Religion – Gewalt – Kommunikation – Weltordnung an der Theologischen Fakultät Innsbruck ebenso wie die Arbeiten der Religionspädagogin Ulrike Greiner.

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