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Das Wunder der Weihnacht: Menschwerdung

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-12-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Jahr für Jahr hören wir zu Weihnachten über die Not und die Rettung der Menschen von damals. Die Welt der Propheten, die uns eigentliche so vertraut vorkommt, eine Welt, die in der Dunkelheit lebte, habe sich die durch die Ankunft des Messias und das Eingreifen Gottes verbessern sollen:

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 "Das Volk, das im Dunkel lebt,

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 sieht ein helles Licht

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 über denen, die im Land der Finsternis wohnen,

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 strahlt ein Licht auf.

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 Denn uns ist ein Kind geboren,

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 ein Sohn ist uns geschenkt.

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 Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter..." (Jes 9,1.5)

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Nun, der Messias ist gekommen, das bekennen wir Jahr für Jahr zu Weihnachten. Haben sich auch die Hoffnungen eines Jesaja erfüllt? Viele Menschen werden ohne mit den Schultern zu zucken die Frage mit einem enthusiastischen "Ja" beantworten. Müßte man aber nicht denen, die problemlos dies tun, die Maßstäbe des Jesajabuches entgegenhalten: - "Zeigt mir die gesprengten Ketten des Bösen! Zeigt mir die gerechten, nicht bestechlichen Herrscher! Zeigt mir das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens! Zeigt mir die getrockneten Tränen!" Ist nicht vielmehr das Gegenteil eingetreten? Gerade zu Weihnachten werden die meisten bitteren Tränen, die Tränen der Alleingelassenen, die Tränen der Gestrauchelten und der Kranken erst recht vergossen. Müssen wir nicht doch in unserer Hoffnung skeptischer werden, der alten rabbinische Geschichte mehr Aufmerksamkeit schenken und uns fragen lassen, ob sie nicht recht hat?

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Ein alter Rabbi wartet sein Leben lang auf das Kommen des Messias. Eines Tages schreit einer seiner Schüler:

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 - "Rabbi, Rabbi, der Messias ist gekommen!"

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Und der alte Rabbi geht zum Fenster, zieht die Vorhänge zurück, öffnet das Fenster und schaut sich die Welt an. Und was sieht er: Krieg und Ungerechtigkeit. Er sieht die Brüder, die im Streit leben. Er sieht die Kinder, die ihre Eltern ausnützen. Er sieht bloß Korruption, Lüge und Gewalt.

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 - "Nein",

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sagt der alte Rabbi. Er schließt das Fenster, zieht die Vorhänge zu und setzt sich mit finsterem Gesicht an seinen Studiertisch. Es hat sich nichts geändert, der Messias ist nicht gekommen.

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Was haben denn die Propheten nicht alles vom Messias erwartet? Eine umwälzende Veränderung, eine neue Erde mit neuen Menschen. Neid, Rivalität, Gewalt, das alles sei dann vergangen. Armut, Hunger, Einsamkeit, Streit seien vertrieben. Selbst die verdorrte, abgestorbene Natur käme zum Blühen und die Tiere zum Frieden untereinander:

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 "Dann wohnt der Wolf beim Lamm,

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 der Panther liegt beim Böcklein.

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 Kalb und Löwe weiden zusammen,

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 ein kleiner Knabe kann sie hüten.

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 Kuh und Bärin freunden sich an,

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 ihre Jungen liegen beieinander.

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 Der Löwe frisst Stroh wie das Rind.

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 Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter,

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 das Kind streckt seine Hand

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 in die Höhle der Schlange.

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 Man tut nichts Böses mehr

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 und begeht kein Verbrechen

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 auf meinem ganzen heiligen Berg;

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 denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn,

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 so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist." (Jes 11,6-9).

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Es sind dies uralte Sehnsüchte der Menschen - und deren Erfüllung? Wie sieht nun die "weihnachtliche Antwort Gottes" auf die Hoffnungen der Menschen aus? Es ist nicht das großartige Wunder Gottes, sondern anscheinend genau dessen Gegenteil. Gott kommt auf die Welt! Gott gibt die Antwort auf die Sehnsüchte der Menschen, doch nicht durch Wunder und Macht, sondern durch das hilflose Kind. Gott selbst wird Mensch, als der hilfloseste, verletzlichste aller Menschen, als ein kleines, armes Kind. Wenn man nun, wie die Christen am Glauben festhalten will, dass die göttliche Antwort und sein Weg in Jesus von Nazareth sichtbar wurden, so muss man fragen: Was soll diese Antwort im Kontext der großen prophetischen Erwartungen? Worin besteht eigentlich die Strategie Gottes in der Verwirklichung seines messianischen Reiches? Erlauben sie mir zuerst eine indirekte Antwort.

