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"Osterspuren!" Aber nicht im Leib. Oder doch?
(Eine Predigt auf dem Hintergrund von Joh 20,19- 31)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Universitätspredigt beim 11. Uhr Gottesdienst am Sonntag, 23. April 2006.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-04-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Eine Predigt auf dem Hintergrund von Joh 20,19-31

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„Caro cardo salutis!" - das Fleisch sei der Schlüssel des Heils; der Leib, der Körper sei der Weg zum allumfassenden Glück. Deswegen: „Just watsch your body and be happy!" - achte auf deinen Körper und sei glücklich. Achte auf seinen Rhythmen, beobachte den Körper - so wie der Hobbygärtner seinen Garten beobachtet, ihn deswegen auch pflegt und wässert, und düngt, aber auch jätet und umgräbt. Watsch - also - your body, beobachte deinen Körper, vor allem sein Gewicht! Esse und trinke also, vergiss aber das Fasten nicht. Und wenn das Fasten nicht hilft, und all das Trimmen und Joggen, und all die Bodybuildingstudios, dann suche die Schönheitschirurgen auf und lasse dich liften. Absaugen!

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Wie gesagt: Caro cardo salutis. Das Fleisch sei der Schlüssel des Heils, der Leib ein Dreh- und Angelpunkt des Lebens. Auch des öffentlichen: gerade in den Wahlzeiten sind die Leiber unserer Politikerinnen und Politiker nicht zu übersehen; einer vertrauensvoller als der andere. Kaum ein Werbeplakat, das uns das Evangelium carnis, das Evangelium des Fleisches nicht künden würde und unsere Vorstellung von dem, was denn ein „gelungenes caro" sei: das knackige Fleisch, der beste Body, der perfekte Körper und der liebevollste Leib - kaum ein Werbeplakat, das unsere Vorstellung vom Leib, jenem Leib, zu dem ich ohne wenn und aber ja sagen würde - kaum ein Werbeplakat, das unsere Vorstellung nicht prägen würde: Jung, schön, gesund und knackig! Der Leib: das Realsymbol des Menschen. Der Leib, den man streicheln möchte, der Mund, von dem man geküsst werden will, das Fleisch, das die Sehnsucht nach Verschmelzung wach hält (auch bei den Zölibatären).

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Caro cardo salutis - der Leib sei der Schlüssel des Lebens! Das weiß der Transplantationspatient, wie kaum jemand anderer; ein Patient, der auf die Niere, die Lunge, die Leber, auf das Herz wartet. Caro cardo salutis - der Leib sei der Drehpunkt des zukünftigen Lebens und das Tor zur Unsterblichkeit, der Schlüssel...! Das glauben doch Hunderttausende von Spitzenforscher im Bereich der Stammzellenforschung und die Enthusiasten der Klonindustrie.

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Wie man es dreht und wendet, enden alle Wege auf denen menschliche Sehnsüchte und Hoffnungen unterwegs sind: sie alle enden beim Leib und dessen scheinbar ungeahnten Möglichkeiten.

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Nicht mehr verhüllt, nicht verborgen, nicht tabuisiert. Ganz im Gegenteil: mit pornographischer Eindeutigkeit ins Rampenlicht gestellt, bleibt der Leib das mysterium fascinosum: das faszinierende Geheimnis unseres Zeitalters. Aber auch ein mysterium tremendum - ein erschreckendes Geheimnis. Soll das etwa heißen: caro cardo damnationis? Der Leib sei der Schlüssel zur Verdammnis? „Um Gottes willen!" - werden sich einige von ihnen denken - „selbst Niewiadomski kann sich vom klerikalen Geplapper und der kirchlichen Leibfeindlichkeit nicht lösen". Die kirchliche Leibfeindlichkeit vergangener Tage möchte ich nicht bestreiten. Doch sie ist harmlos verglichen mit dem, was auf uns zukommt. Und sie kann kaum jene hochmoderne Form des Leidens erklären, die sich aus der Koppelung meiner beider Sprüche ergibt: des lateinischen: „caro cardo salutis" und des „neulateinischen": „Just watsch your body and be happy".

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Liebe Schwestern und Brüder! Gerade, weil wir alle zu „Bodywatschers": zu Leibwächtern, zu Körperbeobachtern geworden sind, neigen wir immer mehr dazu, den eigenen Körper zu vergewaltigen. „Magersucht" ist ein modernes Phänomen und sie bleibt bloß die Spitze eines kulturellen Eisbergs. Gerade, weil wir zu „Bodywatschers" geworden sind, geht uns die gelassene Haltung der liebevollen Annahme seines eigenen Körpers abhanden. Wir pflegen zwar und hegen diesen Körper, liebkosen uns selber und auch die anderen, schaffen aber die Bilder all jener Körper, die wir nicht haben und auch nicht haben werden - als eigenen Körper oder aber als den der Partnerin und des Partners - wir schaffen diese Bilder aus unseren Köpfen nicht weg. Gerade, weil wir zu „Bodywatschers" geworden sind, sind uns die Bodys austauschbar geworden. Der Leib: das Realsymbol des Menschen, des geliebten Menschen, des sich liebenden Menschen, dieser Leib ist uns stückweise zum Warenlager geworden... für austauschbare Körperorgane. Mit Erschrecken stellt unsere leibfixierte Kultur fest - jene Kultur, die sich ihr Heil aus dem Leib verspricht, und dies nicht nur der Stammzellentherapie wegen - mit Erschrecken stellt diese leibfixierte Kultur fest, dass sie den Leib, den eigenen und auch den der geliebten Person, dass sie diesen Leib zunehmend als etwas Fremdes erlebt. Als Objekt, nicht aber als Realsymbol des Menschen. Die leibfixierte Kultur mutiert nach und nach zum Inbegriff der Leibfeindlichkeit.

