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| Die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts massiv einsetzende Globalisierung lässt unser Leben verstärkt durch den Weltmarkt bestimmt sein, vom Spiel der Aktien- und Finanzmärkte, den Informations- und Überwachungssatelliten, dem Konkurrenzkampf und den strategischen Allianzen der transnationalen Unternehmen und Banken. |
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| Die die Globalisierung bestimmenden Akteure sind miteinander verflochten – „interdependent‚ –, das heißt: aufeinander angewiesen und voneinander abhängig. Die Dynamik der Weltgesellschaft wird meines Erachtens vor allem durch das global vernetzte, universal operierende System Wissenschaft-Technik-Ökonomie-Medien strukturiert. Wissenschaft-Technik-Ökonomie sind ineinander verzahnt: Die Technik ist angewandte Naturwissenschaft. Die wissenschaftlich-technische Perfektionierung bedarf des quantitativen Wachstums, weil sie ansonsten nicht finanzierbar ist; industrielles Wachstum ist nur durch wissenschaftlich-technologische Erneuerungen zu erzielen. Dabei werden über die Medien jene Produkte forciert, die neue Bedürfnisse und neue Märkte schaffen, die einen Vorsprung im Verdrängungswettbewerb sichern. |
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| Die Weltgesellschaft zeigt sich uns in ihrer internationalen und transnationalen Verflechtung. Der Blick auf die Weltgesellschaft hat deshalb von einer internationalen Perspektive der Beziehungen zwischen Staaten und zwischenstaatlichen Abkommen und gleichzeitig von einem transnationalen Blickwinkel aus zu erfolgen – also von den mannigfaltigen Verflechtungsbeziehungen, die sich – von vielfach nicht überschaubaren und nicht kontrollierbaren Kräften gesteuert – auch über die Staatsgrenzen hinweg und durch die Staatsgrenzen hindurch ereignen. |
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| Die Dynamik dieser globalen Vernetzungsprozesse ist durch eine Macht-und Interessenkonstellation gekennzeichnet, die ein massives Wohlstandsgefälle schafft. Mit dem Begriff der „asymmetrischen Interdependenz‚ sind diese Prozesse und Entwicklungen gut gekennzeichnet. Ein einigermaßen ausgeglichenes Macht-und Wohlstandsgefälle zwischen den Staaten ist dagegen mit dem Begriff der „symmetrischen Interdependenz“‚ zu beschreiben. Eine solche Interdependenz liegt z.B. im westeuropäischen Raum vor. |
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| Die symmetrische Interdependenz ist für Analyse und Praxis der globalen Vernetzungen ein normatives Richtmaß. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die Grundfrage: Wie können wir uns – kontinent- und weltweit – dieser symmetrischen Interdependenz annähern?ier |
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| Machtverhältnisse, Wohlstandsgefälle und Interessenverflechtungen sind vor allem im Hinblick auf drei Sachfragen relevant: die wissenschaftlich-technisch-ökonomisch-mediale Interdependenz, die Ökologie und die militärische Macht. |
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| Um uns dem Richtmaß einer symmetrischen Interdependenz anzunähern, ist das Defizit an Koordinierungs- und Regulierungsleistungen auf kontinentund weltweiter Ebene zu beheben. Es ist die berühmte Frage nach einer den globalen Herausforderungen angemessenen Global-Governance-Architektur. Dieser Grundfrage soll in einer eigenen Studie nachgegangen werden. |
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| Eines scheint aber gewiss: ein weltweites symmetrisches Interdependenzgefüge wird nur dann erreicht werden können, wenn das massive Macht-und Wohlstandsgefälle durch die Einführung globaler Steuern, besser: durch Ausgleichsleistungen verschiedenster Art wesentlich gemildert, wenn nicht ausgeglichen werden kann. Dafür braucht es vor allem in den ärmeren Ländern den Aus- und Aufbau einer Infrastruktur („capacity building‚) – d.h. von gesellschaftlichen Basisstrukturen, der die Voraussetzungen schafft, die Gelder sinnvoll zu absorbieren, deren Einsatz diese Länder an die OECD-Welt heranführen soll. |
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| Die Soziallehre der katholischen Kirche kennt ein Sozialprinzip, das sich durch alle Sozialschreiben der universellen Kirche hindurch zieht. Es ist das „Gemeingebrauchsprinzip der Güter dieser Erde‚. „Gaudium et Spes‚, die Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils, gibt es in folgendem Wortlaut wieder: |
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| „Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe. Wie immer das Eigentum und seine nähere Ausgestaltung entsprechend den verschiedenartigen und wandelbaren Umständen in die rechtlichen Institutionen der Völker eingebaut sein mag, immer gilt es, achtzuhaben auf diese allgemeine Bestimmung der Güter. Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern muss er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, dass sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können. Zu dem steht allen das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdgütern zu haben‚ (Gaudium et spes 69). |