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Vor einigen Jahren habe ich eine seltsame Krippe in einem modernen Pfarrzentrum in Kufstein gesehen. Vor der Kirche bereits beginnend, gab es auf dem Boden große Fußspuren. Diese führten in einen Nebenraum bei der Kirche, in dem ein regelrechter Stall aufgerichtet war. Die Krippe selbst war ziemlich tief unter platziert. Um das Kind sehen zu können, mußte man sich tief beugen. Doch, ein jeder, der sich der Mühe unterzogen hatte und sich tief beugte, erblickte in der Krippe nicht ein süßes Kind, sondern sein eigenes Gesicht. Die Krippe war leer, nur am Boden lag ein Spiegel. Was viele Kinder vielleicht als Gag betrachtet haben, was viele Erwachsene vielleicht ärgerte, das war im Grunde eine tiefe Wahrheit von Weihnachten. Gott ist Menschen geworden, das heißt nichts anderes als dass sich in jedem menschlichen Gesicht das göttliche Antlitz widerspiegelt. Dieses Widerspiegeln sieht aber nicht anders aus, als dies bei jedem Spiegel der Fall ist: vielleicht ein wenig verzerrt, ein wenig trübe oder gar entstellt. Die in diesem Zusammenhang gegebene Antwort auf unsere Frage nach der Realität des messianischen Reiches müßte also lauten: Vielleicht ist unsere Welt so zum Verwechseln ähnlich dieser Welt des Propheten Jesaja, vielleicht hat sich deswegen so wenig auf der Welt verändert, ja vielleicht wird es auch schlimmer auf unserer Welt, weil wir uns dieser Wahrheit verweigern, dass Gott sich damals in Betlehem endgültig uns, den Menschen, ausgeliefert hat, dass unsere Menschlichkeit nun das einzige Wunder bleibt.

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Seit Betlehem gibt es nur noch eine einzige Antwort auf die Sehnsüchte des Menschen, nämlich die durch Gott selber geadelte Menschlichkeit eines jeden von uns. In dem Ausmaß, in dem mein Gesicht die Verletzlichkeit, die Hilflosigkeit, den Schmerz, aber auch das Lächeln des Kindes von Betlehem widerspiegelt, in dem Ausmaß, in dem ein jeder von uns sich von diesem Kind bekehren lässt, in dem Ausmaß wird auch die messianische Hoffnung ein Stück Wirklichkeit werden. Der göttliche Weg zum messianischen Reich der Gerechtigkeit und des Friedens ist an die Menschlichkeit des Kindes von Betlehem und dadurch auch an die Menschlichkeit eines jeden Menschen gekoppelt. Die Menschlichkeit eines jeden von uns muss von Gott erobert werden. Der Prophet Jesaja selbst hat sich diese Eroberung durchaus spektakulär und gewalttätig vorgestellt: Der Messias "Schlägt den gewalttätigen

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 mit dem Stock seines Wortes

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 und tötet den Schuldigen

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 mit dem Hauch seines Mundes." (Jes 11,4)

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In dieser Vorstellung war Jesaja zuerst jenen archaischen Bildern verpflichtet, die seinen Vorgänger Elija beflügelt haben: Gott erweise seine Stärke durch seine brachiale Gewalt. Dass Gott recht habe, beweise er dadurch, dass er seine Gegner niederstreckt, sie dem Schwert und dem Feuer preisgibt. Im Blutrausch wird die Göttlichkeit Gottes vom Menschen vernommen.

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Freilich hat sich Jesaja in seiner Vorstellung von dieser Eroberung durch Gott durch andere Propheten korrigieren lassen. So versuchte er zu unterscheiden zwischen den Ungerechten, denen das Gericht zuteil wird und den Gerechten, die die Rettung erhoffen. Eines vermochte er aber nicht: Sich vorzustellen, dass die Strategie Gottes in seinem Umgang mit den Menschen grundsätzlich anders sein kann. Die Strategie Gottes, wie sie sich in Bethlehem zeigte war aber anders: Sie war gewaltfrei. Die erste und eigentlich einzige "Waffe" Gottes bleibt das Lächeln des Kindes von Betlehem, und nicht das Schwert. Das Lächeln kann freilich unter Umständen stärker sein als das Schwert: es "tötet" den Feind und den Gegner im wahren Sinn des Wortes, weil es ihn zum Freund machen kann. In dem Ausmaß, in dem ich mich von diesem messianischen Geist aus Bethlehem "erobern" lasse, bin ich ein Stück des Weges dem messianischen Reich nähergekommen. Verweigere ich diese Erkenntnis, vertreibe ich die Spuren der Göttlichkeit aus meinem Gesicht, oder auch aus den Gesichtern meiner Feinde so warte ich umsonst auf Wunder.

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