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Ein forschungsgeleiteter Lehrer. Ansprache des Dekans beim Begräbnis von Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Kehl SJ

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-11-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die Leopold-Franzens-Universität verabschiedet sich von ihrem langjährigen Mitarbeiter Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Kehl. Die gemeinsame Geschichte wurzelte nicht in der Erfahrung der Liebe auf den ersten Blick. Wenn man schon bei P. Kehl solche Vergleiche anstellen müßte, dann würde man wohl Indien und den Erfahrungen am De-Nobili-Kolleg in Pune Vorrang gewähren müssen, von den paar Einzelerlebnissen bei Bärenjagd an der Indianerschulde St. Garnie in Kanada abgesehen. P. Kehl kam nach Innsbruck, weil er aus gesundheitlichen Gründen Indien verlassen mußte. Hier promovierte und habilitierte er, wurde 1970 zum ordentlichen Professor berufen, diente der Fakultät indem er auch verschiedene Ämter übernahm (darunter zwei Mal das Amt des Dekans) und wurde bereits 1982 emeritiert, blieb aber der Fakultät als aktiver Emeritus über lange Zeit eng verbunden.

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Die Universität und die Theologischen Fakultät, die sich von Ihnen - lieber P. Kehl - verabschieden, sind stückweise andere Institutionen geworden, als jene, die sie gekannt haben. Die Universität ist nicht nur größer und unüberschaubarer, damit auch anonymer geworden. Auch die Prioritäten haben sich stückweise verlagert. Doch selbst im Kontext der modernen Kriterien würden sie nicht so schlecht abschneiden. Sie waren ja eine leidenschaftliche Forscherpersönlichkeit. Mit unterschiedlichen Kulturen in Beziehung gekommen, tiefe Einsichten in die indische Religiosität gewonnen, gelernt Chancen und Sackgassen von Synkretismen zu entdecken, von den Funden in Nag Hammadi und Qumran tief beeindruckt, formulierten Sie für sich selber atemberaubenden Hypothesen über die Ähnlichkeiten (auch zur biblischen Überlieferung): “Da muss es doch tiefere Zusammenhänge geben” - war so ein Lieblingssatz von Ihnen. Sie sammelten und sammelten, lernten noch Koptisch... Die Gnosisforschung ließ sie nicht los und dies bis in die letzten Jahre. Solange Sie noch irgendwie sehen konnten.

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Als Sie nach Innsbruck kamen hat es im Neuen Testament ein personelles und inhaltliches Vakuum gegeben. Mit Ihrem religionswissenschaftlichen Hintergrund konzipierten Sie das Fach für Innsbruck neu und begeisterten die Studierenden. Diese haben in Innsbruck etwas gelernt, was man woanders nicht so lernen konnte. Die historisch-kritischen Fragestellungen zum Thema der Eigenart Jesu und der Rolle des Paulus wurden auf dem bereiten religionsgeschichtlichen Hintergrund präsentiert, beanspruchten die Aufmerksamkeit des Lehrenden und der Lernenden in einem Ausmaß, dass man schon von einer symbiotischen Einheit sprechen konnte. Ihre allererste Vorlesung in Innsbruck galt den Gefangenschaftsbriefen des Apostel Paulus, dann rückte die jesuanische Frage in den Mittelpunkt: “Die Botschaft Jesu”, “Von Israel zur Kirche”. Die mehrmals neu konzipierten Vorlesungen fühlten den Hörsaal. Neugierig warteten die Studierenden auf die Exkurse in denen Sie sich regelmäßig “verloren” haben, weil Sie in ihnen die ganze Breite ihrer Interessen und auch die Breite ihres Wissens hineingebracht haben.

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Unsere Zeit fragt nun nach Input und Output. Das Urteil, das in der Begründung des Fakultätskollegiums beim Ansuchen um die Professur vom damaligen Dekan P. Coreth gefällt wurde, charakterisiert Sie bestens: “Außerordentlich gründlicher und kenntnisreicher Wissenschaftler, der zwar nicht zahlreicher, aber wissenschaftlich sehr hochstehenden Arbeiten veröffentlicht”. Ihre Arbeit über den Kolosserhymnus aus dem Jahr 1967 wird ja bis heute in Standardkommentaren zitiert. Der wissenschaftliche Output von P. Kehl ist eindeutig im Kontext forschungsgeleiteter Lehre zu sehen. Er zog nicht nur Massen an (das tat er zwar auch), er faszinierte jene, die einen Hang zur Forschung spürten und neugierig weiterfragten.

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Die Fakultät, die sich heute von Ihnen verabschiedet ist stückweise eine andere. Die räumliche Enge der damaligen Tage und die gedrängte Institutsbibliotheken haben damals das Klima geprägt, zum Kontakt animiert. Jeden Freitag übten sich die MitarbeiterInnen in der Kunst des “Um die Ecke” denkens, weil Sie die Rätsel aus der “Zeit” kopiert haben und durch die Gegend getragen, und zum Wetteifer animiert haben. Auch das war der Mensch P. Kehl. In der Institutsbibliothek ein Buch suchend, natürlich nicht findend, den Assistenten anfauchend ..., er solle doch das Buch suchen... Kein Ergebnis! P. Kehl im Wortlaut: “Dieses Institut - gemeint war das Neutestamentliche Institut - ist ein einziger Sauhaufen!”. Der Assistent bemerkt trocken, ob er auch in seinem Zimmer im Kolleg nicht nachschauen könnte... Das Buch war natürlich dort. Der Mensch P. Kehl konnte aufbrausen, v.a. wenn er wiederum schlecht geschlafen hat. Bereits im Jahre 1966 hat die Fakultät dem Ministerium ein ärztliches Attest zugeleitet (die Zeiten haben sich doch geändert - heute klingt so etwa regelrecht archaisch): “P. Kehl ist gesund, außer zeitweise auftretenden Schlafstörungen nach Überbelastung sind keine psychischen oder physischen Störungen nachweisbar”.

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Vor allem im Kontext Ihres zweiten Dekanats haben Sie Einiges an Krisen durchstehen müssen, die Fakultät steckte ja damals in einer tiefen Krise. Sie waren ein Mitglied dieser Fakultät, der sich mit ihr voll identifiziert, “mit Haut und Haaren”, mit intellektuellen Fleiß und Ihrer Intelligenz zu ihrem Wohl beigetragen haben. Dafür möchte ich Ihnen - auch im Namen des Rektors - danken.

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Sie waren nie zufrieden mit dem, was Sie als Ergebnis ihrer Arbeit in den Händen hielten. Vorlesungen, Forschungsergebnisse: all das war für Sie bloß ein Stückwerk. Dieses Bewusstsein der Fragmentarität hat Sie bis in den Tod begleitet. Jetzt dürfen Sie zufrieden sein. Sie sehen ja jetzt die Wahrheit nicht mehr vermittelt, nicht wie im Spiegel und auch nicht durch menschliche Begrenztheit und Sünde verzerrt. Sie sehen die Wahrheit und sie werden von der Liebe der Dreieinigkeit umfangen. Das was immer ein Stückwerk war, hat nun der fruitio Platz gemacht: der fruitio Dei et beatorum. Das hoffen wir für Sie. Und wir beten auch darum . Eigentlich: zusammen mit Ihnen, lieber P. Kehl!

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