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| Dieses „Gemeingebrauchsprinzip‚ ist für die Global Marshall Plan Initiative – nicht zuletzt für die katholischen und evangelischen Christen in ihr – das ethische Grundprinzip, auf Grund dessen sie die Forderung nach der Einführung globaler Steuern erhebt. Im Rahmen der Ordnungsethik der „Sozialen Marktwirtschaft“‚ ist es das Prinzip der „zweiten Einkommensverteilung“, das weltweit zur Anwendung kommen soll. |
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| Eine globale Steuer – sinnvoll eingeführt – soll aus der Sicht der Global Marshallplan Initiative – grundsätzlich – vier Voraussetzungen erfüllen: |
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| erstens: Die Einnahmen müssen eine Höhe erreichen, die eine wirksame Ausgleichsleistung ermöglichen; |
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| zweitens: Die Administrierbarkeit muss relativ unkompliziert und billig sein; die Kontrolle möglichst einfach und klar; |
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| drittens: Ihr muss eine Lenkungswirkung im Sinne eines ökosozialen Umbaus unserer Gesellschaften zukommen; |
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| viertens: Ihre Einführung soll ohne großen politischen Widerstand durchsetzbar sein. |
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| Diese vier Kriterien scheinen in folgenden Steuern in etwa verwirklicht zu sein: |
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| 1. Eine Devisenumsatzsteuer würde das Volumen der Devisentransaktionen verringern. Kurzfristige, spekulative Kapitaltransfers würden im Vergleich zu langfristigen Anlagen verteuert werden. Die Weltwährungsmärkte würden stabiler werden. |
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| 2.Es gibt keinen sachlichen Grund, dass bislang keine Steuern auf Flugbenzin und Treibstoff für den Schiffsverkehr erhoben werden. Beim Flugverkehr besteht das Problem darin, dass bilaterale Abkommen (Air Service Agreements), von denen weltweit über 2500 existieren, und die in der Mehrzahl die gegenseitige Befreiung von sämtlichen Abgaben auf internationale Flüge enthalten, neu verhandelt werden müssten. Dies ist nur ein Beispiel, welche Hindernisse in einer verflochtenen Welt sich einer anscheinend einfachen Idee entgegenstellen. Der Steuerungseffekt einer solchen Steuer bestünde u.a. darin, dass ein Anreiz für den Bau emissionsarmer Triebwerke geschaffen wird. Mehr Kostenwahrheit im Verkehrssystem würde auch die regionalen Kreisläufe stärken. |
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| 3.Wertpapiertransaktionen auf den Sekundärmärkten sollten mit einem geringen Steuersatz besteuert werden, nicht dagegen der Ersterwerb neu ausgegebener Finanztitel. Die Haltungsdauer der Wertpapiere soll dadurch erhöht und damit die Finanzierungsfunktion von Investitionen durch Aktien und Anleihen verbessert werden. Das angestrebte Ergebnis: kurzfristige Finanzbewegungen und die von ihnen ausgehende Destabilisierungstendenz werden eingeschränkt und der Kapitalverkehr insgesamt verlangsamt. |
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| 4.Die Kohlendioxidsteuer (Carbon Tax) wäre eine internationale Ökosteuer, die den Ressourcenverbrauch verringern würde. |
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| 5.Die Besteuerung der Rüstungsexporte sollte vor allem den internationalen Waffenhandel eindämmen. |
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| 6.Eine Besteuerung von Finanztransaktionen mit Steueroasen würde das Hinterziehen von Steuern und Steuerbetrug erschweren; grundsätzlich sind diese Einrichtungen abzuschaffen. |
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| Wenn die Herausforderungen unserer Zeit bewältigt werden sollen, dann ist es unumgänglich, den Wandel alter und die Schaffung neuer Instrumente und Institutionen zustande zu bringen. Die herrschende Politik des „kleineren Übels‚ führt über eine Symptomkurpolitik nicht hinaus, sie tastet die Eigendynamik der Mittelanhäufung, den Systemzwang zum Verdrängungswettlauf nicht an. Ein Weg, der über die Symptomkurpolitik hinausweist, ist das Konzept des Ökosozialen Forums, das bereits weltweit vernetzt ist – der Global Marshall Plan, ein Weg, der die Implementierung einer weltweiten Ökosozialen Marktwirtschaft vorsieht. Dieses Konzept verdient meines Erachtens unser aller Unterstützung. |
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| Die Global Marshallplan Initiative setzt sich ein für ein verbessertes und verbindliches globales Rahmenwerk für die Weltwirtschaft, das die Wirtschaft mit Umwelt, Gesellschaft und Kultur in Einklang bringt. Vgl. www.globalmarshallplan.org |