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So ergreift sie die Leiber und liefert sie aus ... nicht nur unter die Messer der Schönheitschirurgen. Sie schlachtet die Leiber regelrecht aus. Sie küsst sie, aber indem sie die Leiber küsst, verrät sie diese. Sie stellt sie ins Zentrum, aber indem sie diese ins Zentrum stellt, schändet sie diese, missbraucht sie..., sie nagelt diese regelrecht ans Kreuz, friert diese ein, macht die lebenden Leiber zu Leichen, Menschen zu Zombies...: lebendig und tot zugleich. Wie jene Menschen, die in den Tiefkühlboxen in Phönix, Arizona eingefroren auf den Augenblick warten, wo sie aufgetaut werden..., um weiter zu leben. Wenn die Medizin inzwischen die Fortschritte gemacht hat, um ihre Krankheiten zu heilen... Schlussendlich: die leibfixierte Kultur banalisiert die Leiber. Der Fülle der Bilder von lächelnden, sich gesund ernährenden Leiber, die uns die Medien liefern, steht die Fülle der Bilder toter, ermordeter, ertrunkener, vergewaltigter Körper. Diese Fülle verkommt in unserem Kopf zu einem Strom, dem Strom der Bedeutungslosigkeit. Sechs Millionen Toten: so etwas reißt heute niemandem mehr vom Hocker.

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Just watsch your body and be happy! Caro cardo salutis? Oder caro cardo damnationis? Liebe Schwestern und Brüder. Ich habe ihnen diese Leibersymphonie zugemutet, weil auch Jesus - modern wie er ist - uns heute zuruft: Watch my Body, strecke deine Finger aus, berühre die Seitenwunde ... and be happy. My Body. Nicht your body! Schaue auf meinen Leib, nicht auf deinen. Werde also zum Leibwächter meines Leibes! Und wenn Du zum Leibwächter meines Leibes wirst, dann wirst Du selber - so paradox es klingen mag - Du wirst selber gerettet! Entdecke die Osterspuren an meinem Leib! Und wenn Du diese Spuren an mir entdeckt hast, wirst Du sie auch an deinem eigenen Leib entdecken. Und an den Leibern all jener, die Du berührst, mit denen Du zu Tische sitzt, oder auch im Bett liegst. Du wirst aber die Osterspuren auch an Leiber all jener entdecken, die Du verletzt und misshandelst. Selbst, oder gerade dann, wenn das Objekt deiner Misshandlung dein eigener Körper ist. Diese Prozedur der Entdeckung der Osterspuren wird dich aber versöhnen mit deinem konkreten Leib: dem männlichen und weiblichen, dem gesunden und kranken, behinderten Körper, dem verletzten und geschändeten.

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Watsch my Body! Werde zum Leibwächter des auferweckten Leibes Christi. Jenes Leibes, der durch Kuss verraten, ausgeliefert, geschändet und verspottet wurde und angenagelt. Jenes Leibes, dessen Leiche noch verletzt wurde, schlussendlich auch begraben. Werde zum Leibwächter dieses Leibes, dem all das widerfahren ist, was den Leibern unserer Zeit widerfährt und entdecke, dass dieser Leib nicht nur Objekt der Behandlung und der Misshandlung bleibt, sondern das Realsymbol der Person Christi. Selbst im Abgrund der Schändung. Selbst dort blieb dieser Leib der Inbegriff dessen, was ein Leib immer schon ist: die konkrete Form gelebter Hingabe. Der erfahrenden und der weitergegebenen Hingabe. Liebe und Leib: wann ließen die im Leben je sich scheiden? Watsch - also - my Body, sagt Christus: Werde zum Leibwächter meines auferweckten Leibes, um die Osterspuren zu entdecken. Jene Spuren, die es uns ermöglichen, den Inbegriff dessen, was der Leib immer schon ist auch, oder gerade sub contrario - in der Gestalt des Gegenteils - zu entdecken. Und sich versöhnen, damit auch leibfreundlicher werden.

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Eigentlich möchte Christus, dass wir nicht die „Bodywatschers" werden, sondern dass wir diesen seinen auferweckten Leib verinnerlichen: „Nehmt und esst, das ist mein Leib... Nehmt und trinkt..." Er möchte, dass seine leibliche Hingabe auch unsere eigene Leiblichkeit prägt, dass wir diese regelrecht „verdauen" und uns auch so gegen die Versuchung, den Leib zu banalisieren immunisieren.

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Osterspuren in der Leiblichkeit: das ist die Weitung der Perspektive. Der Leib wird dadurch nicht zu Gott, aber: er wird noch einmal als Gottes Geschenk greifbar. Deswegen ist der Leib nicht nur eine Formel für den Stoffwechsel, nicht nur ein Gehäuse für den Geist, nicht nur ein Warenlager für Organe. Der Leib: das ist der gottgewollte Schlüssel des Heils, der Dreh- und Angelpunkt des Glücks. Und der ganz konkrete Weg zum geglückten Leben, zu Gott. Also doch: caro cardo salutis! Der Satz entspringt ja nicht der modernen Werbeindustrie. Der altkirchliche Autor Tertullian hat das Ostermysterium auf diese Formel gebracht. Der Leib (Christi) sei der Schlüssel, weil die Hingabe dieses Leibes mich zwar wegnimmt von meinem eigenen Leib, dann aber mich selber mit meinem Leib versöhnt. Und so den Glauben ermöglicht..., einen Glauben, in dem es nicht um Vergeistigung geht, sondern um Verleiblichung. Um die Erweckung der Sinne. Und die wahre Leibeslust!

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